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Hin und wieder Zurück - oder auch nicht! (Denn es ist schön hier)

Wenn Mary Sue auf Zwerge trifft... [Crack FF]
von

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Ich, ein Ellon?

Schnell wie ein Blitz flitze ich zwischen den hohen Stämmen umher, die Blatter zu meinen Füssen raschelten, mein rasender Atem wurde nur durch das Knacken von zerbrechenden Ästen unterbrochen. Vögel zwitscherten im Dämmerlicht der aufgehenden Sonne, doch ich nahm keine Notiz von ihnen. Eine knappe Stunde war es her, seit die monströsen Adler ein zweites Mal über mir hinweggezogen waren, und ich ihren anmutigen Gleitflug voller Ehrfurcht bestaunte.

Von meinem Wachposten auf einer hohen Esche aus hatte ich sie auf einem Felsen landen sehen, ihren „Ballast“ abwerfend, und war ohne zu zögern losgesprintet. Leichtfüssig, wie es unser Volk ist, brauste ich durch den Wald, so schnell, dass selbst die Eichhörnchen nur den Kopf hoben, und mich dann schon wieder vergessen hatten. Kleines Geäst und hohe Büsche zerkratzten mir das bleiche, makellose Gesicht, doch ich achtete nicht darauf, denn es gab nun Wichtigeres. Ich musste sie wiederfinden, ich durfte nicht versagen, denn ich hatte es versprochen.
 

Die Sonne stand schon im ersten Viertel, als ich den seltsamen Felsen erreichte. Gespann umkreiste ich das riesige Werk der Natur, auf dem die Adler nisteten. Doch ich wagte es nicht, mich näher als hundert Meter an den Felsen heran zu wagen, aus Respekt vor den grossen, edlen Tieren. Sicherlich würden sie mir auch angemessenen Respekt zuweisen, doch ich war klug genug, auf Nummer Sicher zu gehen. Ich musste wohl oder übel warten, bis die Gruppe nach unten kommen würde.

Zu meinem Erstaunen dauerte dies nicht sehr lange. Kurze Zeit später – ein Mensch hätte sein Zeitgefühl wohl längst verloren – stolperte ein grosser, ganz in grau gehüllter Zauberer mit blauem Hut, gefolgt vierzehn kleineren Gestalten, dreizehn Zwerge und einem Hobbit die Stufen hinunter. Ich fand es immer noch nicht angemessen, dass Gandalf den Halbling in die Sache mit reingezogen hatte, und auch meine Herrin hatte zum Zeitpunkt meiner Abreise das Schicksal des kleinen Mannes nicht vorhersehen können. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als ein Auge auf den Kleinen zu werfen.

Nicht gerade leise stiegen sie den Felsen hinunter, die Erleichterung war ihnen sichtlich ins Gesicht geschrieben. Und doch schienen sie in einer Weise besorgt, und ich sah auch warum. Ungefähr in der Mitte des Zuges, bewegten sich drei dicht gedrängte Zwerge unter grösster Mühe nach unten. Dicht gedrängt war vielleicht nicht der richtige Ausdruck, denn genau genommen waren es zwei der jüngeren Zwerge, die einen der älteren stützten, der sich nur unter grösster Anstrengung fortbewegen konnte. Ich hatte vor meinem kurzfristigen Aufbruch keine Zeit gehabt, mich genauer über die Zwerge zu informieren, auch kam ich ihnen selten genug nahe, dass ich ihre Gespräche frei hätte belauschen können. So wusste ich nicht um ihre Namen bescheid, doch über die Identität des älteren, gestützten Zwerges brauchte ich nicht lange nachzudenken.

Auch ohne meine Begabung für die richtigen Schlussfolgerungen hätte ich es sofort erkannt, gar ein Blinder, möchte ich sagen, hätte bei ihm keine Zweifel. Mit einer majestätischen Sturheit, die es nur bei den Zwergen geben konnte, kommandierte er selbst in diesem Zustand noch seine Gefährten umher. Gefügig stiegen die Zwerge, der Zauberer und der Hobbit den Felsen hinunter, um an dessen Fuss ein Lager aufzuschlagen. Vorsichtig zog ich mich zurück, um nicht entdeckt zu werden.
 

