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Das rote Tuch

von

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Die Diebe

Ein Schubser riss Malik aus seinen Gedanken und er senkte seinen Kopf wieder. Irgendjemand hatte ihn grob angerempelt und nicht einmal den Anstand dazu besessen sich zu entschuldigen. Der Rafik zog die Brauen zusammen und sah aus dem Augenwinkel zu dem großen Kerl hin, der nun neben ihm verweilte und ihn dämlich angrinste „Ey, Missgeburt.“.

Was zum-? Malik glaubte zunächst sich verhört zu haben, doch dann realisierte er sehr schnell was hier vor sich ging und augenblicklich baute sich in seinem Körper eine gewisse, von schlechten Vorahnungen getriebene Anspannung auf. „Wie bitte?“ Sein Herzschlag verschnellerte sich rapide und Adrenalin schoss in seine abgekämpften Glieder. Seine Finger spannten sich etwas an, bereit dazu an die linke Seite seiner Hüfte zu fassen – unter den Mantel, um sein Langschwert aus der Scheide an seinem Gürtel zu ziehen - denn natürlich trug er die Waffe bei sich. Der Mann neben ihm schien das noch nicht bemerkt zu haben – wie auch? Malik wartete ab.

„Ich sagte: Ey, Missgeburt.“

Der, wie vor den Kopf gestoßene, Kartograf schwieg und drehte dem Anderen seinen Kopf zur Gänze zu. Ungläubigkeit und Verachtung lag in seinem zuvor noch so müden, doch nun durchaus wachen Blick.

Noch bevor er dazu ansetzen konnte eine schnippische Antwort zu erwidern, stockte Malik und horchte auf. Jemand näherte sich während der Große neben ihm derbe weiterstänkerte. Der Rafik hörte ihm nicht zu sondern streckte seine guten Sinne nach dem, der sich zwar darum bemühte zu schleichen, sich jedoch viel zu auffällig und ungestüm näherte, aus. Womöglich arbeitete jener mit dem groben Unhold hier zusammen.

Malik schloss seine Augen für wenige Sekunden und erntete dafür ein „Ey, nicht im Stehen einpennen, Krüppel! Ich red mit dir!“ von dem muskulösen Mann. Der Atem dieses Kerls schlug ihm faulig entgegen; ein Mundwinkel des Rafiks zuckte, als er seine Lider wieder einen Spalt weit öffnete. Die Welt vor ihm verschwamm in viele verschiedene helle und dunkle Blautöne, ehe er es wieder schaffte seine Sicht zu fokussieren. Ein Trick, den ihm Altaïr einmal gezeigt hatte und den nur Wenige wirklich beherrschten: Man konzentrierte sich für kurze Zeit eisern auf seinen Sehsinn und innere Überlebensinstinkte, auf jedes noch so kleine, optische Detail in der Umgebung, Freund und Feind, Gebäude, Wege, die gewisse Personen gingen... und man begann langsam aber sicher Auren zu sehen. Menschen, die einem nicht wohl gesinnt waren, strahlten ihre schlechte Körperenergie aus und wenn man sich auf sie fixierte, begann die Luft um sie herum rötlich zu schimmern. Malik hatte Jahre gebraucht, um diese Art des Sehens zu erlernen und selbst jetzt tat er sich noch sehr schwer damit. Doch er schaffte es diesen sechsten Sinn für wenige Momente lange aufrecht zu erhalten – mehr brauchte er ohnehin nicht.

Der unfreundliche Mann vor ihm wurde in ein tiefes Rot getaucht, als ihn Malik's unruhiger Blick streifte. Der Schwarzhaarige versuchte das anschwellende Rauschen und Klingeln in seinen Ohren zu ignorieren, das die schwierige Aurensicht mit sich brachte. Er blinzelte kurz und konnte in seinem Augenwinkel eine weitere, purpurne Gestalt erkennen, die sich zwischen all den anderen Menschen geradewegs auf ihn zu bewegte.

Diebe. Der Große sollte Malik ablenken während der Andere den Geldbeutel der 'Missgeburt' stahl, richtig?

Der Rafik atmete entnervt aus, als die Umgebung nach und nach wieder natürliche Farben und Formen annahm. Es ging also einmal wieder los... wie er es doch hasste. Dies hier erklärte dann wohl auch die stechenden Blicke, die ihm vorhin die Nackenhärchen aufgestellt hatten.
 

