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Die Prüfung der Grenzen

Aus Schwarz und Weiß wird Grau
von

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Showdown

4. Kapitel: Showdown
 

Der klare Nachtwind strich über seine Haut und hinterließ ein angenehmes Gefühl. Aus tiefen, dunklen Reptilienaugen beobachtete Thane Krios das geschäftige Treiben unter seinen Füßen. Bald war es soweit. Der Zeitpunkt war nicht mehr fern. Unter ihm liefen Nachtwesen durch die Gasse, riefen sich etwas zu oder bekamen Rüge von den patrouillierenden Angestellten der C-Sicherheit. Thane analysierte die Bewegungsmuster unter ihm und ging die Begebenheiten der Umgebung durch. Thane war umgeben von vielen Hochhäusern des Appartmentsbereich 808, deren Fassaden viele Möglichkeiten zum Klettern boten, aber auch viele Fenster, die eine Entdeckung wahrscheinlich machten. Zwei Eclipse Söldner hatten sich bei dem Eingang seines Zielortes aufgestellt und beobachteten jede Regung ganz genau, doch ihn hatten sie noch nicht bemerkt. Wie denn auch? Er saß gute zehn Meter üben ihnen, in den Schatten eines Uhrenturmes verborgen und wartete auf seine Gelegenheit. Diese zwei Wächter würden ihn nicht aufhalten. Allerdings waren sie den vergangen Abend nicht anwesend gewesen. Vielleicht hatte sein Ziel doch etwas erfahren?

Vorsichtig zog Thane ein Datenpad aus seiner Tasche und rief eine verschlüsselte Datei mit allen gesammelten Informationen seines bevorstehenden Attentates auf. Für Thane war eine akribische Planung jeder Tat unabdingbar, denn er wollte bloß seine Zielperson töten, aber möglichst unschuldige Opfer vermeiden. Vielleicht waren diese wesen Opfer der Umstände und konnten nichts für die unehrenhaften Taten ihres Bosses. Ein solches Urteil erlaubte der Drell sich nicht und deshalb wollte er die anwesenden Söldner verschonen- allerdings nur solange, bis sie ihn bei seinem Auftrag verhindern würden.

Nachdenklich öffnete er die Personeninformationen, die ihm sein Auftraggeber zugespielt hatte. Thane arbeitete nun mittlerweile seit gut fünf Jahren als selbstständiger Attentäter und suchte sich nun seine Opfer selber aus. Sein heutiger Job befasste sich mit einem Baterianer, der einen Sternesystem übergreifenden Sklavenhändlerring betrieb. Baterianer waren dafür bekannt mit seinen Waren nicht besonders pfleglich umzugehen. Bereits einmal hatte Thane diese Erfahrung schmerzlich erfahren. Bereits begannen die lebendigen Bilder sich wie ein Film vor seine Augen zu legen, der blutüberströmte, gebrochene Körper, das weiße Tuch, welches über die vorher zarte Gestalt gelegt wurde. Schnell schüttelte der Drell den Kopf um seine Konzentration wieder zu erlangen. Sich jetzt in den lebhaften Erinnerungen zu verlieren wäre hinderlich. Die Gabe seiner Art jegliche Erinnerung in all seiner Klarheit abzurufen war Segen und Fluch zu gleich. Es konnte einem Kraft geben oder gleichzeitig entziehen. Tief luftholend schob er seine Erinnerungen beiseite und rief nun den Bauplan des Gebäudes auf.

Geplant war, dass er sich innerhalb der Lüftungsschächte bewegen würde. Oberhalb des Konferenzraumes, indem sich der Baterianer mit seinen Geschäftspartner aufhalten sollte, befand sich ein Lüftungsschacht, den er nutzen wollte. Schätzungsweise zwanzig Eclipse Söldner würden den Raum bewachen. In das Sicherheitssystem hatte Thane bereits einen Virus eingespeist, der eine vorgefertigte Filmsequenz in die Kameras einschleusen würde, dem er sich mit seinem Omni Tool nähern würde und der Funk war angezapft. Alles war vorbereitete. Nun würde nur noch eine persönliche Vorbereitung notwendig sein.

Langsam schloss der Drell die Augen und murmelte mit seiner tiefen Stimme:

„Kalahira, Herr der Jäger, lasse meine Hand ruhig, mein Ziel klar und der vor mir liegende Weg hell sein und sollte das Schlimmste sich ereignen, gewähre mir Vergebung.“ Ein letztes Gebet wie vor jedem Job, dass ihm Ruhe und Kraft spendete. Dann begab sich schon sein Ziel in das Gebäude und Thane wusste, dass es nun Zeit war die Mission zu beginnen. Ihm würden zehn Minuten bleiben um das Gebäude zu infiltrieren und vielleicht fünf um wieder zu verschwinden.

Er stand auf und verstaute sein Datenpad, während er ein letztes Mal seinen Plan durchging. Als sich der Drell sicher war, dass er alles bedacht hatte, trat er an den Rand des Sockels und sah hinab. Vor ihm ergossen sich die Außenlichter des Hochhauses in die Nacht, doch Thane fixierte bloß den offenen Luftschacht, den er für seinen Einstieg ausgewählt hatte, bevor er sich nach vorne fallen ließ. Nur wenige Millisekunden später griff Thane nach einer Zierde an der Außenwand und schwang sich in die Öffnung. Sein Opfer würde nicht mehr lange zu leben haben.

