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Nach der Stille

kommt der Sturm?
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Der Titel bezieht sich auf zwei plötzliche Wendungen... welche meine ich wohl? ^^ Komplett anzeigen

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Prolog

Ich hasste es. Ja, man wird halt ab und zu mal per Anruf aus seinem Bett gescheucht. Aber doch nicht heute, an meinem freien Tag! Drring! Drring! Ich hasste dieses Teil. Ich versuchte mein Kissen über meine Ohren zu stopfen, um das Handy auf meinem Nachttisch nicht mehr hören zu müssen, aber es half alles nichts. Genervt tauchte ich mit zerknirschtem Gesicht aus meinem Kissen auf und blickte zu dem vibrierenden Ding. Drring! Drring!
 

Noch vor drei Jahren wusste ich gar nicht, dass es sowas überhaupt gibt. Denn mein Vater, ein verrückter Wissenschaftler, hatte nur ein altes Kabeltelefon, solche die man noch aus Schwarz-Weiß-Filmen kennt, in seiner einsamen Hütte gehabt. Und dort hatte ich 16 Jahre gelebt, 300 Kilometer weit entfernt von der nächsten Ansiedlung. Ich hatte kaum Kontakt zu anderen Menschen als meinen Vater gehabt. Mit 16 dann beschloss ich, in eine große Stadt zu ziehen und mein Leben neu zu entdecken, aus Neugier und Entdeckerdrang. Zugegeben, Sheridan ist keine riesige Stadt, aber für mich war es die größte Menschenansammlung, die ich jemals gesehen hatte.
 

Drring! Drring! „Ist ja schon gut.“ Murmelte ich, während ich nach meinem Handy griff. „Hallo?“ Meine Stimme klang kratzig und etwas verschlafen. “…Eve?” Kam es zögerlich aus dem Hörer. Es war die Stimme von meinem Freund Jay. Er klang verängstigt. „Ja... wer denn sonst?“ fragte ich verwirrt. Hatte er sich verwählt? Das kam nie vor. Ich hörte ein erleichtertes Seufzen, das mich noch mehr verwirrte. „Welch ein Glück. Ich dachte du wärst...auch...“Seine Stimme versagte ihm mitten im Satz. „Auch was? Alles klar mit dir?“

Ich war ehrlich verwirrt. Mein Freund, der immer so cool und still war, klang panisch und verängstigt. Was war ihm passiert? Ich befürchtete schon, er wäre wahnsinnig geworden, was ich mir aber partout nicht vorstellen konnte. Oder wollte.

„Nein....nichts ist klar.“ Seine sonst so starke, sichere Stimme war kaum zu hören, kaum wahrnehmbar. Weinte er? „ Was ist los? Ist was passiert?“ Ich fing an mir ernsthafte Sorgen zu machen. In mir stieg dieses unsichere Gefühl auf, mein Bauch zog sich zusammen. „Ich...Sie sind alle weg.“ „Weg?“ Was meinte er?

„Wer ist weg?“ Und noch während ich sprach wusste ich was er antworten würde. Mein Bauchgefühl sagte mir etwas Schreckliches voraus. Und mein Bauchgefühl hatte mich noch nie getäuscht.

„Alle. Absolut alle.“

Die Panik in mir wurde immer größer, wuchs immer mehr, mehr und mehr. Mein Blick wanderte zu meinem von den zugezogenen Gardinen verdeckten Fenster. Ich lauschte. Weder Jay noch ich sprachen ein Wort. Und ich, ich lauschte. Versuchte den Verkehr, Autos, Busse, Gehupe zu hören. Versuchte Menschen zu hören. Versuchte irgendetwas außer seinen und meinen Atem zu hören. Aber es war vergeblich.
 

Stille. Absolute Stille.
 

Was bedeutete das?

Aufbruch

Noch mit dem Handy am Ohr stürmte ich aus meinem Bett zum Fenster und riss die Gardinen zur Seite. Und meine größte Befürchtung bewahrheitete sich, mein kleiner Schimmer von Hoffnung löste sich in Luft auf. Was ich sah, wird mir mein Leben lang im Gedächtnis bleiben. Leere Straßen durch die der Wind fegte, mitten auf der Straße stehende Autos, die menschenleer waren, tote Ampeln und Lichter, denen der Strom entzogen worden war. „Was...?“ Meine Augen weiteten sich, als ich die Kleidungsstücke sah, die überall auf dem Boden verteilt waren. Als wären alle Menschen auf einmal verschwunden waren und alles was sie zurück ließen, wäre ihre Kleidung. Ihre Kleidung, die auf der Stelle in sich zusammengesackt war, ohne den sie stützenden, menschlichen Körper.