Recht schnell, doch absolut... undurchdacht grapschte der kleine Dieb Sekunden später schon nach der Tasche, die Malik bei sich trug. Nach der ganzen Tasche. Wäre es denn nicht intelligenter gewesen mit vorsichtigen Fingern in sie hinein zu fassen? Der Kartograf erfasste seine alte Umhängetasche sogleich am Trageriemen, hielt sie daran fest und hinderte den Fremden dadurch daran sie ihm vom Körper zu reißen. Am liebsten hätte er nun über die Dummheit des verdatterten Mannes – nein, Jungen - gelacht, doch jener zog plötzlich ein Messer. Malik's Augenbrauen hoben sich etwas an und er wich einen Schritt weit zurück; das überstürzte Handeln des Fremden beeindruckte ihn wenig, doch er musste vorsichtig sein. Verzweifelte neigten dazu viel zu hastig und unüberlegt zuzustechen sobald sie eine Waffe in die Hände bekamen. Umso unerfahrener sie waren, desto schlimmer war es. Und dieser Bursche hier war unerfahren. Wie alt war er wohl? 16, 17?

Passanten ringsum verstummten und traten zurück, anstatt zu helfen gafften sie oder bemühten sich darum Abstand zu gewinnen. Wie immer.

„Gib sie her oder ich stech dich ab, du Hund!“ Der offenbar verzweifelte Taschendieb fing damit an mit seinem Messer zu fuchteln; genervt rümpfte Malik die Nase und rang mit sich selbst. Was sollte er nun tun? Er... er konnte sich nicht wehren. Nicht, weil er körperlich nicht dazu im Stande gewesen wäre, um Gottes Willen! Er hätte diesen kleinen Idioten hier auf der Stelle kalt machen können bevor dieser überhaupt dazu gekommen wäre zuzustechen. Ihn mitsamt seines großen, stinkenden Schlägerfreundes. Malik hatte zwar nur noch einen Arm, doch er war bereits als Kind im Kampf und der Kunst des Tötens unterrichtet worden, eine Bande maulender Diebe stellte für ihn wahrhaftig keine große Bedrohung dar. Doch... er musste seine Tarnung als armer Kartograf Jerusalems aufrecht erhalten, um die Bruderschaft zu schützen. Sein Büro durfte nicht als das auffliegen was es eigentlich war – eine wichtige Anlaufstelle für Assassinen aus Masyaf – und auch er nicht. Und so knirschte Malik lediglich mit den Zähnen und wehrte sich nicht, als ihn der großgewachsene Komplize des Messerstechers aberplötzlich von hinten packte und mit groben Händen festhielt.

Malik wand sich zunächst noch, lockerte dann aber den Griff um den breiten Gurt seiner ledernen Tasche und zwang sich und sein großes Ego verbissen zur Kapitulation. Es brachte ja nichts. Er durfte hier nun keinen Kampf anzetteln. Er musste ruhig bleiben.

Die dunklen Augen des Kartografen wichen von dem schadenfroh Grinsenden vor sich fort und streiften ziellos über die Köpfe der vielen Schaulustigen. Sein Atem kam ihm ungleichmäßig über die Lippen und er ballte die Faust. Vor wenigen Minuten hatte er sich noch darum bemüht abseits durch die Stadt zu spazieren und nun... nun waren so gut wie alle neugierigen Augenpaare am Platz auf ihn gerichtet. Er fühlte sich nackt – nackt und hilflos, obwohl er es eigentlich nicht war. Absolut nicht. Alleine in den ersten Sekunden der Konfrontation mit den beiden Unholden waren ihm acht Möglichkeiten eingefallen die beiden Banditen, die ihn in der Mangel hatten, auszuschalten oder zumindest loszuwerden. Und bei Sechs davon wäre dies durchaus subtil von Statten gegangen.

Ein völlig aufgebrachter, älterer Mann rief nach der Stadtwache „Wache! Überfall!“. Nunja, immerhin Einer zeigte Courage.
 

