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Im kalten Licht des Mondes

von

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Siegel

Gemeinsam saßen Yuna und Evelyn im weichen Gras, während der milde Nachtwind ihnen das Haar zerzauste, und schauten zum Vollmond auf. Hohe Luftströmungen ließen dunkle Wolken über den Himmel jagen, durch die immer wieder die Sterne hindurchblitzten.

„Als ich noch ganz klein war, hat meine Mutter mir zu den Sternen eine Geschichte erzählt.“, durchbrach Evelyn plötzlich das Schweigen. Yuna sah sie mit einer Mischung aus Überraschung und Neugier an. Was kam jetzt?

„Sie sagte mir, dass der Mond ein riesiger Keks sei, der jeden Monat von den weißen Wolkenmäusen aufgeknabbert wird, um dann würden hunderte Feen Stück für Stück neuen Teig backen, damit der Mond wieder leuchten kann. Die Sterne seien die Öfen der Feen, die so hell scheinen, dass man sie bis zur Erde sehen kann. Diese Feen, sagte sie weiter, kämen manchmal zu uns herab, um Kindern ihre Wünsche zu erfüllen, und dann könnten wir sie als Sternschnuppen am Himmel sehen. Das wäre der Grund, warum man sich bei Sternschnuppen etwas wünschen kann.“

Yuna kicherte und lehnte sich im Gras zurück. „Irgendwie ein beruhigender Gedanke. Die Geschichte gefällt mir.“

„Mir auch. Sie wusste dutzende solcher Geschichten zu erzählen, immer wenn ich nach etwas gefragt habe.“

„Zum Beispiel?“

Evelyns Blich verklärte sich einen Moment, als sie in ihre Erinnerungen eintauchte. „Einmal wollte ich wissen, warum der Storch so lange Beine habe. Sie antwortete mir dies:

Früher, ganz früher, als die Frösche noch Gamaschen trugen und der Ginster bis zu Sonne wuchs, da schaute jede Nacht ein Kaninchen zum Mond auf und seufzte voller Sehnsucht. So stark war der Wunsch, zum Mond zu reisen, dass es eines Tages die stärksten Vögel um Hilfe bat. Doch der Adler war zu hochmütig und sagte, für so etwas habe er keine Zeit, und der Falke konnte so hoch nicht fliegen. Da bot der Storch seine Hilfe an. Er forderte das Kaninchen auf, sich an seinen Beinen festzuhalten. Doch es war schwer, und der Weg war so weit. Schließlich erreichten sie den Mond, aber die Beine des Storchs waren während des Fluges lang geworden, und die Pfoten des Kaninchens bluteten. Zum Dank legte es dem Storch die Pfoten auf den Schnabel, und so kam der Storch zu seinen langen Beinen und dem roten Schnabel.“

„Erzähl mir noch was!“, bat Yuna und Evelyn warf ihr einen schrägen Blick zu.

„Na gut, aber nicht alle Geschichten waren so friedlich...“

So saßen sie in dieser Nacht noch viele Stunden beisammen und erzählten einander im Licht des Vollmonds dieses und jenes aus ihrem Leben. Besonders belustigt war Evelyn über den vielen Schabernack, den Yuna und Naruto miteinander angestellt hatten.

„Da hast du dir sicher einige Rügen eingefangen, hm?“

„Na ja, eigentlich nicht. Irgendwie kann man mir wohl nicht richtig böse sein. Naruto hat meistens die volle Packung abbekommen.“

„Kann ich mir vorstellen.“

„Du, sag mal, warum bekommen wir eigentlich einen ganzen Monat Zeit bis zum letzten Teil der Prüfung?“ Yunas Gedanken hatten einen Sprung gemacht.

„Nun, wir alle haben unsere Gegner jetzt mindestens einmal kämpfen sehen. Wir sollen die Zeit nutzen, neue Techniken zu entwickeln.“

Die Dunkelhaarige schlug sich vor die Stirn. „Eigentlich klar. Ich sitze wohl heute auf meinen Gedankengängen. Dumme Frage.“

„Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten.“, meinte Evelyn dazu.