Unterdessen kam die Gesellschaft unten an. Bilbo, der das Schlusslicht bildete, taumelte heilfroh über die letzten Stufen der äusserst gewöhnungsbedürftigen Treppe, die sich vom Adlerhort bis zum Grund etliche Male um den Fels schlängelte. Der Hobbit wunderte sich, dass ihm vom Abstieg nicht noch schwindliger geworden war. Und er war nicht der Einzige, auch die anderen – abgesehen von Gandalf natürlich, der wild um sich blickte, als suche er etwas – ja, auch sie mussten sich zuerst einmal setzen.

„Wir werden hier rasten“, verkündete der Zauberer nun, der mit der Besichtigung fertig zu sein schien, „es ist sicher hier. Keine Orks oder Warge oder sonst irgendein bösartiges Wesen aus der Dunkelheit wird sich so nahe an die Adler trauen.“

Viele der Zwerge brummten zustimmend etwas vor sich hin, selbst der stursinnige Thorin wusste nichts dagegen einzuwenden. „Dori, Nori, ihr besorgt das Feuerholz. Bifur ist für die erste Wache zuständig, Dwalin, du löst ihn als ab…“ Und so gab er seinen Gefolgsleuten dieselben Anweisungen wie immer. Jeder bekam eine Aufgabe, keiner blieb verschont. Gefügig machten sich alle an die Arbeit.

Bloss seine Neffen, die sich immer noch grosse Sorgen um die Verletzungen machten, die der Warg ihrem Onkel zugefügt hatte, setzten Thorin nur widerwillig ab. Auch Balin entfernte sich nicht weiter als ein paar Schritte von dem Mann, dem er geschworen hatte zu folgen. Besorgt beäugte er ihn von hinten und tausche mit Fili und Kili einige besorgte Blicke aus.

Der – beinahe – König unter dem Berg musste seine besorgen Gefährten ein weiteres Mal auffordern, an die Arbeit zu gehen, bevor sie seine Seite verliessen. Und dies taten sie auch nur, weil gerade in diesem Moment Gandalf zu ihnen stiess und neben Thorin, der nun sicher an einen Felsbrocken gelehnt sass, in die Hocke ging.

„Ich bin kein allzu guter Heiler“, musste der Zauberer zugeben, „und ich tat, wozu ich in der Lage war. Trotzdem sind deine Wunden nicht mit Leichtigkeit zu vergessen. Wir sollten einige Tage rasten-“

„Nein.“

Gandalf spitzte unzufrieden seine Lippen. Er wurde nicht gerne unterbrochen. Besonders nicht wenn er wusste, dass er im Recht war, aber es nicht friedlich durchsetzen konnte.

„Das ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, Thorin.“

„Ich sagte: Nein. Wir können uns keine Verzögerung mehr leisten, Gandalf!“

„Von Verzögerung zu sprechen, aber leichtfertig in einen Hinterhalt der Goblins geraten! Es hätte auch anders enden können, mein Freund. In dieser Situation mag das uns vielleicht von Vorteil gewesen sein, da wir uns die lange Reise über die Pässe sparen konnten, und direkt durch die Tunnel unter dem Berg ans andere Ende gelangten, und somit einiges an Zeit gewonnen haben. Doch ich wage nicht daran zu denken, was passiert wäre, wenn ich euch dort nicht aufgelesen hätte. Also hört auf meinen Rat und ruht einige Tage. Dann könnt ihr ohne Beschwerden eure Reise fortführen.“

„Ihr? Was meint Ihr damit, Herr Gandalf?“ Wie in Zeitlupe blinzelte der alte Zauberer und kehrte sich um. Mit grossen Augen sah der junge Ori ihn an. Auch die andren Zwerge in der nähe hoben aufmerksam die Köpfe. Sie schienen dem Gespräch gelauscht zu haben.

Gandalf betrachtete die kleinen, bärtigen Männer eine Weile. Diese Worte hätten erst viel später an die ganze Runde gelangen sollten. Innerlich seufzend blieb dem Zauberer nicht viel anderes übrig, als sie daran zu erinnern, was er ihnen zu Anfang der Reise bereits klar gemacht hatte: „Das, mein junger Ori, bedeutet, dass ich euch nicht mehr lange begleiten werde. Die Adler haben mir zugesagt, uns noch ein Stück weiter zu bringen. Von dort ist es nicht mehr sehr weit bis zum Düsterwald. Dies ist nicht meine Reise, und ich habe euch schon weiter nach Westen begleitet, als mir im Sinn war.“