Noch bevor die drei bewaffneten Wachen eintrafen, waren die beiden Diebe fort. Zusammen mit Malik's Tasche, seinem Geld und einem großen Stück seines sonst so unbeugbaren Stolzes. Der Große der beiden Raufbolde hatte ihm zum Abschied einen gewaltsamen Stoß in die Nierengegend verpasst und der Rafik hatte sein altbewährtes, tragikomisches Spielchen gespielt: Er hatte sich an seine Rolle als wehrloser Schreiberling geklammert. Schmerzverzerrt keuchend war er nach dem forschen Ellbogenschlag und einem darauffolgenden Schubser gestolpert und auf den Knien gelandet. Er hatte den Kopf gesenkt gehalten, als ihm eine der Stadtwachen eine Hand gereicht hatte, um ihm wieder auf die Beine zu helfen. Immerhin dafür waren diese Deppen gut. Denn die beiden dreckigen Halunken, die waren ihnen entwischt.

„Alles in Ordnung?“ natürlich nicht.

„Ja.“ Malik bedachte den etwas beleibten Wachmann vor sich misstrauischen Blickes und wich dessen skeptischen Augen schnell aus, wendete seinen Kopf ab. Es verursachte ein sehr, sehr ungutes Gefühl in seiner Magengegend solch einem Mann direkt gegenüberzustehen; mit ihm zu sprechen anstatt ihm eine scharfe Klinge durch die ungeschützte Kehle zu treiben.

Es hatte Zeiten gegeben, in denen die verhassten Wachen noch laut 'Assassine!' gebrüllt hatten, als Malik - nach einem gescheiterten Versuch sich bedeckt zu halten - vor ihnen geflohen war. Auch jetzt hätte er sich am liebsten in die schützenden Schatten verkrochen - wo er seines Erachtens hingehörte - und sich seine Kapuze tief in das Gesicht gezogen. Stattdessen bedankte sich Malik tonlos bei dem gerüsteten Kerl, gab sich gespielt kleinlaut und wendete sich zum Gehen.

Ah, schmerzte seine Seite vielleicht. Verhalten ächzend fasste sich der Schwarzhaarige an die linke Taille. Ach verdammter Mist. Das war es dann wohl mit den Einkäufen und somit auch mit dem Mittagessen gewesen. Nun, ihm war der Appetit gerade eben sowieso vergangen...

„Seid in Zukunft etwas vorsichtiger!“ über Malik's Gesicht huschte ein Schatten, als ihm der Wachmann diese tadelnden Worte mit einem amüsierten Unterton in seiner heiseren Stimme hinterher rief. Arsch.

Aufgewühlt und mit einer tosenden Wut, die ihm den Magen umzudrehen drohte, eilte der schwer getroffene Rafik zurück zu seinem Büro. Die brennenden Blicke in seinem Nacken waren entgegen aller Erwartungen noch immer nicht fort, doch er biss sich auf die Innenseite seiner Wangen und ignorierte sie. Der von Rage Getriebene stand derart neben sich, dass er die Gestalt, die ihm auf leisen Sohlen und über die Dächer Jerusalems folgte, nicht bemerkte.
 

II
 

Malik fluchte laut, holte voller Wut aus und warf mit einem Schlag alles in seiner Reichweite von dem abgenutzten Tresen in seinem Büro. Schriftrollen landeten am Boden, Papier flatterte, ein Tintenfässchen klirrte und die Holzkiste mit den Verbänden und Phiolen von heute Nacht polterte. Die kleinen Messer daraus verstreuten sich zu seinen Füßen und ein Fläschchen mit einer zähflüssigen, stark nach Alkohol riechenden, Tinktur zerbrach. Der atemlose Rafik bekam als nächstes ein dickes Buch zu fassen und schleuderte es quer durch den Innenraum seines Heims, um seinem unglaublichen Ärger Luft zu machen. Völlig aufgebracht sprach er mit sich selbst, als er gegen seinen Tisch trat „Ich habs satt! Sowas von satt!“. Er schnappte außer sich nach Luft und wollte zu einem weiteren Buch greifen, doch im letzten Augenblick hielt er inne und mit einem verzweifelten Seufzen sank er rücklings an die breite Tischablage „Ich... hasse diese Stadt...“.

Ein paar Mal atmete der Kartograf tief aus und ein und ermahnte sich selbst zur Ruhe. Er fasste sich an das Gesicht dessen finsterer Ausdruck immer mehr einem Niedergeschlagenen Platz machte. Malik's Atem zitterte heftig und seine Sicht verschwamm ein klein wenig. Er rieb sich mit den unsteten Fingern über den Nasenrücken und schlug die Augen nieder. Nein, er würde jetzt nicht zusammenbrechen oder schon wieder rumheulen! Das würde er diesen verdammten Kerlen von eben nicht auch noch gönnen!