„Deshalb wolltest du auch nicht, dass ich etwas anderes als Taijutsu einsetze, richtig?“

„Ja.“ Die Hellhaarige zupfte sich ein verirrtes Glühwürmchen aus dem Schopf und betrachtete es versonnen. „Die Kämpfe der dritten Prüfung sind der wichtigste Teil. Dort werden die eigenen Fähigkeiten präsentiert, um vielleicht von einem der anwesenden Würdenträger angeworben zu werden. Noch ein Grund, die Prüfung nicht sofort stattfinden zu lassen. Diese Herren sind nicht selten äußerst bequem und brauchen ihre Zeit, bis sie ihre Hintern irgendwo hinbewegt haben. Demnach ist es nicht unbedingt ausschlaggebend, ob man gewinnt.“

„Nicht?“, fragte Yuna erstaunt nach.

Evelyn schüttelte den Kopf. „Nein. Aber wir sollten morgen verstärkt das Training wieder aufnehmen.“

„Warum habe ich nur ein so schlechtes Gefühl dabei, wenn du das so sagst?“
 

Am nächsten Morgen trafen sich Yuna und Evelyn erneut auf der Waldlichtung, doch von Anko war keine Spur zu sehen. Yuna fand das nicht weiter verwunderlich, ihre Sensei hatte schließlich noch andere Aufgaben, doch Evelyn schien fast besorg zu sein, ohne allerdings auch nur ein Wort über das Thema fallen zu lassen. Sie begannen wie gewohnt mit körperlichen Übungen, und mit über einer halben Stunde Verspätung, was für sie mehr als untypisch war, traf Anko ein. Sie war sehr blass, wie vollkommen übernächtigt.

Kein Wunder, ging es der Hellhaarigen durch den Kopf, und sie dachte an Orochimaru.

Yuna blinzelte verdutzt auf ihre leeren Hände, als Evelyn innehielt und den Kampf damit beendete, dass sie der Dunkelhaarigen wie beiläufig den Stab aus der Hand pflückte.

„Was...?“, setzte sie an, doch Evelyn brachte sie mit einer knappen Geste zum Schweigen und deutete mit einem Kopfnicken auf ihre Sensei.

„Sie sieht erledigt aus.“, merkte Yuna so leise an, dass nur ihre Freundin sie hören konnte. Evelyn nickte abwesend. Anko hatte auch allen Grund dazu. Sie wollte nicht gerne in der Haut ihrer Sensei stecken und nahm sich vor, Anko bei Gelegenheit danach zu fragen.
 

Die Nacht senkte sich bereits herab, als Evelyn befand, mit Yunas Fortschritten zufrieden zu sein, und das Training beendete. Die Dunkelhaarige seufzte erleichtert auf. Für sie war es selten eine angenehme Erfahrung, sich ihre Fehler ausbügeln zu lassen. Fix und alle wankte sie nach Hause.

Die Hellhaarige sah ihr noch eine Weile nach, um sicher zu gehen, dass sie weg war, bevor sie sich Anko zuwandte. Ihre Sensei lehnte mit geschlossenen Augen an einem Baum. Sie wirkte erschöpft und krampfhaft, als versuche sie etwas vor ihren Schützlingen zu verbergen. Doch Evelyn ahnte, was es war.

„Sensei, irgendetwas ist mit ihnen.“, sagte sie bestimmt.

Anko zuckte zusammen und sah in das undeutbare Antlitz ihrer Schülerin.

„Nein, ich bin nur müde.“, sagte sie ausweichend und wandte den Blick ab. Sie schaffte es noch nicht einmal, sich selbst zu überzeugen.

„Das ist nicht alles.“, widersprach Evelyn und spannte leicht die Muskeln. Sie wurden beobachtet! Ein Schatten huschte durch das Unterholz. Die Hellhaarige fröstelte.

Plötzlich stieß Anko ein ersticktes Keuchen aus und krallte eine Hand in ihre Schulter. Das Juin. Sie sank durch den Schmerz ihrer Kräfte beraubt am Baum herab, und Evelyn sprang zu ihr, um sie aufzufangen. Nun wusste sie, wer sich in den Schatten der Bäume herumtrieb, und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Dennoch war sie geistesgegenwärtig genug, um die Situation zu nutzen und Anko zu sich ins Haus zu verfrachten. Sie setzte Anko auf eines der am Boden verstreuten Kissen und kniete sich neben sie.