„Jay...was... was ist hier passiert?“ Meine schwitzigen Hände konnten das Handy kaum hoch halten. „Ich weiß es nicht. Als ich aufgewacht bin, war es schon so. Ich dachte schon, du wärst auch...wie alle anderen...“ Alle anderen waren fort, verschwunden, hatten sich an Ort und Stelle aufgelöst. Nur wir nicht. Warum nicht? „Mir geht es gut. Aber warum...?“ Weiter kam ich nicht, denn Jay sprach mir aufgeregt dazwischen „Das Netz bricht zusammen! Ich versteh dich nicht kaum noch. Bleib wo du bist, ich komme so schnell wie möglich zu dir!“ „Warte! Wir sehen uns schneller, wenn wir uns auf der Hälfte der Stelle treffen! Ich gehe zum `Blue Pegasus´! Warte dort auf mich!“ schrie ich in den Hörer, aber die einzige Antwort, die ich bekam, war ein lautes Piepen.

Das war`s. Jetzt, wo das Netz nicht mehr da war, konnte ich keinen Kontakt mehr zu ihm aufbauen. Und kein Kontakt zu ihm ist in so einer Situation fatal. Hatte er meinen letzten Satz überhaupt gehört? Wenn ja, würde er am `Blue Pegasus´ auf mich warten und wenn nicht, käme er hierher zu mir nach Hause. Ich lebte in einem kleinen Apartment mitten in der Stadt, 2 Ecken weit entfernt von meiner Universität. Ja sicher, in der einsamen Hütte meines Vaters hatte ich nie eine Schule besucht. Aber da ich die Intelligenz meines Vaters geerbt hatte, hatte er mir alles zu Hause beibringen können. Und hier in der Stadt hatte ich dann mein Abitur nachgeholt und

mich in der Uni für Naturwissenschaften eingeschrieben. Denn ich sollte laut meinem Vater sein Projekt weiterführen. Aber er hatte mir weder erzählt um was für ein Projekt es sich handelte noch hatte ich Nerv darauf, für den Rest meines Lebens in einer einsamen Hütte zu forschen. Ohne jeglichen sozialen Kontakt. Vielleicht würde meinem Vater das nichts ausmachen aber mir schon. Und deshalb war ich auch nicht wirklich oft zu den Vorlesungen gegangen.

Ich versuchte mich zu beruhigen und mir einzureden, dass es für all dies eine vollkommen natürliche Erklärung gab. Ich suchte eine, kam aber zu meinem Bedauern zu keinem Ergebnis. Es musste einfach eine Erklärung geben! Vielleicht war sie ja so einfach, dass sie mir nicht einfiel? Aber die Stille, die seltsam drapierte Kleidung und das zusammengebrochene Netz ergab für mich keinen Sinn. Was war nur passiert?

Ich schaute auf den Display meines Klapphandys, aber es gab noch immer kein Netz. Mit einem tauben Gefühl in den Beinen schritt ich zu meinem Kleiderschrank, klappte die Türen auf und suchte mir sichere, bewegungsfreie aber dennoch warme Kleidung heraus. Welch ein Glück, dass ich in meinem früheren Heim immer gejagt und so für unser Überleben gesorgt hatte. So hatte ich noch heute genug geschmeidige Hosen, Jacken und Oberteile im Schrank. Das Gefühl in meinem Bauch sagte mir, dass es Zeit war, mal wieder in solche Kleidung zu schlüpfen. Und nach reiflicher Überlegung wählte ich eine lange Hose aus dickem grünen Stoff und ein Oberteil, das mit 3 Taschen ausgestattet war und violett gefärbt war. Darüber zog ich eine braune Jacke mit wollenem Futter. Aus der hintersten Ecke meines Schrankes zog ich einen länglichen, früher beigefarbenen Karton. Heute war er eingestaubt und nahm dadurch ein seltsames Matschgrau an. Ich pustete den Staub vom Deckel, aber weil die Schicht zu dick war, musste ich sie mit meinen Fingern wegwischen. Ich hatte diese Kiste seit meinem Umzug nicht mehr geöffnet. Als ich den Deckel abhob erblickte ich zwei perfekte Lederschuhe. Das Braun war mit der Zeit dunkler geworden, aber das tat ihren Aussehen überhaupt nichts. Und auch wenn das Futter durch das viele Tragen schon abgenutzt war, liebte ich diese Schuhe doch über alles. Bequemere hatte ich meine Lebtag nicht getragen. Mir bedeuten diese zwei Schmuckstücke unendlich viel. Wie viel Zeit ich damit verbracht hatte sie anzufertigen! Stunden voller Tränen, Schweiß und Blut.

