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Vergessen

11. Tür
von

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1945
 

„Ich liebe dich. Und ich werde dich immer lieben, vergiss das nie.“

„Niemals. Ich liebe dich doch auch, Ludwig. Mehr als alles andere. Und deshalb musst du mich jetzt mit Ivan gehen lassen. Ich will dich doch nur beschützen.“

Ludwig schüttelte den Kopf und hielt seinen Bruder immer noch in einer Umarmung fest. Sicher, er selbst würde auch am liebsten dageblieben anstatt nach Russland zu gehen. Aber er hatte keine Wahl. Einer von ihnen musste die Rolle von Ostdeutschland übernehmen und mit Ivan gehen. Und um nichts in der Welt würde Gilbert zulassen, dass das sein kleiner Bruder tat. „Kopf hoch. Das ist sicher nicht für immer und wir können uns ja auch trotzdem noch besuchen.“

Vorsichtig schob Gilbert den anderen von sich, gab ihm einen sanften Kuss auf die Lippen und machte dann ein paar Schritte zurück, sodass er direkt vor Ivan stand. „Das hier ist kein Lebwohl. Denk daran und wag dich dir einen Neuen zu suchen.
 

1961
 

„Ludwig!“

Gilbert schrie so laut er konnte, aber seine Stimme reichte einfach nicht aus, um zur anderen Seite zu gelangen. Diese verdammten Politiker und ihre Lügen. Von wegen keine Mauer bauen. Was war das hier dann? Ein zu groß geratener Gartenzaun? Er hatte ein Recht darauf seinen Bruder zu sehen! Das konnten die doch nicht einfach so machen.

„Es tut mir leid, Gilbert.“

„Es tut dir leid?“ Wutentbrannt drehte sich Gilbert zu Ivan an. „Deine verfluchten Leute haben das meinen doch sicher eingeredet. Das ist alles deine schuld!“

„Du weißt genau, dass ich nicht kontrollieren kann, was meine Leute machen. Und ja ich kann dich nicht leiden, aber diese Mauer wollte ich trotzdem nicht“, kam es kühl zurück, wirkte auf Gilbert aber wenig überzeugend. Er wusste zu was Ivan fähig war, wenn er etwas wirklich wollte. Obwohl es wirklich fraglich war, was ihm si eine Mauer brachte. „Wann wirst du endlich einsehen, dass ich nicht böse bin, hm? Ich kann nichts an der Mauer ändern… Allerdings darf ich im Gegensatz zu dir am Grenzposten vorbei. Wenn du über deinen Hass für eine Sekunde hinweg sehen kannst, wäre ich sogar bereit deinem Geliebten eine Botschaft von dir zu übermitteln.“

Verblüfft sah Gilbert Ivan an, nickte dann aber. Und so begann der schier endlos währende Briefwechsel zwischen ihm und Ludwig.
 

~*~

Hey Ludwig.

Verzeih mir für die Mauer. Hätte ich das gewusst wäre ich beim letzten Besuch in Deutschland geblieben. Irgendwann werde ich dieses Mistding mit meinen eigenen Händen einreißen und dann kann uns nichts mehr voneinander trennen. Ach ja und bestech den blöden Russen doch bitte, damit er weiter brav den Laufburschen spielt. Ich hab nichts, dass ich ihm bieten könnte.

Ich liebe dich.

Gilbert
 

~*~
 

10.11.1989
 

Breitgrinsend stand Gilbert auf der Mauer und versuchte in der Masse an Menschen seinen Bruder zu entdecken. Und tatsächlich, da war er und winkte ihm zu. So schnell er konnte kletterte er die Mauer hinab und rannte dann durch das Gewirr an Menschen. „Ludwig!“, schrie er schon beinahe und fiel seinem Bruder überglücklich in die Arme. 28 Jahre… 28 Jahre hatten sie sich nicht gesehen, sich nicht gesprochen oder berührt und endlich waren sie wieder beieinander.

„Hör auf zu heulen und benimm dich wie ein Mann. So habe ich dich nicht großgezogen.“

„Sagst gerade du. Wer weint denn hier wie ein kleines Mädchen?“ Kurz strich sich Gilbert über die Wange und tatsächlich war sei nass. Aber das war jetzt egal. Jetzt musste er kein großer starker Mann sein. Jetzt sollte er einfach nachholen, was er in all den Jahren verpasst hatte. Ohne ein weiteres Wort beugte er sich vor und küsste Ludwig, wünschte sich, dass dieser Moment nie enden würde.
 