„Was ist mit Ihnen? Kann ich helfen? Sie wissen, ich bin Heilerin.“

Ihre Sensei knirschte mit den Zähnen, gab jedoch nach und strich sich den Mantel von der Schulter. Ein schwarzes Mal wurde sichtbar. Evelyn legte eine Kühle Hand über die Stelle und lauschte auf das Chakra des Juin.

„Ein Fluchmal.“, erklärte sie leise und strich mit sanften Fingern über die Stelle. Ankos Gesicht verhärtete sich.

„Ich kann Ihnen helfen.“, sagte Evelyn. „Und ich werde nicht fragen, woher das Mal stammt, doch wer auch immer dafür verantwortlich ist, war stark. Ich kann nur versuchen, ein zweites Siegel darum zu legen, denn wenn ich versuche das Jutsu aufzulösen, könnte sich das gesamte darin befindliche Chakra auf einen Schlag entladen, was den Tod für alle in einem weiten Radius bedeuten könnte.“

Anko standen Schweißperlen auf der Stirn, und sie hörte die Worte ihrer Schülerin kaum.

„Tu, was du kannst.“, murmelte sie heiser.

Evelyn nahm hinter ihr Platz und legte beide Hände auf das Juin. Anko spürte das Prickeln fremden Chakras und erschauderte ob der Intensität des Jutsus. Nie hätte sie für möglich gehalten, dass jemand in so jungen Jahren schon derart begabt sein konnte. Und das in einem Bereich, wo ihr noch nicht einmal der Hokage hatte helfen können. Schließlich spürte sie einen kurzen Schmerz wie hundert Nadelstiche, dann war es vorbei. Ihre Schulter kribbelte, doch das Mal spürte sie nicht mehr. Evelyn reichte ihr einen kleinen Handspiegel. Das Juin prangte nun innerhalb eines schwarzen Pentagramms.

„Das sollte alle Auswirkungen dieses Mals einschließen.“, schloss die Hellhaarige.

Prüfend musterte Anko ihre Schülerin. Es schien sie nicht überrascht zu haben, dass sie ein solches Mal am Körper trug, obwohl diese Technik doch nur einem sehr kleinen Kreis von Shinobi zur Verfügung stand. Auch das Evelyn sofort gewusst hatte, was sie tun musste. Gerade so, als hätte sie sich darauf vorbereitet...

In äußerst nachdenklicher Stimmung verließ Anko die Hellhaarige. Vor lauter Grübeln bemerkte sie weder den Schatten auf dem Baum noch wie Evelyn in den Wald schlüpfte.
 

Ein wohliger Schauer lief Evelyn über den Rücken, als ihr das heiße Wasser über die Haut lief und das Blut in den Abfluss der Dusche spülte. Nur langsam fiel die Anspannung von ihr ab, und sie zitterte immer noch. Heute wäre sie beinahe ins Messer gelaufen. Ein Anbu hatte eine der Botschaften abgefangen, die sie regelmäßig von ihren Spionen erhielt. In dieser waren umfassende Informationen über Sunas und Otos Aktivitäten zu lesen gewesen. Es hätte ausgereicht, um ihr Verrat vorzuwerfen und gerechtfertigt, sie auf der Stelle zu töten. Das Shampoo brannte in einigen Schnitten, die sie selbst kassiert hatte, als sie gegen den Anbu gekämpft hatte. Dass sie den Anbu mit so unauffällig hatte töten und beseitigen können, lag auch an der spielerischen Hilfe, die ihr zuteil geworden war. Evelyn hatte sich nicht geirrt. Es war tatsächlich Orochimaru gewesen, den sie gesehen hatte, kurz bevor sie Anko versorgte. Anscheinend gefiel dem Abtrünnigen, was er gesehen hatte. Er war dabei gewesen, als sie kämpfte. Ein Genjutsu, das den Anbu ablenkte. Seine Schlange kümmerte sich um die Leiche.

