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Das rote Tuch

von

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Viel Platz

Ein leises Seufzen verließ Malik's heisere Kehle, als er seine schweren Lider hob. Uhm, warum war er so verdammt durstig..? Einer seiner Mundwinkel zuckte zur Seite, als ihn sogleich gleißend helles Licht blendete und er kniff seine gereizten Augen in einer verzogenen Miene sofort wieder zusammen. Etwas Unverständliches vor sich hinmurmelnd und unkoordiniert hob er seinen rechten Arm, um ihn sich schützend vor das Gesicht zu halten; ein ziehender Schmerz durchfuhr diesen dabei wie ein Nadelstich und der Mann ächzte leise und gequält. Er hörte ein dumpfes Klackern irgendwo neben sich, ein Scheppern, Schritte. Ah, verdammt. Was zum-... Sein Kopf tat so weh. Er konnte... er konnte kaum klar denken.

'Er wacht auf!'

'Dann tun sie was dagegen.'

Zwei Hände erwischten den benebelten Dai barsch an den Schultern und drückten ihn zurück in eine sitzende Position. Er wollte sich wehren, doch seine müden Glieder waren zu schwer. So verdammt schwer. Was passierte hier..? Wo war er?

'Ich bin ja schon dabei...'

Was? Wobei? Protestierende Worte tropften nur zäh von der Zunge des im Schach gehaltenen Kartografen, als man nach seinem Arm haschte und er schlug die fremde Hand, die ihn festhalten wollte, ruckartig beiseite.

'Verdammt, schicken sie 18 zurück!'

'Jajaja, schon dabei-... hier.'

Zurückschicken? Wieder blinzelte Malik angestrengt, doch nach ein paar wenigen, tiefen Atemzügen und unnatürlich hellen, weißlichen Lichtern in seinem verschwommenen Blickfeld, fielen ihm die braunen, verklärten Augen wieder zu. Er realisierte es schon gar nicht mehr, dass sein Kopf von jemandem festgehalten und zurück gepresst wurde, um an irgendetwas fixiert zu werden. Der Schlaf haschte schon wieder mit gierigen Fingern nach ihm und lockte mit süßen Worten und Bildern. Der benommene Mann schaffte es nicht zu widerstehen, sein Körper erschlaffte und seine Hand fiel träge auf etwas Hartes, Kaltes neben ihm, einen Tisch oder was auch immer, um darauf liegen zu bleiben.

Dann ein Glockenschlag. Schon wieder diese verdammten Glocken.

Malik schreckte auf, als er seine Augen alarmiert aufriss und atmete zeitgleich tief und hörbar ein. Hektisch sah er sich um; das Innere seines Büros trat im Zwielicht des frühen Abends in sein schmales Sichtfeld und der 25-Jährige war vollends desorientiert bevor er es schaffte seine Aufmerksamkeit etwas mehr auf das Hier und Jetzt zu fokussieren. Hier drin gab es keine blendend hellen Lichter; ja, keine Lichter, nur eine abgebrannte Kerze auf dem alten Holztresen, hinter dem er saß.

'Helle Lichter'?

Moment, warum helle Lichter?

Oh Mann... Malik musste geträumt haben. Nur was? Er hatte es schon wieder vergessen...

Der Dai rieb sich entnervt stöhnend die Augen und fuhr sich mit der Handfläche über das Gesicht. Ja, er war eingeschlafen.

Sein Blick sank auf die Ablage vor sich, sein dickes Journal mit den Aufzeichnungen über die aktuellen Missionen der Bruderschaft lag vor ihm – aufgeschlagen zeigte es ihm eine unvollständige Notiz über Altaïr's Plan einen der 'Hydraköpfe' abzuschlagen. Die letzten paar Schriftzeichen wirkten schlampig und regelrecht lieblos hin geschmiert. Hatte Malik ja toll gemacht. Wer außer ihm sollte das denn noch lesen können? Er sollte in Zukunft nicht mehr schreiben, wenn er kurz davor war ein zu nicken...
 