Und außerdem-... wahrscheinlich hatte er spätestens jetzt den dummen Novizen in seinem Garten geweckt. Pah. Der tat gerade gut daran sich nicht blicken zu lassen, offenbar war ihm sein jämmerliches Leben ja doch etwas wert! Ein falsches Wort und Malik hätte Altaïr in diesem Moment den Kragen umgedreht. Er konnte auf dumme, fragende Blicke verzichten und auf blöde Meldungen und schiefes Gegrinse erst recht!

Doch niemand streckte seinen bandagierten Kopf zur Tür herein, kein Assassine rührte sich im holzverschlagenen Außenbereich. Der Rafik stand minutenlang mit weichen Knien an seinen Tresen gesunken da und rang um Fassung – allein. Allein mit seinem angeschlagenen Ego und einem knurrenden Magen.
 

Als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, lenkte Malik seinen ermatteten Blick skeptisch in die Richtung seines Vorgartens. Stille. Und das nach dem ganzen Lärm, den er hier gerade verursacht hatte. Gefiel ihm... nicht so wirklich. Schlief Altaïr etwa derart fest? Oder interessierte es ihn einfach nicht was hier drin vor sich ging; war er nicht mehr so neugierig, wie er es sonst immer gewesen war? War er dieses Mal tatsächlich tot? Ach Quatsch. Malik rollte mit den Augen.

Der Mann dachte nun nach, kramte in seinem brummenden Schädel nach Worten und einem Vorwand, um nach seinem verwundeten Bruder zu rufen zu können. Er fand auch schnell einen: Man musste nach dem Zustand des Assassinen sehen und sich um die frische Naht an dessen Kopf kümmern. Bestimmt war die Kompresse darauf blutig und verklebt, man würde sie erneuern müssen und der unbeholfene Altaïr bekam das alleine doch nicht hin. Als Rafik war es Malik's Aufgabe sich um andere Mitglieder der Bruderschaft zu kümmern, wenn er nicht wollte, dass Beschwerden über ihn eingingen. Und, oh, Altaïr würde ihm doch bestimmt mit Vorliebe Ärger einbrocken, nicht?

Der Büroleiter durfte sich nichts zu Schulden kommen lassen, sonst kam es zu einer Inspektion und er verlor im schlimmsten Fall auch noch seinen – in seinen Augen minderwertigen – Rang als Rafik Jerusalems. Malik biss sich auf die trockene Unterlippe und besann sich kurz auf die Liste an Pflichten in seinem Kopf: Als Rafik musste man in jeglicher Hinsicht Hilfestellung leisten und Brüdern bedingungslos beistehen, man durfte die Bruderschaft nicht verraten oder hinterfragen und musste Al-Mualim in allen wichtigen Angelegenheiten unterrichten. Der Meister musste wissen, was in der Stadt und mit seinen Männern geschah. Diese Dinge kamen immer vor persönlichen Angelegenheiten; Hass auf irgendeinen Assassinen und private Zwistigkeiten hin oder her.

Malik sprang über seinen Schatten und holte Luft zum Sprechen „Altaïr.“.

Keine Antwort. Die Augen des Kartografen verfinsterten sich vor Missmut.

„Novize!“

Wieder nichts. Der Mann schnaubte verärgert und stapfte los, um in seinen Vorgarten zu gehen und den faulen Idioten dort draußen höchstpersönlich in den Innenraum seines Büros zu treten. Doch... der Adler war fort. Weg. So wie seine ganze Ausrüstung auch. Es sah fast so aus, als wäre er nie hier gewesen.

Verdattert und wie bestellt und nicht abgeholt stand Malik unter dem hölzernen Lattendach und starrte den verzierten Kissen am Grund lange entgegen. Der Novize war einfach so gegangen. Und das mit einer frischen Kopfwunde und einer Schädelfraktur, die ihm Schwindel bescherte. Was hatte er sich dabei gedacht? War er überhaupt dazu imstande zu klettern? Malik linste nach oben, der Dachluke entgegen; sie war zwar zu, doch der metallene Verschlussriegel davon stand offen. Altaïr war also wirklich nach draußen geklettert. Er musste losgezogen sein, um dem Meister in Masyaf Bericht zu erstatten. Absolut töricht, doch irgendwo auch... auf eine groteske Art bewundernswert. Es war ja schon immer seltsam gewesen wie schnell sich dieser Novize von seinen Verwundungen erholte...
 