Mira rannte durch die Nacht und ignorierte den peitschenden Wind in ihrem Gesicht. Vor Anstrengung keuchend bog sie um eine Ecke und wäre fast in einen Hanar reingerannt. Irritiert drehte das wirbellose Wesen sich zu ihr um, während sie ihm bloß eine schnelle Entschuldigung über die Schulter hinweg zurief. Jeder einzelne Atemzug brannte in ihrer Lunge, doch sie musste sich beeilen. Vor etwa einer halben Stunde hatte sie einen Hinweis erhalten, welches ein potentielles Opfer für Krios sein könnte- wenn Garrus Vermutung denn stimmte. Und der beste Zeitpunkt für ein Attentat war jetzt. Schließlich erreichte sie die 808’er Blocks und hielt inne. Völlig außer Atem fasste sie sich an die Knie und sah sich um. Schweiß rann von ihrer Stirn und tropfte auf ihren Boden.

Einige Nachtschwärmer drehten sich irritiert zu ihr um, tuschelten miteinander und wandten sich dann wieder ab. Mira hingegen ignorierte es, richtete sich auf und strich sich ihr verklebtes Haar aus den Augen. Unruhig umher blickend suchte sie das Gebäude, welches das mögliche Ziel benutzte.

Nach dem Gespräch mit Garrus hatte Mira sich in die Datenbanken von Citadell Sicherheit eingeloggt und die Liste der entkommenen Verbrecher durchsucht. Die Liste war länger gewesen als Mira es je erwartet hätte und sie hatte ich gefragt ob C-Sec überhaupt mal jemanden verhaftete. Ihre Augen waren förmlich durch die Daten geflogen, doch nach welchen Maßstäben bewertete man ein Verbrechen? Alle die dort standen, waren auf ihre Art grausam gewesen und der jungen Frau hatten die Details beinahe den Magen umgedreht. All diese Verbrecher waren Monster. Den ganzen Tag hatte sie in dem Kommunikationsraum verbracht- hatte vergessen zu Essen oder gar zu Trinken. Wäre Garrus nicht einmal reingeschneit und hätte ihr etwas zu Essen dagelassen, hätte sie es wohl jetzt auch noch nichts zu sich genommen. Das Ziel ihres Lebens schien auf einmal erreichbar und das hatte sie alles vergessen lassen- auch die Zweifel, die sich in ihrem Magen zu sammeln begannen.

Schließlich war Mira auf eine Datenansammlung gestoßen, die ihr den Atem nahm und sie fast von Stuhl fallen ließ. Nilarus Gonseum war sein Name. Ein baterianischer Sklavenhändler- soweit nichts ungewöhnliches- doch es war nicht irgendein Sklavenhändler, nein, es war der Anführer des Ringes gewesen, der Mindoir angegriffen hatte, der ihre Heimat zerstört hatte. Er war der Mörder ihrer Eltern, ihrer Freunde, der Zerstörer ihres Lebens. Mira hatte das Gefühl gehabt, dass ihre Welt in einem Tornado aus Gefühlen verging. Sie konnte es nicht fassen. Dieser Mistkerl war hier?!

Einige Videos waren als Anhang beigefügt gewesen, die die Ankunft einiger geretteter Sklaven zeigten, und als Mira sie angesehen hatte, war ihr übel geworden. Die Baterianer behandelten ihre Sklaven wie Tiere, brandmarkten sie, zerbrachen ihren Willen. Sie hatte sämtlichen Göttern des Universums gedankt, dass sie damals nicht ergriffen worden war. Ein eisiger Schauer war ihren Rücken hinabgelaufen, doch es schien am wahrscheinlichsten, dass Krios sich dieses Ziel ausgesucht hatte, also hatte sich Mira auf den Weg in die Unterstadt begeben um ihre Kontakte anzuzapfen und sie hatte interessantes von einer Schachtratte erfahren.

Nilarus wollte eine Art Bankett geben und hatte dazu einige ominöse Gestalten geladen. Als Dankeschön für diese Information hatte der vielleicht 15 jährige Junge etwas zu Essen und ein kleines Geschenk bekommen. Sie liebten die Souvenirs aus der Boutique aus der 27. Ebene.

Nun war sie also hier. Hoffentlich würde ihre Odyssee endlich hier ein Ende nehmen. Mira wünschte sich nichts mehr, denn sie verlor allmählich die Hoffnung, doch dass ihr Ziel nun vielleicht so nah war, ließ sie weitermachen.

Als sie wieder einigermaßen zu Atem gekommen war, rannte Mira weiter und steuerte direkt auf das Hochhaus zu, indem die Feier stattfinden sollte. Auch wenn es das Monster war, das ihre Vergangenheit zerstört hatte, so würde sie nicht zulassen, dass es auch noch ihre Zukunft verhinderte.
 

Überall um Thane Krios herum war blanker Stahl. Kühl strich das Metall über seine freie Haut, während er durch den Lüftungsschacht kroch. Die Luft war schwül und stickig- erschwerte ihm das Atmen. Konzentriert fuhr er sich über die Lippen um sie zu befeuchten. Thane wusste, dass diese Mission schwierig werden würde und er brauchte all seine körperliche Kraft, doch sein Körper begann zu ermüden. Kurz schloss er die Augen um seine Konzentration wieder zu erlangen.

In zehn Minuten würde Nilarus Goseum sein Glas erheben und mit einer Rede seine Gäste begrüßen. Thane schätzte, dass dieser exzentrische Baterianer länger als seine Artgenossen reden würde, doch Baterianer waren meist schweigsam, als beraumte er dieser ungefähr sieben Minuten ein. Machte eine gute Viertelstunde. Danach würde er sich zum Umziehen in seine Privatgemächer begeben und dort würde Thane auf ihn warten. So war zumindest der Plan.