Ich schlüpfte in meine Lieblingsschuhe und testete ihren Sitz. Immer noch perfekt, bis auf den Aspekt, das sie mir langsam ein wenig zu schmal wurde. Aber Leder dehnt sich ja für gewöhnlich.
 

Bei einem erneutem Blick aus den Fenstern von der 4.Etage auf die Straße fuhr mir ein Schauer über den Rücken. Diese toten Straßen ohne jegliches Geräusch waren fremd und beängstigend zu gleich. Der Wind pfiff durch die Gassen und Kreuzungen, an meinem Fenster vorbei. Einzelne Papierblätter flogen an mir vorbei, unten an der toten Straßenlaterne flatterte ein verlorener Seidenschal, bis eine andere Brise ihn losriss.

Betrübt starrte ich durch das Glas, dem Sonnenaufgang entgegen. Ich musste mich zusammen reißen! Mein Leben sichern! Sonst würde ich es, sollte dies kein harmloser Alptraum sein, nicht lange schaffen. Ohne Strom, Gas und auch fließend Wasser würde jeder auf kurz oder lang sterben. Aber ich hoffte, dass es für mich keine große Schwierigkeit werden würde, schließlich war ich mit Überlebensmethoden groß geworden. Aber in einem Wald, nicht in der Großstadt. Wie sollte ich hier Tiere, geschweige denn Anbaufläche finden?

Ich versuchte mich zu beruhigen und befahl mir, Vorräte für die nächste Woche zu besorgen. Vielleicht machte ich mir schon viel zu viele Gedanken. Sicherlich gab hierfür eine harmlose Erklärung und in einer Stunde würde ich schon wieder über mich selbst lachen. Aber mein Herz schlug trotzdem hier und jetzt wie verrückt, mein Fluchtinstinkt meldete sich.

Nachdem ich meinen Rucksack mit lauter notwendigem Zeug so vollgestopft hatte, dass ich ihn kaum tragen konnte, stand ich vor einer Entscheidung: Voller Rucksack würde mir Rennen nicht erlauben, aber sollte ich auf notwendige Dinge verzichten, würde ich vielleicht bald in der Klemme stecken. Nach langem Hin und Her entschied ich mich gegen Rennen und für die schweren Sachen. Schließlich würde ich ja kaum vor irgendetwas fliehen müssen, nicht wahr?

Das Letzte, das ich vor meinem Verlassen meiner Wohnung noch tat, war mir einen Pferdeschwanz in mein feuerrotes Haar zu machen und meine Kette umzulegen, das einzige was ich von meiner Mutter noch hatte. Der Anhänger des Lederbandes bestand aus einer kleinen Kugel aus gebogenen Birkenzweigen. Und hinter diesen Flechtwerk konnte man einen Stein erkennen, mit seltsamen Zeichen bemalt. Ich hatte nie eine Antwort auf die Frage, was das für Zeichen wären, bekommen. Und meine Mutter hatte ich auch noch nie gesehen. Mein Vater hatte mir auch nie irgendetwas über sie erzählt. Manchmal hatte ich sogar geglaubt, dass ich keine Mutter hätte und von Außerirdischen abstämme. Was natürlich vollkommener Quatsch war.

Ich zog die Tür hinter mir zu und schloss sie aus Gewohnheit ab. Schnellen Schrittes stieg ich die Treppen hinunter, das `Blue Pegasus´ als Ziel in Gedanken, in der Hoffnung, dass ich dort auf Jay treffen würde.
 

Der einzige Mensch, der außer mir noch schien hier zu sein.

Hoffnungsschimmer

Wie in Trance lief ich durch die Straßen, geschockt und verwirrt. Und egal wie sehr ich mich anstrengte, die Lösung für diese Situation fiel mir nicht ein. Mein Gesicht war zu einer steineren Make versteinert, meine Gefühle waren von meiner Verzweiflung verschüttet. Ich fühlte mich so allein, so allein in dieser unerträglichen Stille.

