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Hunters

Die Erinnerungen des alten Silver
von

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Kapitel Drei

~Kapitel Drei~

Lautes Gebrüll war in der Halle zu hören. Viele Schritte wirrten umher. Der ganze Palast war aufgebracht. Niemand hatte in der Nacht geschlafen oder auch nur etwas gegessen. Der Hofstaat stand unter Schock. Direkt nach seiner nächtlichen Ankunft erfuhr König Sorth, dass zwei Verbrecher seine Tochter entführt hatten. Sofort schickte er seine Truppen los und ließ nach ihnen suchen.

Kayt war trotz der ganzen Aufregung wie immer die Ruhe selbst und behielt einen kühlen Kopf. Vielleicht war das auch der Grund, weswegen seine Majestät ihn zum ersten General ernannt hatte, zu seiner rechten Hand. Er saß schweigend mit einem Buch in der Hand im Thronsaal auf dem Fenstersims und wartete auf seine Befehle. Etwas beschäftigte ihn. Schon längst konzentrierte er sich nicht mehr aus sein Buch. Nachdenklich schaute er aus dem Fenster.

Nachdem er mit dem König in der Nacht zurückgekehrt war und sie die Nachricht von der Entführung der missratenen Göre erhielten, begab er sich direkt in die Kerker. Die Prinzessin entführen, das war kein Kunststück. Sie war naiv, schwach und leicht zu beeindrucken, das hätte jeder Idiot mit einem Messer und einem halbwegs guten Plan schaffen können. Aber derselbe Idiot hätte nie im Leben aus dem Verlies ausbrechen können. Die Gitterstäbe waren aus dickem, gehärtetem Stahl, nicht zerstörbar. Und das Schloss? Es war kein einfaches Schloss, für das man nur einen Schlüssel oder gar ein Stück Draht braucht. Ein Runen-Schloss. Nur zu öffnen mit dem passenden Schlussstein. Es gab jeweils nur zwei Exemplare für jedes Schloss. Eines besaß der Kerkermeister. Das andere Duke, der zweite General Seiner Majestät. Keine Chance an auch nur einen von beiden heranzukommen. Duke war im Süden und der Kerkermeister treu bis aufs Blut. Wie haben sie das nur geschafft? Dann sah er die Überreste des zerstörten Runen-

Schlosses.

Er wurde schlagartig aus seinen Gedanken gerissen, als der König die Tür zum Thronsaal aufstieß. Mit lauten, schweren Schritten durchquerte er den großen Raum. Erschöpft ließ er sich auf dem gewaltigen, Kayt's Meinung nach, viel zu pompösen Thron sinken. Ein Diener eilte hastig herbei. König Sorth leerte den herbeigebrachten Becher, vermutlich Rotwein, in einem Zug. Kayt stand auf, legte sein Buch zur Seite und ging auf den König zu. Einige Schritte entfernt von ihm blieb er stehen und machte eine Verbeugung. »Gibt es Neuigkeiten, Majestät?« Wütend sprang der König auf und mit einem gewaltigen Hieb warf er den Becher zu Boden. »Keiner – KEINER wagt es mich so zu verspotten! Wie kann dieses widerliche Gesocks es wagen, einfach durch MEINE Hallen zu spazieren? Wie ist das überhaupt möglich? WER IST DAFÜR VERANTWORTLICH?« Kayt musste an den armen Kerl denken, der König Sorth die Nachricht überbrachte. Dass seine Majestät ihn als erstes klein machen würde, war nicht anders zu erwarten... Aber gleich einen Kopf kürzer?