Der Drell holte tief Luft und setzte seinen Weg fort. Je schneller er war, desto schneller würde er dieser bedrängenden Hitze entkommen und wieder frei atmen können. Und dann fielen plötzlich Schüsse…
 

Mira schrak zusammen, als sie weit entfernt die Schüsse aus dem Wohnhaus hörte und eine kalte Welle der Angst umspülte sie. War sie zu spät?

Sofort sprintete die junge Rekrutin los und rannte auf den Eingang des großen Apartmenthauses zu und bemerkte die Wächter erst, als sie ihr in den Weg traten.

Eine missmutige dreinblickende Asari und ein gepanzerter Turianer stellten sie und verweigerten ihr den Zutritt.

„Privatbesitz.“, knurrte der Blue Sun Söldner griesgrämig und hob demonstrativ die Waffe vor Miras Augen. Mira verlangsamte ihre Schritte und blieb schließlich vor ihnen stehen. Wut brodelte in ihr auf und ergoss sich in den Blick, den sie den Wächtern zuwarf. Sie würden nicht verhindern, dass sie Krios stellte und wenn sie dafür zu nicht koscheren Mitteln greifen musste. Diese Aufgabe hatte so viel Platz in ihrem Leben eingenommen, dass sie sich vor der Verfehlung fürchtete. Der Verlust ihrer selbstauferlegten Bürde würde sie zerstören und Niemand würde sie davon abhalten ihren Weg zu gehen.

„Ich habe Schüsse gehört und will dem nachgehen.“, erwiderte Mira schlicht und taxierte den Turianer mit einen tadelnden Blick. Die beiden Söldner sahen sich an und lachten auf.

„Äußerst amüsant.“, grinste die Asari, mit dem dunklen violett Schimmer in ihrer blauen Haut, verächtlich und auch der Turianer sah sie mit einem solch arroganten Mitgefühl an, dass Mira übel wurde und sie nur im letzten Moment ein wütendes Knurren unterdrücken konnte.

„Niedlich. Aber da hast du dich wohl verhört.“, sagte nun der Turianer mit Nachdruck, der sie zum Gehen zwingen wollte. Lässig verschränkte er die Arme vor der Brust, wodurch sein Sturmgewehr der Reihe ‚Avenger‘ genau in ihrem Blickfeld war. Mira blieb unbeeindruckt. Sahen sie denn nicht, dass auch sie gepanzert und bewaffnet war? Sie war nicht eines dieser verschüchterten, ängstlichen Citadell Mädchen, die sich von einer Waffe verschrecken ließen.

„Ich fürchte meine Ohren funktionieren noch sehr gut. Danke.“, knurrte Mira und trat bestimmt einen Schritt vor um ihren Willen zu demonstrieren, doch die Söldnerin der Eclipse und der Söldner der Blue Suns traten noch enger zusammen, sodass sie ihr ein hindurchschlüpfen verweigerten.

„Hast du nicht gehört? Das ist Privatbesitz. Du hast kein Zugangsrecht.“

„Das habe ich durchaus.“, sagte Mira nun sichtlich verstimmt. Ärgerlich blickte sie die beiden Söldner an, die das Machtspiel genossen. „Ich gehöre zur Citadell Sicherheit.“

Der Turianer und die Asari sahen sich an und brüllten nun vor Lachen. Mira verzog ärgerlich das Gesicht und trat unwirsch mit den Fuß auf den Boden. Sie war das Herumplagen und die Hindernisse in ihrem Weg leid. So unglaublich Leid. Warum verstand denn Niemand, dass es ihr Lebensinhalt war?

Mira hatte keinerlei Beweise, dass sie ein Mitglied der C-Sicherheit war, denn die bekam man erst nach der Zulassung zum Dienst. Es war ein verdammter Teufelskreis.

„Ich warne dich noch einmal, Mädchen. Geh lieber deinen Weg oder wir müssen ungemütlich werden.“, erklärte der Turianer mit sanfter, aber gespielter Besorgnis. Mira schnaubte zornig und verengte ihre Augen zu kleinen Schlitzen. Es war eben jener Ton mit dem sie all ihre Rekrutenkollegen und Lehrer zur Weißglut trieben. Jene geheuchelte Besorgnis, während sie hinter verborgenen Masken über sie lachten und sie nicht ernst nahmen. Siedende Wut brandete in ihr auf und dann vielen erneut Schüsse.

Wie ein unheilvoller Vorbote drang das Knallen eines erneuten Schusses durch die hereinbrechende Nacht und ließ die Söldner sichtlich unruhig werden. Irritiert warfen sie die Köpfe über die Schultern um sicherzugehen, dass der bewachte Eingangsbereich leer war. Er war leer.

Mira nutzte ihre Chance und stürmte in den Gang. Die entsetzten Rufe und einen warnenden Schuss ignorierte sie.

Ein kahler, langer Flur eröffnete sich von ihr, ausgehöhlt von einem höhnischen, dekadenten Teppich mit goldenem Saum. Gonseum hielt sich wohl für den König der Übeltäter, aber Krios würde ihn nicht bekommen, das schwor sich Mira. Sie würde persönlich dafür sorgen, dass ihr Alptraum in einer Zelle verrottete. Einen schnellen Tod durch einen Kopfschuss verdiente dieses Monstrum nicht. Er verdiente es nicht aus Eifersucht oder Neid oder was auch immer hingerichtet zu werden von einem Mann, dem er völlig egal war ohne vorher ihrer Rache zu spüren. Das war ein Versprechen, was Mira sich gegenüber ablegte.

