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Trostpflaster

Schokolade ist nicht das einzige Mittel gegen Liebeskummer
von

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Unerwartet

Endlich seit langem wieder einmal ein freier Samstag kurz nach Frühlingsanfang, und dann musste ich wie aus heiterem Himmel so eine Hiobsbotschaft erhalten… ich verfluchte die Männerwelt und ein ganz bestimmtes Exemplar daraus gerade aus tiefster Seele.

Dachte ich doch, dass ich an diesem Samstagabend vielleicht wieder einmal mit meinem Freund ausgehen konnte, da machte der wie aus heiterem Himmel mit mir Schluss. Murmelte irgend etwas Unzusammenhängendes dass wir uns doch wohl auseinander gelebt hatten und wir besser getrennte Wege gehen sollten weil die Unterschiede doch so groß seien… dass ich nicht lache, wir hatten uns doch so gut verstanden, waren unzertrennlich gewesen. Und anstelle mir auf meinen Wutausbruch ein paar überzeugende Antworten zu liefern, hatte er einfach seine Jacke genommen und war abmarschiert, war das denn die Möglichkeit. Männer.

Ich lag eine Weile weinend auf dem Bett, bis ich beschloss, mich eben alleine zu amüsieren, da hatte doch diese neue Cocktailbar eröffnet und ich hatte eigentlich irgendwann einmal mit Martin dort hin gehen wollen, dann würde ich das eben alleine machen. Ich verschwand erst im Badezimmer um mich zurecht zu machen, schmiss mich dann in ein einigermaßen vorzeigbares schickes Outfit und machte mich dann auf den Weg, stürzte mich ins Getümmel, anstelle mich mit einer Pralinenschachtel und in Schlabberoutfit aufs Sofa zu gammeln und mir bei < Titanic > so richtig die Augen auszuheulen.

Ich ließ meinen Blick gerade über die Karte mit den Getränken schweifen, als mich jemand antippte. Verwundert sah ich mich um, das war doch… Annemieke van Dam, wie kam die denn hier her… Sie war eine Kollegin von mir, wir waren uns allerdings erst ein paar Mal begegnet, weil sie in Wien nicht so viel zu tun hatte wie ich, die schon Jahre lang hier lebte.

„Annemieke?“ Ich sah sie verwundert an wie das berühmte Kalb mit zwei Köpfen. „Grüß dich, was führt dich denn her?“

„Ach ich habe hier ein Konzert mit ein paar Kollegen, nichts Weltbewegendes, aber ich wollte heute etwas feiern gehen und was treibt dich hier her. Lebst du noch hier in Wien?“

Ich wollte eigentlich nicht über mich reden, beschloss mit einem Kompliment auszuweichen.

"Gut siehst du aus..."

Bei diesen Worten errötete sie für einen kleinen Moment und trank aus ihrem Glas.

„Danke, aber das kann ich nur zurückgeben Du trägst deine Haare kürzer, das steht dir echt.“

„Ob ich nun gut aussehe sei mal dahin gestellt, aber ich danke dir für das Kompliment.“

Wir verfielen für einen kurzen Moment ins Schweigen, als Annemieke mich schließlich fragend ansah, einen Arm um meine Schulter legte als wäre sie eine gute Freundin von mir und das Schweigen wieder durch eine Frage unterbrach.

„Also Wietske ich schlag dir mal was vor. Ich bestelle dir einen schönen Drink, so wie ich ihn habe, lade dich ein und du erzählst mir mal, warum du so wirkst, als hätten wir seit 7 Tagen Regenwetter?“

Dieser letzte Bestandteil des Satzes erinnerte mich wieder aufs heftigste an die Trennung, so dass ich nicht anders konnte als mit dem Ring an meinem Finger zu spielen, den er mir geschenkt hatte. Außerdem, etwas zu trinken… es war doch sicherlich Alkohol darin und ich hatte eigentlich eher gedacht dass ich angesichts der Tatsache dass ich noch zurückfahren musste, etwas alkolfreies trank.

„Ich bin aber mit dem Auto hier.“

- „Ach das ist doch kein Problem, wir kriegen dich schon wieder heim. Gib dir einen Ruck. Wir sind jung, schön und erfolgreich, lass uns darauf anstoßen hm?“ Annemieke ließ sich nicht beirren, sie war noch immer die unverbesserliche Optimistin wie ich sie in Erinnerung hatte. Ich kannte sie gar nicht anders als fröhlich und ausgelassen.