Schwerfällig und unter den Augen Karims – der Junge hing momentan aber auch eisern an dem Schachbrett! - schleppte sich der vor wenigen Momenten erwachte Malik durch sein stilles Heim. Er hatte sich wieder einigermaßen gefangen, seinen wirren Traum von gerade eben in seiner Gedankenwelt beiseite geschoben und wollte die offenstehende Dachluke des Außengartens schließen. Denn die Stadtglocken hatten nicht aufgehört zu schlagen und damit zu verkünden, dass Gefahr drohte.

Gefahr nicht nur durch sondern auch für... Altaïr.

Jener war vor Stunden losgezogen, um dem groß angelegten Begräbnis beizuwohnen, das auch dieser dreckige Hund Robert des Sable besuchen wollte. Der Plan war die direkte Konfrontation des Templer-Großmeisters gewesen und offenbar hatte der Adler diesen auch gerade durchgeführt. Oder? Ob er de Sable getötet hatte..? Oh, hoffentlich.
 

Der besorgte Kartograf lehnte sich mit dem Rücken voran an die kühle, helle Wand des Außengartens, als er den Dachverschlag gut verschlossen hatte und horchte. Er lauschte, als ob man die großen Glocken der hohen Stadttürme überhören könnte; so als wären sie kaum mehr als leise Schritte in einem Nebenzimmer. Aber das war Blödsinn. Malik atmete einmal tief durch und schlug die matten Augen nieder. Wer könnte schon den Alarm der Stadtwache und die entfernten Schreie draußen überhören? Ein Tauber vielleicht, aber kein Assassine.

Und die besagten Glocken, die hörten einfach nicht auf. Sie läuteten und läuteten, riefen die Soldaten auf ihre Posten und zur Verstärkung auf die Straßen. Es beunruhigte den abwartenden Dai... ja, es beunruhigte ihn so sehr, dass es ihm ein unglaublich flaues Gefühl in der Magengegend verursachte und er glaubte, es schnüre sich ihm sogleich die Brust zusammen. Es war immer schrecklich nicht zu wissen was dort draußen passierte und gerade heute, da war es besonders fürchterlich. Denn es ging hier um ein Attentat auf einen Großmeister des Templerordens – und nicht nur auf irgendeinen davon sondern auf de Sable. Dieses Schwein von vor vielen Monaten in Salomon's Tempel. Er... er hatte den armen Kadar auf dem Gewissen; er und seine verdammten Männer. Malik hatte die Bilder noch ganz klar vor Augen, so klar, dass es ihm in dieser prekären Sekunde die Fähigkeit zum Atmen raubte:
 

Ein gellender Schrei brach aus dem geschundenen Malik hervor, als die Hiebwaffe des Soldaten vor ihm auf ihn niederging und ihn mit großer Wucht traf. Begleitet von einem widerlich knackenden Geräusch schmetterte der Streitkolben gegen seinen erhobenen Ellbogen. Der Assassine hatte ausweichen wollen, war ob seines angeschlagenen, vernebelten Kopfes jedoch zu langsam gewesen. Der Unbewaffnete hatte seinen linken Arm schützend vor sich gehoben und hatte sein Haupt somit davor bewahrt von dem harten, mit Stacheln bewehrten Metall getroffen zu werden; doch der enorme Schmerz, der nun durch sein Gliedmaß jagte raubte ihm den Atem und in den nächsten Sekunden bestimmt auch noch das labile Bewusstsein.

Der verletzte Assassine spürte einen harten Tritt in seine Kniekehle, einen Schlag in seine Seite, das Reißen von Haut und ging erneut zu Boden; er wollte sich am staubigen Grund abstützen, doch sein zertrümmerter, unnatürlich verdrehter Arm gab nach. Sein Kopf hob sich wie in Trance etwas an, als er versuchte sich zu orientieren und er rollte sich instinktiv zur Seite fort, als sein grimmig schmunzelnder Gegner wieder auf ihn eindreschen wollte.