Sofort machten entsetzte Rufe die Runde, denn die verbleibenden Zwerge waren nun auch am Lager angekommen und hatten Gandalfs Rede mit angehört. Bestürzt beschwerten sich alle wild durcheinander. Alle bis auf Bilbo. Er vernahm dies zum ersten Mal. Niemand hatte es wohl für nötig gehalten, ihn darüber zu informieren, dass Gandalf sie nicht bis zum Berg begleiten, geschweige denn ihnen beim Kampf gegen den Drachen helfen würden. Fassungslos stand der Hobbit, der aus Gewohnheit nie eine Arbeit auferlegt bekam und so in Gedanken versunken zwischen den Zwergen hin und hergeschlendert war, an Seiten von Bifur, der nicht als einziger mit offenem Mund zum Zauberer starrte.

„Beruhigt euch, werte Gefährten, ich werde nicht gleich verschwinden. Ein oder zwei Tage kann ich schon noch dranhängen. Wahrscheinlich kann ich euch in eurer augenblicklichen Notlage helfen; ein bisschen Hilfe brauche ich auch selbst. Wir haben keinen Proviant, kein Gepäck und keine Ponys; und ihr wisst gar nicht, wo ihr seid. Das wenigstens kann ich euch sagen. Der Ort, an den die Adler uns bringen werden, liegt immer noch einige Meilen nördlich von dem Weg, den wir eingeschlagen hätten, wenn wir den Gebirgspass nicht so eilig hätten verlassen müssen. In dieser Gegend leben nur wenige Menschen, es sei denn, sie wären neu hergezogen, seit ich das letzte Mal hier war, was schon einige Jahre her ist. Aber nicht weit von dort wohnt jemand, den ich kenne. Er geht nicht oft dorthin, jedenfalls nicht bei Tag, und es hätte keinen Sinn, dort auf ihn zu warten. Das wäre sogar sehr gefährlich, denn die Warge haben gute Nasen, und werden unsere Spuren bald wieder finden. Wir müssen hingehe und ihn aufsuchen, und wenn bei dieser Begegnung alles gut geht, kann ich wohl verschwinden und euch wie die Adler >fahrt wohl< sagen.“

Klagend riefen die Zwerge dem Zauberer zu, er solle sie nicht verlassen, beinahe flehten sie ihn an, alle durcheinander. Selbst Bilbo wollte mit einstimmen, als in diesem Moment der Anführer wieder das Wort in den Mund nahm: „Schweigt!“

Augenblicklich verstummten alle. Gandalf wandte sich wieder dem gebieterischen Zwerg zu, der sich wieder aus der sitzenden Position erhoben hatte. Schwer atmend ging er Schritt für Schritt auf den Zauberer zu, den Mund geöffnet, seine blitzenden Zahnreihen entblösst, ein böses Funkeln in den Augen, als wollte er den ganz in grau gehüllten Mann sogleich selbst anschreien. Doch er kam nicht soweit. Kaum einen Meter vom Zauberer entfernt knickte er ein und fiel unverhofft auf die Knie.

Sofort waren die beiden Neffen an Seiten des Verwundeten. „Onkel!“, riefen sie beinahe im Chor, als sie an den Anderen vorbeihuschten. Doch der Zwerg stiess die helfenden Hände nur unsanft zur Seite.

„Ich brauche keine Hilfe, mir geht es g-“ Doch noch bevor er den Satz beenden konnte, spürte er, wie ein Daumen auf seine Stirn gepresst wurde. Sofort verschwamm sein Umfeld, seine Augen rollten unter die sich schliessenden Lider. Bewusstlos sank der König der Sturheit in Fili und Kilis Arme, nachdem Gandalf seine Hand vom Kopf des Zwerges entfernte.

„Wird er wieder gesund?“, fragte Kili den Zauberer, mit einem flehenden Ausdruck in den Augen.

„Ziemlich sicher schon, doch sein Dickschädel ist ihm keine grosse Hilfe dabei. Legt ihn hin und seht zu, dass er bequem liegt. Und ihr“, die graublauen Augen unter der blauen Hutkrempe wanderten zu den verbleibenden Zwergen, „zurück an die Arbeit! Ich glaube nicht, dass ihr wissen wollt, was Thorin dazu sagt, wenn nach seinem Erwachen noch keine Arbeiten erledigt sind. Ich für meinen Teil, möchte davon verschont bleiben.“ Und die hochgewachsene, graue Gestalt schritt an den sich langsam wieder fassenden Zwergen vorbei, auf den dichten Wald zu.