Ich wusste gar nicht, warum ich mir groß Gedanken machte, so weit zu fahren war das auch nicht und ich wusste schon wie viel ich trinken konnte, ich war nicht nach einem Glas schon vollkommen blau… Aber gut, Annemieke hatte ja Recht. Zumindest bei dem „jung und erfolgreich“, ob ich so schön war, das wagte ich gerade zu bezweifeln, unter meiner Schicht Makeup sah ich sicherlich aus wie das hässliche Entlein höchstpersönlich.

Ich lehnte mich etwas gegen sie, war irgendwie froh, dass sie den Arm um mich gelegt hatte – das war so etwas tröstliches wie wenn mich meine beste Freundin Lisa Antoni immer versuchte aufzumuntern, aber die war im Moment auf einer Kreuzfahrt im sonnigen Süden… ähm Moment mal, warum hatte Annemieke eigentlich den Arm um mich gelegt? Seltsam.

„Darum bin ich ja hier, um etwas zu trinken und mich zu amüsieren.“ Ich beschloss, den höflichen Smalltalk inzwischen fortzuführen.

„Ja, ich wohne noch hier, ich bin im Moment bei „Rudolf“ und spiel die Kronprinzessin, ich glaube so schnell bringt mich auch nichts mehr aus Wien wieder weg, es ist so eine zauberhafte Stadt. Und du, wann ist dein Konzert? War das etwa schon oder ist das vielleicht erst morgen? Falls ja, würde ich es mir gerne ansehen, ich hab grad Urlaub und Zeit und … etwas Langeweile, außerdem kann ich ein bisschen Ablenkung brauchen.“ Ich spielte wieder mit dem Ring an meinem Finger und seufzte, merkte wie meine Stimmung beim bloßen Gedanken an ihn wieder absank.

„Diese blöden Männer“, fluchte ich leise vor mich hin und für niemanden bestimmt.

- „Oh mein Konzert ist erst in zwei Tagen, ich bin aber schon etwas länger hier, ein paar Tage, wegen Proben und so was eben, du kennst das ja. Und es würde mich sehr freuen wenn du kommst, ich sehe mal zu, dass ich noch eine Karte bekomme ok?“

Ich nickte lächelnd, meine Freude hielt jedoch nur für einen Moment an, sofort merkte ich wie ich traurig wurde, was mir wohl auch anzusehen war. Während ich noch nachdachte, bestellte Annemieke auch schon etwas zu trinken für uns beide.

„So und nun suchen wir uns was zum sitzen, wo wir ohne Gefahr unseren Cocktails trinken können ja? Und nach ein paar Cocktails sind auch die ganzen blöden Männer nicht mehr so schlimm, glaub mir und wenn du magst darfst du mir auch gern ein Ohr abkauen, aber nur Eines, sonst schmeißt der Dirigent Morgen seinen Stock nach mir, wenn ich wieder nicht auf seine Taktangaben höre.“

Ich hätte nicht gedacht dass ich an diesem Abend gleich wieder einen Grund hatte, zu lachen, aber Annemieke war einfach herrlich, diese Aussage da gerade, wirklich nett… ob sie auch so ein grauenhaftes Exemplar Mann kannte, das man am allerliebsten ohne Rückfahrkarte ans andere Ende dieser Galaxie schießen könnte? Mit Sicherheit doch, oder? Ich war erleichtert dass ich das Konzert noch nicht verpasst hatte, es würde mich in der Tat auf andere Gedanken bringen. Dass sie mir gleich angeboten hatte, nach einer Karte zu fragen, fand ich auch wieder lieb von ihr.

Ein bisschen seltsam war es ja schon, gleich darauf mit ihr am Arm auf die Suche nach einem Platz durch den Raum zu schlendern, mir stieg dabei der Duft ihres Parfüm in die Nase, ein sehr angenehmer Duft, nichts aufdringliches oder so.

„So und nun lass uns anstoßen auf einen unvergesslichen Abend.“

Sie hob das Glas und stieß es gegen meines.