Seufzend machte sich der bekümmerte Malik schlussendlich daran die zugeklappte Luke in seinem Gartendach aufzustoßen, denn seine anderen drei Brüder sollten im Zuge der nächsten Stunden eintreffen. Er riss sich von seinen viel zu sorgenvollen Gedanken um die Wunde an Altaïrs los, als er zurück in sein Büro ging und dabei die am Boden verstreuten Gegenstände achtlos liegen ließ. Er wusste nicht genau warum, doch in seinem hungrigen Magen bildete sich ein Kloß. Es ärgerte ihn, dass er nicht mehr dazu gekommen war Altaïr's abgeschlossene Mission zu protokollieren und-... es ärgerte ihn, dass sich der Adler nicht einmal verabschiedet hatte.
 

III
 

Malik glaubte, ihm bliebe das Herz stehen, als er ein Rumpeln in seinem Außenbereich vernahm. Beinahe hätte er vor Schreck einen schwarzen Tintenstrich quer über seine neu begonnene Karte Akkons gezogen, als ein weiteres, leiseres Poltern folgte. Der irritierte Rafik blickte auf und wendete seinen Kopf nach links, der Türe zu seinem kleinen Vorgarten entgegen. Tarek und sein Novize mussten angekommen sein, um sich die Aufgabe für den Jungen abzuholen...

Malik straffte die hängenden Schultern etwas und stellte seine Zeichenfeder zurück in das kleine Tintenfässchen auf dem Tresen. Doch anstatt des erwarteten Besuchs schlug dem Kartografen nur wieder drückende Stille und die warme Nachmittagsluft Jerusalems entgegen. Hatte er sich das Gepolter etwa nur eingebildet? Aus Argusaugen blickte er gen Garten.

Er zögerte ein paar Herzschläge lange ehe er sich dazu entschloss nach draußen zu sehen und griff nach dem Schwert, dass unter seinem langen Verkaufstisch lag. Wahrscheinlich war nur wieder eine der streunenden Katzen durch die Dachluke hereingekommen und fand nun nicht mehr hinaus. Eine dumme Vorstellung, dass solch ein kleines Tier in der Lage wäre solch einen Krach zu verursachen, doch... vielleicht hatte es ja irgendetwas umgeworfen. Nicht, dass es neben Kissen, Blumentöpfen und einer Shisha viel zum Umwerfen gab, doch der Gedanke an einen haarigen Vierbeiner beruhigte den müden Mann.
 

Malik hielt völlig perplex inne und ließ das gravierte Langschwert in seiner Rechten sinken, als er in seinen überdachten Vorraum trat. Zwei Dinge lagen dort unter der offenen Luke: Die braune, lederne Umhängetasche, die ihm das dreckige Diebespack heute Mittag gestohlen hatte und ein kleiner Leinensack. Zweiterer war umgekippt und dessen halber Inhalt zwischen die vielen Kissen im Garten gefallen. Malik's ungläubig geweitete Augen erkannten dort irgendwo eine Zwiebel, Tomaten, Knoblauch und ein paar kleine Bündel, die nach Gewürzen aussahen. Wieder wanderte sein Blick nach oben; jemand musste die beiden Taschen durch den offenen Dacheingang herein geworfen haben. Und tatsächlich saß dieser jemand ihm abgewandt auf dem geschlossenen Part des Verschlages über seinem Kopf. Der weiße Stoff der Robe eines Meisterassassinen war durch das Holzgitter zu erkennen und ein Ende einer roten Schärpe hing durch eines der Gitterlöcher herab.

„Altaïr.“ murrte Malik feststellend und viel eisiger hervor, als es ihm in dieser Situation lieb war. Er musste sich selbst eingestehen, dass er gerade nicht so recht wusste, was er sagen sollte. Eine Tatsache, die den sowieso schon schlecht gelaunten Mann richtig nervte. Seine Lippen öffneten und schlossen sich ein paar Mal, doch kein einziges Wort kam über sie.