Und dann sah er ihn. Sah Kadar – oder das, was von ihm übrig geblieben war – unweit von ihm entfernt im Dreck liegen. Sein Kopf ruhte in einer zähen, dunkelroten Lache; das Blut verklebte seine Haare, vermischte sich dort mit... mit irgendetwas Klumpigem, Hellerem-

Sein Kopf.

Nein nein, sein Kopf- bitte nicht! Oh bitte nicht!

Der bleiche Mann streckte seine Hand nach dem Anderen aus, doch war zu weit von ihm entfernt, um ihn erreichen zu können. Alles um ihn herum stand in diesem Augenblick still, die Templer und de Sable existierten nicht, die unterirdischen Katakomben verschwanden aus seiner schummrigen Sicht; er hörte bloß seinen eigenen, rasenden Puls in den Ohren rauschen. Und er sah nur noch seinen kleinen Bruder - dessen zerrissene, schmutzige Robe, die ausdruckslosen Augen und die offenstehenden, blassen Lippen. Und... und den aufgeschlagenen Kopf mit den wirren, vor Blut nassen Haaren.

Malik rang nach Luft, doch er vermochte es nicht zu atmen.

'Ein junger Mann passt auf seinen kleinen Bruder auf, Malik. Egal was passiert.'.

Seine Augen weiteten sich, als wollten sie wie sein schweres Herz aus seinem Körper hervorspringen und er schrie vor Entsetzen, jaulte wie ein sterbender Hund und er weinte den Namen seines Bruders, wieder und immer wieder. Galle schmeckte bitter in seinem Mund und sein Magen verkrampfte sich wie die Finger seiner rechten Hand. Warme Tränen zogen schmale Rinnsale über seine verdreckten, bleichen Wangen. Und er schrie, schrie sich die Seele aus dem bebenden Leib.
 

„Dai..?“ und plötzlich stand der überfürsorgliche Karim mit großen Augen vor Malik und starrte ihm vollkommen verunsichert entgegen. Letzterer hatte gar nicht bemerkt, wie der Jüngere den dunkler werdenden Garten betreten hatte „He. Alles in Ordnung, Malik?“.

Ein klein wenig wirr blinzelte der zuvor noch so gedankenverlorene Kurzhaarige dem Anderen entgegen, dann fuhr er sich leise seufzend mit der Hand über das farblose Gesicht. Der Geselle bei ihm musterte ihn kritisch, doch der aufgewühlte Kartograf nickte nur bevor er wieder fort sah; „Ja. Ja, alles gut.“ war das Einzige, das er in diesem überrumpelnden Moment und begleitet von den tiefen Glockenschlägen herausbekam. Noch immer lehnte er an der Steinwand des Außenbereichs seines Büros... und wartete. Er bemerkte, wie ihm das Herz mittlerweile so sehr klopfte, dass er glaubte es würde in den nächsten Sekunden zerbersten; seine Finger waren kalt und seine Hand zitterte merklich. Ihm war etwas übel.

Hatte er... hatte er etwa Angst? Hatte er Angst um Altaïr? Befürchtete er ihn an Robert de Sable zu verlieren so wie seinen kleinen Bruder und seinen Arm? Oh, Allah bewahre...
 

Als der unruhige Malik eine Hand auf der Schulter spürte, sah er wieder auf. Er warf einen Seitenblick zu dem besorgten Gesellen hin, der sich gerade neben ihn an die Wand lehnte und ihn freundschaftlich tätschelte. Karim lächelte, als er sprach.