Ich setzte mich ihr gegenüber und nickte.

„Auf einen unvergesslichen Abend“, wiederholte ich mechanisch und noch nicht so sehr überzeugt, ich dachte wahrscheinlich immer noch zu viel nach. Und um das abzustellen, trank ich gleich mal einen großen Schluck von dem bunten Gemisch, ohne zu wissen, was genau das eigentlich war.

„Schmeckt er dir? Das ist so eine Spezialmischung, das meiste Zeug schmeckt mir nicht aber hier machen die zum Glück auch individuelle Sachen.“

Ich sah nachdenklich in mein Glas und stellte es dann wieder auf dem Tisch ab.

„Ist hier eigentlich viel Alkohol drin?“ fragte ich ein bisschen misstrauisch.

Dafür dass sie erst ein paar Tage hier in der Stadt war, kannte sie sich mit den Cocktails hier aber schon sehr gut aus, ich war für einen kurzen Moment sprachlos. Ging sie etwa jeden Abend aus? Wie unbeschwert und unbeirrt, da kam ich mir grade etwas wie eine alte Frau vor die schon Jahre lang am selben Ort war und n dieser langen Beziehung festgesteckt war, vielleicht war es doch so gar nicht so schlecht… Ich sah sie kurz etwas länger an, ich konnte mir nicht helfen aber sie hatte etwas wirklich bezauberndes an sich, obwohl sie nicht so viel Schminke im Gesicht hatte wie ich, fand ich sie hübsch.

„Das möchtest du wohl gerne wissen was? Aber wenn ich dir das sage, denkst du ich will dich abfüllen.. Keine Sorge, hier ist nur wenig Zeug drin, ich muss Morgen um 12 wieder bei der Probe sein.“

Da war ich doch sehr erleichtert, ich trank nochmals einen Schluck, als ich merkte, wie sie mich auf einmal so merkwürdig ansah, ein Blick bei dem ich mich anfing, unwohl zu fühlen. Warum starrte sie mich denn so an?

„Was ist?“ fragte ich verunsichert.

- „Nun ja ich frage mich, warum eine bezaubernde Frau wie du sie bist, an einem Samstagabend allein in eine Bar geht?“

„Ich hab ja sonst Samstagabend nicht viel Zeit zum Ausgehen, aber wenn ich denn mal frei habe mache ich das doch sehr gerne“, Ich sah wieder hoch, „…und dass ich vorhin über die Männer geflucht habe, um ehrlich zu sein… das ist… weil…“ Ich schüttelte den Kopf. Ich kannte sie doch kaum, ich musste sie doch nicht mit meinen Sorgen belasten, es interessierte sie doch bestimmt auch nicht wirklich, das war Smalltalk wie alles andere bis her. Nein, nachher wenn ich zuhause war würde ich Lisa anrufen und hoffen dass sie Lust hatte, sich trotz ihres Urlaubs von mir vollheulen zu lassen, sie war ja immer für mich da……

Ich trank wieder einen Schluck, allerdings einen etwas kleineren, um nicht weitersprechen zu müssen.

Annemieke lehnte sich über den Tisch hinweg und griff nach meiner Hand.

„Ich weiß, dass man uns höchstens als gute Bekannte bezeichnen könnte, aber wenn du Jemanden zum reden brauchst, dann bin ich hier.“ Sie strich über meinen Handrücken und lächelte mich an. Ich kämpfte wirklich mit mir selbst, ich hatte sie doch so selten gesehen, sicherlich nicht mehr als drei oder vier mal, bestenfalls noch fünf, und ihr sollte ich alles anvertrauen was mich gerade belastete, und das nur, weil wir uns zufällig begegnet waren? Das war doch so absurd…

Es entstand wieder ein unangenehmes Schweigen, in dem ich nachdachte was ich tun sollte und Annemieke mit ein paar Zügen ihr Glas leerte, nur um sich dann gleich Luft zuzufächeln.

„Es tut mir leid, ich bin keine gute Partybegleitung.“

Ich sah sie verlegen an und dann wieder zur Seite.

„Ach was, das kenn ich schlimmere und wenn du mit mir nicht darüber sprechen magst, was dich bedrückt ist das ok, wir können auch so noch Spaß haben hm?“

Wie sich das anhörte, wirklich merkwürdig. Da schwang irgend etwas mit, was ich mir nicht so ganz erklären konnte… Ich nippte wieder an meinem Cocktail.