Evelyn war ehrlich genug zu sich selbst, um sich einzugestehen, dass sie Angst gehabt hatte. Sie wusste nicht, ob sie Orochimaru daran hindern könnte, wenn er beschloss, sie aus dem Weg zu räumen. Doch zweimal hatte er die Gelegenheit schon verstreichen lassen. Er war neugierig geworden. Dabei ahnte er nicht, dass ihr Spitzel ihm nahezu auf dem Schoß saß.

Alles lief nach Plan und hier in Konoha wurde es langsam eng. Einen Monat noch. Ein Monat, um Yuna zu lehren, was sie wissen musste, um zu überleben, denn auch ihre Zeit ging zur Neige. Sie wusste es nur noch nicht.
 

Yuna erstarrte wie vereist, als sie sehr früh am nächsten Tag die Lichtung erreichte, auf der Evelyns Haus stand. Der Mond warf noch seine Strahlen vom Himmel, und dichter Nebel waberte durch den Wald. Das Training der Hellhaarigen hatte ihre Sinne geschärft, so nahm sie nun viele Dinge wahr, die ihr früher verborgen geblieben wären.

Seltsamerweise war von Evelyn noch nicht zu sehen – doch da! Etwas raschelte im Unterholz. Yuna lauschte angestrengt, und der Laut wiederholte sich. Kein Zweifel, da war jemand!

Sie konzentrierte sich auf die Stelle und sah einen Dunklen Schemen, der sich zwischen den Bäumen bewegte. Ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken, und sie versteckte sich eilig hinter einem Baum. Lautlos kletterte sie den Knorrigen Stamm herauf und blickte auf den Schatten hinab.

Yuna wurde der Mund trocken. Es war ein Anbu, der hier herumschlich, und er lag eindeutig auf der Lauer.

Was soll das?, ging es der Dunkelhaarigen durch den Kopf, dann trat plötzlich eine zweite Gestalt auf die Lichtung. Evelyn. Das fahle Mondlicht spiegelte sich kalt auf der blanken Klinge ihres Schwertes. Hastig verschwand der Anbu im Wald.

Yuna stieg den Baum hinab und bemerkte erst jetzt, dass ihre Hände zitterten. Sie verstand den Sinn dessen nicht, was sie soeben beobachtet hatte. Warum bespitzelte Anbu Evelyn? Sie gehörte doch zum Dorf! Man konnte doch nicht anfangen, den eigenen Leuten zu misstrauen! Warum ließ der Hokage so etwas zu?

Evelyn begrüßte Yuna mit gewohntem Gleichmut, doch Yuna wurde dass beklemmende Gefühl nicht los, als wäre die Hellhaarige angespannt wie nie zuvor, und das schien seinen Grund nicht nur in dem Anbu zu haben, der hier herumgeschlichen war. Warum sollte der Evelyn auch Sorgen machen?

Dennoch suchte der Silberschopf mehrfach das Unterholz mit Blicken ab, bevor sie sich wieder etwas entkrampfte. Evelyn wechselte den Trainingsplatz, und Yuna wurde mulmig. Sie rätselte daran herum, wie sie ihre Freundin darauf ansprechen könnte, ohne bescheuert zu klingen.

Ihre Sensei schien Evelyn nicht zu erwarten, und Anko ließ sich auch nicht blicken. Noch eine Sache, die Yuna stutzig machte. Gerade, als sie den Mund aufmachen wollte, begann die Hellhaarige zu sprechen.

„Dein Gegner in der Endrunde wird Naruto sein. Ihr habt viel miteinander trainiert, daher kennst du seine Techniken genauso gut wie er deine. Es ist also wichtig, dass du etwas lernst, wovon er noch nie gehört hat. Du weißt bereits, dass er mehr Chakra hat, als die meisten anderen Ninjas, dich eingeschlossen. Was dir aber mit Sicherheit noch niemand gesagt hat ist, dass auch du über unwahrscheinlich viel Chakra verfügst.“

Yuna machte große Augen. „Mehr als du?“

„Viel mehr, Yuna. Es wundert mich, dass es dir nicht aufgefallen ist. Das ist meine große Schwäche: Ich habe nur eine sehr begrenzte Menge an Chakra. Du hast, da bin ich mir ziemlich sicher, mehr Chakra als ich und Anko zusammen.“

Das verschlug Yuna erst einmal die Sprache. Ihr klappte der Schnabel auf.