„Gandalf!“ Es war Bilbo, der dem Zauberer nachrief. Der Hobbit fühlte sich in dieser Situation sichtlich unwohl, er wollte nicht ohne Gandalf in der Gesellschaft dieser Zwerge sein, wenn ihr Anführer so schlecht gelaunt war. Die Umarmung auf dem Felsen der Adler hatte sich zwar klar nach einer Versöhnung angefühlt, doch konnte dies in Thorins übler Laune bald im Nichts versinken.

„Wo gehst du hin?“, wollte er vom graubärtigen Mann wissen, vielleicht in der Hoffnung, mitgenommen zu werden.

„In den Wald“, beantwortete dieser die offensichtliche Frage mit einer offensichtlichen Antwort. „…Um ein paar Pflanzen zu suchen, die den Heilungsprozess beschleunigen. Das sollte Thorin einigermassen bei Laune halten, bis wir den bekannten, von dem ich vorher Sprach, gefunden haben. Er kann sich wohl am besten um die Verletzungen kümmern“, fügte er leiser und in freundlichem Ton jedoch hinzu, als er den eingeschüchterten Blick des Halblings sah.
 

Das war’s. So sehr mich meine Herrin auch davor gewarnt hatte, mit der Gruppe in Kontakt zu treten, ich hielt es nicht mehr aus. Ich wollte sie nicht länger leiden sehen, wenn ich ihnen doch helfen konnte. Ich wusste, wie schlecht das Verhältnis zwischen Zwergen und meinem Volke war, doch hatte ich persönlich nichts gegen das kleine Volk von Aule. Ich war in meinem langen Leben schon vielen von ihnen begegnet, und sie schienen mir recht spassige Gesellen zu sein. Auch wenn ihre Sturheit mir manchmal Kopfzerbrechen bereitete, so wie jetzt. Und nun, da Gandalf sich von ihnen trennte, sah ich meine Chance.

Ich sass auf dem Ast einer hohen Eiche, recht weit vom Felsen und dem Lager der Gruppe entfernt, doch hatte ich alles im Blick. Geschickt liess ich mich von Ast zu Ast bis auf den mit Moos und Blättern bedeckten Waldboden gleiten, denn Klettern war eine meiner Leidenschaften. Ich zog der Höhe zwar immer noch den Boden und das Wasser vor, wie es mir angeboren war, doch machte ich mich au zwischen den Baumkronen nicht schlecht.

Eilig schlängelte ich mich zwischen den Sträuchern hin und her, bis ich ein ganzes Stück weiter die graue Gestalt zwischen den hohen Stämmen zu Gesicht bekam. Ich war nicht die einzige hier mit wachsamen Sinnen. Das Rascheln, das der Zauberer verursachte, als er mit seinem hölzernen Stab die Blätter auf dem Boden beiseite schob, als er nach einem speziellen Kraut suche, erstarb. Verwundert hob er den Kopf und schaute in meine Richtung. Ich schluckte einmal schwer, bevor ich offenkundig auf ihn zuging.

„Mithrandir.“

Der Angesprochene beäugte mich kritisch. „Ich glaube nicht, dass wir uns schon einmal begegnet sind“, bemerkte er beinahe beiläufig. Ich war mir sicher, dass er einige Vermutungen anstellte, also sagte ich ihm ohne zu zögern die Wahrheit.

„Nein, ich bedaure, das sind wir noch nicht.“ Ich schenke ihm ein freundliches Lächeln, in der Hoffnung sein bohrender Blick würde bald etwas weicher werden. „Ich bin im Auftrag der Herrin Galadriel hier. Sie schickte mich, um ein Auge auf eure Gruppe zu haben.“

„Die Herrin Galadriel? Wieso schickt sie eine einzelne Elleth?“ Der Zauberer sah, dass ich nicht log, und trotzdem lag ein misstrauischer Unterton in seinen Worten.

„Dieses Abenteuer wird einen grösseren Einfluss auf die Geschehnisse in Mittelerde nehmen, als Ihr erwartet, Mithrandir.“

Gandalf stiess einen hörbar eine grosse Menge an Luft aus. „Also hat Frau Galadriel Euch eine Zukunft gezeigt?“, wollte er wissen.