„Ich würde gern mit dir darüber reden, es bedrückt mich ganz schön, aber wir kennen uns doch gar nicht so…“

„Manchmal ist es leichter mit Jemanden zu reden, der einen nicht so gut kennt, aber die Entscheidung liegt bei dir. Ich werde dich doch nicht zwingen, nichts liegt mir ferner.“ entgegnete sie und ergriff ohne Vorwarnung meine freie Hand, was mich für einen Moment erstarrten ließ, ich mich aber schnell wieder beruhigte.

Es war zwar sehr ungewohnt, meine Hand in ihrer zu fühlen, aber es war ein sehr angenehmes Gefühl, ihre Haut kam mir so unglaublich zart und weich vor…

Sie versuchte mich ganz offensichtlich zu ermutigen, ihr doch zu erzählen was los war, und sie hatte doch recht, meine beste Freundin war zu weit weg und Annemieke war da, und es würde doch gut tun mit jemandem darüber zu reden…

„In Ordnung, vielleicht… hast du Recht“, Ich trank erneut einen winzigen Schluck, bevor ich das Glas wieder abstellte und ihre Hand etwas fester umschloss. Dieses Darüberstreicheln wirkte irgendwie ein bisschen beruhigend, diese federleichte Berührung…

„Ich…. mein Freund hat sich heute Mittag erst von mir getrennt und ich kann einfach nicht richtig verstehen, wieso…“ Ich kämpfte mit mir selbst. Nein, vor ihr wollte ich jetzt nicht wieder anfangen zu weinen, schon gar nicht in aller Öffentlichkeit.

„Das tut mir leid, er weiß gar nicht was er an dir hat.“ Ihr Streicheln verstärkte sich ein bisschen, vermutlich sollte es mich beruhigen.

„Ists dir ein bisschen warm?“ fragte ich, ein Versuch das Thema zu wechseln, weil sie sich vorher gerade noch Luft zugefächelt hatte. „Wir… wir könnten ja nachher noch ein bisschen spazieren gehen?“

Ich wusste nicht warum, aber mir war es gerade danach, irgendwo anders zu sein als in diesem überfüllten Raum, für Sekundenbruchteile war mir diese Frage einfach richtig erschienen, aber im nächsten Moment schüttelte ich schon den Kopf. Auf was für dumme Ideen kam ich denn bitte?

„Die Idee finde ich gut.“ Sie stand auf und streckte mir meine Hand entgegen. Ich sah sie erst verdutzt an, kippte dann meinen Cocktail ebenfalls in einem Schluck herunter und legte meine Hand in die ihre. „Okay, lass uns gehen.“

Unsere Hände fest ineinander verschränkt bahnten wir uns unseren Weg aus dem überfüllten Lokal. Als wir das Gebäude verließen, erschlug mich die nächtliche Frische doch ein wenig, so warm war es da drin gewesen. Ich zog meine dünne Jacke enger um ihren Oberkörper während Annemieke in ihrer Tasche herumkramte und schließlich ein Bolero Jäckchen zu Tage förderte.

„Was hast du denn alles in diesem kleinen Ding?“ fragte ich sie verwundert.

Wir hatten für einen kurzen Moment die Hände des anderen los gelassen, aber jetzt hakte sich Annemieke bei mir unter und wir gingen die Straße hinauf.

„Ich stell mir das wundervoll in einer Stadt wie Wien zu leben, dieser Ort hat etwas Magisches, irgendwie total romantisch.“ schwärmte sie, offensichtlich hatte sie diese Stadt bereits jetzt genauso in ihren Bann gezogen wie mich damals als ich von Stuttgart aus hergekommen war um dort in einer Welturaufführung eine Rolle zu kreieren.

„Aber nur solange man nicht allein ist.“ entgegnete ich ihr mit einem traurigen Seufzen.

Sie zog mich wieder enger zu sich und legte einen Arm um meine Schulter.