„Yuna mach den Mund zu, sonst siehst du aus wie eine Schwachsinnige.“, rügte Evelyn.

Yuna schluckte hart, doch da fuhr die Hellhaarige bereits fort.

„Was du bisher von meinen Jutsus gesehen hast, waren nette Spielereien, gegen wirklich starke Gegner fast nutzlos. Ich möchte dich eine sehr unverbreitete Art von Jutsus lehren: Banne und Siegel. Meine Mutter brachte sie mir bei, und sie haben mir oft das Leben gerettet. Dieses Gebiet ist mir von allen Spielarten der Ninjakünste das Vertrauteste.“

„Banne und Siegel? Was kann man damit ausrichten?“, wollte Yuna wissen. Davon hatte sie noch nie gehört. Evelyn deutete einladend auf den weichen Grasteppich.

„Setzen wir uns, um dies zu erklären, muss ich ein wenig ausholen.“

Die Hellhaarige ließ sich mit unterschlagenen Beinen auf dem Boden nieder und drehte nachdenklich einen kleinen Zweig zwischen den Fingern.

„Erst einmal gibt es drei Kategorien zu unterscheiden: Siegel, Banne, und Bannsiegel, wobei letztere die energieaufwendigsten sind. Nun zu den Unterschieden. Danach wolltest du doch gerade fragen, oder?“

Yuna klappte den Mund wieder zu. Evelyn hatte recht. Das wäre ihre nächste Frage gewesen.

„Die Kategorien sind durchaus nicht leicht zu differenzieren.“, setze die Hellhaarige an. „Siegel werden nur auf eine Person angewendet, und meist ist der direkte Kontakt dafür notwendig. Beispielsweise ist es möglich das Chakra in einer Person zu versiegeln. Das Chakra bleibt dann so lange für die betroffene Person unnutzbar, bis jemand das Siegel löst. Oftmals zeigt sich ein Mal auf der Haut. Konntest du mir folgen?“

Yuna nickte zögerlich.

„Gut, dann zu den Bannen. Ein Bann erschafft eine Barriere, nicht mehr. Das ist wichtig. Wie diese Barriere geartet ist, hängt vom Jutsu ab. Manche sind wie eine unsichtbare Wand, andere zeigen sich als Feuersbrunst und so weiter. Sie beeinflussen demnach weder Anwender noch Angegriffenen unmittelbar.“

„Aber wozu sind Banne dann gut?“

„Das ist eine strategische Frage. Ich komme später darauf zurück. Also weiter zu den Bannsiegeln. Sie ist am Kompliziertesten, denn – wie der Name schon sagt – werden hier beide Fertigkeiten kombiniert. Ein Bann umschließt ein bestimmtes Areal, und ein Siegel wird auf alle Personen wirksam, die sich darin befinden. Dieses Siegel wird als Pentagramm auf dem Boden sichtbar. Bis jetzt alles verstanden?“

Die Dunkelhaarige nickte. Diesmal selbstsicherer.

„Dann zu den Einsatzmöglichkeiten. Wie ich bereits sagte, bezieht sich ein Siegel fast ausschließlich auf das Chakra. Du kannst das deines Gegners lahm legen, oder aber das einer anderen Person um ein Vielfaches verstärken. Das ist schwieriger, als es sich anhört. Eine eigene Unterart der Siegel sind Schutzsiegel. Sie schützen vor Fremdeinwirkungen von Chakra und anderen Energieformen. Soll heißen, sie können Genjutsus und Jutsus des Feuer- und Blitzelements blocken, sind dagegen aber bei Taijutsu sowie bei Wasser-, Wind-, Erd-, und auch dem Eiselement nutzlos, denn sie sind nicht energetischer Natur.“

Evelyn unterbrach ihre Ausführungen und förderte eine Kette zutage, an der eine handtellergroße, runde Metallscheibe hing. Sie reichte Yuna das kuriose Schmuckstück. Eingehend betrachtete diese das verschlungene Pentagramm darauf. Haarfeine Linien bildeten sich an den Sternseiten entlangziehende Schriftzeichen.