In jeder Ecke bestanden sich wertvolle Kunstgegenstände- Skulpturen, Gemälde und prachtvoll geknüpfte Teppiche. Alles so selten, so teuer, dass Mira bezweifelte, dass Nilarus sie auf ehrliche Art und Weise erworben hatte. Der ganze Schein war unecht. Nichts hatte dieser Mistkerl sich ehrlich aufgebaut.

Unendlich viele erscheinende Türen zweigten von diesem Gang ab und verloren sich wohl in vielen höhnischen Räumen des Luxus, den er mit Leben von armen Seelen verdient hatte. Die Wut begann nur noch mehr in Mira zu kochen und sie rannte weiter. Ihr Atem flog vor Anstrengung und Zorn, während die Iridium Wände ihre Schritte widerwarfen wie ein unheilvolles Echo. Kurz bevor sie die Tür erreichte, die in den Empfangssaal führte, hörte sie eine eiskalte Stimme in ihren Nacken.

„Warum verfolgen Sie mich?“
 

Alles war hoffnungslos schiefgelaufen und Thane Krios hasste es, wenn etwas nicht nach Plan verlief. Schnell war ihm nach dem ersten Feuern der Waffen klar geworden, dass diese muntere Gesellschaft keine Feier war, sondern einzig und allein als Massaker diente. Die Abscheu gegenüber diesen Baterianer war nur noch mehr in seinen Magen gewachsen, doch Thane hatte sie mit dem eisernen Willen seiner Emotionslosigkeit und seiner inneren Dumpfheit hinab gekämpft. Konzentration war seine Stärke- und seine schnellen Reflexen.

Schreie waren von den Fluren und den Gängen zu ihm hinauf getragen worden und selbst durch das dichte das Metall hatte er ihre Panik und Flehen gehört. Es hatte ihm all seine innere Stärke gekostet um weiterzugehen. Aus dem Schlitzen eines Luftschachtes hatte Krios gesehen, wie schwerbewaffnete Mechs und Söldner die unglücklichen Arbeiter- meist Salarianer - zusammentrieben um sie hinzurichten. Kein Zeuge hatte dieses Schauspiel überleben sollen um später davon zu berichten.

Es war nicht das erste Mal gewesen, dass Krios Augen eine solche Gräueltat erblickt hatten und würde auch sicherlich nicht das letzte Mal sein, doch die Brutalität hatte ihn selbst in dem kühlen Mantel seiner Profession gewandet erschrocken. Er hatte beobachtet wie Asari in ihren prachtvollen Roben, Turianer in ihren glänzenden Rüstungen und Salarianer in ihren weiten Mäntel in blanker Panik in den Gang gehastet waren und dabei mehrere Male beinahe über ihre eigene Füße gestolpert wären. Wer fiel, war gnadenlos liegen gelassen worden und wartete darauf, dass entweder Nilarus oder einer seiner Schergen ihn hinrichten würde.

Was Thane jedoch am meisten gestört hatte, war, dass dieses Chaos ihm gezwungen hatte von seinem wohldurchdachten Plan abzuweichen und zu improvisieren und auch wenn er Töten als eine Art Kunst ansah in der er seit nunmehr 22 Jahren tätig war, hasste er es improvisieren zu müssen. In diesem Moment hatte er sich wie ein Maler gefühlt, dem die entsprechende Farbe fehlte um sein Meisterwerk zu vollenden. Thane war gezwungen gewesen den Schutz seines Lüftungsschachtes zu verlassen um einen Überblick zu bekommen. Vorsichtig war er aus einer Luke herausgeklettert und hatte nach seinem Ziel gesucht.

Unter ihm hatte ein heilloses Durcheinander geherrscht und es war selbst ihm schwer gefallen den Baterianer auszumachen, obwohl er seit so langer Zeit nichts anderes tat, doch dann hatte er ihn erspäht. Er hatte über einen zusammengekauerten Salarianer gestanden, der ihn um Gnade angewinselt hatte. Kalte, verengte Augen hatten ihn angestarrt, während er seine Waffe gezogen hatte, doch Thane war schneller gewesen. Mit trainierter Selbstsicherheit hatte Thane sein treues Präzessionsgewehr der Marke Viper gezogen und hatte durch das Visier seiner Waffe sein Ende besiegelt. Noch ehe sich Nilarus hätte versehen können, steckte eine Kugel in seinen Kopf und eine Asari neben ihn hatte entsetzt aufgeschrien, als der Monstrum von Sklavenhändler leblos zusammengesackt war. Wenn nicht bis bereits Panik geherrscht hätte, so spätestens nun. Wie panische Hühner war die Menge kreischend durcheinander gerannt und hatte Verstecke vor dem unsichtbaren Phantom des Todes gesucht.

Thane hatte es kalt gelassen. Es war ihm in seiner Lethargie, die ihm seit einem Jahr beherrschte, egal gewesen. Mit der Umsicht eines erfahrenen Attentäters hatte er sich zurückgezogen und befand sich nun auf dem Rückweg.

Auch wenn sein Auftrag noch relativ einfach abgelaufen war, fühlte er sich erschöpft. Die Citadell war ein bodenloser Abgrund. Trotz all der Herrlichkeit, die über ihm trotzte, war hier die Verabscheuungswürdigkeit des Universums deutlich zu spüren, wenn man denn gewillt war hinzusehen. Thane konnte sich kaum vor Anfragen retten und musste so keinen Hunger leiden- ganz im Gegensatz zu Omega. Er brauchte eine Pause, doch eben diese unausgefüllte Zeit war eine Qual für ihn, die all die Schuld aus seinen abgetöteten Gefühlen hervorbrachte. Der Tod, dessen treuer Diener Krios in all den Jahren gewesen war, hatte ihn selbst besucht und gezeigt wie grausam er seien konnte. Seine eigene Unfähigkeit hatte ihm das genommen, was er geschätzt hatte, das Einzige, was ihm aus der Monotonie seines Berufes befreit hatte und nun war es für immer fort.

