Zum Inhalt der Seite

Du berührtest mein Herz

Auch Musumeyaku können lieben
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Du berührtest mein Herz,

als ich glaubte nichts und niemand wäre dazu imstande…
 

Elisabeth war nur eines von vielen Musicals für mich, nichts als Arbeit. Schon lange hatte ich meine Leidenschaft für das Singen, Spielen und Tanzen fast gänzlich verloren. Ich machte nur weiter damit, weil ich gut darin war, und nichts anderes mit mir anzufangen wusste.
 

Dennoch stellte es eine Herausforderung dar, also strengte ich mich an und gab mein Bestes. Ich hatte schließlich nichts womit ich mich sonst beschäftigen konnte. Auch keine „Freundin“.
 

Hier in Takarazuka war es ganz normal, dass sich Frauen ineinander verliebten, Liaisons miteinander eingingen und ihr Leben und ihre Arbeit gleichermaßen miteinander teilten, doch ich war anders. Zumindest glaubte ich das.
 

Nie hegte ich mehr als freundschaftliche Gefühlte für die anderen, weder für meine erste Topstar-Partnerin Kozuki Wataru, für meine zweite, Mizu Natsuki, noch für irgendeine andere Frau. Natürlich waren beide wunderschöne, talentierte und durchaus charmante Frauen, dennoch konnte ich nicht viel mit ihnen anfangen. Das beruhte allerdings auf Gegenseitigkeit.
 

Obwohl wir doch alle Frauen waren, und ein Großteil der Schauspielerinnen Frauen liebte, gab es immer noch einen erheblichen Unterschied zwischen Otokoyaku und Musumeyaku. Die Männer-Darstellerinnen machten kaum je die Erfahrung neben einer Otokoyaku zu stehen, die perfekte, unterwürfige, unschuldige Frau darzustellen, die mit ihrer hohen zarten Stimme nur da war, um die Stärke der Topstar-Stimme zu unterstreichen, durch ihre sanften Bewegungen nur den ausdrucksstarken Tanz der Otokoyaku hervorzuheben, mit ihrem zurückhaltenden, schwachen Spiel die Maskulinität der Anderen zu untermalen.

Wir teilten unterschiedliche Erfahrungen in der Ausbildung, wie auch in anderen Lebenslagen und so überrascht es wohl nicht, dass bis auf ein paar seltene Ausnahmen, Otokoyaku wie auch Musumeyaku unter sich blieben und nur bei der Arbeit aufeinander trafen um verliebte Pärchen zu spielen. Natürlich waren wir alle untereinander befreundet, verbrachten wir doch etliche Stunden miteinander, doch ich war nicht die einzige Frauen-Darstellerin, die engere Beziehungen mit Männer-Darstellerinnen vermied.
 

Je berühmter sie waren, desto häufiger kam es vor, dass sie zu wahren Lady-Killerinnen wurden und keine Rücksicht auf gebrochene Herzen nahmen. Davor versuchte auch ich mich zu schützen. Doch im Grunde fiel es mir nicht schwer. Ich verstand einfach nicht, warum all diese Frauen so sehr für sie schwärmten. Sie waren ganz normale Frauen, nicht anders als die anderen, nur sangen und sprachen sie etwas tiefer und trugen Männerkleidung, was war schon dabei? Mich zog das absolut nicht an. Weibliche Frauen hatten mich schon immer mehr interessiert.
 

Und dennoch war ich stolz Top-Musumeyaku zu werden. Ich war mir bewusst, dass ich eine starke Stimme besaß, und ich war nie dazu bereit mich neben meiner Top-Otokoyaku klein und schwach zu geben. Doch ich fürchte, wie gut ich auch spielte, jeder konnte sehen, dass ich nicht das Geringste für meine Partnerinnen empfand, wo doch die Romantik das Wichtigste ist in so gut wie allen Takarazuka-Stücken. In all den Liebesszenen fiel es mir schwer überzeugend zu sein, mein Blick war eher hohl und starr als leidenschaftlich oder verliebt. Meine Berührungen waren zaghaft, weil es mir unangenehm war der anderen Frau nah zu kommen und bei den „Küssen“ versuchte ich immer den Abstand so groß wie möglich zu halten, was meist dazu führte, dass die „Küsse“ alles andere als realistisch wirkten.
 