Wie das Schicksal es so wollte, wurde sein Wunsch nicht erfüllt und der Moment hielt nicht ewig an. Die nächsten Tage waren der pure Stress, auch wenn streng genommen nun eigentlich kein Land mehr war und deshalb eher auf der Couch liegen und faul sein sollte. Aber etwas Gutes hatten die letzten Tage dann doch gebracht. Er war bei Ludwig eingezogen und zwischen ihnen lief alles perfekt, fast so als hätte es all die Jahre der Trennung nie gegeben. „Gilbert! Verdammt noch mal!“ Verwirrt löste sich Gilbert von seinen Unterlagen und drehte sich mit dem Schreibtischstuhl herum, um in Ludwigs verärgertes Gesicht zu sehen.
 

„Was ist denn los?“
 

„Was los ist? Du hast unseren Präsidenten versetzt, das ist was los ist. Wo hast du dich rumgetrieben?“ Immer noch verwirrt sah er seinen Bruder an, sah dann aber schuldbewusst drein. Natürlich… Der Präsident. Wie hatte er das nur vergessen können? Dabei hatte er sich eigentlich sogar darauf gefreut den Mann einmal persönlich kennen zu lernen. „Ich war hier. Muss ich vor lauter Arbeit wohl vergessen haben. Tut mir wirklich leid. Wird sicher nicht wieder vorkommen“, murmelte er leise, wandte sich dann wieder von Ludwig ab und seiner Arbeit zu. Kurz darauf wurde er auch schon von hinten umarmt und bekam durch die Haare gestrichen.
 

„Ich weiß, dass das hier alles neu für dich ist, aber du musst dich bemühen. Ich will nicht, dass du mir noch einmal weggenommen wirst.“ Gilbert lächelte leicht und lehnte sich sofort in die Berührung, soweit es der Stuhl eben zuließ. „Ich liebe dich.“
 

~*~
 

Gilbert streckte sich und gähnte leise. Gott ihm war langweilig. Ludwig war in einer dummen Besprechung, in der er unerwünscht war. Deshalb hasste er Ludwigs neuen Boss manchmal wirklich. Der Kerl schloss ihn von allen Verhandlungen und Gesprächen aus. Er war Preußen, verdammt noch mal. Niemand hatte das Recht ihn so zu behandeln. Und seit er seine und Ludwigs Beziehung erahnte. Dieser verdammte Homohasser. Der würde ihn sicher in eine Gaskammer setzen, wenn er konnte, damit er Ludwig nicht weiter besudeln konnte. Das Drehen eines Schlüssels war zu hören und sofort sprang Gilbert auf und lief Richtung Tür. Kurz wartete er, bis diese zugefallen war und fiel Ludwig dann auch schon um den Hals.
 

„Ich habe dich vermisst“, hauchte er ihm leise zu, küsste ihn dann vehement. „Ich wünschte ich könnte das hier machen, wann immer ich will“, meinte Gilbert schließlich mit einem leisen Seufzen, woraufhin Ludwig ihn nur perplex ansah. „Das kannst du dich… Naja vielleicht nicht gerade in irgendwelche Besprechungen, aber ansonsten ist das okay.“

„Und was ist, wenn dein Boss das mitbekommt? Er würde uns voneinander trennen. Er würde das nicht akzeptieren. Er…“

„Beruhig dich. Er weiß davon. Es ist vollkommen okay. Er ist nicht wie Hitler. Er akzeptiert uns so wie wir sind.“ Nun sah Gilbert verwirrt drein, versuchte das was er gerade gehört hatte zu begreifen. Sie wurden akzeptiert, weil der Kerl nicht…
 

„Hitler ist nicht mehr dein Boss… Stimmt ja. Kein blöder Österreicher mehr an der Macht hier. Das weiß ich doch“, meinte er mit einem unsicheren Grinsen. Wie zur Hölle war das nur passiert? Er war doch kein Idiot. Er wusste genau, wer Ludwigs Boss war… „Ist alles in Ordnung? Fühlst du dich nicht.“