Lautlos wie ein Schatten glitt er über die Balustrade eines dekadenten Simses und hatte bereits den Eingangsflur erreicht, als er eine hastige Bewegung aus den Augenwinkeln vernahm. Irritiert hielt der Drell inne und spähte nach unten.

Unter ihm rannte eine Menschenfrau mit schulterlangen, haselnussbraunen Haaren blindlings in ihr Verderben. Mittlerweile griff die Meute alles an, was nicht hierher gehörte. Eigentlich griff sie alles an, was sich auch nur bewegte. Thane spottete darüber. Wie sehr Panik doch das Urteilsvermögen und die Vernunft schmälern konnte.

Thane wollte sie warnen, denn sie gehörte nicht zu dieser Bande von Verbrechern, das wusste er. Ihr Blick war zu entschlossen und aufrichtig. Vielleicht ein ehemaliges Opfer von Nilarus, dass Rache wollte? Er entschuldigte sich still bei ihr, dass er ihren Willen bereits erfüllt hatte und ließ sich auf ein Heizungsrohr sinken, auf das er geklettert war, um besser beobachten zu können. Mit energischen, schnellen Schritten rannte die Menschenfrau durch den Raum und etwas an ihr kam Thane Krios seltsam vertraut vor.

Plötzlich drang eine Bilderflut aus seinem Unterbewusstsein hervor und spülte seine Gedanken fort.

Eine klare, kalte Nacht. Neckisch streicht eine Windböe über seine erhitzte Haut, während er von der zurückliegenden Mission schwer atmet. Ein wütender Schrei durchfährt die Nacht und erlangt seine Aufmerksamkeit.

Er wirbelt herum und sieht eine junge, braunhaarige Menschenfrau, die verzweifelt gegen einen Kroganer kämpfte.

Thane Krios taumelte beinahe zurück, als die Bilder verblassten und seinen Geist wieder freigaben. Schnell blinzelnd versuchte Krios zu verarbeiten, was er gerade gesehen hatte. Wie hatte er nur so töricht, so dumm seien können und es übersehen? Sie war auch die anderen Male da gewesen. Kurz bevor er Firia M’arona traf und einige andere Male. Wie war ihm diese Gemeinsamkeit nur entgangen? Wieso verfolgte sie ihn?

Lautlos wie ein Schatten glitt Thane Krios von seinem Aussichtsplatz und landete hinter ihr. Die junge Frau registrierte ihn nicht, sondern setzte unentwegt ihren Weg fort. Thane richtete sich in einer unheilvollen, geschmeidigen Bewegung auf und stellte die Frage, die ihm nun auf der Seele brannte:

„Warum verfolgen Sie mich?“
 

Mira fuhr zusammen, als sie die kalte Stimme in ihren Nacken vernahm. Er war wie ein bedrohlicher Hauch, ein Finger des Unheils, der über ihre Haut strich. Langsam wandte Shepard sich um und erstarrte augenblicklich zu Eis. Ihr Pulsschlag erhöhte sich und ihr Herz schien in ihrem Hals zu schlagen.

„Krios…“, flüsterte sie erschrocken und augenblicklich begann ihr Körper zu zittern. Vor ihr stand der Drell, der der Erfüllung ihres Traumes im Wege stand, doch plötzlich fühlte Mira sich als wäre sie eine Maus, die gegen einen Elefanten kämpfen wollte. Thane Krios schien übermächtig zu sein. Das helle Xenonlicht von der Decke ließ seine schuppige Haut in einem satten, unheilvollen Grün leuchten, eben jenes Grün, was Giftschlangen besaßen um ihren Feind zu warnen, dass sie giftig waren. Eine Aura der Macht ließ die Luft um ihn herum erzittern. Sie umgab ihn wie eine Nebelwade, streckte sich nach Mira aus und saugte jeglichen Mut aus ihrem Körper. Instinktiv wich sie zurück bis sie die Wand in ihren Rücken spürte. Das Gefühl des Endes ließ sie in Panik verfallen. Sie saß in der Falle!

Thane Krios große Reptilienaugen betrachteten sie kalt und nun zweifelte Shepard daran, dass sie hier lebend heraus kam. Langsam trat er auf sie zu, sein erstaunlich menschenähnlicher Körper bewegte sich dabei so lautlos wie eine Katze, während er die Pistole fest in der Hand hielt und Mira nicht aus den Augen ließ.

Shepard schluckte und auf einmal war ihre Kehle staubtrocken. Einen halben Meter vor ihr blieb Thane Krios stehen und schaute auf sie hinab.

„Sie kennen meinen Namen. Dann war es schon mal kein Zufall, dass Sie mir immer über den Weg liefen, wenn ich einen Auftrag erledigte. Also, frage ich Sie noch einmal, warum verfolgen Sie mich?“ Seine tiefe, melodische Stimme mit diesem machtvollen Unterton warf Shepard vollkommen aus dem Konzept und ihr Atem setzte aus. Sie schien nicht zu einem kaltblütigen Attentäter zu passen. Sie war ruhig und klar wie ein tiefer See hinter dem mehr zu stecken schien, als man erwartete.

Hastig holte sich Mira aus diesen Gedanken zurück und versuchte zu antworten. Sie wusste nicht wie er reagieren würde, wenn sie nicht gehorchte. Verdammt! Was war auf einmal los mit ihr? So oft hatte Shepard sich diese Situation vorgestellt, sie durchgespielt, sich gedanklich darauf vorbereitet, doch sein kaltes Selbstbewusstsein, seine Macht und diese tiefen, dunklen Augen waren so ganz anders, als sie es sich vorgestellt hatte und eines war sicher: Es machte ihr Angst.

