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Mental Disorder

Do you trust your mind?
von

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Weiß

Schritte und Stimmen außerhalb der weißen Türe des weißen, weich bepolsterten Raumes ließen den Mann in der weißen Kleidung auf der ebenfalls weißen, gepolsterten Pritsche aufblicken. Es war selten, dass jemand den Gang vor der klinisch reinen und unangenehm nach Zitrone duftenden Zelle entlang kam. Das hatte der Mann in den letzten Tagen - oder waren es schon Wochen? Selbst der Blick aus dem vergitterten Fenster zeigte immer den gleichen trüben Himmel, als wäre die Zeit stehen geblieben - schon festgestellt. Wenn, dann kam nur jemand, der ihm durch eine Klappe am unteren Rand der weißen Türe ein Tablett mit Essen hindurch schob und das alte Tablett mit nahm. Und auch das passierte in unregelmäßigen Abständen und nutzte ihm darum nichts bezüglich dem einschätzen von Tagen und Stunden. Zumindest kamen ihm die Abstände zwischen seinen Essenslieferungen unregelmäßig vor. Genau sagen konnte er es allerdings nicht, denn sein Zeitgefühl ließ ihn seit er hier war völlig im Stich. Gleiches galt auch für sein Erinnerungsvermögen, das ihm einfach nicht verraten wollte, wie er hierher gekommen war. Das Letzte an das er sich erinnerte, bevor er in dieser weißen Hölle aufgewacht war, war der Duft eines süß-herben Eau de Toilettes in der Dunkelheit. Es hatte frisch und blumig gerochen und gleichzeitig samtig-warm und holzig. Und der markante Geruch von Moschus war für seine feine Nase ebenso kaum zu ignorieren gewesen. Er kannte diesen Geruch, das wusste er. Dieser Geruch erinnerte ihn an jemanden. Doch er konnte partout nicht sagen, an w e n es ihn erinnerte.
 

Das quietschen des Türriegels ließ ihn aus seinen Gedanken schrecken und aufblicken. Es war seines Wissens nach das erste Mal, dass sich die Türe öffnete seit er hier war. Anscheinend war das vorher nie nötig gewesen, hatte er doch in einer etwas abgetrennten Nische gegenüber seines Bettes sogar eine Plastiktoilette, sowie eine Dusche, welche allerdings nur aus einem sehr hoch angebrachten Duschkopf, einem Abflussgitter im Boden und einem Sensor an der Wand bestand. Selbst das Essen wurde auf Plastiktabletts in Plastikschüsseln und mit einem Plastiklöffel serviert. Somit wurden zwar die nötigsten Bedürfnisse des Menschen abgedeckt, es wirkte allerdings fast so, als wolle man verhindern, dass sich in diesem Raum jemand verletzte. Möglicherweise, damit es keine Notwendigkeit gab öfter nach ihm zu sehen.

Doch diesmal schien es einen Grund zu geben.
 

"Guten Tag, Mr. Lupin."
 

Remus kannte die schnarrende dunkle Stimme, die ertönte, nachdem die Türe nach außen hin gerade weit genug geöffnet worden war, damit eine einzelne, dunkelhaarige Person in schwarzer Kleidung und weißem Kittel ohne Probleme seinen Raum betreten konnte. Remus kannte die Stimme, die schwarzen Haare, die stechenden Augen und die auffallend große Nase. Nur der weiße Kittel irritierte ihn, war er es doch gewohnt, dass der Tränkemeister ihm gegenüber sich gänzlich in schwarz hüllte.
 

"Severus! Was machen Sie denn hier?", entkam es dem Werwolf überrascht, ehe er nach einem kurzen Blick hinter Severus Snape, zu dem Pfleger im Gang hinter der Türe, etwas leiser hinzufügte: "Und wo ist dieses 'hier' überhaupt?"
 

Das enttäuschte Seufzen, dass über die Lippen seines Gegenübers kam trug nicht dazu bei Remus Verwirrung zu lösen. Eher das Gegenteil war der Fall.
 