„Hier siehst du ein Schutzsiegel, das Genjutsus abfängt. Wie du dir vielleicht denken kannst, sind diese Siegel viel komplizierter als die Jutsus, mit denen angegriffen wird, denn wenn du einen Schutz konstruierst, musst du alle Möglichkeiten abdecken, sonst schlüpft dir ein feindliches Jutsu durchs Netz.“ Sie deutete auf die Schriftzeichen. „Jedes dieser Zeichen neutralisiert eine bestimmte Struktur von Chakra. Der Nachteil dieser Siegel ist der hohe Chakraaufwand. Etwas, das dich weniger stören wird als andere.“

Inzwischen hatte Yuna ihren Kopf angestrengt und war darauf gekommen, wie man Banne einsetzen konnte.

„Sind Banne dann dazu da, um zu verhindern, dass einem der Gegner davonläuft?“, äußerte sie ihre Vermutung.

„Richtig, aber nicht nur. Du kannst ihn dir damit auch vom Leib halten. Zumeist werden die Banne allerdings in Bannsiegeln eingesetzt. Letzteres kann in einem Schlag eine ganze Gruppe auslöschen. Das Siegel, also der zweite Teil des Bannsiegels, beinhaltet zumeist ein Jutsu und bezieht sich damit nicht zwingend nur auf das Chakra. Du kannst auch ein Inferno auslösen, das alle innerhalb des Banns einäschert. Außerdem ist es fast unmöglich einem Bannsiegel zu entkommen, da du zuerst die Struktur durchschauen musst. Das ist sogar für ausgebildete Uchihas eine echte Leistung.“

Evelyn zog ein paar Baumwollfäden aus der Tasche und machte einen äußerst komplexen Knoten daraus, dann gab sie ihrer Teamgefährtin die Bänder.

„So kannst du dir ein Bannsiegel vorstellen. Gib mir die Schnüre wieder, wenn du den Knoten raus hast.“

„Das Lösen dieser Jutsus scheint ja echt nur was für Meister zu sein.“, meinte Yuna mit einem unglücklichen Blick auf die Fäden.

„Das ist es auch.“

Belustigung zeichnete sich in Evelyns Gesicht ab, als der Ausdruck in der Miene ihrer Teamgefährtin fragend wurde.

„Du willst jetzt sicher wissen, warum ich dir das alles erklärt habe.“ Es war keine Frage, daher fuhr sie fort, ohne auf eine Reaktion zu warten. „Ich möchte dich einen kleinen Teil dieser Kunst lehren, damit du ihn gegen Naruto einsetzen kannst. Das wird dir einen nicht aufzuholenden Vorteil verschaffen.“

Erneut war es an Yuna, verblüfft zu sein.

„Du weißt ja, dass Narutos Spezialität die Schattendoppelgänger sind. Um mit einer solchen Übermacht fertig zu werden, ohne jeden einzelnen zu bekämpfen, werde ich dir ein Bannsiegel beibringen, dass jedwede Ninjutsustuktur auflöst. Ohne die Doppelgänger sollte es dir leicht fallen, ihn mit einem Genjutsu zu belegen.“

„Oh Evelyn, du bist einfach genial!“, rief die Dunkelhaarige überschwänglich aus.

„Danke.“
 

Innerhalb des nächsten Monats konnte Yuna ihrem Körper regelrecht bei seiner Veränderung zuschauen. Ihre Muskeln wurden härter, ihre ganze Gestalt schlanker und drahtiger. Evelyns Training war die reinste Hölle. Nicht selten wachte sie im Bett ihrer Teamgefährtin auf, weil sie vor Erschöpfung zusammengebrochen war. So auch jetzt.