„Alles Bestens. Mach dir nicht immer gleich so viele Sorgen. Ich bin wohl einfach ein wenig müde. Du warst schließlich bis in die Nacht auf diesem Treffen.“

Ludwig lächelte leicht und schon wurde er wieder an die breite Brust gedrückt. „Das nächste Mal kommst du einfach mit. Dann muss ich mir keine Sorgen um mich machen.“
 

~*~
 

„… und damit haben meine Wissenschaftler eindeutig bewiesen, dass nicht unsere Autos an der globalen Erwärmung schuld sind, sondern der Dampf von Arthurs Tee und dem aller anderen Engländer.“

Genervt sah Ludwig zu Alfred, wurden dessen Vorträge doch von Mal zu Mal verrückter. Letztes Mal war es darum gegangen Energie mit glitzernden Vampiren zu gewinnen… Und was jetzt kam war so sicher wie das Amen in der Kirche und einfach unabwendbar. „Alfred F. Jones! Ich habe dich nicht zu so einem verdammten Idioten erzogen. Was darf sich bei dir eigentlich Alles Wissenschaftler nennen? Das ist doch Blödsinn!“

„Das ist die Wahrheit“ So ein Beweis ist endgültig. Du musst deinen blöden Tee aufgeben.“

„Das werde ich nicht. Du…“ Und da brach das Chaos in der so schön geordneten Konferenz aus. Während Arthur und Alfred stritten, unterhielten sich die meisten anderen Anwesenden miteinander oder gingen anderen Aktivitäten nach. Okay… Dann würde er wohl die Pause vorziehen müssen. Kikus Vortrag vorziehen und Alfreds für beendet erklären. Hier würde schon wieder Ordnung sein…
 

„Halts Mail, Bastard! Schieb dir deine scheiß Lügen in den Arsch und lass mich in Ruhe“, übertönte Gilberts Stimme den ganzen Tumult und als sie bemerkten, an wen dieses Geschrei gerichtet war, herrschte plötzlich Totenstille. „Ich lüge nicht. Du warst ein Teil von mir. Meine kleine süße DDR. Wenn du willst, kannst du auch jederzeit wieder zu mir zurück. Es ist so langweilig ohne dich.“

Gilbert sah Ivan hasserfüllt an und schüttelte dann vehement den Kopf. „Ich habe nie zu dir gehört und ich werde auch nie zu dir gehören! Ich bin Preußen, verdammt noch mal!“ Ludwig seufzte entnervt und erhob sich dann. „Wir machen erst einmal eine Pause. Also alle raus hier und beruhigt euch. Wir machen in 20 Minuten weiter.“
 

Sofort stürmten einige Anwesenden geradeso auf die Tür zu, waren Pausen doch schon immer beliebteste Teil der Konferenzen gewesen. Eine Person, die sonst immer ganz vorne war blieb einfach sitzen und sah nachdenklich auf seine Unterlagen. „Gilbert! Pause! Hast du nicht gehört? Wirst alt, was, mon ami?“

Francis und Antonio standen beide gut gelaunt grinsend vor Gilbert, würden den jetzt sicher für die 20 Minuten - und ganz sicher auch für die 20 Minuten danach - in eine Bar schleppen und ein paar Bier trinken. Doch Gilbert sah alles andere als gut gelaunt und in Feierlaune aus. Stattdessen sah er seine beiden Freunde nur verwirrt an.
 

„Wer seid ihr?“

Beide lachten kurz ein wenig unsicher, bis Antonio schließlich antwortete. „Guter Witz. Erst leugnest du ein Teil von Ivan gewesen zu sein und jetzt das hier. Euer deutscher Humor ist wirklich seltsam.“ Doch Gilbert lachte nicht und beendete den Scherz auch nicht.

„Ich… Wer zur Hölle ist Ivan…? Ihr müsst mich mit irgendjemandem verwechselt haben“, erwiderte er verunsichert und entfernte sich ein paar Schritte von seinen Freunden, stieß dabei an Ludwig. Der sah seinen Bruder besorgt an, verstand doch überhaupt nicht, was hier gerade vor sich ging. Gilbert benahm sich in letzter Zeit immer öfter seltsam und so langsam wurde das Ganze wirklich besorgniserregend. „Gilbert? Ist alles in Ordnung mit dir? Geht’s dir nicht gut?“

Immer noch wurde Ludwig verwirrt angesehen, hob schließlich seine Hand um sie sanft auf Gilberts Stirn zu legen. Und ganz plötzlich verschwand der verwirrte Blick und das so typische Grinsen war zurück.
 