"Mr. Lupin, ich dachte, das hätten wir das letzte Mal geklärt, als ich hier war...", setzte nun der Tränkemeister ein Gespräch fort, an dass sich Remus anscheinend nicht erinnern konnte. "Ja, mein Name ist Severus Snape. D o k t o r Severus Snape. Und nein, ich bin kein Tränke mischender, Zauberstab schwingender, Lehrer in einer Zaubererschule. Und ich gehöre auch keiner Sekte an, die einen 'dunklen Lord' anhimmelt!"
 

Die Worte ließen Remus sprachlos zurück. Anscheinend gab es noch wesentlich mehr, an das er sich nicht erinnern konnte.
 

"Ich bin Arzt, Mr. Lupin. IHR Arzt.", sprach Dr. Severus-Ich-Bin-Kein-Tränkemeister Snape weiter und blickte eindringlich in die Augen seines Gegenübers. "Erinnern Sie sich nicht an unser Gespräch vorgestern?"
 

Vorgestern. Zwei Tage saß er also schon hier. Oder doch erst? Remus versuchte sich daran zu erinnern, wie oft der Mann mit dem Essen zu ihm gekommen war, seit er in diesem weißen Raum erwacht war. Oder wie oft er sich in dieser Zeit erleichtert oder geduscht hatte. Er konnte es nicht sagen. Ihm war es wie eine Ewigkeit vorgekommen, die er alleine in diesen weißen, nach Zitrone riechenden Wänden verbracht hatte. Doch es waren offensichtlich nur zwei Tage gewesen.

Remus schüttelte mit einem dumpfen Gefühl in der Brust den Kopf und starrte hinab auf seine Hände, die locker auf seinen Oberschenkeln ruhten. Er erinnerte sich nicht an das Gespräch. Und er verstand auch nicht, was hier los war.

Als sein Gegenüber erneut seufzte, blickte Remus auf und sah, wie sich Dr. Snape mit Daumen und Zeigefinger bei geschlossenen Augen über die Nasenwurzel fuhr. Die Geste sprach für die geringe Geduld gegenüber lebenden Wesen, die Remus von dem anderen Mann gewohnt war. Der Severus Snape den er kannte, hatte seine Geduld immer für wichtigeres reserviert als Gespräche mit anderen Leuten: Für das Brauen seiner Tränke.
 

"Mr. Lupin", begann Dr. Snape nach einem kurzen Moment des Schweigens, während er aus der Brusttasche seines Laborkittels eine Brille mit kleinen schmalen Gläsern holte und sich diese auf die Nase setzte. "Ich muss zugeben, ich bin enttäuscht. Nach unserem letzten Gespräch war ich frohen Mutes Sie vielleicht bald wieder in die offene Station verlegen zu können, doch wie es aussieht haben wir nach wie vor einen langen Weg vor uns. Ich werde mir Ihre Medikation noch einmal ansehen, vielleicht erzielen wir mit einer Umstellung auf andere Neuroleptika ja eine bessere Wirkung."
 

Wieder das Seufzen, dann zog sich der Arzt den Plastikstuhl neben Remus Pritsche heran und ließ sich auf diesen sinken. Remus hörte noch, wie die Zellentüre mit einem leisen Quietschen geschlossen wurde, doch die Schritte des Pflegers entfernten sich vorerst nicht. Wahrscheinlich wollte man einen Arzt nicht mit einem Patienten wie Remus es war, alleine lassen. Es wunderte ihn nicht. Immerhin war er ein Werwolf.
 

"Mr. Lupin, was ist das letzte woran Sie sich erinnern?"
 

Zu dem dumpfen Gefühl der Unsicherheit in seiner Brust, gesellte sich ein Déjà-vu, dass er diese Frage bereits gehört und beantwortet hatte.
 

"Dunkelheit. Und der Geruch eines Eau de Toilettes"
 

"Und vor dieser Dunkelheit?"
 

