Als Matthew fünf Jahre alt war wurde die erste Mondkolonie eröffnet. Während der Übertragung im Fernsehen wurde ein Bild von der großen Leere des Weltraums gezeigt nur unterbrochen von den Abermillionen Sternen die in weiter Ferne leuchteten. In diesen Moment war Matthew mehr beschäftig einen Roboter aus Legosteinen zu bauen als sich Gedanken um den Weltraum zu machen, egal wie oft seine Eltern auch sagten das dies ein historischer Moment sei. Einige Wochen nachdem Matthew seinen dreißigsten Geburtstag feiern durfte lag die erste Mondkolonie in Schutt und Asche, der klägliche Rest schwebte schwerelos im All.
Niemand kannte den Grund und niemand konnte erzählen was passiert war, es gab weder Überlebende noch Aufzeichnungen über die Vorgänge.
Einige Monate nach den Vorfällen brach über Matthews Wohnort der Winter herein. Über Nacht war die ganze Stadt sanft angezuckert worden gerade genug um darin Spuren zu hinterlassen. Menschliche Spuren, Spuren von Hunden, Katzen und was sich sonst noch in die lärmende Stadt wagte.
Matthew starrte gerade aus den Fenstern des Elektronikladens in dem er arbeitete und wünschte sich das endlich etwas passierte das ihn aus seinen einschläfernden Alltagstrott riss. Dann explodierte plötzlich das gegenüberliegende Gebäude und nach dem eiskalten Winter brach die Hölle über Matthews Heimat herein.
Nicht einmal einen Monat nach dem ersten Angriff war die Stadt zur Ruine verkommen und auch dem Rest der Welt ging es nicht besser, bevor die Kommunikation zusammenbrach hörte man noch von einigen Staaten das sie sich halbwegs erfolgreich gegen die Invasoren wehrten.
Die wenigen Überlebenden die noch durch die zerstörten Städte und Dörfer streiften und hofften das in der Richtung in die sie gingen mehr fanden als nur andere Überlebende die in die andere Richtung reisten.
Oft genug trafen sie auf die Invasoren, menschliche Gestalten in Exoskeletten an der Stelle an der man bei Menschen das Gesicht fand sah man bei ihnen nur ein verspiegeltes Visier. Im Großen und Ganzen sahen sie so aus wie sich verschiedene Autoren, Designer und Entwickler von Unterhaltungssoftware sich die Zukunft des menschlichen Militärs vorgestellt hatten.
Trafen sie auf einen Überlebenden schossen sie, meistens fielen nicht mehr Schüsse als Überlebende gesichtet wurden selbst dann nicht wenn beide Seiten bewaffnet waren.
Matthew kauerte in den Überresten von etwas das vor einen Monat noch ein Supermarkt war und stopfte soviel Essen in seinen Rucksack wie er finden konnte. Sein Glück war das die meisten Bewohner seiner Heimatstadt gleich nach dem ersten Angriff geflohen waren und nicht mehr zum Plündern kamen.
Nervös blickte er über die Überreste der Mauer, sein Plan war gewesen soviel Proviant wie noch da war zu finden und danach zu fliehen. Nur hatte Matthew nie genau gewusst wohin ihn die Flucht führen sollte. Seine aktuellsten Informationen waren ungefähr drei Wochen alt und selbst da sah es nicht gut für die meisten Staaten aus die er erreichen konnte ohne fliegen zu lernen.
Gelernt hatte Matthew in den letzten vier Wochen ohnehin genug, welchen Teil einer Waffe man auf den Feind richtete und welche Wirkung die Kugeln der Invasoren auf die Überreste der Menschheit hatten.
Matthew war in Gedanken versunken als ihm ein Geräusch aufschreckte das er eigentlich für ausgestorben erklärt hatte, das leise Wimmern eines verletzten Tieres. Als dann noch eine Mädchenstimme „Mama? Papa? Wo seid ihr?“ rief sprang Matthew förmlich aus dem Supermarkt. Im Laufen packte er den Hund, er stellte sich als französische Bulldogge heraus, und zog das Mädchen hinter sich in die gegenüberliegenden Ruinen, eine ehemalige Bibliothek.
„Bist du wahnsinnig hier so rumzubrüllen?“, Matthew blickte nervös in alle Richtungen.
Das kleine Mädchen schluchzte „Aber, Mama und Papa sie sind beide weg.“
Matthew seufzte und fuhr sich nervös durch die Haare „Okay Kleine hör zu ich helfe dir suchen aber du musst leise sein. Verstanden?“
„Judy und mein Hund heißt Cody.“
„Huh?“, Matthew versuchte gerade herauszufinden ob er seinen Rucksack aus dem Supermarkt holen konnte ohne dabei einen der Invasoren zu begegnen und wirkte leicht desinteressiert.