Alle Lebewesen hatten sich in Staub aufgelöst, Staub der vom Wind mitgenommen und getragen wurde. Durch offene Fenster wehten Papierblätter auf die Straßen, an mir vorbei. Mein Ziel, das `Blue Pegasus´ , eine Bar, war, auch wenn sie nur 2 Straßen weit entfernt war, für mich doch unendlich weit weg. Der Weg vorbei an gähnend leeren Autos, Wohnungen und Geschäften, vorbei an zusammengesackten Kleidungsstücken angefüllt mit dem staubigen Rest der Menschen kostete mich alle Kraft. Ich wollte aus diesem Alptraum aufwachen, wollte die vertrauten Geräusche von Menschen hören. Aber tief in meinem Inneren wusste ich, das das hier die Realität war. Kein Traum konnte so detailliert sein, kein Traum konnte so greifbar sein.

Meine einzige Hoffnung, an die ich mich verzweifelt klammerte, war Jay. Jay. Ich wiederholte seinen Namen immer und immer wieder, wie ein Licht, ein kleines Licht in der Dunkelheit. Jay. Jay. Jay. Bald würde ich ihn sehen. Bald würde ich bei ihm sein. Bald würde ich in seine Arme springen. Bald... würde ich... bei...Jay...sein. Jay. Jay. Jay. Jay! Sofort als ich um die Ecke gebogen war, erblickten meine Augen ihn. Seine große, kräftige Statur und seine hellen, blonden Haare würde ich überall wieder erkennen. In jeder Menschenmenge. An jedem Ort.

Sein Anblick gab mir meine Kraft zurück und ich beschleunigte meine Schritte. „Jay!!“ rief ich in seine Richtung. Ich spürte wie mir ein Stein vom Herzen fiel und mein Blick vor Gückstränen verschwamm. „Jay!!!“ Er drehte sich zu mir um, sein Gesicht erleichtert. Und ich hatte ihn endlich erreicht, fiel in seine Arme „Jay.“ Meine Stimme wurde ruhiger, als ich an seiner starken Brust horchte und seinen gleichmäßigen Herzschlag wahrnahm. „Du lebst.“ Ich vergrub mich weiter in seinen Klamotten, roch seinen umwerfenden Duft. „Eve...es geht dir gut...“ Er schlang sein Arme um mich und beugte sich mit seinem Kopf zu meinem. „Bin ich froh!“ Ich hob meinen Kopf und legte meine Lippen auf seine.Ich schätze , das war unser längster Kuss, den wir je hatten. Minutenlang konnten wir uns nicht voneinander lösen. Er nahm mich immer fester in den Arm und meine Finger vergruben sich in seine Kleidung. Aber wer würde uns diesen Kuss vergelten, in Anbetracht unser Situation?

Als wir endlich voneinander liessen fragte ich ihn: „ Du hast mich noch gehört, nicht wahr?“ „Naja“, sprach er und grinste dabei in mein Gesicht „dich nicht unbedingt. Eher ein Rauschen, das wie `Blue Pegasus´ klang. Ich war mir bis eben noch unsicher, ob du nicht doch bei deiner Wohnung gewartet hast. Wärest du nicht gekommen, hätte ich mich spätestens in einer Stunde auf den Weg zu dir gemacht.“ „Aber jetzt bin ich ja da. Jetzt...“ „wird alles wieder gut“ vollendete er meinen Satz. „Ja...“ Nichts würde wieder gut werden. Und obwohl wir beide das wussten, redeten wir uns das ein. Wir redeten uns ein, dass alles wieder gut werden würde, sobald wir beide zusammen wären. Alles würde wieder gut werden. Sicherlich. Ganz bestimmt. Es musste einfach!

„Denkst du, dass wir die Einzigen sind?“ Noch immer standen wir Arm in Arm vor unserer Lieblingsbar. „Mmh.“ Er überlegte, überlegte was er auf meine Frage antworten sollte. „Es wäre seltsam, wenn wir die Einzigen sind, oder? Schließlich können ja nicht ausgerechnet wir beide bei dem Verschwinden der Menschheit überleben. Das wäre ein ziemlich unwahrscheinlicher Zufall, denke ich.“ Als er gesagt hatte „Verschwinden der Menschheit“ war ich zusammengezuckt. Er hatte etwas für mich Unaussprechbares in den Mund genommen. „Wie kannst du sagen, dass die ganze Menschheit verschwunden ist ?!? Das hier ist etwa ein Alptraum, projeziert von meinem seltsamen Gehirn, oder es gibt eine total offensichtliche Erklärung, die uns nur noch nicht eingefallen ist!“ Wütend starrte ich in sein Gesicht. „Mal nicht gleich den Teufel an die Wand!“

