Endlich
Dieses eine Wort, schlimmer als alles Andere, was ihr je in ihrem Leben widerfahren war, raubte ihr den Atem, ließ den schon in ihren Augen gebildeten Tränen ihren Lauf. Mit letzter Kraft beendete sie mit einem flüchtigen Tippen das Gespräch.
Letzter Anruf
Heute
21:21
Ihr tiefer Atemzug ging über in ein Schluchzen und sie musste sich vor Scham, Scham vor sich selbst, die Tränen von den Wangen wischen. Doch es wollte nicht klappen. Sie kamen immer und immer wieder, außerdem zitterten ihre Finger viel zu sehr. Warum hatte er das auch sagen müssen? Warum?
„Endlich“
Ihr Herz schmerzte, schmerzte einfach.
Bereits seit Tagen, aber noch nie hatte dieses Gefühl so weh getan wie jetzt. Wie hatte er es nur geschafft, ihr mit einem Wort, diesem Wort, so weh zu tun? Sie musste wieder zu sich kommen, stark sein. Als sie auf die Knie sank, war es klar, obwohl sie sich es nicht eingestehen wollte.
Sie liebte ihn. Unendlich.
Auf welche Art und Weise war total unwichtig, doch wieso kam es ihr dann so wichtig vor? Dieses schlechte Gewissen, dass sie selbst daran Schuld war, wollte nicht aus ihrem Kopf verschwinden. Vielleicht hätte sie ihm einfach ein wenig mehr Beachtung schenken sollen, ihm zeigen sollen, was für einen Platz er in ihrem Herzen einnahm.
Warum hatte sie denn so neugierig sein müssen?
Kalt. Schneidend. Erbarmungslos.
„Ich will nicht genervt werden.“ Und er sprach dabei deutlich an, dass sie anscheinend die Person war, die ihn am meisten nervte. Ihre eigene Stimme war wie ein Wispern, so leise und schwach, und insgeheim wunderte sie sich, dass er sie verstand. „Warum bist du so geworden?“
Eine Antwort, kurz, aber voller Abneigung. „Hör auf mich auszufragen. Das nervt.“
Ihr Blick richtete sich auf ihr Handydisplay und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er sie noch einmal anrief. So wie sonst immer. Früher hatte er sich doch auch immer gemeldet, sich um sie gesorgt, sie geliebt. Es gab genügend Eigenschaften, die sie an ihm schätzte und die Bedeutendste darunter war immer seine Liebe zu ihr gewesen. Egal was für eine Liebe.
Wie immer. Wie früher. Als er noch er war.
„Ich liebe dich.“
Ein überraschter Ausdruck in ihren Augen.
„Wie...meinst du das?“
„Hm?“
„Auf welche Weise..?“
„Ich weiß nicht, aber ich tue es.“
Kein Zweifel war in seiner Stimme zu hören.
Sie konnte es nicht verstehen. Aus ihren Augen war jegliche Hoffnung geschwunden. Es kam kein Anruf mehr von ihm und verzweifelt fuhr sie sich mit den Fingern durch die Haare. Wie konnte er ihr das nur antun, so grausam sein? Zuvor war sie noch voller Kraft gewesen, hatte sich über sein Verhalten aufgeregt.
„Ich habe nicht die geringste Lust, das jetzt auszudiskutieren“ und Wut schwang in seinem Unterton mit, jedoch hatte sie nicht aufgehört. „Nun gut, ich nerve dich, ich frage dich aus, ich stehe dir anscheinend im Weg, aber es ist mir egal. Ich will eine Antwort!“ Und sie betonte jedes Wort mit einer Entschlossenheit, die eine unsichtbare Grenze überschritt. Obwohl er ihr nicht nahe war, sie nicht vor ihm stand, kam es ihr vor, als ob bei seiner Antwort jegliche Wärme um sie herum verschwand.
„Mir doch egal, was du willst“.
Stille. Absolute Stille.
„Wirklich?“
„Ja, wirklich.“
Herzlos. Das war zu viel für sie. Was war nur mit ihm geschehen?
Und durch das Leid in ihrem Inneren bildeten sich langsam die Tränen.
„Ich...ich leg dann auf. Bis dann.“
„Endlich.“
Es zerbrach ihr Herz.
Die gnadenlose Wahrheit.
Sie liebte ihn.
Er liebte sie.
Sein Begehren war schon immer das Gleiche gewesen.
Sie sollte ihn lieben.
Doch woher sollte er denn wissen, dass sie genau das tat?