„Hey… Ich bin doch kein kleines Kind mehr. Mir geht’s gut“, erwiderte er grinsend und ging zu Francis und Antonio, bevor Ludwig nachbohren konnte. „Natürlich war das nur ein Scherz. Habt ihr wirklich gedacht ich wüsste nicht mehr, wer ihr seid? Kommt schon. Da ist irgendwo ein einsames Bier das schon sehnsüchtig auf mich wartet.“ Und damit verschwanden die drei und ließen Ludwig nachdenklich zu geben. Es hatte so gewirkt als wollte er so schnell wie möglich von Ludwig weg. Irgendetwas war nicht in Ordnung.
 

~*~
 

Mit einem genervten Blick sah Dr. Hans Krank – ja er wusste das war ein lächerlicher Name für einen Arzt – auf die Unterlagen, die er gerade von seiner Assistentin erhalten hatte. Was für einen seltsamen Patienten musste er da nur untersuchen. Keine Krankenakte. Überhaupt kein einziges Dokument. Und dann musste er auch noch ein Dokument zur Geheimhaltung unterzeichnen, obwohl er eh an die ärztliche Schweigepflicht gebunden war.

Das war sicher irgendein versnobter Botschafter, der den deutschen Ärzten nicht traute… Auch wenn der Name nicht gerade ausländisch kann.

„Herr Beilschmidt!“, bellte er von seinem Schreibtisch aus und beugte die Tür finster. Ja, er zeigte schlechte Laune ganz offen. Schließlich hatte er eigentlich schon längst Feierabend und sollte nun mit Frau und Kindern am Esstisch sitzen. Als ein junger Mann den Raum betrat, verschwand der feindselige Blick allerdings und er betrachtete ihn neugierig. Eine Albino, hm… sowas sah man nun wirklich nicht alle Tage. Kurs ertappte er sich bei dem Wunsch, der Patient habe irgendeine exotische Krankheit, die mit dem Albinismus zusammenhing, rief sich aber schnell wieder zur Vernunft. Er wollte niemandem etwas Schlechtes wünschen. So gestresst wie der Albino allerdings ansah, konnte es wohl kaum eine Kleinigkeit sein.
 

„Also, Herr Beilschmidt. Ich habe keine Informationen bekommen, warum sie hier sind. Würden sie mich wohl aufklären?“, fragte er in klinisch neutralem Tonfall, versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass er gerade doch lieber irgendwo anders wäre. Das hatte sein Patient nicht verdient.
 

„Ich… Irgendetwas stimmt nicht mit mir. Ich habe Angst…“
 

~*~
 

„… Wir könnten also einfach eine riesen Raumstation-Roboter bauen, der die Erde ein kleines Stückchen von der Sonne wegschieben und schon haben wir die globale Erderwärmung aufgehalten. Genial oder? Meine Wissenschaftler…“ Ludwig sah von seinen Unterlagen auf und wollte Alfred gerade unterbrechen, als ein Stuhl laut klappernd zu Boden fiel und alle zum Schweigen brachte.
 

„Wo… Wo bin ich?“

Ruckartig sah Ludwig zu seinem Bruder, sah diesen verständnislos an. „In einer Konferenz. Du wolltest doch mitkommen“, erwiderte er noch recht trocken, doch als er in Gilberts Augen sah, war sein Kopf wie leer gefegt. Diese Panik hatte er noch nie bei ihm gesehen. Noch nie!

„Was ist los mit dir?“, fragte er verunsichert und ging auf Gilbert zu, der sich hektisch in dem Raum umsah.

„Wer… Wo… Was?“, kam es nur zusammenhanglos, was Ludwig nur noch mehr beunruhigte. „Beruhig dich. Lass uns kurz rausgehen und…“ Der Arm, den er auf Gilberts Schulter gelegt hatte wurde zur Seite geschlagen und vor Angst weit aufgerissenen Augen sahen nun ihn an. „Wer… Er bist du? Geh weg. Was geht hier vor? Gilberts Stimme wurde von Sekunde zu Sekunde höher, während er immer weiter von dem Tisch zurückwich.
 