Aber sein Gesicht sprach Bände. Der Glanz aus seinen haselnussbraunen Augen war verschwunden, sein Blick war abgestumpft. Traurig lächelnd sah er in mein Gesicht und sagte leise: „Wirklich? Glaubst du ich sage das nur so dahin?“ Sein trüber Blick mit dieser ruhigen Stimme vertrieb meine Wut. Es tat mir augenblicklich leid, was ich ihm an den Kopf geworfen hatte. „Nein, natürlich nicht.“ Ich liess meinen Kopf sinken. „Ich kann es nur noch nicht fassen, nicht begreifen...“ Ich spürte wie meine Augen sich mit Flüssigkeit füllten. Jay nahm mich tröstend in die Arme und ich liess meine Verzweiflung in seinen starken, schützenden Armen aus mir hinaus fliessen. Tränen rannen mir über meine Wangen und ich vergrub mein Gesicht schluchzend in meinen Händen. „Ist schon gut.“ Er versucht mich zu beruhigen und wiegte mich in seinen Armen hin und her. „Ich bin ja hier, ich bin bei dir. Alles wird gut.“ Jay. Wie oft schon hatte er mich getröstet? Auf ich hatte ich mich immer verlassen können, er war mir immer eine Stütze gewesen. Hatte mir immer irgendetwas ausführlich erklärt, wenn ich mit der Technik unserer Zivilisation nicht zurecht gekommen war. Und er war immer geduldig gewesen, auch wenn ich nach seinen vielen Erklärungen nur Bahnhof verstanden hatte.

Und auch jetzt! Auch jetzt stütze ich mich nur auf ihn, ohne auf ihn zu achten!

Schnell wischte ich die letzten Tränen aus meinen Augenwinkeln und fragte ihn scherzend: „Wird dir das mit mir nie zu blöd?“ Mit noch verweinten Augen sah ich ihn lächelnd an. „Wieso sollte es das?“ Er lächelte zurück. „Schließlich liebe ich dich!“ „Ich liebe dich auch!“ Diesmal küsste er mich.

„Wenn es andere Überlebende geben sollte, wäre es nicht schlau sie zu suchen? Ich meine, Überleben ist mit mehreren Personen einfacher, auch wenn man mehr für jede Person tun muss.“ „Ja, das wäre schlau. Auf jeden Fall. Aber wo sollen wir anfangen zu suchen?“ Über seine Gegenfrage musste ich ein Weile nachdenken. Aber egal, wie sehr ich nach guten Versteckorten suchte, mir vielen keine ein. „Sie könnten überall sein. Wirklich überall!!“Los Gehirn, spuck eine verwertbare Lösung aus! Wieso findet man in genau solchen Augenblicken einfach keine Antwort?

„Wir könnten es mit Funk versuchen.“ Damit hatte er seine eigene Fragestellung quasi selbst beantwortet. „Pfunk?“, fragte ich verwirrt „Was ist Pfunk?“

Laut brach Jay in Gelächter aus „Nicht `Pfunk´. Funk!“ Mein Gesicht musste ihn immer noch verwirrt angestarrt haben, denn sogleich sagte er: „Du kennst es nicht?“ Ich schüttelte, mit immer noch der gleichen Miene, meinen Kopf. „Nun,“ erklärte er „das ist auch veraltete Technik für Kommunikation. Wir nutzen sie heute kaum noch. Es gibt längst bessere Systeme ohne Rauschen.“ „Rauschen?“ „Ja. Funkgeräte sind so ähnlich wie Handys. Man kann sie mit sich herumtragen und andere Funkgeräte über bestimmte Wellen, Funk, erreichen.“ „Handys mit Rauschen also.“ „Mmh. Könnte man so sagen.“ Langsam verstand ich mehr. Aber eine Frage kreiste mir noch immer im Kopf herum. „ Wenn niemand mehr Funk benutzt, wie können wir dann sicher sein, dass wir andere Überlebende erreichen werden?“ Als ich die Frage beendet hatte, wurde sein Gesicht gleich trauriger. „ Sicher können wir nicht sein. Aber es funktioniert ohne Netz. Also gibt es Hoffnung, dass wir nicht die Einzigen sind, die Funkgeräte benutzen.“ Ich verstand. Lieber eine kleine Hoffnung, als gar keine. In welch einer verzwiefelten Lage wir uns befanden!

