Tauschhandel
Genau zum vereinbarten Zeitfenster war er vor Ort. Er hatte noch wenige Meter und würde gleich den Treffpunkt erreichen. Es war gefährlich für ihn, sich hier so offen zu bewegen. Aber Frechheit siegte nun mal. Je offensichtlicher man sich zeigte, umso unscheinbarer verlor man sich in der Menge.
Mit sicherem Schritt, erhobenem Kopf und blitzenden Augen, schritt er in Rom die Via della Concilliazione entlang. Vor ihm erstreckte sich schon der Petersdom. Der riesige Obelisk auf dem großen Vorplatz glühte orange, da er von der, langsam am Horizont versinkenden, Sonne in dies Feuer getaucht wurde.
Seine innere Anspannung wuchs stetig. Mit wachem Blick und bis zum Zerreißen gespannten Nerven beobachtete er genauestens seine Umgebung. Er achtete auf die kleinsten Anomalien. All das was in seinem Kopf vorging, sah man seinem Gesicht nicht an. Nach außenhin wirkte er völlig entspannt, während er den Rundbau der Säulenhalle betrat, den Largo del Colonnato.
Ein beiläufiger Blick auf seine Uhr bestätigte ihm, dass er genau rechtzeitig war. Er war von sich nichts Anderes gewohnt. Genaue Planung, präzise Ausführung. Er war der Beste, deshalb sah man es mit Argwohn, dass er den Wunsch geäußert hatte das alles zu beenden. Damit hatte er sich den Hass seines Mentors und vieler Auftraggeber zugezogen. So lange wie er jetzt schon dabei war wusste er zu viel, da nutzen ihm seine Beziehungen auch nicht mehr viel. Er würde nach seinem ausscheiden ein Sicherheitsleck darstellen, bisher hatte man ihm den Ausstieg deshalb nicht zugestanden. Untertauchen war unmöglich, man würde ihn finden, dessen war er sich durchaus bewusst. Es wäre ihm ein leichtes sich zur Wehr zu setzten, sollte man ihn angreifen, aber er hatte es satt. Er wollte Ruhe und kein Leben auf der Flucht.
So schritt er die letzten paar Meter auf die dunkle, abgeschiedene Ecke zu, deren graue Schatten alles schluckten, das sich ihn sie hinein bewegte.
Er hörte den leisen Atem seines Kontaktmannes, der bereits auf ihn wartete, den man aber nicht sehen konnte. Lautlos schlich er auf die andere Aura zu, die er deutlich spürte.
„Wie lautet mein Auftrag?“
Der andere erschreckte zutiefst, jedoch war auch er so geschult, sich nichts anmerken zu lassen. Er zog ihn durch eine geheime Tür, die sich mit einem schleifenden Geräusch schloss. Dann wurde es hell.
Der zweite nahm seine dunkle Kapuze ab und betrachtete den Angekommenen. Er nickte und zeigte ihm ein Kuvert.
„Der Auftrag ist diesmal sehr delikat.“
„Ist es DER Auftrag?“
„Ja. Genau DER!“
Verstehend schloss er kurz seine Augen, er hatte davon gehört, dass Raphael und dann auch Allister an diesem Auftrag gescheitert waren. Beide gehörten, wie er, zu Elite, es gab niemanden der diese drei Übertreffen konnte. Aber dennoch waren sie an diesem Auftrag gescheitert und hatten ihr Leben gelassen.
„Wenn du dann genug in Erinnerungen geschwelgt hast, kommen wir zum Geschäftlichen“, sagte der zweite, wobei er mit dem Umschlag fuchtelte.
„Gewiss!“
Aus dem Umschlag wurden Fotos hervorgezogen.
„Das ist die Zielperson!“
Der Erste nahm das Foto entgegen.
„Er kann jemand aus unserem Gewerbe hundert Meter gegen den Wind riechen. Er vertraut niemandem. Er ist aufs Extremste gerissen und gefährlich.“
„Verstehe! Womit hat er sich den Ärger eingehandelt?“
„Das hat dich nicht zu interessieren, erledige deinen Auftrag und gut ist!“ Er hielt einen Moment inne. „Also gut. Die Zielperson wird zu mächtig. Die Großen fürchten um ihr Machtgefälle. Zudem verweigert er weitere wichtige Geldwaschungen und hat zu vielen Leuten mit seinem Machthunger ans Bein gepisst.“
Er bekam zwei weitere Fotos in die Hand gedrückt.
„Das hier ist sein Sicherheitsteam. Die beiden sind wie Schießhunde. Man behauptet von ihnen sie bräuchten nicht einmal Schlaf. Um wen du dich kümmern musst, weißt du auch so.“
Der Erste nickte wieder. „Weiß man sonst noch etwas über ihn?“
„Im Grunde nicht. Er hält sich zu bedeckt, er ist wie ein Geist. Man vermutet, dass es ihn gibt, dass er da ist, aber man kann ihn nicht greifen. Er ist ein gerissener Hund, mit allen Wassern gewaschen.“
Dann gab es ein weiteres Foto. „Das ist sein Bruder. Man sagt, er weiß von nichts. Seitdem Allister und Raphael versagt haben, wird auch er vierundzwanzig Stunden am Tag bewacht.“
Der Zweite kramte in dem Kuvert, er holte noch eine Landkarte und Luftbildaufnahmen hervor.
„Das ist der Wohnsitz. Gut gesichert und schwer angreifbar.“
Der Handel war fast perfekt.
„Wie sieht es aus mit der Bezahlung, wenn ich annehme?“
„Junge, der Auftrag ist ein Himmelfahrtskommando. Du wolltest deine Kariere beenden. Du weißt, was du damit losgetreten hast?!“ Er sah ihn prüfend an. „Es wurde entschieden, wenn du diesen Auftrag erledigst steht es dir frei die Organisation zu verlassen. Niemand wird dich behelligen, solange du klug genug bist und deinen Mund hältst. Aber wenn du den Auftrag vermasselst, bist du tot. So oder so wird dein Leben der Einsatz und Lohn sein.“
Der Killer hielt seine Hand hin, zum Zeichen des Einverständnisses. Der Übermittler des Auftrags Schlug ein. Zwei Personen trennten sich. Verstoben in der Menge der Vatikanbesucher und niemand wäre darauf gekommen, was eben hier ausgehandelt wurde. Die Erde drehte sich weiter, der rotglühende Ball der Sonne war versunken. Es herrschte geschäftiges Treiben in den Straßen Roms zur Abendstunde.
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