„Nur eine der vielen Möglichkeiten, jedoch die Wahrscheinlichste. Keiner kann genau voraussagen, was geschehen wird, doch werden nicht alle Ereignisse für die Gemeinschaft gut ausgehen.“

Gandalf blickte nach oben, wo irgendwo hinter dem dichten Blätterdach die Nachmittagssonne den Himmel erhellte. Schweigend verharrte er ein paar Minuten in dieser Position. Viele hätten die Situation als unbehaglich beschrieben, doch war ich es nicht gewohnt, grosse Gefühle zum empfinden oder sie gar zu zeigen. Als Elleth oder Elbin, wie ihr es nennt, hatte ich alle Zeit der Welt und es gab keine verschwendeten Minuten. Also wartete ich geduldig, bis der alte Zaubermeister den Kopf wieder zu mir kehrte und eine weitere, unerwartete Frage stellte: „Und wie kommt es, dass Ihr euch so offensichtlich zeigt? Es ist nicht gerade Frau Galadriels – ähm – Stil, so unverschlüsselt zu agieren.“

Ein peinlich berührtes Lächeln huschte über meine Lippen. „Dies, dies ist wohl eher eine unerwartete Begebenheit. Euer Freund braucht Hilfe, und ich kann ihre Mission nicht schon so früh scheitern lassen.“

„Nein, das könnt Ihr wohl nicht“, fügte Gandalf in Andeutung auf die scheinbare Wichtigkeit ihrer „Mission“ hinzu, „nun denn, nach euch.“

Etwas irritiert von der Tatsache, dass der Zauberer nicht mal nach meinem Namen fragte, setzte ich mich in die Richtung in Bewegung, in die er mit einem Kopfnicken gedeutet hatte. Schweigend schritt ich beinahe lautlos über den wild überwucherten Waldboden, bis zwischen den Sträuchern und Baumkronen der Fels der Adler in meine gute Sicht trat. Der Wald lichtete sich ein wenig, bis wir schliesslich an der unbewaldeten Stelle um den Fels ankamen.

Unachtsam, durch die Versicherung Gandalfs, dass kein böses Geschöpf sich diesem Ort nähern würde, gingen die Zwerge ihren Geschäften nach und schienen mich erst gar nicht zu bemerken.

Der Hobbit war der Erste, der sich mit offenem Mund von seinem Baumstumpf erhob und mich ungläubig anstarrte. Von seiner plötzlichen Bewegung irritiert hob auch Gloin sein Haupt, welcher gerade damit beschäftigt war, grosse Steine für die Feuerstelle zusammenzutragen. Geschockt stupste er - nach zwergischen Massstäben sanft – seinen Bruder hinter sich an, währen er laut brüllte: „ELB!“

Es dauerte kaum ein paar Sekunden, bis alle Zwerge ihre Arbeit fallen gelassen und sich mit erhobenen Waffen schützend vor Thorin versammelt hatten. Kampfeslustig blickten sie aus ihren erschöpften Augen zu mir, bereit mich jeden Moment anzugreifen. Doch zum Glück trat nun endlich Gandalf hinter mir aus dem Wald hervor.

„Beruhigt Euch Herr Gloin, ich versicherte euch allen doch, dass sich keine Gefahr nähern würde.“

„Aber das ist ein Elb!“, entgegnete der graubärtige Oin barsch, zur Unterstützung des Zwerges neben sich. Zustimmende Rufe kamen aus der Reihe.

„Elb oder nicht Elb, das ist hier nicht die Frage. Und wenn doch, Elben sind meister der Heilkunst, ich bin sicher, Schneewittchen hier-“

„Mary“, fiel ich ihm ins Wort.

„… Mary hier könnte uns grosse Dienste erweisen und sich um Thorins Verletzungen kümmern.“

Die Zwerge tauschten misstrauische Blicke aus, und Balin antwortete schliesslich mit einem strikten Nein. Wieder stimmten die anderen Zwerge dieser Antwort zu und wollten ihre Waffen einfach nicht sinken lassen.