Aber ich konnte mir keine Vorstellung davon machen, was noch auf uns zu kommen würde. An die Art wie unser Schicksal sich manifestieren würde, wäre ich im Leben nicht gekommen.

Und darauf, dass ich mit an dem Verschwinden der Menschheit schuldig war, auch nicht. Niemals.

Platzregen

Stundenlang waren wir durch die Straßen gelaufen, auf der Suche nach irgendeinem Lebewesen. Hatten versucht in leere Häuser zu kommen, vergeblich, denn die Türen waren alle verschlossen. Waren bei Restaurants, Parks und anderen öffentlichen Einrichtungen gewesen. Nichts. Überall, jeder Platz, jedes Haus; leer und still.

Nicht einmal ein Vögelchen hatten wir ausmachen können. Keinen herrenlosen Hund. Keine streunende Katze. Absolut Nichts. Nichts außer Staub und Dreck.
 

Inzwischen war es Abend geworden und unsere Füße taten von dem vielen Laufen höllisch weh. Wir saßen an der nächst besseren Bushaltestelle und überprüften mit dem Funkgerät alle Kanäle. Aber wie schon den ganzen Tag gab es keine Signale von anderen Funkgeräten. Wie schon den ganzen Tag antwortete niemand auf unsere Signale.

Jay hatte sein altes, abgenutztes Funkgerät dabei gehabt und ging jetzt neben mir zum x-ten Mal alle Kanäle durch. Ich saß neben ihm auf der Bank und hatte die Knie angezogen, denn es war kalt geworden. Beton kühlte erstaunlich schnell aus, wenn niemand Wärme produzierte. Ich zog meine Jacke bis zu meinem Kinn zu, schlang meine Arme um meine Knie und fragte ihn: „Wenn keine Antwort kommt, weil niemand solch ein Funkgerät hat“, er wandte sich mir zu „woher hast du dann dieses Funkgerät?“ In meiner Stimme klang ein unbekannter trauriger Ton mit, den ich selber vorher noch nie wahrgenommen hatte. Sein Blick würde trüb und er blickte mit gesenktem Kopf auf unsere letzte Hoffnung in seinen Händen, während er sprach: „ Woher ich es habe? Es ist das Einzige, das ich von meinem Großvater geerbt habe. Er liebte es über alles. Deshalb versuche ich es so gut es geht in Ehren zu halten und...“ Seine Stimme versagte ihm. Wenn etwas für ihn so Wertvolles andere Überlebende gefunden hätte, wäre er sicher sehr stolz auf sich gewesen. Aber nun, wo selbst das nichts helfen konnte, war er enttäuscht von sich selbst. Das wusste ich. „Mach dir keine Vorwürfe. Es ist sicher nicht unsere Schuld, dass das hier passiert ist. Und deine ganz sicher nicht.“ Ich war müde. Und erschöpft. Körperlich wie auch geistig. „Ja, du hast Recht.“

Ein Tropfen traf mich auf meiner Nase. Und erst als ich in den Himmel sah, bemerkte ich die dunklen Wolken, die bedrohlich über der leeren Stadt hingen. „Wenigstens scheint das Wetter noch zu funktionieren.“ Jay schien weniger begeistert zu sein. „Ja. Aber unsere Bushaltestelle ist trotzdem nicht regendicht.“ grummelte er und fing an seine Sachen zusammen zu suchen. Konservendosen, Gaskocher und Wasserflaschen. Alles Gegenstände, die wir über den Tag benutzt hatten.

Unsere Vorräte hatten wir heute Vormittag bei den Supermärkten aufgefüllt. Wobei die größte Schwierigkeit darin bestanden hatte, in den Laden zu kommen. Über die Hintertür hatten wir es schließlich doch hinbekommen, glücklich darüber, die Regale räubern zu können. Aber es war ein seltsamen Gefühl gewesen, sich in dem leeren Supermarkt zu bedienen. Zum Glück hatten wir uns ein Exemplar mit Fenstern ausgesucht. Denn die Taschenlampen hätten wir im Dunkeln nie gefunden. Geschweige denn die Batterien.