„Mein Name. Mama hat immer gesagt ich soll mich vorstellen.“
„Achso ja. Matthew aber nenn mich Matt tun meine Freunde auch.“
„Wo sind deine Freunde?“
Matthew zuckte mit den Schultern „Tod? Weit weg. Keine Ahnung ob die Dinger Gefangene nehmen.“
Judy starrte ihn mit großen Augen an „Was bedeutet Tod?“
„Naja du weißt ja wie das ist wenn man schläft.“
„Ja?“
„Stell dir vor du träumst nicht und wachst nie wieder auf.“
Judy fing auf der Stelle an zu heulen „Meine Eltern sind Tod?“
„Verdammt. Kannst du damit aufhören? Die Dinger finden uns noch.“
Aber Judy hörte nicht auf und auch Cody stimmte mit ein. Als Matthew meinte hinter ihnen etwas zu hören packte er die etwas überraschte aber immer noch weinende Judy und rannte mit ihr zum Supermarkt.
„Okay deine Eltern leben und wir gehen sie suchen ok? Aber du musst tun was ich sage.“
Ohne auf eine Antwort oder auch nur ein Nicken zu warten warf sich Matthew seinen Rucksack über die Schulter und ging mit Judy Richtung Westen.“
Die Stimme der Invasoren würde für menschliche Ohren leicht metallisch klingen würde sie durch die Helme dringen. Aber für die Menschheit waren ihre Feinde stumm, würden sie uns nicht auslöschen wären es recht angenehme Zeitgenossen.
Wenn man ihnen aber zum ersten Mal begegnete fiel einen nicht das fehlen jeglicher Kommunikation auf sondern das Exoskelett, auch wenn es zuerst wie eine Rüstung aussah war es doch eher zur Lebenserhaltung gedacht und erst in zweiter Linie den Schutz.
Wenn man ihn beobachten könnte ohne entdeckt zu werden würde man seit gut drei Tagen einen einzelnen Invasoren sehen der langsam die Bestandteile eines Gerätes zusammensetzte dessen Sinn sich dem Beobachter im ersten Moment nicht erschließen würde.
Auch nach der Fertigstellung würde man nichts weiter als eine auf drei Beinen stehende Kugel sehen unter der sich der Erbauer hinstellte und auf etwas zu warten zu schien.
Die Invasoren hatten ein Wort davor das sich ein wenig wie ein rostiger Nagel auf einer Schultafel anhörte. In die Sprachen der Menschheit übersetzt würde es „Leuchtfeuer“ bedeuten.
Als es Dunkel wurde beschloss Matthew das es Zeit wurde eine Rast einzulegen, am besten gleich dort wo sie standen mitten auf der Straße.
„Verstecken wir uns nicht? Mit Mama und Papa hab ich mich jede Nacht versteckt.“
Matthew zuckte mit den Schultern „Hat keinen Sinn. Die Dinger finden dich auch in tiefster Dunkelheit, hab da unschöne Sachen erlebt und Menschen gibt es hier in der Gegend schon lange nicht mehr.“
Judy legte den Kopf schief während sie Cody steichelte „Woher weißt du das?“
„Weil Kleine,“ er warf ihr eine Tüte Chips und eine Dose Hundefutter hin „unser Abendessen sonst karger wäre.“
„Machst du kein Feuer?“
„Hab keine Ahnung wie…“
„Papa konnte das.“
„Ich bin nicht dein Papa.“
Es wurde einige Zeit still und Matthew war schon eingedöst als Judy ihn an der Schulter rüttelte. „Ich bekomme die Dose nicht auf.“
Kurz an der Lasche gezogen und die geöffnete Dose wanderte wieder in Judys Hände.
„Und jetzt lass mich schlafen.“
Als es wieder Hell wurde merkte Matthew, dass er Umzingelt war. So nah wie möglich an seine Brust gedrückt schlief Judy und Cody hatte sich hinter die Beiden an Matthews Rücken gelegt.
„Aufwachen. Wir gehen weiter...“
„Matt woher weißt du in welche Richtung wir müssen?“
„Weil die Dinger in die andere Richtung gehen.“
„Und das heißt?“
„Wenn deine Eltern Hirn haben sind sie irgendwo auf dieser Straße.“
Judy blickte nach vorne und versuchte auf der Straße irgendwelche Menschen auszumachen.
„Aber da ist niemand.“
„Ich sagte auch irgendwo auf der Straße und nicht da vorne.“
Währenddessen rannte Cody vor und zurück schnüffelte an allen Ecken und markierte sein nun vergrößertes Revier, noch nie zuvor hatte sich der kleine Hund so groß gefühlt. Zufrieden stand Cody nun neben Matthew und erwartete wohl etwas Futter.
„Es gibt jetzt noch nichts zu Essen und jetzt zieh ab du Drecksköter.“
Fast so als hätte Cody verstanden was Matthew zu ihm gesagt hatte dreht er um und ging beleidigt zu seiner Besitzerin die einige Meter hinter ihm versuchte Schritt zu halten.