„Er kommt zurecht.“

„Wer?“

„Na, Meister Altaïr.“ Malik runzelte die Stirn etwas. Er würde sich wohl nie daran gewöhnen, dass der Adler von niederen Rängen als Meisterassassine angesprochen wurde. Wahrscheinlich hatten die meisten Jungen einen Mords Respekt vor ihm. Nun, Karim, der hatte das jedenfalls. Der Dai konnte sich daher eines unbeherzten Schmunzelns nicht erwehren. Die Ansprache des Jüngeren lenkte ihn von den Stadtglocken und der beklemmenden Sorge um den exzentrischen 'Meister' ab.

„Er ist kein Meister.“

„Aber er war doch mal einer?“

„Bevor er das Kredo gebrochen hat, ja.“

„Uhm...“

„Er ist dabei seinen Titel zurückzuholen, Karim. Doch bis dahin zolle ihm keinen Respekt, den er sich nicht auch verdient hat. Er ist schon ohne überheblich genug... und Überheblichkeit ist gefährlich.“

„Naja. Aber er ist... gut.“

„Im Kampf. Doch was seinen Kopf angeht, bin ich mir dessen nicht so wirklich sicher. Noch nicht.“

Karim lachte leise, sprach seine restlichen Gedanken über Altaïr dann ganz offen zu Ende: „Und er macht mir Angst.“.

Angst? Oh ja, die machte er Malik auch gerade. Denn die Glocken, die Altaïr dazu gebracht hatte Alarm zu schlagen, tönten immer noch dumpf. Immer und immer wieder. Und es kam dem bangen Dai so vor, als würden sie dabei immer lauter werden. Doch so lange sie läuteten, war ja alles in Ordnung, nicht? So lange sie läuteten, lebte der flüchtende Assassine. Er lief zwar davon, aber er lebte.

„'Angst', huh?“ versuchte Malik so gefasst als möglich von sich zu geben, um Karim nicht mit seinen dunklen Befürchtungen zu behelligen. Seine labilen Gedanken schienen nämlich schon wieder abdriften zu wollen – nach draußen und hin zu dem Szenario um den - hoffentlich schnell fliegenden - Adler Masyafs und den glatzköpfigen Templer mit dem französischen Akzent. Oh, bitte... Altaïr durfte nicht sterben. Nicht jetzt. Nicht, wo sie sich doch wieder einigermaßen versöhnt hatten und...

Und-

„Aber er schaut immer so böse. Und er beobachtet einen immer so genau. Die Anderen haben gemeint, wenn man bei ihm nicht aufpasst, dann hätte man ganz fix ein Messer im Rücken. Sie haben gesagt er sei unberechenbar.“ murmelte Karim kleinlaut; er linste vorsichtig und mit ängstlicher Miene zu dem Dai neben sich hin. Der wiederum lachte nur leise und schüttelte den Kopf. Gut zu wissen, dass der 'dumme Novize' die, die in der Hierarchie unter ihm standen, in Angst und Schrecken versetzte. Ob es wohl Gruselgeschichten über ihn gab? Die musste Malik hören.
 

II
 

Es wurde bereits richtig dunkel. Und es gab noch immer nicht das geringste Zeichen von Altaïr. Die massiven Glocken Jerusalems hatten schon lange aufgehört zu schlagen und der rege Tumult ringsum war abgeflaut. Ganz anders als das miese Gefühl in Malik's sensibler Magengrube. Er war unglaublich nervös und bis aufs Äußerste angespannt, hatte sogar das Abendessen ausgelassen und war den viel zu gesprächigen Karim vorhin auf laute und unfreundliche Weise angefahren. Er hatte sich zwar sofort bei dem perplexen Jüngeren entschuldigt... und dennoch hatte der Kartograf nun irgendwie ein schlechtes Gewissen. Der nette Geselle hatte ihn ja nur mit blöden Witzen aufheitern und ablenken wollen, richtig?