Das Gefühl verschwand nicht.
 

"...Ich laufe durch einen Wald. Es ist Abend, der Tag des Vollmonds. Ich habe meine Mitstreiter verlassen, um sie vor dem Wolf zu schützen. Wir hatten keinen Wolfsbanntrank mehr und ich wollte kein Risiko eingehen."
 

"Von welchem Wolf reden Sie?"
 

Remus Hände begannen zu zittern.
 

"...Severus, das wissen Sie. Ich spreche von mir. Von der Bestie, die sich zeigt, sobald der Vollmond aufgeht. Von dem Wolf, der dann von mir Besitz ergreift. Oder haben Sie vergessen, dass ich ein Werwolf bin??"
 

"Es gibt keine Werwölfe, Mr. Lupin."
 

Die wenigen, ruhig gesprochenen Wörter brachten Remus aus dem Konzept. 'Es gibt keine Werwölfe, Mr. Lupin.' Ein bitteres, ungläubiges Lachen entrang sich Remus Kehle und seine Hände ballten sich zu Fäusten.
 

"Natürlich gibt es Werwölfe! Ich sitze immerhin direkt vor Ihnen!"
 

Es sollte keine Werwölfe geben? Er konnte nicht glauben, dass Severus das behauptete! Was war dann er? Was hatte er dann all die Jahre durchgestanden?! In was hatte er sich sonst jeden Monat zu jedem Vollmond verwandelt?! Wenn er kein Werwolf war, was war er denn dann?!
 

Verrückt.

Eine kleine Stimme in Remus Hinterkopf ließ ihn zusammenzucken. Der Knoten aus Unsicherheit und Angst in seiner Brust zog sich stärker zusammen und er spürte, wie sein Puls anstieg. Wurde er verrückt? War er es vielleicht schon?

Das würde zumindest seine Umgebung erklären. Und die Worte von Severus - seinem Arzt? - über die offene Station.
 

"Mr. Lupin."
 

Erneut riss die Nennung seines Namens ihn aus seinen Gedanken. Erst jetzt bemerkte Remus, dass er die Hände geballt hatte, dass seine Fingernägel sich in seine Handballen gruben und er zitterte.
 

"Mr. Lupin, beruhigen Sie sich und hören sie mir zu! Reißen sie sich zusammen und atmen sie tief durch."
 

Automatisch schloss Remus die Augen und lauschte auf seinen Herzschlag, während er den harschen Worten des Tränkemeisters - oder doch Arztes? - Folge leistete und tief ein und aus atmete. Er durfte seine Kontrolle nicht verlieren, das wusste er. Ohne Kontrolle stellte er eine Gefahr dar. Er musste sich beruhigen!

Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen.

Langsam spürte er, wie sich seine Hände lockerten, wie der leichte Schmerz in seinen Handballen verging und sein Herzschlag sich allmählich beruhigte.
 

"Gut gemacht, Mr. Lupin. Und jetzt sehen sie mich an."
 

Wie befohlen öffnete Remus die Augen und erwiderte den ernsten Blick seines Gegenübers. Etwas lag in Severus' Blick, doch Remus war zu durcheinander, um zu verstehen, was es bedeutete. Zudem ließen seine sonst so scharfen Sinne ihn heute offensichtlich im Stich. Außer diesem penetranten Geruch nach Zitrone konnte er nichts wahrnehmen.
 

"Mr. Lupin, wissen sie wo sie sich befinden?"
 

Automatisch schüttelte Remus den Kopf.
 

"Mr. Lupin, sie befinden sich im Bethlam Royal Asylum in London. Sie befinden sich in einer psychiatrischen Anstalt. Sie wurden vor ca. einer Woche auf die geschlossene Station und in diesen Raum verlegt als sich Ihr mentaler Zustand durch einen psychotischen Schub plötzlich massiv verschlechterte. Aber in dieser Anstalt leben sie mittlerweile seit beinahe dreißig Jahren."



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