Gandalf spitzte unzufrieden die Lippen unter dem hellgrauen Schnurrbart, die momentane Missbilligung der Sturheit der kleinen Männer war den tiefen Furchen in seinem Gesicht abzulesen. In seinem Kopf bildete sich schon die nächste, hoffentlich überzeugendere Formulierung, als Bilbo, der etwas Abseits der Szene stand, einschritt: „Vielleicht… Vielleicht wäre das doch gar keine so schlechte Idee. Ich-ich meine, Gandalf sieht sie als hilfreich an, und wann hat Gandalf uns jemals im Stich gelassen?“

„Und wo ging er damals bei den Trollen hin?“, kam es weiter von einem der Zwerge, und wieder wurde ihm nickend und brummend zugestimmt.

„Das-das-aber er hat uns auch wieder gerettet!“, fügte der Hobbit mit fuchtelnden Armen hinzu, woraufhin er die nicht allzu begeisterte Zustimmung der Zwerge erntete. Aber wenigstens sahen sie seinen Standpunkt.

„Und ich meine wohl, dass Thorin Hilfe sehr gut gebrauchen könnte. Ihr wollt doch nicht die Leiden eures Anführers verlängern?“ Insgeheim Stolz auf sein neues Argument lächelte Bilbo innerlich zufrieden, stützte die Arme auf die Hüften und richtete sich auf. Verunsichert tuschelten die Zwerge nun leise, immer wieder argwöhnische Blicke zu mir werfend. Geduldig wartete ich und inspizierte die zwölf kleinen Männer vor mir genau, die mir gerade Mal bis zur Brust reichten, wenn überhaupt.

Es dauerte längere Zeit, bis sie sich geeinigt hatten. Gandalf der Graue stand nur schweigsam neben mir, dem Geschehen seinen Lauf lassend, und Bilbo schaute unsicher zwischen mir, dem Zauberer und den Zwergen hin und her.

„Nun denn, wieso gedenkt der Elb uns zu helfen?“, sprach der ältere Zwerg Balin nun wieder, der anscheinend die Führung übernahm.

Spätestens jetzt wurde mir klar, was mich schon die ganze Zeit irritierte. Der Elb. Der Elb. Ich wusste, dass unsere Völker nicht mehr so viel Kontakt zueinander pflegten wie früher, aber dass sie nicht einmal Männlein und Weiblein auseinanderhalten konnten, das erstaunte mich. Zugegeben, Elben, Frau wie Mann, trugen traditionellerweise langes, offenes Haar und hatten sanfte, feminine Züge, doch war es für mich das allererste Mal, dass ich für einen Ellon gehalten wurde. Aus irgendeinem Grund gefiel mir aber der Gedanke, mit dem zu spielen, zumal Gandalf bisher auch noch nichts bezüglich meines Geschlechts erwähnt hatte.

„Ich wurde mit dem Gedankengut aufgezogen, und lebe ebenfalls schon lange danach, dass Leben zu retten eine ehrenhafte Sache ist. Es mag zwar seltsam erscheinen, dass ich euch helfen würde, da es mir selbst keinen Vorteil verschafft, jedoch sehe ich es als Pflicht meines Gewissens gegenüber an, euch zu helfen. Natürlich kann ich euch nicht dazu bewegen, meine Hilfe anzunehmen, bedenkt aber, dass diese Chance einmalig ist. Ihr werdet von hier aus nicht mehr oft Leuten begegnen, die gewillt sind euch zu unterstützen.“

Wieder begann das argwöhnische Murren und wieder sprach Balin für die Gruppe: „Woher kommt ihr, und was sucht ihr in dieser verlassenen Gegend?“

Ich hatte versucht dieser Frage aus dem Weg zu gehen. Da es nie teil meines Plans gewesen war, mich der Gesellschaft zu zeigen, hatte ich nie über eine mögliche Antwort nachgedacht. Ich fürchtete, dass ein langes Zögern zu mehr Misstrauen führen wurde, also öffnete ich den Mund um zu improvisieren – doch Gandalf kam mir zuvor.

„Nicht viele besuchen diese Lande, aber nicht viele sind immer noch mehr als keine. Wollt ihr noch ewig herumstehen und nichts tun, oder würdet ihr es dem Herrn Elb gestatten, euren König gesund zu pflegen?“, sprach er und führe mich an den finster dreinblickenden Zwergen vorbei zu jenem Mann, der mit dem Kopf auf seinen eigenen Mantel gebettet vor dem Felsen lag.

Es irritierte mich zwar, aber der Zauberer hatte wohl seine Gründe dafür, die Zwerge im Glauben zu lassen, ich sein ein Ellon.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel kommen hoffentlich wieder mehr Klischees vor! ;) Komplett anzeigen

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