Das Nervenbündel von Büroleiter hatte vor einigen Momenten damit angefangen aufzuräumen; gerade kehrte er den Boden des inneren Bereiches seines Heims, um sich abzulenken. Der manchmal etwas zu korrekte Malik war nicht unordentlich – im Gegenteil –, sein Büro war immer blitzblank und es war daher nicht wirklich nötig zu putzen. Aber es wirkte ein wenig gegen sein Aufgebracht-Sein den abgetretenen Boden mit einem alten Besen zu bearbeiten. Ein verhaltenes Seufzen schlich über die Lippen des Dais, als er dabei kurz inne hielt und sich sein ungewollt hoffnungsvoller Blick gen Außengarten hob. Seine braunen Augen suchten die breite Luke im Dachverschlag, die er vorhin wieder geöffnet hatte; sie fanden anstatt einer weißen Robe aber nur den hell scheinenden Halbmond und ein paar kleine Sterne.

Malik biss sich auf die Unterlippe, als er seinen suchenden Blick wieder sinken ließ, um sich krampfhaft auf sein Kehrgerät zu konzentrieren. Nervös fuhr er mit dem Nagel des Daumens eine Rille im Holz des Besenstiels nach. Wo blieb Altaïr bloß?

Karim saß derweil stillschweigend am Tisch mit dem Schachbrett und spielte eine Partie gegen sich selbst. Er hatte sich dazu entschlossen den verstimmten Dai in Ruhe zu lassen, wirkte dabei aber nicht beleidigt oder gar wütend. Vielleicht wusste er ja selbst, dass er manchmal einfach zu viel redete und hatte eingesehen mit seinen Templerwitzen vorhin etwas über die Stränge geschlagen zu haben.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit aber war es Malik, der sein Wort an den sonst so gesprächigen Gesellen im Büro richtete. Der putzende Kartograf hatte die drückende Stille in dem klammen Raum nicht mehr ausgehalten. Er hatte das ungute Gefühl gehabt etwas – einfach nur irgendetwas - sagen zu müssen, um die dicken Zimmerwände daran zu hindern ihn zu erschlagen.

„Karim?“

Anstatt einer nachhakenden, nichtsahnenden Antwort kam jedoch eine drängende und direkte Gegenfrage. Sie schien dem neugierigen Jüngeren schon die ganze Zeit über auf der vorschnellen Zunge gelegen zu haben: „Liebst du ihn?“.

Malik stutzte und beinahe fiel ihm der Besen aus der Hand; gerade im letzten Augenblick, da fing er ihn noch und hinderte das Ding somit daran klackernd gen Boden zu poltern. Entgeisterten Blickes wendete er sich zu dem sitzenden Gesellen um und wünschte es sich innig gerade doch nichts gesagt zu haben. Hätte er doch bloß stumm weiter gekehrt...

Wie bitte?“

„Liebst du Meister Altaïr?“ Es war nicht das erste Mal, dass der offenherzige Karim auf diese heikle Thematik anspielte, doch so ernst wie jetzt hatte er es noch nie getan. Der Junge sah nicht zu dem heftig vor den Kopf gestoßenen Kartografen zurück, sondern widmete sich auffallend geschäftig seinen weißen und schwarzen Schachfiguren. Es hatte ihn wohl Einiges an Überwindung gekostet seine doch etwas... grenzwertige Frage zu stellen. Und nun kam er sich vermutlich mehr als nur ein wenig dumm vor. Sprachlos betrachtete der konfrontierte Malik den schmalen Rücken des schachspielenden Gesellen und bemerkte es gar nicht, wie fest er den Besenstiel in seiner Hand gerade umklammerte.

Nachdem der Ältere nicht antwortete, rang sich Karim dann dazu durch weiterzusprechen. Nur... warum? Was sollte es ihn interessieren wen oder ob sein Vorgesetzter-

Uh, Malik wagte es kaum das Wort überhaupt zu denken. Darüber zu sinnieren ob er Altaïr... liebte. Liebte. Der zweifelnde Mann spürte einen dicken Kloß in seinem ohnehin schon so engen Hals.