„Hast du denn eine Idee, wo ein regendichtes Plätzchen sein könnte?“, grummelte ich zurück. Aus den paar Tröpfchen wurden viele, dicke Tropfen. „Nein. Aber ich habe keine Lust vor einem Hauseingang zu sitzen und, wie heute Mittag, ein Schloß knacken zu müssen.“ Seine Laune ging immer weiter in den Keller. Er schulterte seine Tasche, drehte mir den Rücken zu und rief, während er loslief: „Ich übernachte heute im Parkhaus. Wenn du willst, komm mit.“ Er wusste es. Ich hasste Parkhäuser wie die Pest. Parkhäuser waren unübersichtlich mit ihren vielen Säulen. Parkhäuser waren dunkel und bedrückend, so dass ich in jeder Ecke ein wildes Tier vermutete. Das war eine Angewohnheit von mir, noch aus meinem früheren Leben. Jay hatte mir natürlich tausend Mal beteuert, dass es in Städten, vor allem in Parkhäusern, keine wilden Tiere gab. Dennoch hatte ich es niemals hundertprozentig geglaubt. Mein wachsamer Instinkt war noch so tief in mir.

Aber der Gedanke, die Nacht irgendwo vollkommen allein zu verbringen, jagte mir noch mehr Angst ein und so ergriff ich meinen Rucksack und lief ihm hinterher. „Warte, Jay!“ Der Regen wurde immer stärker und er begann zu rennen.

Als ich ihn endlich eingeholt hatte, waren wir kurz vor dem Parkhaus. Und bevor wir nicht unter dem schützenden Dach angekommen waren, hörten wir nicht auf zu rennen. Das Eingangstor lag dort wie ein großer, dunkler Schlund, der uns verschlingen wollte. Wie ein großes Maul.

Ich ergriff Jays Hand, als wir außer Atem durch das Tor schritten. „Jay...“, sagte ich mit zitteriger Stimme „...muss das sein?“ Er wusste was ich meinte. Natürlich wusste er das. Gerade als er den Mund aufmachte, um mir zu antworten, ergoss sich hinter mir der Himmel. Wie die Antwort auf meine Frage. Und als ich meinen Kopf drehte, erblickte ich eine Wand aus Regen. Ich konnte kaum durch sie hindurch sehen.

Jay griff nach meiner Hand und zog mich weiter in das Parkhaus hinein. „Warte!!“, rief ich voller Angst vor der Dunkelheit in den Parkdecks „Lass uns hier vorne am Eingang bleiben! Von dort können wir besser fliehen und...es ist...“ „...heller?“,fragte er. „Ja...“ Ich war stehen geblieben und hatte meine Hand aus seiner entrissen. „Aber auch kälter.“ Seine Stimme klang zornig. „Kälter und nasser. Und wovor willst du bitte fliehen?? Es ist niemand mehr hier! NIEMAND!!“ Ich zuckte zusammen. Jetzt war er wütend, seine Stimme schwoll immer mehr an. „Und, verdammt nochmal, hier sind keine wilden Tiere!!“

Ich schluckte. Er war einer der wenigen, der meinen wunden Punkt kannte. Unbewaffnet hatte ich vor jeder Art von Dunkelheit Angst. Angst vor denen sich dort verkriechenden wilden Tieren. Im Dunklen sah ich überall leuchtende Augen, hörte ich überall Kratzen und Scharen.

„Schon gut. Du hast ja Recht. Ich bilde sie mir nur ein Ich weiß schon.“ Verängstigt schaute ich in seine Augen. „Aber versprich mir, bei mir zu bleiben!!“ Mein Blick musste ihn erschrocken haben, denn sofort zog er mich zu sich ran und flüsterte mir ins Ohr: „Ich werde immer bei dir bleiben. Versprochen.“
 

Draußen, im Regen, standen zwei Gestalten auf dem Dach des übergelegenen Gebäudes. Und obwohl man nur ihre Umrisse erkennen konnte, sahen sie doch seltsam aus. Nicht wie Menschen. Sie hatten längliche Ohren und ihre großen Katzenaugen leuchteten im Dunkeln. Beide hatten einen Schwanz, der an den einer Eidechse erinnerte. Ihre Fingernägel waren lang, fast wie Krallen. Und durch den strömenden Erguss vom Himmel konnte man Worte vernehmen. Die gehauchten, eindringliche Worte von einem der Wesen: „Es gibt also noch immer Freiherumlaufende? Dann lasst die Jagd beginnen.“

Und ein leises, kaum wahrnehmbares Lachen mischte sich unter das Rauschen...