»Na na na mein Liebster, beruhige dich. Du weißt doch, Stress bekommt dir nicht.« Hinter dem Königsthron trat Königin Nigra hervor. »Kayt, mein Lieber, mein Gatte wird doch wohl hoffentlich nicht wieder seinen Zorn an dir auslassen?« »Gewiss nicht, Hoheit.« Abermals machte Kayt eine Verbeugung. »Reg dich nicht auf, Liebster, wir können es sowieso nicht ändern. Deine Leute suchen doch schon, oder Kayt?« Charmant lächelte die Königin ihn an. »Natürlich, eure Hoheit. Alle derzeit verfügbaren Einheiten sind auf dem Weg.« »Na siehst du, die Aufgabe ist in fähigen Händen. Nun entspann dich etwas und schau bitte nicht mehr so grimmig drein.« Ihre Eisgrauen Augen ruhten auf dem Gesicht ihres Mannes. König Sorth schloss die Augen, atmete durch und setzte sich wieder. »Lass mich allein!« blaffte er. Kayt nickte. Er entfernte sich vom Thron, holte sein Buch und verschwand ohne ein weiteres Wort zur Tür hinaus. Als er hinter sich die Tür zugezogen hatte, seufzte er und schüttelte den Kopf. Dafür werden noch so einige Köpfe mehr rollen.

Er machte sich auf den Weg in Richtung Schlosshof. Er brauchte frische Luft um seinen Kopf frei zu bekommen. Das zerbrochene Runen-Schloss ließ ihm keine Ruhe. Das war unmöglich. Was hat solch eine Zerstörungskraft? Er konnte es sich nicht erklären. Draußen angekommen schloss er seine Augen. Eine warme Spätsommerbrise wirbelte die schon heruntergefallenen Blätter auf. Er öffnete seine Augen und schaute in den Himmel. Dunkle Wolken zogen auf, gegen Mittag würde es Regnen. Kayt wischte sich einige der schwarzen Strähnen aus dem Gesicht. Dabei streiften seine Finger das Stigma neben seinem rechten Augen. Es war ein dunkelrotes, gezacktes Symbol, eine Art Tribal, welches von seiner Schläfe bis zu seinen äußeren Wangenknochen verlief. Jedes mal wenn er daran dachte, packte ihn die kalte Wut. Denn es erinnerte ihn nicht nur an seine schandhafte Herkunft, sondern auch an...

»General?« Abermals wurde Kayt unsanft aus seinen Gedanken gerissen. Als er sich umdrehte stand Königin Nigra bereits vor ihm. »Hoheit? Kann ich etwas für euch tun?« Die Königin schaute ihn kühl an. »Allerdings. Ich will, dass du die Suche nach meiner Tochter auf ein Minimum beschränkst.« Er schaute sie verwirrt an. Wieder setzte sie ihr nur allzu charmantes Lächeln auf. Kayt konnte diesen verlogenen Zug von ihr, ganz plötzlich die liebenswerte Frau zu spielen, die sie gar nicht war, nicht leiden. Aber selbstverständlich hätte er ihr das nie offen gezeigt. »Ich habe nicht das Gefühl, dass meine Tochter in wirklich ernsthafter Gefahr ist.« Er schaute sie fragend an. »Wie meint Ihr das?« Die Königin grinste. »Ich meine, dass ich davon überzeugt bin, dass diese Kerle sie nicht umbringen werden. Diese ganze Aktion kommt mir viel zu ungeplant vor.« Kayt nickte. »Ja, es gab weder eine Lösegeldforderung noch irgendwelche Anzeichen dafür, dass die beiden überhaupt unter einer Decke steckten. Für mich klingt das ganze so, als hätten sie sie als eine Art Schutzschild für ihre Flucht genutzt. Ich zumindest gehe derzeitig davon aus, dass die beiden die Prinzessin nach einiger Zeit wieder irgendwo aussetzen werden.« »Den Göttern sei Dank, ich bin nicht die einzige, die das glaubt!« Langsam etwas ungeduldig, verschränkte Kayt die Hände vor der Brust. »Eure Hoheit, Verzeiht, aber ich bin mir immer noch nicht ganz im klaren darüber, was genau ihr beabsichtigt.« Verspielt zwirbelte die Königin ihr silbernes Haar zwischen den Fingern. »Ich hoffe, dieser kleine Ausflug raus aus dem Palast wird sie lehren, etwas bescheidener zu sein. Ganz im Vertrauen, Kayt, ich kann ihre ewig plärrende Stimme einfach nicht mehr ertragen. Verstehst du, was ich meine?« Es war kein Geheimnis, dass die Königin nicht viel Liebe für ihre einzige Tochter empfand. »Ihr meint, das Ganze soll eine Art Lektion für sie werden?« Sie lachte auf. »Du hast es erfasst! Also, kannst du mir diesen kleinen Gefallen tun? Keine Sorge, seine Majestät wird davon natürlich nichts erfahren.« fügte sie hinzu, als sie Kayt's besorgtes Gesicht sah. »Na gut, ich werde eurer Bitte nachkommen, Hoheit. Kann ich sonst noch etwas für euch tun?« Nachdem sie mit dem Kopf geschüttelt hatte, machte er eine kleine Verbeugung und wollte wieder zurück ins Schloss gehen. »Worum geht es in deiner Lektüre?« rief ihm die Königin hinterher. Er drehte sich um und zeigte ihr flüchtig den Einband. »Magische Waffen.«
 