Geduldig saß Evelyn an der Seite ihrer Teamgefährtin, als diese wie eine Eule blinzelnd die Augen aufschlug. Einen Moment äugte Yuna orientierungslos umher, bis sie die Hellhaarige gewahrte, die ihr einen Becher mit gallebitterem Kräutersud hinhielt.

„Trink das.“, mahnte Evelyn. Das Mädchen war noch zu durch den Wind, um sich zu weigern.

„Igitt! Evelyn, was ist das denn schon wieder?! Das ist ja noch ekelhafter als sonst!“

„Das ist das Zeug, das dafür sorgt, dass dein Körper die Beanspruchung übersteht. Ich musste stückweise die Dosis erhöhen. In Konoha lassen sie die Zügel manchmal wirklich schleifen. Trink alles aus.“

„Tyrannin.“, grummelte Yuna und zog erstaunt die Augenbrauen in die Höhe, als die Züge ihrer Teamgefährtin plötzlich weich wurden.

„Es ist eben nötig, Yuna.“

Im Stillen hatte sich Yuna die ganze Zeit gewundert, warum sie Evelyns Training so gut verkraftete. So ganz ohne Muskelkater.

Nun sah sie sich richtig um.

„Oh, habe ich dir wieder das Bett weggenommen?“ Sie kratzte sich ein wenig verlegen am Kopf. Sie hasste es, wenn ihr das passierte.

„Kein Problem.“ Die Hellhaarige stand auf und stieg mitsamt dem entleerten Becher die Leiter nach unten. Yuna wühlte sich derweil aus der Decke und stand auf. Sie hatte den bitteren Geschmack noch auf der Zunge und wollte nur noch zähneputzen.

Evelyn ließ ihr nicht viel Zeit, bis sie ihre Freundin zum allmorgendlichen Laufen aufscheuchte. Inzwischen genoss Yuna diese zwei Stunden stupider Bewegung richtig, spürte sie doch ihre immer weiter wachsende Ausdauer.

Anko sah innerhalb dieses Monats ihren Schülerinnen zwar ein paar Mal beim Training zu, doch überließ sie die beiden meistens sich selbst. Sie fühlte sich elend, wovor Evelyn sie allerdings gewarnt hatte. Siegel – besonders Fluchsiegel – waren eine hohe Belastung für den Körper. Nun saß die Sensei auf einem Stein und beobachtete Yuna und Evelyn, die gerade vom Laufen zurück waren, und sich nun durch die grotesken Verrenkungen von Evelyns Übungen wanden, als hätte jemand sie entgrätet, während sie sich durch eine Welle der Übelkeit kämpfte. Anko wunderte sich, dass Yuna es geschafft hatte, ihre Fähigkeiten in derart kurzer Zeit so stark auszubauen. Die Sensei warf einen Blick auf Evelyn. Wahrscheinlich hatte sie auf dem medizinischen Weg nachgeholfen. Was die Hellhaarige ihr wohl noch alles beigebracht hatte?

Anko wusste nicht, dass Yuna langsam aber stetig die Kunst der Siegel lernte. Evelyn hatte es für klüger befunden, ihre Sensei das nicht wissen zu lassen. Diese spürte zwar, dass ihre Schülerinnen ihr etwas verheimlichten, kam jedoch nicht dahinter, was es war.
 

Besonders am Morgen vor dem dritten Teil der Prüfung bemerkte Anko, dass nicht nur eine physische Veränderung mit Yuna vorgegangen war, denn jetzt auf dem Weg zum Stadion, strahlte das Mädchen eine selbstsichere Gelassenheit aus, die ihre Sensei früher nie bei ihr wahrgenommen hatte, und die sie Evelyn ein Stückchen ähnlicher machte. Anko war sehr stolz auf ihre beiden Schützlinge, war ihr Team doch das einzige aus Konoha, das es vollständig in die dritte Runde geschafft hatte. Nur eines trübte ihre Freude: Orochimarus Drohung.

„Sensei, geht es ihnen gut?“

Anko zuckte zusammen, als plötzlich Evelyns Stimme neben ihr ertönte. Unwillkürlich war ihre Hand zum Juin gewandert, als ihr Orochimaru in den Sinn gekommen war. Sie rang sich ein Lächeln ab.