Dies war kein stumpfsinniger Killer, das spürte Shepard. Er war intelligent und wach, etwas was ihn umso gefährlicher machte.

„Wissen Sie...“, durchbrach Thane Krios mit gefährlich ruhiger Stimme ihren Gedankenfluss, den ihre Angst verursacht hatte. „Ich habe wirklich nicht den ganzen Tag Zeit.“

Shepard stockte. Er machte sich über sie lustig! Plötzlich veränderte sich etwas in ihr. Die Wut, die Angst, die sie festfror, verwandelte sich in rasende, kochende Wut. Jetzt oder nie! Sie war hierhergekommen um ihren Traum zu erfüllen, um den Grund zu erfüllen, für den sie atmete. Bloß weil Krios nicht so mordgierig schien, wie sie vermutet hatte, sollte sie sich davon nicht beirren lassen.

Entschlossen trat Shepard auf ihn zu und sagte den Spruch, den sie während all ihrer Ausbildungszeit hatte runterbeten müssen:

„Thane Krios, ich verhafte Sie hiermit wegen Mordes an Nilarus Goseum. Sie haben das Recht zu Schweigen. Alles was Sie sagen kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden.“

Krios schien irritiert, doch das war ihre Chance. Mit einer schnellen Bewegung aktivierte sie ihre Kampfrüstung und konzentrierte die innere Energie, die durch ihre Adern floss. Mit all ihrer Konzentration formte sie einen Ball aus blauer Energie und schleuderte ihn Krios entgegen. Geschickt wich der Attentäter aus, duckte sich unter ihrem Warp hindurch, doch Mira hatte auch gar nicht damit gerechnet ihn zu treffen, aber sie nutzte die Chance seines Abgelenkt seins um die letzten Meter zu überbrücken. Fast hatte sie ihn erreicht und er schien es noch immer nicht bemerkt zu haben. Noch drei Meter, noch zwei, noch einen.

//Geschafft!//, jubelte Mira innerlich, doch sie freute sich zu früh. Gerade als sie ihn packen wollte, drehte er sich an ihrer Hand vorbei und war plötzlich hinter ihr- schneller als sie hätte gucken könne. Geschockt realisierte sie, dass sie sich nun nicht mehr verteidigen konnte. Mira wartete auf den Knall der Pistole, doch stattdessen packte Krios ihre Hand und drehte sie hinter den Rücken. Shepard zischte erbost.

Sein Griff war nicht fest, auch wenn er ihr die Hand hätte brechen können, sondern nur eben stark genug, damit sie ihn nicht wieder angreifen konnte. Mira saß in der Falle. So eine verdammte scheiße! Da hatte sie ja eine tolle Vorstellung abgeliefert.

„So was...Citadell Sicherheit muss wahrhaft verzweifelt sein, wenn sie einen Rookie ausschicken.“, murmelte der Attentäter zu sich selbst. Moment! Was? Woher wusste er, dass sie ein Rookie war? „Doch das macht Ihre Leistung umso beeindruckender. Niemand ist es bisher gelungen mich zu stellen.“

„Wo...woher?“

„Woher ich das weiß?“, sagte Thane ruhig, diesmal ohne bedrohlichen Ton in der Stimme. „Niemand verschwendet noch seine Zeit mit diesem Spruch. Das kann man auch nach der Verhaftung machen, im Polizei wagen oder sogar auf dem Revier. Es kostet nur Zeit. Ein klassischer Anfängerfehler, gerade wenn man einem Attentäter offen gegenüber steht.“, antwortete er gelassen und Krios Selbstsicherheit kehrte zurück. Wütend knurrte Mira ihn an und ihre Augen schmälerten sich. Eine Wut, wie sie sie lange nicht mehr gefühlt hatte, verzehrte sie.

„Lassen Sie mich gehen, oder...“

„Oder was?“, unterbrach Krios sie ruhig und sah sie nachdenklich an. „Wir beide wissen, dass Ihnen das nicht gelingen wird. Wenn ich wollte, könnte ich Sie jederzeit töten.“ Natürlich wusste Mira das, sie hatte es nie vergessen, doch dass der Attentäter es mit solcher Selbstverständlichkeit sagte war wie ein Schlag ins Gesicht. Nun stand es fest. Sie war gescheitert und ihr Traum in weite Ferne gerückt. Dies war ihre einzige Chance gewesen und sie hatte es vermasselt.

„Nun habe ich eine Frage“, durchbrach Krios ihre Stille, die der verlorene Traum hinterließ. „Warum jagen Sie mich? Ich mein es muss Ihnen doch klar sein, dass das Risiko viel zu groß ist. Warum haben Sie nicht abgelehnt?“ Seine tiefen, dunklen Augen verharrten in den ihren und seine Stimme brachte wirklich alles durcheinander. Interessiert sahen sie Mira an und warteten auf ihre Antwort.

„Es ist...“ Mira bemerkte erst jetzt, dass sie wirklich dabei war es zu erzählen, und stockte, doch dann zuckte sie mit den Schultern. Warum eigentlich nicht? Krios würde sie sicher nicht gehen lassen. Das wäre unklug. Wieso sollte sie es ihm also nicht erzählen?