„Ich bins. Ludwig. Dein Bruder. Deutschland. Was ist mir dir los?“

Gilbert antwortete nicht. Seine Atmung wurde immer schneller und schneller. Plötzlich rollten seine Augen nach hinten und er verlor das Bewusstsein. Sofort rannte Ludwig zu seinem Bruder, der regungslos auf dem Boden lag, während alle um ihn herum zu reden begannen.

„Gilbert! Gilbert, verdammt noch mal, wach auf!“ Sanft strich er über Gilberts Gesicht, doch der rührte sich kein bisschen. Gerad wollte Ludwig versuchen ihn zu wecken, da ließ ihn das laute Klingeln eines Handys zusammenzucken. Er durchsuchte Gilberts Hosentasche und zog das Handy hervor mit der Absicht es abzuschalten, doch der Name auf dem Display hielt ihn auf. Doktor Hans? Warum hatte Gilbert Kontakt mit einem Arzt? Sie waren Länder. Sie wurden nicht krank. Und selbst wenn, dann lag das an ihrer Wirtschaft und da konnte ihnen ein Arzt nicht helfen.
 

„Ja?“ Ludwigs Stimme war unsicher, als er das Gespräch annahm. Er wusste einfach nicht, was ihn jetzt erwartete.

„Herr Beilschmidt?“ Erneut schaffte er es nicht mehr als ein „Ja“ herauszubekommen, aber das reichte dem Arzt auch schon. „Wir haben die Ergebnisse jetzt ausgewertet. Es tut mir leid, aber meine Befürchtung hat sich bestätigt. Sie leiden unter Alzheimer. Wenn sie demnächst Zeit hätten könnten wir alles weiter zu der Krankheit und wie sie damit umgehen sollten besprechen.“

Klappernd fiel das kleine Gerät zu Boden und für Ludwig brach in dem Moment seine ganze Welt zusammen.
 

~*~
 

Mit traurigen Augen betrachtete Ludwig seinen Bruder aus der Ferne, wie er sich mit einem kleinen gelben Küken unterhielt. Er wirkte so friedlich und normal. Doch das täuschte. In letzter Zeit waren die klaren Momente immer seltener geworden. Ihre Politiker erkannte er fast gar nicht mehr, seine Freunde nur selten. Und Ludwig… Manchmal wurde er erkannt, manchmal nicht und ein paar Mal hatte ihn Gilbert für einen kleinen Jungen gehalten. Es brach ihm das Herz seinen Bruder so zu sehen, aber er konnte nichts tun. Er hatte einfach schon alles versucht.

Ärzte aller Welt hatten Gilbert behandelt, aber keiner hatte helfen können. Keine Therapie und kein einziges Medikament zeigten Wirkung.
 

Langsam schritt er auf den anderen zu und legte eine Hand auf dessen Schulter. „Gilbert? Das Essen ist fertig. Kommst du rein?“ Langsam drehte sich der Albino um und sah ihn lächelnd an. Ludwigs Herz schlug höher und auch seine Mundwinkel wanderten nach oben. Ein klarer Moment. Den hatte er schon seit Tagen nicht mehr erlebt.

„Ich habe sie noch nie hier gesehen. Sie müssen der neue Koch sein, nicht wahr? Ich bin Gilbert Beilschmidt, freut mich Sie kennen zu lernen.“ Sofort verschwand das Lächeln und Ludwigs Augen nahmen einen unglaublich traurigen Ausdruck an, als er die Hand, die ihm angeboten wurde nahm, „Ludwig. Und die Freude ist ganz meinerseits.“ Gilbert legte den Kopf schief. „Lächeln sie doch lieber. So sieht ihr Gesicht gleich viel hübscher aus.“ Tatsächlich versuchte Ludwig zu Lächeln, doch sogar auf ihn wirkte es leer und alles andere als gut gelaunt.

„Na das ist doch schon ein wenig besser. Irgendwann wird dieses Lächeln jemanden sehr glücklich machen. Diese Person wirklich zu beneiden.“ Und genau da wurde es Ludwig zu viel. Er konnte einfach nicht mehr. Er wollte Gilbert nicht so sehen. Und so machte er auf dem Absatz kehrt und lief einfach davon.
 

