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Die Geschichte des Shinigami Will

von

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William drehte sich auf den Rücken. Es war nicht das erste Mal, dass er deswegen nicht zur Ruhe kam.

Was sie wohl gerade tat? Ob sie noch wach war, am Fenster stand und ihn beobachtete? Nein, das hätte er bemerkt.

Sie ist schon seltsam, dachte Will und wälzte sich auf die Seite. Durch das Fenster erspähte er eine... Krähe? Er konnte den Vogel nicht zuordnen, der auf einem Baum saß und Will anzustarren schien.

Stets tauchte sie auf, wenn er sie am wenigsten erwartete. Tatsächlich schaffte sie es immer wieder von neuem, Will völlig zu verblüffen. Eine seltsame Sache, die sie da hatten. Es war etwas Zärtliches, jedoch hatten sie sich noch nie geküsst. Er wünschte sich nichts sehnlicher, aber er wollte warten.

Warten, bis sie bereit war.

Warten, bis es endlich Morgen wurde.
 

Sieben Uhr. Wills Wecker erklang. Es war ein besonderer Wecker; eine mit rötlichem Sand gefüllte Sanduhr. Man musste jeden Abend, wenn man sie umdrehte, einen größeren Stein obenauf legen, indem man eine kleine Klappe, die an beiden Böden der Uhr vorhanden war, öffnete. Nachdem sieben Stunden verstrichen waren, entstand durch das Gewicht des Steines eine Einbuchtung im heruntergerieselten Sand. Diese wurde immer größer, bis man den gläsernen Grund der Sanduhr sehen konnte. Dann fiel der Stein und traf mit einem leisen, hell klingenden Geräusch auf den Boden der Uhr.

Will starrte den golden schimmernden Stein an, seine Augen waren verklebt und er fühlte sich unfähig, aufzustehen. Aber es war seine Pflicht, und er gehörte nicht zu der Sorte von Leuten, die sich über ihre Pflichten beschwerten. Er kam seinen nach, streng und emotionslos. Nur so konnte er unnötige Probleme vermeiden. Umso schöner war es, dass er es manchmal ein paar Augenblicke lang zuließ, zuließ, dass Gefühle wie Leidenschaft und Zärtlichkeit seinen ganzen Körper durchströmten.

Er befreite sich aus der wohlig warmen Umklammerung der Decke, stand auf und brachte Ordnung in sein Bett, in dem er sich die ganze Nacht hin und her gewälzt hatte.

Bedächtig schob er die Tür seines Kleiderschrankes auf. Ordentlich gebügelte Jacketts hingen in der rechten Seite, daneben lagen übereinander gestapelte blütenweiße Hemden, schwarze Anzughosen und Krawatten. Seine Dienstkleidung. Jeden Tag trug er diese Anzüge, mittlerweile besaß er mindestens acht Garnituren, wenn nicht mehr. Gleichgültig zog Will frische Unterwäsche, ein Hemd und eine Hose aus dem Schrank und knöpfte das weiße Nachthemd auf. Während er sich umzog, dachte er an den heutigen Tag.

Die Abschlussprüfung. Will schluckte. Heute begann die Aufnahmeprüfung für ihn als Shinigami. Er spürte ein Gefühl der Nervosität in seinem Inneren aufkeimen, aber hastig erstickte er es; so etwas konnte er sich jetzt nicht leisten.

Als er das Hemd sorgfältig in die Hose gesteckt hatte, begann er, eine eintönig schwarze Krawatte unter seinem Kragen festzubinden. Schlingen, reinstecken, festziehen. Immer wieder das gleiche.

Er öffnete die Schlafzimmertür, schlüpfte in den Flur und ging ins Bad, um sich die Zähne zu putzen. Verbittert starrte er sich selbst durch den Spiegel an, während er die Zahnbürste in kreisenden Bewegungen durch seinen Mund führte. Was er da tat, war gegen seine Regeln. Keine Emotionen, hatte es geheißen, damals, als er sie aufgestellt hatte. Damals, als er aus Angst diesen riesigen Fehler gemacht hatte. Niemals würde er sich das verzeihen. Doch sie schaffte es, Wills Schutzhülle zu durchdringen, als wäre sie aus Eis und schmelze dahin, sobald sie Will mit ihrer wärmenden Anwesenheit beschenkte. Und doch tat er etwas Verbotenes. Sie ließ ihn loslassen und für den Moment... etwas Echtes, Gutes fühlen.

Kopschüttelnd spuckte Will aus und legte die Zahnbürste neben die Tube mit der Zahnpasta vor den Spiegel. Er sollte nicht daran denken.

Er verließ das Bad wieder, kippte alle Fenster seiner kleinen Wohnung und ging dann zur Haustür.

Saß die Krawatte? War die Brille sauber? Waren die Schuhe ordentlich zugebunden? Prüfend betrachtete er sein Spiegelbild und stellte fest, dass alles passte. Schnell streifte er noch eine schwarze Jacke über; es war bereits Mitte November und ziemlich kalt. Will drehte den Schlüssel im Schloss und drückte die Kinke herunter. Knarzend öffnete sich die Tür und gab einen Blick auf den hellen Flur frei, der die ersten Sonnenstrahlen des Morgens vielfach reflektierte, sodass er von Licht durchflutet wurde.

Die Tür musste geölt werden. Mit diesem Gedanken schloss er sie und trat auf den Flur. Etwas zügiger stieg er die Treppen hinunter. Er wollte schließlich nicht zu spät kommen.



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