„Alles in Ordnung.“, erwiderte sie, doch der undeutbare Blick ihrer Schülerin blieb an ihr haften, bis die Arena in Sicht kam. Auroras Ohren zuckten, als sie das Stimmengewirr wahrnahm. Evelyn gab der Füchsin ein Zeichen, woraufhin das große Tier herumfuhr und wieder zurück in Richtung Dorfrand lief. Yuna sah ihre Freundin fragend an.

„Aurora leidet unter dem Lärm.“, erklärte die Hellhaarige knapp und legte leicht die Stirn in Falten, als sie die Abteilung Anbus unter den Zuschauern ausmachte, die auf die Tribünen strömten. Auch Anko sah sie, sagte jedoch nichts.

Beide Anko und Evelyn wussten, was diese Sicherheitsvorkehrungen zu bedeuten hatten. Der Hokage rechnete mit einer Katastrophe. Die Hellhaarige sah zu Sarutobi auf, der hoch oben auf der Tribüne seinen Ehrenplatz hatte, und zum Kazekage neben ihm.

Sie sind vorbereitet, doch dass die Schlange ihnen bereits in den Bau gekrochen ist, ahnt hier niemand, ging es Evelyn durch den Kopf. Fast tat der Hokage ihr leid.

Sie und Yuna waren die ersten Prüflinge, die hier waren. Sie stellten sich in der Mitte zu Genma. Der Prüfer kaute gelangweilt auf einem Holzspieß herum.

Yuna wurde ob der vielen Zuschauer, in deren Aufmerksamkeit sie nun standen, doch etwas mulmig, und sie linste zu Evelyn herüber, die ruhig und kühl dastand wie ein Marmorstandbild. Die Dunkelhaarige lenkte sich damit ab, in den Reihen der Zuschauer nach bekannten Gesichtern zu suchen. Sie fand Anko neben Ibiki Morino und einem der Anbu. Ihre Sensei winkte ihr. Auch Sakura, Ino und Kurenai fand sie. Letztere saß wie immer neben Asuma. Nur ein Blinder konnte diese werdende Liebe übersehen. So abgelenkt bemerkte sie das eintröpfeln der anderen Jungninjas nicht, bis Evelyn sie leicht anstieß. Etwas irritiert schaute sie sich um.

„Zwei fehlen.“, machte die Dunkelhaarige erstaunt.

„Dozu und Sasuke, ja.“, stimmte Evelyn ihr zu. „Dozu ist tot. Er hat den Fehler gemacht, sich mit Gaara anzulegen, und Sasuke kommt später. So weit ich weiß ist er bei Kakashi, und der kommt ja immer zu spät.“ Der Silberschopf sprach laut genug, dass Genma ihre Worte hören konnte.

„Du bist ja gut informiert.“, kommentierte er. Ihm war die Sache mit Sasuke neu.

„Lebenswichtig für einen Ninja.“, war alles, was sie dazu bemerkte.

Da alle da waren und sie auf die beiden Fehlenden nicht zu warten brauchten, ergriff Genma das Wort.

„Der erste Kampf wird zwischen Evelyn und Neji Hyuga stattfinden. Die anderen begeben sich bitte in den Aufenthaltsraum. Die Regeln sind denkbar einfach: Es gibt keine. Dieser Kampf soll unter möglichst realitätsnahen Umständen stattfinden und endet mit der Aufgabe oder Kampfunfähigkeit einer Partei.“

Neji und Evelyn verharrten, während die Anderen träge die Arena räumten. Unverwandt musterte die Hellhaarige ihren Gegner, und Neji ahnte, dass sie ihm die Sache mit Hinata immer noch sehr übel nahm.

„Dein ist der Ärger, den du verdienst, Neji.“, sagte sie frostig. Genma zog eine Augenbraue in die Höhe.

Sie entfernten sich einige Schritte voneinander, und während Neji seine typische Kampfhaltung einnahm, zog Evelyn ein schmales Katana blank und löste die Peitsche von ihrer Schärpe.

„Fangt an!“



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