„Versuch einfach für heute zu vergessen was war, wir sind hier in so einer schönen Stadt, da werden wir doch was finden, dass wir machen können oder? Außerdem bist du ja jetzt nicht allein, ich bin da und geh mit dir durch die Straßen.“ Sie strahlte mich an und gab mir unvermittelt einen Kuss auf die Wange.

Mein Herzschlag beschleunigte sich erst, als wäre ich einen Marathon gelaufen, bevor ich das Gefühl hatte, es würde kurz vollständig aussetzen. Was machte sie denn da nur mit mir, was war das denn nur für ein merkwürdiges Spielchen? Und dass sie mich so anlächelte, und mich an sich zog und so liebe Worte sagte… wenn ich es nicht besser wüsste, hätte man ja gerade denken können…

„Es ist schön dass du da bist, sonst hätte ich mich heute schon ziemlich alleine gefühlt“, Ich sah für einen kurzen Moment zu Boden, dann wieder in ihr strahlendes Gesicht. Wieder musste ich mich bei dem Gedanken ertappen dass sie eine ziemlich hübsche Frau war…

„Das musst du jetzt nicht, wie gesagt.“ Sie lächelte mich immer noch an, ein Lächeln mit dem sie sicherlich ganze Gletscher zum Schmelzen bringen konnte…

„Weißt du, was für eine Alternative ich hatte, den heutigen Abend zu verbringen? Mich vor den Fernseher setzen und gegen den Liebeskummer irgendwelche Süßigkeiten in mich hineinzufuttern. … Mit der Folge, dass ich dann bestimmt ein paar Tage später auf der Waage den nächsten Heulanfall bekommen hätte wenn ich zugenommen hab und nicht mehr in mein Kostüm passe…“ Ich musste gegen meinen Willen grinsen, keine Ahnung wieso… und warum plapperte ich jetzt eigentlich einfach so irgendwelchen Unsinn dahin, was musste sie denn von mir denken, dass schon dieser einzige Cocktail zuviel für mich gewesen war?

„Ach was, das wird schon nicht so schnell passieren“, versuchte sie mir gut zuzureden, „Aber du hast recht, weggehen ist doch eine schönere Sache als sich zuhause zu verkriechen. Außerdem hatte es ja auch etwas gutes, dass wir uns endlich wieder mal gesehen haben.“

Ich merkte wie ich wieder rot wurde.

„Und nicht das letzte Mal, ich … ich meine, wenn ich dann euer Konzert besuche… ähm… was ist das überhaupt für eines?“

„Ich freu mich auch dass wir uns hier getroffen haben und das Konzert ist passend zur Jahreszeit ein Konzert mit vielen Liebesliedern.“ erklärte sie, musterte mich für einen kurzen Moment und verstärkte den Griff um meine Schultern. „Jetzt nicht vielleicht das beste Konzert für dich aber ich würde mich freuen wenn du trotzdem kommen würdest.“

Das kam mir von der Beschreibung her so bekannt vor, es gab so viele Konzerte in Wien, aber bei dieser Beschreibung hatte ich sofort eine Vermutung welches sie meinen konnte.

Ich zog die Stirn kraus und neigte meinen Kopf erst nach links und dann nach rechts.

„Heißt das Konzert zufällig »In vienna, love was alive<

- „Ja genau, so heißt unser Konzert, woher kennst du denn den Namen?“ Wietske lächelte und strich sich eine ihrer Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Ich habe da so ein Plakat gesehen im Theater aber es nicht weiter beachtet.“ behauptete ich, es war eine Notlüge, ich verband noch mehr mit dieser Bezeichnung.

Sie würde in diesem Konzert mitsingen? Unter allen Konzerten, die es hier in Wien jeden Tag gab, ausgerechnet dieses? Es war keine Veranstaltung der VBW, deshalb waren die Verantwortlichen im Theater absolut nicht begeistert gewesen als ich vor ein paar Monaten das überraschende Angebot bekam, ebenfalls darin mitzuwirken… und jetzt war sie es, die da auftreten würde? Vielleicht hatte sie sogar den Part bekommen, der mir zugedacht war? Jetzt musste ich es erst recht sehen, auch wenn mich die Liebeslieder wohl eher in meiner momentanen Situation zum Weinen bringen würden…

„Und jetzt gehst du trotzdem hin.“ Sie lächelte mir zu und stupste mich leicht an. „Wo wollen wir jetzt eigentlich hin. Ich kenn mich in Wien noch gar nicht aus.“

„Ich weiß nicht genau, ich habe auf nichts bestimmtes Lust, wir könnten uns ja vielleicht einfach auf eine Bank dort setzen, obwohl es schon ganz schön frisch geworden ist, es könnte echt mal wieder wärmer werden.“

Annemieke überlegte einen Moment, dann sah sie mich grinsend an.