„Ich frage nur weil... es so wirkt.“ über seine Schulter blickte der neugierige Karim jetzt endlich – oder blöderweise? - zu dem bleichen Dai zurück. Er wirkte dabei fast schon scheu „Es wirkt so, als ob du ihn liebst, Malik.“.
 

Es verging eine gefühlte Ewigkeit während der geistig schwankende Malik versuchte seine verwirrten Gedanken und Worte, die seiner rauen Kehle entfliehen wollten, zu ordnen. Erst, als Karim kaum noch mit einer klaren Antwort rechnete, sprach er schließlich.

„... wirklich?“ Um Himmels Willen, musste er gerade dümmlich wirken!

„Wirklich.“

„Warum?“

„Du bist gerade so nervös und gereizt... als hättest du große Angst um ihn. Und man hat doch nur dann Angst um jemanden, wenn dieser jemand einem was bedeutet.“ fing Karim an und kratzte sich am strubbeligen Hinterkopf. Womöglich hatte er erkannt sein Gesagtes nun nicht mehr rückgängig machen zu können und wollte all seine Gedanken, die ihn so sehr beschäftigten, loswerden. Doch warum waren sie ihm überhaupt auf der Seele gelegen? Warum sollte er sich Gedanken darüber machen ob es jemanden gab, den Malik... mochte?

„Und... du hast immer so seltsam gelächelt, als du von ihm geredet hast. Du hast zwar über ihn geschimpft und ihn einen blöden Novizen und Sohn einer Hündin genannt... aber du hast dabei manchmal gelächelt.“

„Ich habe was?“

Nun war es der feststellende Jüngere, der anfing zu schmunzeln. Als er leise lachte, hielt er sich eine Hand locker vor den Mund, als fürchte er Malik's Besen auf den Kopf zu bekommen, sähe der fassungslose Dai seine Zähne beim Kichern.

Im Gegenzug zu dem Gesellen war es dem baffen Kartografen gerade aber ganz und gar nicht zum Lachen zumute. Seine dunklen Augen wanderten ein Stück weit zur Seite, suchten willkürlich irgendetwas, das sie anstarren konnten und entschieden sich schließlich für die Leere. Leicht presste der Mann seine trockenen Lippen aufeinander.

Gelächelt? Er hatte... gelächelt?
 

III
 

Erst als es bereits Dämmerte, regte sich am flachen Dach des Büros etwas; der Dai sah auf und seine braunen Augen weiteten sich. Während Karim irgendwann völlig übermüdet nach Hause – zu dem alten Informanten und Freund, bei dem er wohnte – gegangen war, um sich hinzulegen, hatte der beunruhigte Malik die elend lange Nacht damit verbracht wie ein eingesperrtes Tier in seinem Käfig auf und ab zu schreiten. Und genau wie solch eines hatte er sich auch gefühlt. Schrecklich. Hilflos. Er war beinahe schon an dem Punkt angelangt gewesen, an dem er selbst losziehen wollte, um den abwesenden Altaïr zu suchen, doch im letzten Moment hatte er sich doch noch gegen diesen kopflosen Plan entschieden. Er hatte im Büro bleiben und warten müssen. Denn was, wenn der Adler hierher gekommen wäre – das womöglich sogar verletzt – und der beistehende Dai wäre nicht hier gewesen. Ja, was dann?
 

Doch Altaïr war nicht verletzt. Nicht wirklich.