„Weil es mein Lebensziel ist zur Citadell Sicherheit zu gehören und Sie stehen diesem Ziel im Weg. Wir müssen als Abschlussprüfung einen Verbrecher verhaften und Sie sind mein Ziel, Thane Krios.“

„Verstehe...“, murmelte der Drell und schwieg, während seine Augen einen ehrlichen, mitfühlenden Glanz bekamen. Beide sahen sich an, doch dann gab Thane sie plötzlich frei und trat einige Schritte zurück, während er den Lauf seiner Pistole in der Hand wog. Die Luft schien zwischen ihnen zu knistern, während beide versuchten zu begreifen, was hier vor sich ging und wie sie die Situation lösen sollten. Für keinen der beiden war diese Nacht so verlaufen, wie sie es geplant hatten und beide wussten, dass der Abgrund gefährlich nah war. Dies war der Scheideweg und sie mussten sich entscheiden, wohin sie gehen würden. Und zwar schnell.

„Und was nun? Wollen Sie mich töten?“, bellte sie ihn dann schließlich an- den Blick starr auf den Lauf gerichtet- um ihre eigene Unsicherheit zu überspielen- und ihre Angst. Mira hob ihren Blick und sah...in überraschte Augen.

„Warum sollte ich das tun?“, fragte Krios und seine Stimme zeigte Verwirrung. Unruhig blinzelten seine Augen.

Sein Verhalten irritierte Shepard so sehr, dass sie nicht anders konnte als bitter aufzulachen.

„Muss ich Ihnen die Grundregel eines Attentäter erklären: Keine Zeugen. Ich weiß, dass Sie es waren. Warum sollten Sie mich also verschonen?“ Sie würde ihm nicht die Genugtuung geben zu betteln. Nein, wenn Krios sie töten würde, dann würde sie ehrenhaft sterben. Bis zum bitteren Ende.

Krios blinzelte langsam und wog den Kopf hin und her, als würde er darüber nachdenken was sie ihm gesagt hatte. Der Ausdruck in seinen Augen wurde plötzlich tief und schien in eine andere Welt abzugleiten.

„Weil Sie unschuldig sind.“, antwortete er nüchtern nach einigen erdrückenden Momenten. Mira taumelte vor Überraschung und der Drell ließ sie überraschenderweise los. Irritiert trat sie einige Schritte zurück und ihre Verwirrung wuchs, als sie beobachtete wie Thane Krios seine Maschinenpistole wieder in den Halter an seiner Hüfte hing.

„Krios?“, fragte Mira irritiert und entlockte ihm so nur einen Seufzer. Plötzlich wirkte er müde und Mira bemerkte, dass sein Atem schwer ging.

„Soweit ich weiß, habe Sie Niemanden etwas getan, also werde ich Sie nicht töten.“, sagte Krios schlicht und hielt sie in ihrer Verwirrung gefangen.

„Was?“

„Ich dachte, Sie wüssten es. Sonst hätten Sie mich nicht stellen können. Es ist die einzige Verbindungen.“, sagte Krios und blinzelte sie irritiert an. Langsam drehte er sich von ihr ab und trat an eines der wenigen Fenster, die das fahle Licht der Nachtwelt der Citadell einließen. Seine grüne Haut schimmerte nun silbrig und er schien traurig zu sein.

„Bevor es zum Schlimmsten kommt...will ich noch Licht in die Dunkelheit der Galaxie bringen.“, flüsterte Thane so leise, dass sie ihn fast nicht verstehen konnte. Es war nicht mehr wie ein Hauch, eine Ahnung, doch sie drangen so klar in ihr Bewusstsein, dass es Mira erschütterte. Entsetzt riss Shepard die Augen auf und starrte den Drell an. Krios hatte mittlerweile seinen Kopf in die gefalteten Hände gebettet und betrachtete wie die aufgeregte Meute an Gästen von Nilarus aus einem Seiteneingang floh. Ihre erschrockenen Schreie und die Panik waren bis in ihrem Raum zu spüren.

Mira taumelte benommen zurück, als sie realisierte, was er mit diesen Worten meinte. Garrus hatte Recht gehabt!

„Und außerdem...“, fuhr Krios fort und drehte sich zu ihr um, noch bevor sie etwas auf sein Flüstern erwidern konnte. „Hätte ich dann die Schuld für fünf Morde umsonst auf meine Schultern geladen, wenn ich Sie hier töten würde. Deshalb habe ich nicht gegen die Baterianer und den Kroganer gekämpft.“ Seine Augen betrachteten sie ungerührt, während Mira erstarrte. Nur ganz langsam drang die Bedeutung seiner Worte zu ihr hindurch und es dauerte umso länger, bis Mira realisierte, was sie bedeuteten. Geschockt von der Erkenntnis wich sie vor Thane zurück und schluckte hart. Es war wie ein Hammerschlag und brachte alles ins Wanken. Nein! Nein! Mira schüttelte schnell den Kopf und versuchte sich zu fangen. Das war eine Lüge, eine Lüge um sich zu retten. Sicher, garantiert. Er wollte sie verunsichern um sich so eine Gelegenheit zur Flucht zu schaffen.

Plötzlich rannen seine Pupillen unruhig in den Höhlen, sie fixierten keinen Punkt, sondern schienen vorbeischwimmenden Bildern zu folgen.

„eine verlassene Lagerhalle in einer sternenklaren Nacht. Ein kalter Wind weht und ein Schrei zerreißt die Nacht. Eine junge Frau kämpft um ihr Leben. Haselnussbraunes, schulterlanges Haar tanzt um ihre Schultern. Entschlossene, hellblaue Augen, die nicht gewillt sind aufzugeben sehen in meine Richtung. Die Baterianer umzingeln sie, wollen sie aus dem Versteck treiben, doch sie kämpft mit solch einem Willen, den ich lange nicht mehr gesehen habe“

Mira taumelte überfordert zurück, als die Erinnerungen von ihm sie trafen.