„Nicht so schnell ich kann nicht mehr… Machen wir Pause?“
Matthew fischte ein paar vertrocknete Semmeln aus seinen Rucksack und warf Judy eine davon zu „Meinetwegen aber beeil dich. Ich mag es nicht wenn die Städte so leise sind.“
„Wieso?“
„Weil die Dinger verdammt leise sind.“
„Wieso nennst du sie eigentlich Dinger?“
„Weil die anderen Namen die ich für die habe nicht für kleine Mädchenohren geeignet sind.“
Judy dachte kurz nach „Matt wo sind eigentlich deine Mama und dein Papa?“
„Tod. Schätze ich mal, eins von den Dingern hat ihnen ein nettes drittes Auge verpasst.“
Plötzlich griff Judy nach Matthews Hand „Wenn du willst kannst du weinen.“
„Danke für das Angebot aber ich ziehe es vor weiterzugehen.“
Matthew durchsuchte einige der Häuser die noch halbwegs intakt waren oberflächlich und fand in dem Dritten endlich was er suchte.
„Hier“, er reichte Judy einen kleinen Rucksack und packte ihn mit einen Teil des Essen aus seinen Rucksack voll.
Der Regen setzte sein als es Dunkel wurde. Judy war schon längst eingeschlafen während Matthew noch gelangweilt aus dem Fenster des Hauses starrte in dem sie Rast machten.
In der Ferne sah er Lichter, es war nicht die Richtung die sie gingen aber die Lichter waren zu verlockend um nicht zumindest einen kleinen Abstecher zu machen.
Vor ihrem Nachtquartier erklärte Matt seiner Begleiterin das sie einen Abstecher machen würden.
„Ich hab das gestern Licht gesehen. Keine Ahnung ob es nicht diese Dinger waren aber wir sehen uns das an.“
„Und meine Eltern?“
„Denken wahrscheinlich genau so.“
„Klingt logisch.“
Matthew streichelte seiner kleinen Begleiterin über den Kopf und führte sie dann in Richtung des Lichtes, seltsamerweise strahlte es ihn jetzt noch über die Bäume und Ruinen hinweg an.
Die letzten Stunden waren für Matthew wie im Flug vergangen er brauchte keine Pause, verspürte weder Hunger noch Durst nur ab und an hielt er für Judy an. Je näher sie der Quelle des Lichtes kamen desto unruhiger wurde Cody er entfernte sich nicht mehr weit von seinen Frauchen und pinkelte auch nicht mehr jeden zweiten Baum an.
Zwischen den Bäumen kam langsam eine auf drei Beinen stehende Kugel zum Vorschein.
„Papa!“, Judy wollte losrennen aber Matthew hielt sie an der Schulter fest.
„Lass mich los mein Vater wartet auf mich!“
Judy riss sich los und stürmte auf die Lichtung, Matthew fluchte kurz und ging noch im Schutz der Bäume um die Lichtung herum.
Judy betrat die Lichtung unsicher da Matthew sie alleine gelassen hatte. Immer wieder blickte sie zu den Bäumen zurück Währenddessen war Cody sich unsicher ob er überhaupt die Lichtung betreten sollte, er rannte immer ein paar Schritte Richtung Judy wirkte dann aber erschrocken und rannte wieder in den Schutz der Bäume.
„Papa?“
Ihr Vater war momentan nicht mehr als ein Schatten. Egal wie nahe Judy ihm auch kam ihr Vater lag immer im Schatten.
Dann machte er einen Schritt und es war nicht mehr ihr Vater sondern einer der Invasoren. Er kam langsam ohne jedes Geräusch auf Judy zu.
Judy konnte sich kaum bewegen sie stolperte nur langsam ruckwärts.
„Dreh dich um und RENN VERDAMMT NOCH MAL!“
Sie konnte Matthew nicht sehen aber der Invasor drehte sich um und schoss einmal auf Kopfhöhe in einen Baum.
„Verdammte…“, Matthew lehnte sich gegen den Baum und wagte kaum zu atmen. Seine Hände schlossen sich um einen abgebrochenen Ast. Seiner Einschätzung nach keine sehr effektive Waffe aber seiner Fäuste würden der Rüstung auch egal sein.
Ein Schrei von Judy lies Matthew hochfahren und laut schreiend auf den Invasor zurennen.
„Geh weg von Judy!“
Matthew erreichte den Invasor bevor sich dieser ganz rumdrehen konnte. Der Ast zerbrach am Helm.
„Judy. Lauf und dreh dich nicht um…“
Judy lief und sie drehte sich nicht mehr um, Cody war die ganze Zeit an ihrer Seite.
Das letzte das Judy hörte bevor sie fiel war ein Schuss.
Judy blinzelte, das Sonnenlicht tat ihr in den Augen weh. Es dauerte einige Sekunden bevor sie bemerkte das der Fleck vor ihr ein menschliches Gesicht darstellte.
„Sanitäter schnell wir haben hier eine Überlebende.“
Kurz bevor Judy wieder schwarz vor Augen wurde murmelte sie „Papa, Mama.“ Es folgte eine kurze Pause „Matthew.“