Noch bevor der aufgescheuchte Malik den finsteren Außengarten erreichen konnte, hatte sich der Ältere durch den offenen Dachverschlag hereingelassen und war auf leisen Sohlen auf dem, mit Kissen bestückten, Steinboden gelandet. Und ganz anders als der nervöse Malik, der stundenlang im Assassinenbüro auf und ab gegangen war wie ein eingefangenes Raubtier, sah der schwer atmende Altaïr auch wirklich wie eines aus. Der hastende Dai hielt inne, als er in den Türrahmen zum kleinen Garten trat und seinen abgekämpften Kumpanen erblickte. Einen Herzschlag lange hielt er sogar den schnellen Atem an, als ihn zwei wilde, goldbraune Augen trafen, und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. All die kleinen Wurfmesser Altaïrs fehlten und seine knöchellange Robe war an manchen Stellen etwas aufgerissen; Blut klebte an dem weißen Gewand doch Malik's eilig suchender Blick fand auf die Schnelle keine Wunde am Körper des furiosen Adlers.

„Altaïr.“ entkam es dem befangenen Kartografen beinahe schon tonlos und er ballte die zittrige Hand zur Faust. Vollkommen verunsichert stand er da und zögerte. Aber er zögerte nicht des angriffslustigen Anblicks des Anderen sondern eher seiner eigenen Unschlüssigkeit über eine etwa folgende Reaktion darauf wegen. Was sollte er tun? Was war passiert? War de Sable tot? Was war los? Ging es dem Adler gut? Malik's Gedanken rasten.

Doch dann öffneten sich die Lippen des nahezu regungslosen Älteren plötzlich und erlösten den 25-Jährigen von seiner kompletten Verunsicherung „Malik.“.
 

Malik's Finger krallten sich fest in den groben, dreckigen Stoff von Altaïr's Robe, als er dem unstet atmenden Mann um den Hals fiel, zerrten regelrecht daran. Die Erleichterung über ihr fast schon unerwartetes Wiedersehen hatte schlussendlich über seinen schrägen, verbissenen Stolz und seine unverrückbaren Ansichten über 'Richtig und Falsch' gesiegt; sein Bauch hatte gegen seinen Kopf gesiegt. Es war dem entlasteten Dai egal, dass der Assassine - den er gerade an sich presste, als wolle er ihn noch zerquetschen - vollkommen verdreckt war; staubig von den trockenen Straßen und dem Wind, der den Sand durch die Stadttore blies, verschwitzt und beschmiert mit dem dunklen Blut seiner vielen Gegner. Es war ihm einerlei, dass Altaïr ihn zuvor noch angesehen hatte, als wäre er sein nächstes Opfer und es war ihm egal was... der bedrängte Krieger gerade von ihm denken mochte. Malik war einfach nur erleichtert und froh. So froh.

Natürlich brachte der Kartograf auch jetzt wieder kein einziges sinnvolles Wort heraus; er hatte wahrlich schon genug damit zu tun die wenigen überschwänglichen Gefühle, die er noch im Griff hatte, zurückzuhalten.

Sollte er etwa lachen? Oder heulen? Oder gar beides? Nein danke. Das hier - dass er den Novizen regelrecht angesprungen hatte wie ein Haustier, dass sich darüber freute sein Herrchen zu sehen - reichte! Ja, es reichte schon bei Weitem.

Malik drückte sein Gesicht an die Schulter Altaïrs und atmete zitternd gegen die dreckige Uniform des Selbigen. Er schloss dabei die braunen Augen und biss die Kiefer so fest aufeinander, dass es so sehr schmerzte wie seine Finger, die sich an den überrumpelten Anderen klammerten.

Oh, der Adler musste gerade ganz schön dämlich drein sehen. Bestimmt war ihm dieser wilde Blick von gerade eben längst vergangen. Und er würde den Jüngeren später noch wegen dem, was dieser hier gerade tat, auslachen. Ja, ganz sicher würde er das. Er würde spötteln, sticheln und dumm grinsen nachdem-

Nachdem er Malik wieder losgelassen hatte.