~*~
 

Erschöpft saß Ludwig neben dem Bett eines sprachlich möblierten Krankenhauszimmers. Immer wieder fielen ihm die Augen zu, aber er durfte nicht einschlafen. Er wollte für Gilbert da sein, wenn er aufwachte, auch wenn der ihn nicht erkannte. Denn auch nach der letzten Enttäuschung vor ein paar Wochen war kein einziger klarer Moment mehr gekommen. Und dann brach Gilbert einfach zusammen und keiner wusste, was mit ihm los war.
 

„Männer weinen nicht, Ludwig.“ Sofort schreckte er hoch und sah in die glasigen Augen seines Bruders, wischte sich eilig die Tränen weg. „Du erkennst mich?“ Gilbert nickte leicht und richtete sich vorsichtig im Bett auf, um Ludwig in seine Arme zu ziehen.

„Ich habe dir wehgetan und das tut mir leid. Ich wollte nie, dass es soweit kommt.“ Ludwig schüttelte den Kopf. Er brauchte keine blöde Entschuldigung. Er wollte einfach nur seinen Geliebten wieder haben.

„Du musst mir etwas versprechen, Ludwig, hörst du?“
 

„Alles. Ich würde alles für dich tun.“

„Werde glücklich. Finde jemanden der dich glücklich machen kann“, bat Gilbert traurig und brachte Ludwig nur erneut dazu den Kopf zu schütteln. „Das kann ich nicht. Ich liebe dich doch. Wir bekommen das schon wieder hin. Wir…“

„Es wird nicht mehr so wie früher. Ich kann es fühlen. Es ist fast vorbei.“

Ein ersticktes „Nein“ kam über Ludwigs Lippen, während er schon wieder gegen die aufsteigenden Tränen ankämpfte.
 

„Ich liebe dich. Ich habe dich schon ewig geliebt… Und am meisten liebe ich dich, wenn du verliebt bist. Dann strahlst du einfach, deine Augen leuchten und nichts ist schöner als dein Lächeln in diesem Moment. Also versprich es mir. Ich sage ja nicht, du sollt mich vergessen. Su sollst einfach nur glücklich werden.“

Gilberts Stimme klang so verzweifelt, dass ihm gar nichts anderes übrig blieb. Und wenn das der letzte Wunsch seines Bruders war, dann würde er ihn auch erfüllen. „Ich verspreche es“, brachte er mit zittriger Stimme und beugte sich vor, um Gilbert zu küssen.

In diesem Kuss lag so viel Gefühl, so viel Liebe wie nie zuvor. Mit diesem Kuss zeigten sie einander alles, für das sie keine Worte fanden. Doch lange hielt das nicht. Ludwig öffnete gerade noch rechtzeitig die Augen, um zu sehen, wie sich Gilbert auflöste, dann fiel er auch schon nach vorne in das kleine Bett.
 

„Ich werde dich immer lieben…“, konnte er noch die Stimme seines Bruders leise hören, dann war er alleine in dem kleinen Raum.
 

~*~

~*~
 

Geschichtliche und Medizinische Fakten können falsch sein. Viel Zeit für Nachforschen lässt der Kalender nicht ;D

Hier also die erste WeihnachtsFF ohne Happy End. Sorry Leute.

Inspiriert von dem Yamato Nadeshiko Shiji Henge Drama… Go hot Kame!!!



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Xulina
2011-12-11T12:53:33+00:00 11.12.2011 13:53
Vergiss das Happy End!
Das war so gut! >.<
Ami hat natürlich zwischendurch den Clown gemacht, aber das mit Preußen...
Ich wundere mich eh immer, was der nach der DDR macht. ._.
Genau so ein Rätzel wie Romano. ^^"
Schön, wie du da ganze aufgebaut hast. Ludwig kann einem am ende zwar echt leid tun, aber er muss verdammt nochmal sein Versprechen halten! >w<
Eine wunderbare Story und das mit dem medizinischen und geschichtlichen Hintergründen passt schon (irgendwie).
Gilbert lehrt jeden Tag neue Leute kennen. XDDD


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