Zoran wartete ungeduldig vor dem Geschäft. Wie lange braucht die denn noch? Weiber! Er tippte ungeduldig mit den Fingern auf seinen verschränkten Armen. Endlich kamen Blake und Sharon zur Tür hinaus. Anstatt ihres seidenen Alptraums in Rosa trug Sharon nun ein schlichtes, blaues, Baumwollkleid. Ihre Haare waren zu einem einfachen Zopf gebunden und an den Füßen trug sie braune Lederstiefel. Sie sah eigentlich recht hübsch aus, aber trotzdem war Sharon alles andere als zufrieden. »Das ist doch nicht euer ernst? Ich kann doch nicht so einen Sack tragen! Was, wenn mich jemand so sieht?« Blake verdrehte die Augen. »Das ist der Sinn der Sache. Wenn dich jemand so sieht wird er keinen Verdacht schöpfen.« Sharon zupfte an ihrem Kleid herum. »Ich sehe aus wie eine Bauernmagd!« Zoran schüttelte den Kopf. »Los jetzt, ich will nicht den ganzen Tag hier rumstehen. Lass mal sehen, wie viel ihre Sachen eingebracht haben.« Grinsend hielt Blake seinen nun prall gefüllten Geldbeutel hoch. Sharon schaute abwechselnd Blake und Zoran an. »Es sind meine Sachen gewesen, der Gewinn steht mit zu!« Die beiden ignorierten sie. »Wie viel?« Blake griff in dem Beutel und holte eine handvoll Goldmünzen raus. »Davon könnte eine Großfamilie ein ganzes Jahr lang jeden Tag fürstlich Speisen.« Verwirrt schaute Sharon die Ausbeute an. »Was, davon? Das reicht doch grade mal für ein Paar Tage.« Zoran spürte, wie er wütend wurde, behielt aber die Fassung. »Sharon, warst du schon einmal außerhalb des Palastes?« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Natürlich nicht! In der Welt wimmelt es nur so von schmutzigen Gaunern, Räubern, Verbrechern und Huren. Mal abgesehen davon will ich mir ganz sicher nicht die Pest oder irgendwas anderes ekliges einfangen.« Blake schlug die Hand vor den Kopf. Zoran starrte sie fassungslos an. »Sind das die Geschichten, die man dir da oben erzählt hat? Das alle Menschen dieser Welt Abschaum sind?« Sharon wirkte schockiert. »Wie bitte?« »Das ist ja mal wieder typisch!« meldete sich Blake zu Wort. »Verwöhntes Pack! Der Pöbel schuftet sich bis auf das letzte Gramm das Fett von den Knochen, nur damit das feine Palastgesindel unbehelligt weiter seinen Kuchen mit goldenen Gabeln essen kann!« Wütend schlug Blake mit der Faust gegen die Mauer. Sharon war sicher wütend, dachte Zoran. »Was willst du damit sagen? Antworte mir!« »Das weißt du ganz genau! Du arrogante, egoistische...« »Blake, es reicht!« Zoran erhob die Hand zum Schweigen. Mit geballten Fäusten drehte Blake den Beiden den Rücken zu und lehnte sich an den angrenzenden Zaun. »Ich glaube« begann Zoran ruhig »sie weiß wirklich nicht, was wir meinen.« Blake ließ ein verachtendes Schnauben von sich hören, was Zoran aber ignorierte. Langsam ging er auf Sharon zu. Diese wich angewidert zurück. Verunsichert drückte sie sich an die Wand des Ladens und schaute die Beiden abwechselnd, mit zornigen Augen, an. »Woher nimmt er sich das Recht mich so anzuschreien? Habe ich etwa irgendetwas falsch gemacht?« Zoran seufzte. Dann schaute er ihr tief in die Augen und fing an ruhig zu ihr zu sprechen. »Ich weiß, dass du es vermutlich unwissentlich getan hast, also kann man dir dafür nicht direkt Schuld geben.« Blake ließ von neuem einen verächtlichen Laut von sich, aber auch diesen ignorierte Zoran und sprach ruhig weiter. »Aber wenn du mich fragst, was du falsch gemacht hast... Nun ja... Alles.«