„Lass uns doch zu mir ins Hotel gehen, da ist es warm und wir können weiter reden. Was meinst du dazu?“

Ihr Vorschlag ließ mich wiederum erröten. Das war auch wieder so unerwartet. Ich sollte mit ihr… mitgehen? Nur damit wir uns unterhalten konnten? Wenn sie jetzt ein Mann gewesen würde, hätte ich mir schon gedacht, worauf diese Einladung hinauslief, aber das… nein, dieser Gedanke war doch eigentlich… lächerlich. Trotz der Berührungen und des Kusses war sie doch nicht… nein. Ich wagte immer noch nicht daran zu glauben…

„Ich geh ja nicht mit jedem und mit jeder einfach so mit, das ist eines, was du unbedingt wissen musst“, bemerkte ich in einem möglichst heiteren Tonfall, „aber es ist wirklich keine schlechte Idee, hier draußen ist es doch ein bisschen frisch… Wo übernachtest du denn, Annemieke?“

Sie sagte es mir und ich sah sie erschreckt an. Der nächste Weg war das nicht. Ich überlegte gerade ob ich ihr vorschlagen sollte, ein Taxi zu rufen, aber wir waren gerade ein paar Schritte weitergegangen, da kam uns ein offener Fiaker entgegen und bleib schließlich stehen. Der Kutscher half einer schwarzgekleideten Frau mit hochgesteckten Haaren, auszusteigen, die mich sofort von der Kleidung her an die Kaiserin Elisabeth erinnerte.

„Gut’ Nacht, Majestät“, verabschiedete sich der Kutscher von ihr und die Frau ging mit einem kurzen Kopfnicken ihres Weges. Dann wandte er sich uns zu, während Annemieke nur erstmal der Frau in Schwarz hinterherblickte.

„Es gibt scho’ narrische Leut“, bemerkte der Kutscher, „diese Frau hat g’meint sie müsst ein bisserl Kaiserin spiel’n…“

„An Sisi hat sie mich auch auf den ersten Blick erinnert“, musste Annemieke zugeben.

Und ich hatte eine Idee.

„Könnten Sie uns vielleicht auch noch wo hin fahren, auch wenn es schon so spät ist?“ erkundigte ich mich und sagte dem Kutscher, wo hin wir wollten. Dieser war sofort einverstanden.

Ich fand diese Kutschfahrten schon immer fürchterlich romantisch, vor allem abends oder wenn die Sonne gerade unterging. Wir kletterten hinein und los ging die Fahrt. „Ach… ich liebe Wien einfach…“ schwärmte ich. „Auch wenn es mal die Stadt mit der höchsten Selbstmordrate war, ganz ernsthaft, ich bin hier so heimisch geworden, es ist so schön hier…“

Und mit einem verträumten Gesichtsausdruck begann ich leise das Lied zu singen, das titelgebend für das Konzert war:
 

„And in Vienna, we were poetry, yes, in Vienna, love was alive,

watching you, watching me, only as far as our eyes can see –

it was the best time of our lives…“
 

Es war so eine schöne Stimmung während der Fahrt, sie lehnte meinen Kopf gegen meine Schulter und unsere Hände fanden sich von ganz alleine.

„Das war wunderschön.“ flüsterte sie, nachdem ich aufgehört hatte, zu singen.

- „Ach was, du singst das sicher noch schöner.“ war ich mir sicher, sie würde das bestimmt viel besser hinbekommen wie ich. Sie wurde rot, sah mit ihren roten Wangen noch etwas hübscher aus als vorher.

„Was führ´ts denn zwei so hübsche Madel hier in uns´re schöne Stadt?“ erkundigte sich der Kutscher schließlich bei uns, dachte wohl er müsste auch ein bisschen Konversation betreiben.

„Einfach nur spazieren gehen.“ antwortete Annemieke nur und strich über meine Hand.