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das ist meine erste Fanfiction die ich hochlade. Vielen Dank an alle, die bis hierher gelesen haben :) Ich hoffe die Story gefällt euch, auf jede Rückmeldung freue ich mich. Auch über (konstruktive) Kritik. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Der erste Auftritt von Jay ^^. Aer wenn ich das jetzt so sehe.. er wirkt ein bisschen zu perfekt, nicht? *lach*
Ab dem nächsten Kapitel wird es noch spannender ;)
Über Reviews freue ich mich immer !! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Muhahaha... jetzt wird es (hoffentlich) spannender!! Und ich habe ein Mysterium eröffnet.. Wer zum Teufel sind nur diese seltsamen gestalten? Und nein, sie haben nichts mit katzen gemeinsam. Meine Fantasy-Ader schimmert bei ihnen durch. Aber ich hoffe, ich habe genug Science-Fiction Elemente eingebaut...
Ich freue mich über jede Art von Rückmeldung, solange sie Konstruktiv ist (das betrifft besonders Kritik) :) Wenn ein Autor nur beschimpft wird, kann er sich werder fortbilden noch hat er Motivation weiter zu schreiben. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von: Futuhiro
2013-02-23T19:55:50+00:00 23.02.2013 20:55
Wie cool! ^^
Ich mag die komischen Dinger mit den Katzenaugen schon jetzt! ^___^
Der ist aber auch ganz schön fies, sie ins Parkhaus zu schleifen, wo er doch weis, daß sie solche Panik davor hat. Ist ja nicht so, als ob man in so einer Situation nicht schon Angst auf Voorat hätte.

Ich muss sagen ich mag die Kapitellänge. Lässt sich sehr schön durchlesen, ohne daß man von der Seitenzahl erschlagen wird.
Antwort von: Futuhiro
23.02.2013 20:57
<Vorrat> wollt ich natürlich schreiben. Wieso kann man seit der neuen Antwort-Funktion Kommis nicht mehr löschen oder nachbearbeiten? Q_Q
Antwort von:  Staubmotte
24.02.2013 14:17
Äh..nein. Eigentlich soll Jay männlich und Eves (Hauptperson, weiblich)Freund sein. Hab ich irgendwas falsch/ missverständlich geschrieben? ^^° Dann müsste ich das vielleicht noch mal bearbeiten...
Die komischen Dinger mit den Katzenaugen sind auch meine Lieblinge. Obwohl sie ja eigentlich eher feindselig sind... In meinem Zimmer fliegen auch überall Zeichnungen von denen rum... Ich zeichne sie wirklich gerne.
Und bitte sagt mir Bescheid, wenn ich irgendwo von der Ich-Perspektive in die Sie-Perspektive umschalte. Ich werde es sofot behebn. Tut mir wirklich leid..
Von: Futuhiro
2013-02-23T19:45:01+00:00 23.02.2013 20:45
Oh ... ähm ... Jay ist ein Mädchen? O__O
Hätte ich jetzt nicht erwartet, nachdem sie so als Mensch beschrieben wurde, der in der Wildnis überleben kann und Outdoor-Klamotten selber herstellt und sowas. Und ja "Jay" ja die Kurzform für alles Mögliche sein kann, bin ich diesbezüglich gar nicht in Zweifeln gekommen. Aber als dann die Kuss-Szene kam, dachte ich nur: "Was zur Hölle!? Sind die zwei Jungs echt dermaßen verzweifelt, sich auch noch zu knutschen???"
Gut, ich hätte vorher in die Charakterbeschreibungen schauen sollen, zugegeben. ^^
Jedenfalls gibt diese Tatsache der ganzen Story einen völlig anderen Dreh. Immer noch ein toller Schreibstil, es geht vielversprechend weiter. Ich bin begeistert. ^^
Von: Futuhiro
2013-02-21T20:01:50+00:00 21.02.2013 21:01
Wouw. Guter Anfang, ich bin gespannt auf mehr.
Die Atmosphäre ist sehr mitreißend, ich konnte mir super vorstellen, wie die zwei sch fühlen und fand die Story bisher regelrecht realistisch, als ob das tatsächlich so passieren könnte.
Antwort von:  Staubmotte
22.02.2013 11:18
Eine Leserin *__* *freu* Schön das die Geschichte dir gefällt!! Wenn man Reviews bekommt, ist man gleich motivierter weiter zu schreiben. Vielen Dank!!
Ich habe versucht, die Geschichte möglichst logisch auf zu bauen. Der Grund für das Verschwinden ist auch schon ungefähr in meinem Kopf. Ich hoffe man kann dem dann folgen...
Ich werde versuchen den Rest der Geschicht kontinuierlich abzuarbeiten ^^


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