Zoran strich sich mit den Händen durch sein Haar und überlegte, welche Worte nun am geschicktesten waren. Und während er darüber nachdachte wurde ihm bewusst, wie lächerlich diese Situation war. Sorth, die Wurzel allen Übels, der Herr des Leidens und des Schmerzes aller Völker dieser Welt... Nur seinetwegen hatten die Menschen Angst, Schmerzen, Hunger, Krankheiten und waren arm. Der dunkelste Herrscher, den die Geschichte jemals hervorgebracht hatte. Und genau dessen Tochter stand nun vor ihm und hatte von all dem nicht die leiseste Ahnung.

Blake unterbrach das unangenehme Schweigen. »Ich würde vorschlagen wir suchen uns einen ruhigeren Platz, mir wird es langsam zu voll hier.« Zoran war nicht entgangen, dass die Hauptstraße immer voller wurde. »Lasst uns eine Gaststätte suchen, dann können wir direkt etwas Essen.« Sein Magen knurrte schon seit Sonnenaufgang. Sie banden die Pferde los und machten sich mit der wutschnaubenden Prinzessin im Schlepptau auf die Suche.

Kurze Zeit später entdeckten die drei eine kleine Taverne. Zu ihrem Glück war sie leer, nur der Wirt stand hinter der Theke und spülte ein paar Gläser. Blake zog Sharon zu einer Sitzgruppe, gut versteckt in der hintersten Ecke. Zoran sprach den Wirt an. »Guten Morgen, der Herr. Kann man bei Ihnen ein kleines Frühstück bekommen?« Der Wirt nickte zögerlich. »Ja, aber wirklich nur ein kleines. Die Preise für Lebensmittel sind wieder gestiegen, die guten Sachen können wir uns nicht mehr leisten.« Zoran nickte verständnisvoll. »Was können Sie uns denn anbieten?« »Ungesalzenes Rührei, Brot und Wasser.« »Das reicht uns vollkommen! Wenn es keine Umstände macht hätten wir gerne drei Portionen. Wir können auch alles bezahlen.« Der Wirt strahlte ihn an. »Gerne, der Herr! Bitte setzen Sie sich doch schon, ich bringe es Ihnen gleich an den Tisch.« Zoran begab sich zu den Anderen und setzte sich neben die Prinzessin. Sharon starrte wütend aus dem Fenster und Blake ließ sie dabei nicht aus den Augen. »So, Essen kommt gleich. Hast du dich einigermaßen beruhigt?«, fragte er Sharon, die ihn daraufhin einen wütenden, wenn auch lächerlich schwachen, tritt in die Knöchel verpasste. »Ich bin schon ganz gespannt, welchen Bären ihr mir gleich aufbinden werdet.« sagte sie in sarkastischem Ton. Zoran, bislang nur genervt war von Sharon und ihrem Gejammer und Geschrei, entwickelte langsam aber sich eine gewisse Wut gegen das freche Biest.