Ich war überzeugt davon, niemand könne mein Gefühlsleben durcheinander bringen. Immer blieb ich gefasst und professionell. Meiner Arbeit ging ich gewissenhaft nach, und daraus bestand schließlich mein ganzes Leben - aus Arbeit.
 

Bis ich ihr begegnete…
 

Beinahe unglaublich, dass ich so kalt geblieben war bei all diesen Liebesszenen mit meinen Topstars, doch plötzlich diese eine kurze Szene in Elisabeth etwas in mir regte, das ich nie zuvor so intensiv gefühlt hatte. Die Nervosität, das Rotwerden, das Herzklopfen, die scheinbar elektrisierte Luft, sobald ich in ihrer Nähe war. Dabei hatte die Szene absolut nichts Romantisches an sich. Zumindest sollte sie nichts dergleichen haben. Und ich hoffte, dass niemand außer mir so etwas fühlte, auch nicht die Frau, die mit mir spielte.
 

Es war die Szene, in der Elisabeth den Patienten eines Krankenhauses einen Besuch abstattet, wobei ihr eine geisteskranke Frau begegnet, die glaubte selbst Elisabeth zu sein.
 

Sie spielte wahrlich überzeigend die Wahnsinnige, wie sie lachte und sich wand, kreischte und umherrannte, als hätte sie tatsächlich den Verstand verloren. Beinahe machte es mir Angst, hätte ich nicht bei jeder Probe auf den Augenblick gewartet, als sie vor mir auf die Knie viel, und ich anfing zu singen. Sie beruhigte sich daraufhin, als wäre meine Stimme eine heilsame Medizin und sah mich an. Ich half ihr vorsichtig auf, während ich weitersang, und in ihren Augen glaubte ich jedes Mal dasselbe zu sehen, zärtliche Liebe, die sie mir entgegenbrachte… Auch in ihrer Gestik, indem sie mir sanft mit ihrem weißen Schal über die Wange strich, glaubte ich dieses Gefühl zu erkennen, und wir kamen uns so nah als wollten wir uns küssen, näher als es nötig gewesen wäre… Bei keinem anderen Lied im ganzen Stück gab ich mir solche Mühe, setzte ich solches Gefühl in jeden Ton und jede Note. Etwas in mir hoffte, sie würde an meinem Gesang erkennen was ich fühlte, aber eine andere Seite wünschte, dass meine Gefühle mein Geheimnis blieben.
 

Jedes Mal dachte ich: „Ich will dich küssen…lass mich dich küssen…“
 

Doch natürlich tat ich es nicht.
 

Der Moment ging schnell vorbei, ich musste mich von ihr abwenden und das Lied zu Ende singen.
 

Das war es. Nichts weiter als diese kurze Szene. Von da an konnte ich an nichts anderes mehr denken, als an diese wenigen Minuten mit ihr. Ich hatte viel zu viel Angst, sie könnte erkennen was ich empfand, also sprach ich weder vorher noch nachher mit ihr, und versuchte sie zu meiden. Doch bei jeder Probe wartete ich ungeduldig auf diese wenigen Augenblicke mit ihr, alles andere schien unwichtig zu werden.
 

Meine gespielte Liebe für Mizu wirkte nun noch unechter als zuvor, doch ich konnte nichts dagegen tun, ich dachte nur noch an Amase. Zum Glück musste ich den Tod den größten Teil des Stückes sowieso immer wieder abweisen, und nur am Ende die Verliebte spielen, also machte es nicht wirklich viel aus.
 

Doch diese Frau…
 

Mein Herz schlug schneller wenn ich sie nur ansah. Ich weiß nicht wie oder wann genau es passiert war, aber ich hatte mich ohne es zu wollen Hals über Kopf in sie verliebt. Ich beobachtete sie wenn ich dachte niemand, auch sie selbst, würde es nicht merken, und erfreute mich an all ihren Bewegungen, an jedem Lächeln, an jedem Wort, das sie sagte. Alles was sie tat schien mein Herz zu wärmen, und bald fing ich an davon zu träumen sie in meinen Armen zu halten…
 