Der überwältigte Büroleiter sah ein Stück weit auf, über die breite Schulter des Anderen hinweg der nüchternen Wand entgegen. Verwunderung legte sich über seine wieder etwas lockerere Miene, als er zwei Hände an seinem Rücken spürte, starke Unterarme und die harte, metallene Schiene an dem Einen davon. Altaïr drückte Malik eng an sich. Ebenso schweigend wie der etwas kleinere Dai stand er da - und hatte hoffentlich nicht vor den Schwarzhaarigen so bald wieder loszulassen.

Es war wie gestern Nacht... als Malik eines kühlen Luftzugs wegen erwacht war und Altaïr ihn im Schlaf festgehalten hatte. Nur viel, viel... intensiver. Denn der ältere Assassine tat dies hier gerade unter vollstem Bewusstsein, nicht während er tief schlief. Er hatte die Umarmung des 25-Jährigen von sich aus erwidert und tat dies auf eine Art und Weise von der der atemlose Kartograf geglaubt hätte, Altaïr wäre gar nicht mehr dazu fähig. Voller... voller Gefühl und nicht aus irgendwelchen sexuellen Trieben und der damit verbundenen, verbotenen Lust heraus. Die intime Geste war ehrlich und beherzt, voller... grotesker Zuneigung und-

Und Malik glaubte, ihm zerbreche das Herz gleich in tausend Scherben. Doch warum? Wieso versetzte es dem wankelmütigen Dai solch einen fürchterlichen Stich von Altaïr festgehalten zu werden; warum brachte es ihn dazu schwer zu schlucken und insgeheim gewaltsam mit den Tränen zu kämpfen?

„Malik...“ die tiefe Stimme Altaïrs - wie sie seinen Namen flüsterte - sie wollte in den Ohren des Jüngeren widerhallen, ihn fesseln und gewaltsam durchschütteln.

Es tat weh.

Malik lockerte seinen Griff an der Uniform des anderen Assassinen und ließ seine Hand zögerlich sinken; das aber nur um sie im nächsten Moment dann auch schon impulsiv gegen Altaïr zu stemmen. Er wollte es nicht wirklich – glaubte er jedenfalls – doch er drückte den Adler von sich. Denn diese verdammten Stiche in seinem Brustkorb sollten aufhören! Es sollte aufhören, er wollte nicht noch wegen einer simplen Umarmung herum weinen wie ein kleines Kind!

Der Ältere ließ Malik auch sogleich los, als er bemerkte, wie sich der Kartograf plötzlich widerwillig gegen ihn sträubte und seine schmutzigen Finger sanken wie auch das Haupt des Letzteren. Malik wendete sich von dem Krieger ab ohne noch einmal zu ihm aufzublicken. Er konnte es gerade nicht, es ging einfach nicht, er brauchte Luft. Luft um zu atmen, Luft um seinen Kopf frei zu blasen von diesen... diesen Gedanken, die ihn mit spitzen Zähnen bissen und noch zu verschlingen drohten wie ein hungriges Tier. Er brauchte Platz für sein Herz, das aus seiner Brust hervorspringen wollte, und davon viel.

Ja, viel Platz.

Sich flüchtig mit dem Handballen über eine Wange wischend 'flüchtete' sich der viel zu emotionale Malik zurück in den Innenbereich seines Büros und dieses Mal war er es der einen verwirrten Bruder zurückließ. Zumindest für die nächsten paar Momente.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Momokolloi
2013-07-04T11:17:59+00:00 04.07.2013 13:17
ahhhhhhh du schaffst es immer wieder ein ende bei jedem kapitel zu schreiben wo am liebsten vor neugierde den Computer an die wand schmeißen möchte ^^
trotzdem tolles Kapitel *daumen hoch*
Antwort von:  Crevan
04.07.2013 13:42
Oh no, der arme PC! D: lol
Danke für das Lob, es geht bald weiter ;D
Von:  Evelyn
2013-07-04T04:24:31+00:00 04.07.2013 06:24
Oh… es wird spannend…
Super geschrieben <3
Antwort von:  Crevan
04.07.2013 13:41
Hehehe ;D
Und danke :3


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