Trotz allem blieb er gewohnt ruhig und schaute sie an. »Hör zu, auch wenn einige von uns hier nicht den Eindruck machen« er schaute grimmig zu Blake »verspreche ich dir, dass dir keiner etwas antun wird. Hast du verstanden?« Sie gab einen genervten Laut von sich. »Ich höre?« Ungeduldig schaute sie Zoran an. Wohl wissend, dass er ihr nicht die Antwort geben konnte, die sie zu hören hoffte, begann er zu erzählen. »Am besten fange ich ganz von Vorne an, damit du auch alles verstehst. Vor ziemlich genau achtzehn Jahren kam Sorth an die Macht.« »Ich weiß« unterbrach Sharon ihn genervt. »Er hat den unfähigen König Philemon abgelöst.« Er schüttelte den Kopf. »Er hat ihn nicht einfach abgelöst, er hat ihn getötet.« Zoran sah ihr an, dass sie seine Worte stark bezweifelte. »Blödsinn, so etwas würde Va-« Blake deutete ihr, sie solle schweigen. Der Wirt kam zu ihrem Tisch und brachte drei große Krüge mit Wasser. »Bitteschön, die Herrschaften. Das Essen dauert noch einen Moment.« Er verschwand wieder in Richtung Küche. »Pass gefälligst auf, wenn jemand raus findet wer du bist, sind wir so gut wie tot!« Zoran ergriff wieder das Wort. »Ich weiß, dass du das nicht hören willst und mir vermutlich auch nicht glaubst, aber es ist wichtig, dass du es endlich erfährst. Erinnerst du dich nicht mehr an Sorth's Machtergreifung?« Sie schüttelte den Kopf. »Wie denn? Damals war ich erst ein Jahr alt.« »Ach so, ich dachte du seist schon etwas älter. Jedenfalls... König Philemon war vielleicht nicht der Fähigste, aber er war gütig und das Volk hat ihn geliebt, trotz seiner kleinen Fehler. Den Menschen ging es gut. Es war kein luxuriöses Leben, aber keiner musste hungern. Sorth war damals einer der Generäle König Philemons. Angeblich hasste er seinen Gerechtigkeitssinn. Er war und ist immer noch der Meinung, Geld gehört dem Adel. Und nur dem Adel. Der Pöbel dient nur dem Zweck, für das wohl der Höhergestellten zu schuften.« Zoran stoppte und nahm einen großen Schluck aus dem Krug. Blake trommelte genervt mit den Fingern auf die Tischplatte. »Damals kursierten schon lange die Gerüchte, dass Sorth einen Putsch plant, aber es konnte ihm nie nachgewiesen werden.« Sharon ließ keine Zweifel daran, dass sie diese Geschichte für Unsinn hielt, ließ Zoran aber weitersprechen. »Und während alle anderen noch rätselten, sammelte Sorth heimlich Gefolgsleute um sich. Allesamt mächtig und bis aufs Blut fest davon überzeugt, Sorth sei der fähigere Herrscher.« »Ist ja alles schön und gut, aber was für Gefolgsleute sollen das denn gewesen sein?« »Überleg doch mal. Wer hat denn, nach Sorth, den höchstens Status?« Sharon dachte nach. »Meine Mutter?« Zoran nickte. »Genau. Etwa zwei Jahre zuvor heiratete Sorth die Tochter der Baroness von Trystien, Nigra. Sie war sehr schön, sehr Einflussreich und schon damals eine Meisterin der schwarzen Magie. Für jemanden wie Sorth die perfekte Partie. Wer kommt als nächstes in der Rangfolge, außer dir?« Zoran sah, wie Sharons Augen funkelten und ihre Wangen sich röteten. »General Kayt!« Zoran musste schmunzeln. Blake hingegen fing höhnisch an zu lachen. »Kayt... Wenn ich den Namen nur höre! Spielt sich als großer Gönner auf und befehligt gleichzeitig eine Armee mit tausenden von Männern! Ein mieser Heuchler ist das.« »Und ein Verräter seines Volkes.« Sharon wurde wütend. »So könnt ihr nicht über ihn reden! Er ist ein gutherziger Mann und für seine Herkunft kann er nichts!« Zoran sprach ruhig weiter. »Weißt du, was er getan hat?« »Ja, er wurde von meinem Va-... von König Sorth verschont, als dieser die Antika ausrotten ließ.« »Falsch. Kayt selbst war es, der sein eigenes Volk, die Antika, bis auf das letzte Kind ausradierte.« Bei diesem Gedanken schlug Zoran wütend mit der Faust auf den Tisch. Dann meldete sich Blake zu Wort. »Na ja, bis auf das letzte Kind? Angeblich gibt es einen weiteren überlebenden Antika.« »Das weiß man nicht genau, aber das ist auch egal. Als nächstes in der Reihenfolge wäre noch Duke, der zweite General. Er zerstörte die Städte der Ältesten. Mit all seinen Bewohnern starb auch das Jahrtausende alte Wissen, welches sie im Laufe der Geschichte angesammelt und weitergegeben haben. Alles am dreizehnten des dreizehnten Monats im 3136. Jahr.« Blake ballte die Fäuste. »Diese Liste kann man endlos fortsetzen.« Zoran nahm einen weiteren Schluck aus dem Krug. Während er erzählte begann er wieder den Hass in sich zu spüren, den er tagtäglich unterdrückte. Unendlicher Hass gegen Sorth und alles und jeden, was sich um ihn sammelte und ihn anbetete, als wäre er der Erlöser dieser Welt. »Aber... das alles hat sich abgespielt, als ich noch ganz klein war. Also was meinst du damit, wenn du sagst, ich habe alles falsch gemacht?«