Eine Allee tauchte vor unserem Sichtfeld auf, die durch eine Reihe von alten Laternen erleuchtet wurde. Es musste bereits Tau auf den Blättern sein, den sie glitzerten durch die Laternen irrtümlich. „Oder nein… Ich glaube ich bleibe hier. Ich war ja schon an vielen Orten, aber nirgends war es so schön wie hier.“

Ich musste wiederum lachen, als ich sie so schwärmen hörte, legte meinen Kopf gegen ihren.

„Wenn du hier wohnst, wirst du merken, dass die Stadt gar nicht so toll ist, wie du denkst.“

- „Ach sag´ens doch nicht sowas. Wien ist eine ganz besond´re Stadt, die auf ihre Art immer schön ist.“ widersprach uns der Kutscher.

Wir nickten jetzt beide, da war etwas Wahres dran.

Nach einigen weiteren Minuten des Schweigens erreichten wir auch schon das Hotel, in dem Annemieke wohnte und wir stiegen aus. Bevor ich irgendetwas tun konnte, griff sie schon nach ihrem Geldbeutel und zog einen Zwanziger heraus. Der Kutscher bedankte sich und fuhr wieder los. Etwas unschlüssig blieben wir vor dem Hotel stehen, als Annemieke wieder das Wort ergriff.

„Die Frage, ob du noch mit hoch kommen willst, brauch ich ja nicht mehr stellen oder?“

- „Das… das hatten wir schon geklärt, oder? Sonst müsste ich ja jetzt ganz allein durch die kühle Abendluft wieder zurückgehen oder fahren…“ Ich schüttelte den Kopf, dachte jetzt im Gegensatz zu vorher überhaupt nicht mehr nach. „Nein ich bleib jetzt hier und wir unterhalten uns ein bisschen, und … wärmen uns auf…“ Es war doch ziemlich frisch, obwohl Annemieke in ihrem kurzen Kleid doch sicherlich noch viel mehr frieren musste wie ich. „Also, dann lass uns gehen, oder?“ Annemieke wirkte für einen kurzen Moment auch etwas verlegen.

„Ja sicher.“

« War doch abgemacht… »

- „Darf ich?“ Bevor ich fragen konnte was sie meinte, hatte sie auch schon wieder den Arm um mich gelegt und wir gingen umschlungen wie ein Pärchen die Treppenstufen vor dem Eingang hinauf und traten ein. „Ich gehe schnell den Schlüssel holen, bin sofort wieder zurück.“

„Einverstanden… mach das…“ Sie lächelte mir nochmals zu und lief dann einfach los, ließ mich stehen dass ich mir für einen Moment etwas verloren vorkam und mich in einen der gemütlichen Sessel sinken ließ, einfach weil ich grade ein bisschen müde war…

Ich musste wirklich einen Moment eingeschlafen sein, denn als ich die Augen wieder aufschlug, saß sie ganz dicht vor mir.

„Nein, nein, das nicht… ich hab nur… meine Augen ausgeruht“, erwiderte ich verlegen während mir wieder das Blut zu Kopfe stieg, herrje, Erröten war schon eine fürchterliche Angewohnheit von mir.

Ich wusste nicht wohin ich meine Hände tun sollte, drum sprang ich auf und tat so, als müsste ich meine Sachen in Ordnung bringen. Ich ließ mich von ihr einfach mitziehen durch das Foyer und mit dem Aufzug nach oben, meine Müdigkeit war wie weggewischt, im Gegenteil, auf einmal war ich wieder fürchterlich nervös.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2011-10-02T08:13:46+00:00 02.10.2011 10:13
Annemieke und Wietske mal in einem anderen KOntext, das wäre bestimmt auch eine super Grundidee für eine längere ff kann ic mir vorstellen *schmunzel* Vielleicht setze ich das mal auf meine Liste *lach*
Ich mag Annemieke so selbstbewusst und fröhlich echt sehr viel lieber und auch wenn Wietske noch etwas verunsichert ist, ist sie einfach mal wieder total süß, das ändert sich wohl nie ^^ Ich hoffe hier kommentieren noc andere, immerhin hat deine FAnfic das echt verdient <3
LIebe Grüße Josie <3


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