Als die Proben für Elisabeth beendet waren und der Abend der Premiere immer näher rückte, wurde ich zunehmend nervöser. Im Proben-Raum unter all den anderen und in dieser gelösten Stimmung war es eine Sache, doch wie wäre es vor einem gewaltigen Publikum im Rampenlicht zu stehen, und diese Szene zu spielen? Würden alle erkennen was ich fühlte? Wenn man auf der Bühne stand, passierte es oft, dass man intensiver spielte und fühlte, als während der Proben. Die Musik, die Kostüme, die Atmosphäre, alles trug dazu bei. Ich, die ich immer solch eine Selbstkontrolle aufbrachte, hatte ernsthafte Angst auf der Bühne meine Kontrolle zu verlieren, die wenigen Zentimeter, die uns beide in diesem heiklen Augenblick voneinander trennten zu überwinden und ihre Lippen zu küssen…
 

Was sollte ich tun? Ich war ratlos. Es wäre ein unbeschreiblicher Skandal gewesen, hätte eine Frau eine andere mitten auf der Bühne geküsst, noch dazu zwei Musumeyaku. Ich wollte es mir gar nicht ausmalen. Zwar hatte ich gehört, sie ließen es durch, wenn in den Liebesszenen manchmal die Gefühle durchgingen und ein unechter zu einem echten Kuss wurde, solange das Publikum weiterhin glaubte, es wäre alles gespielt. Doch das war etwas vollkommen anderes. Ich überlegte ernsthaft mit ihr darüber zu sprechen, doch wie sollte ich es anstellen? Ihr meine Gefühle gestehen? Oder eine Ausrede erfinden, damit sie mir half darauf zu achten den Abstand zu halten? Doch wie sollte eine solche Ausrede wohl aussehen? „Hey, Amase-san? Könntest du mir bitte helfen? Manchmal passiert es mir, dass ich aus heiterem Himmel meine Partnerinnen küssen möchte, mach dir darüber keine Gedanken, es ist nichts Besonderes. Du müsstest nur darauf achten von mir fern zu bleiben, das ist alles, ich krieg das nämlich irgendwie nicht hin.“
 

Ich musste fast lachen bei dem Gedanken, doch dazu war ich zu verzweifelt.
 

So stand ich im Umkleideraum und machte mir weiterhin meine Gedanken. Ich war die letzte hier gewesen, hatte noch zwei Freundinnen gesagt, sie sollten ohne mich vorgehen, um hier in Ruhe meine Überlegungen fortsetzen zu können, und war so völlig allein. Den Proben-Rock hatte ich bereits abgelegt und etwas Bequemes übergezogen, als ich die Tür aufgehen hörte.
 

„Tonami-san?“, hörte ich eine vertraute Stimme fragen, sie klang unsicher. Es konnte doch nicht…?
 

Ich wandte mich um und erblickte die Frau, die ein paar Meter hinter mir stand. Es war Amase. Mein Herz begann zu rasen, noch nie waren sie und ich allein gewesen. Außerdem war es das erste Mal, dass sie mich außerhalb der Proben ansprach. Ich zwang mich mit möglichst ruhiger Stimme zu antworten, um nicht einfach wie eine Idiotin herumzustehen. „Ja? Was kann ich für dich tun?“, brachte ich mit schauspielerischer Sicherheit heraus. Ich konnte stolz auf mich sein so ruhig zu wirken, wo es doch in meinem Inneren drunter und drüber ging.
 

„Ehm, es tut mir Leid Sie zu stören. Es geht um unsere gemeinsame Szene… Ich weiß nicht ob…also…bin ich gut genug? Ich mache mir Sorgen nicht überzeugend genug zu sein…Deshalb wollte ich Sie um Rat fragen, weil ich Sie wirklich bewundere…“, bei den letzten Worten blickte sie schüchtern zu Boden. Ich musste lächeln. Wie süß sie doch war. Obwohl wir fast gleichaltrig waren, war sie bei weitem nicht so gut darin ihre Gefühle zu beherrschen, wie ich.
 

„Ach, vielen Dank! Das ist schon ok. Sicher bist du nur nervös wegen der Premiere morgen. Kein Grund zur Sorge! Du bist die überzeugendste Wahnsinnige, die ich je gesehen habe!“, sagte ich lachend. Ich hatte einen Scherz machen wollen, doch im Nachhinein klang es fast wie eine Beleidigung, deshalb fügte ich hinzu: „Du spielst sehr gut, finde ich!“. Nun klang ich als wollte ich sie trösten, weil sie gar nicht gut spielte. Irgendwie fielen mir nicht die passenden Worte ein, doch als ich noch einmal ansetzen wollte, sagte sie: „Verzeihen Sie wenn ich so dreist bin, aber würden Sie bitte die Szene noch ein letztes Mal mit mir durchgehen? Ich weiß, danach würde ich mich viel sicherer fühlen…“.
 