Zoran wusste, dass nun der schwerste Teil seiner kleinen Zusammenfassung kommen würde. »Blake, gib mir mal das Geld.« Blake runzelte die Stirn, warf ihm dann aber nur widerwillig den schwarzen Lederbeutel zu. Zoran hielt ihn Sharon vors Gesicht. »Das alles hier haben wir allein durch den Verkauf deines Kleides und deines Schmucks erhalten.« »Ja und? Festbekleidung und Schmuck ist nun mal nicht billig, das weiß doch jeder.« Fragend schaute Sharon den Geldbeutel an. »Hast du dich schon mal gefragt, woher das ganze Geld kommt? Wie der Palast den ganzen Luxus finanziert, den du und seine Sippe, dich eingeschlossen, leben?« Sharon schüttelte den Kopf. »Das sind Steuergelder. Jeder Bürger dieser Welt muss Steuern zahlen. Und das nicht zu knapp.« »Ja aber, das kommt doch dem Pöbel zugute? Ihr wisst schon, heile Straßen, restaurierte Brücken und solche Sachen eben.« Jetzt war es Zoran, der höhnisch auflachte. »In nächster Zeit wirst du mehr als genug Gelegenheiten bekommen, dich selbst vom Gegenteil zu überzeugen. Du wirst nicht eine heile Brücke finden und Straßen gibt es schon lange kaum noch welche. Alles nur matschige Schlammwege, mit spitzen Steinen übersät. Nein, du naives Ding, das Gold dient einzig und allein eurem Wohlstand. Die Bürger arbeiten sich zu Tode nur damit ihr eure schicken Feste feiern könnt und euch die Bäuche vollschlagt. Du hast vorhin erfahren, dass man mit dem Inhalt allein dieses kleinen Beutels eine Großfamilie ein ganzes Jahr lang mehr als satt bekommen kann. Dann rechne dir jetzt aus, wie viele dieser armen Menschen über was für einen immensen Zeitraum arbeiten mussten, nur damit du dir ein schickes Kleid kaufen konntest. Und du wunderst dich, wieso wir Hass bekommen, wenn du alle Männer als Verbrecher und alle Frauen als Huren schimpfst.«
 

Eilig kam der Wirt mit einem großen Tablett um die Ecke und stellte ihnen ihr karges Frühstück auf den Tisch. Blake und Zoran bedankten sich und fingen gleich an zu Essen. Sharon konnte nur schweigend auf ihren Teller starren. Nach dieser Dreistigkeit, die sich die beiden erlaubt hatten war ihr restlos der Appetit vergangen. Und diese Pampe vor sich hätte sie sowieso nicht runter schlucken können. Ihr Vater, den sie so verehrte, nichts weiter als ein Tyrann? General Kayt, den sie immer aus der Ferne bewundert hatte, ein Verräter? Der starke General Duke ein Mörder? Dreiste Lügen! Sharon beschloss diesen Geschichten keinen Glauben zu schenken. Sie saß nur schweigend da und überlegte, wie sie ihre Entführer bestrafen lassen würde.



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