Der Andere schien ihm vorhin bis zum Markt gefolgt zu sein – das erklärte auch den Schatten, den Malik gesehen und die Paranoia, die seine Glieder unterwegs geschüttelt hatte. Es schien so, als hätte sich Altaïr um die miesen Idioten, die Malik eine 'Missgeburt' geschimpft hatten, gekümmert und war danach auch noch an der Stelle des Rafiks einkaufen gewesen.

Ja, es war bestimmt so gewesen, nicht wahr? Malik schluckte trocken. Warum hatte der Andere das getan? Es-... er verstand es nicht so wirklich, doch das Ganze rührte den Kartografen gerade irgendwie - irgendwo tief in seinem Innern. Aber er schaffte es trotzdem nicht aus seiner Haut heraus und anstatt sich zu bedanken blaffte er nur weiter unfreundlich vor sich hin.

„Komm da gefälligst runter!“ sein düsterer Blick erwischte Altaïr soeben am Kragen und zog ihn gewaltsam durch die Dachluke herein, um ihn daraufhin an die Gartenwand zu nageln und zu töten.

„Du kannst nicht einfach... so dort oben rumsitzen. Falles es dir entgangen ist: es gibt Wachleute in Jerusalem, die einen liebend gerne von Dächern schießen! Manchmal sogar mit Steinen!“

Der Adler reagierte nicht. Ignorierte er Malik? Wollte er ihn etwa reizen oder wie??

„Und ich schwöre dir: ich schicke dich höchstpersönlich in die Hölle, wenn du auch nur eine einzige Wache hierher lockst!“ der grummelige Rafik stemmte sich seine Hand in die Seite und wippte ungeduldig mit einem Fuß. Seine dunklen Augen ließen die weiße Robe am Holzverschlag nicht los.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2013-02-24T11:22:31+00:00 24.02.2013 12:22
Gib mir mehr ! : D

Bisher hab ich echt einen Narren an dieser Fanfiction gefressen. Dein Schreibstil ist sehr gut, Fehler hab ich keine entdeckt und wie du Altaïr als auch Malik oder Kadar beschreibst, gefällt mir sehr sehr gut ! C: <3

Frohes Schaffen noch! <33
Antwort von:  Crevan
24.02.2013 14:09
OMG, danke für die vielen motivierenden Kommis :D
ALL THE LUVLUV! <3 :3
Von:  Card-Master
2013-02-23T22:25:17+00:00 23.02.2013 23:25
Eine bisher wirklich schöne Geschichte (der Teil mit Kadar's und Malik's Kindheit hat mir bisher am besten gefallen), die ich auch in Zukunft gerne weiterhin verfolge.
Mir gefällt dein Schreibstil und auch die Emotionen von Malik kannst du glaubhaft beschreiben. (Ganz zu schweigen von den wechselnden Beziehungen zwischen Malik und Altaïr). Wirklich toll. Ich bin gespannt, wie es weiter geht und was noch alles geschieht.

Liebe Grüße,
Card-Master
Antwort von:  Crevan
23.02.2013 23:46
Ooh danke für das Feedback :DD <3
Von Klein Malik und Kadar werden noch ein paar Flashbacks kommen! (freut mich sehr, dass diese Kapitel auch ankommen, ich hatte ja schon Bedenken)
Gibt ja noch Allerhand aufzulösen ;)
Von:  Becka
2013-02-22T20:46:04+00:00 22.02.2013 21:46
ich liebe diese geschichte!^^ du beschreibst Maliks gefühle und gedanken toll, deutest einige dinge an, auf die ich gespannt bin(die sache mit Al Mualim).vor allem mag ich wie du die story langsam aufbaust und natürlich lust auf mehr machst!warte gespannt wie es weiter geht.
LG Becka
Antwort von:  Crevan
23.02.2013 01:38
Danke für den lieben Kommi *A* <3

Gut, dass du das mit dem "Aufbauen" auch so siehst... ich hatte vor das ganze schön langsam anzugehen und ganz klar auch ein bisschen Spannung reinzukriegen (war mir unsicher ob ichs hinbekomme...). Im Moment gehts ja noch relativ ruhig zu, arbeite aber grade an den nächsten 2 Kapiteln, in denen es dann auch mal ein bisschen Action gibt :3 hehe.


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