Ich war verblüfft. Es war keine Lüge oder Beschwichtigung gewesen, ich fand wirklich, dass sie gut spielte, jedes einzige Mal. Sie hatte nie einen gravierenden Fehler gemacht. „Nun ja, wenn du dich danach besser fühlst, möchte ich dir gern den Gefallen tun.“
 

Sie lächelte begeistert und erwiderte: „Vielen, vielen Dank, Tonami-san!!“
 

Und so begann unsere kleine, private Probe. Doch es war anders als im Probenraum. Ich konnte einfach nicht ganz professionell bleiben, es war einfach zu komisch ihr zuzusehen, wie sie im Umkleideraum umherrannte, kicherte und kreischte und ohne andere Darsteller alle Bewegungen durchmachte - trotzdem makellos, wie sie es immer getan hatte. Dennoch fiel es mir schwer mein Lachen zu unterdrücken, und so presste ich beide Hände gegen meinen Mund, während ich ihr Spiel mit tränengefüllten Augen beobachtete. Ich verpasste sogar meinen Einsatz, als sie so vor mir saß. Sie erinnerte mich daran, indem sie an mein Bein fasste und leicht schmollend fragte: „Tonami-san? Spiele ich wirklich so schlecht, dass sie ihren Einsatz nicht bemerken?“ In Wahrheit war ich einfach schon zu sehr daran gewöhnt, dass meine Musik anfing zu spielen und ich dazu sang. Ohne Musik zu singen, kam mir komisch vor und so hatte ich vergebens auf das übliche Zeichen gewartete. Entschuldigend sagte ich: „Nein, nein, bitte verzeih mir! Du warst ausgezeichnet! Es ist meine Schuld, einen Moment bitte, ich bin gleich soweit!“
 

Also versuchte ich mich zu sammeln, während sie neben mir saß, und mir bewusst wurde in welch einer Lage ich mich befand. Jetzt da ich nicht mehr lachte, wurde mir mulmig zumute. Ich hatte keine Ablenkung mehr, es wurde ernst. Ich begann zu singen. Meine Stimme hallte in den Räumen und ich hörte sie so klar wie schon lange nicht mehr. Mit jeder Strophe setzte ich mehr Gefühl hinein, als sie mich zärtlich anblickte, erwiderte ich ihren Blick. Ich half ihr auf, wie immer, und sah ihr tief in die Augen. Da sie ihr Tuch nicht dabei hatte, strich sie mir mit ihrer zarten Hand über die Wange. Wie weich ihre Haut war… Gleich sollte ich mich von ihr abwenden, dachte ich noch, da kam es mir vor als würde sich unser Abstand verringern. Ich hörte abrupt auf zu singen. Hatte ich die Kontrolle letztendlich doch noch verloren und war ihr nah gekommen? Doch dann merkte ich, dass nicht ich es war, die sich in ihre Richtung bewegte. Noch bevor ich es realisierte, küsste sie mich auf die Lippen…
 

Sanft und vorsichtig, fast zaghaft, aber zugleich sicher. Ich schloss die Augen und erwiderte ihren Kuss. Das konnte nur einer meiner Träume sein. So war es immer, wir küssten uns und nachdem ich die Augen wieder aufmachte, war der Traum vorbei, ich lag einsam in meinem Bett und versuchte wieder einzuschlafen, um diesen süßen Traum wiederzufinden. Doch diesmal war es anders.
 

Sie löste sich von mir, legte ihren Kopf in meine Halsbeuge und drückte mich an sich, als wolle sie mich nie wieder loslassen.
 

„Tonami-san! Es tut mir leid! Aber ich liebe Sie so sehr…“, schluchzte sie. Sie hatte begonnen zu weinen.
 

Ich umarmte sie und strich ihr zärtlich übers Haar. „Danke.“, sagte ich einfach.
 

Sie hatte mich befreit.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  oOMiyabimaruOo
2012-07-12T14:24:22+00:00 12.07.2012 16:24
Ps: die FF hat mein Herz berührt
Von:  oOMiyabimaruOo
2012-07-12T14:23:24+00:00 12.07.2012 16:23
Oh Gott!
Wie toll!
Ich konnte gar nicht aufhören mit zu fiebern XD
Die Gefühle sowie die Entwicklung sind so gut beschrieben und erzählt!
Wirklich super toll!


Zurück