„Sie...Sie...“, stotterte Shepard. Thanes Augen beruhigten langsam und er blinzelte träge, als wäre er aus einem tiefen Schlaf erwacht. „Sie haben mich vorgestern gerettet...“ Krios schwieg, doch Mira wusste, dass es so war. Er hätte es sonst nicht wissen können. Nein, niemals! Es war unmöglich.

„Warum?“, fragte Mira nach einigen Minuten des gedanklichen Chaos. Dies war die einzige Frage, die von dem Sturm nicht fortgeweht worden war. Die einzige, die noch in ihrem Geist herumirrte und sie unruhig von einen Bein aufs andere treten ließ.

„Ich weiß es nicht.“, erklärte Krios und zuckte hilflos mit seinen Schultern. „Ich habe es einfach.“

Mira konnte nicht glauben, was sie hier geschah. Hier stand sie, vor dem Drell, dem sie einen Monat hinterher gejagt war, derjenige, der ihrem Lebensziel im Weg stand und nun stand sie hier und unterhielt sich mit ihm? Wo war ihr Mut hin, wohin ihre Entschlossenheit?

Generell musste sie sich eingestehen, dass Krios ruhige Art nicht in ihr Bild von einem Attentäter passte. Er war vernünftig und beherrscht. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er kaltblütig jemand töten konnte und doch war der Leichnam von Nilarus, den sie durch die offene Tür sehen konnte, der beste Beweis. Beinahe müsste sie ihm sogar danken, dafür, dass er den Schrecken ihrer Alpträume getötet hatte, doch diese Blöße würde sie sich nicht geben. Mochte sie sich jetzt völlig unprofessionell und wie eine Närrin aufführen, so würde sie ihm dieses letzte bisschen nicht auch noch zugestehen, sonst wusste Mira nicht, ob sie jemals ihren Auftrag zu Ende führen könnte.

Einige Minuten lang starrten sich die beiden unentwegt an. Die Luft zwischen ihnen schien sich zu ballen und keiner von ihnen rührte sich. Mira schaute in seine tiefen Augen suchte nach den Abgründen, die seine Seele beherbergen musste, doch sie suchte vergebens. Seine Augen sahen sie nur ruhig und ohne jegliche Emotionen an. Dennoch schien er mehr Moral zu haben als alle Gangster der Citadell zusammen.

Plötzlich hörten sie das schrille Heulen der Citadell Sirenen. Die beiden Gegner wirbelten herum und sahen zum Eingang. Das helle Blau des Lichtes erhellte den blassgrauen Himmel der Nacht. Mira wandte sich zu Thane um, der ihren Blick erwiderte. Beide wussten, dass nun eine Entscheidung anstand.

„Wie verfahren wir jetzt?“, fragte Mira und ihr wurde unwohl. Thane betrachtete sie und blickte dann wieder zum Eingang. Mit Glück blieben ihnen noch fünf Minuten bis der Einsatzwagen hier wäre.

„Das liegt bei Ihnen.“, erwiderte der Drell, während er den Eingang im Blick behielt.

„Bei mir?“ Mira blickte ihn überrascht an, doch Thane behielt weiterhin seinen Fluchtweg starr im Blick.

„Ich habe Ihnen bereits Ihre Sicherheit zugesichert. Nun liegt es bei Ihnen, ob Sie mir meine garantieren.“

„Warum brauchen Sie meine Einwilligung? Sie könnten auch rauskommen, ich könnte Sie nicht aufhalten.“

„Weil ich mein Schicksal in Ihre Hände lege. Die Götter werden sich etwas dabei gedacht haben, dass sie uns hier zusammengeführt haben. Entscheiden Sie sich für das, was Sie für richtig halten.“ Schließlich wandte er ihr doch seine Augen zu und sein Blick war so traurig, dass Mira umgeworfen wurde. „Vielleicht wird es Zeit, dass ich für meine Verbrechen bestraft werde und verhaftet werde. Entscheiden Sie, ich kann es nicht.“

Die Menschenfrau schluckte hart und sah ihn mit großen, blauen Augen an. Er legte sein Schicksal in ihre Hände? Er würde sich verhaften lassen.

„Warum sollte ich Ihnen vertrauen? Das könnte alles ein Trick sein.“

„Sie sind doch nicht dumm. Sie haben doch bereits richtig erkannt, dass ich Sie bereits hätte töten können, das wäre einfacher gewesen und selbst jetzt könnte ich leicht entkommen, doch ich denke es wird Zeit, dass entschieden wird, was mit mir geschieht. Sehen Sie es als Belohnung dafür, dass Sie mich gestellt haben, Rookie.“

Mira konnte es nicht glauben. Es war eine Lüge, ein Trick, es musste einer sein, doch sahen Thanes Augen sie so ehrlich an, dass sie ihm glaubte. Er war wirklich ganz anders, als sie sich ihn je vorgestellt hatte und nun legte er sein Leben in ihre Hände. In ihre. Er war bereit mit ihr zu gehen, sich verhaften zu lassen und so ihren Traum zu erfüllen, doch genau das hinterließ einen bitteren Nachgeschmack auf ihrer Zunge. Wie sollte sie ihn denn so ausliefern? Wo er doch freiwillig bereit war sich zu opfern. Nein...das konnte sie nicht Thane Krios hatte sie gerettet.

Immer näher kam das Geräusch des Martinhorns und signalisierte Mira, dass sie nur noch wenig Zeit blieb um ihre Entscheidung zu treffen. Nun musste sie entscheiden, was ihr wichtiger war. Ihr Traum oder ihr Gewissen. Beide Gefühle kämpften unerbittlich in ihrem Inneren, rangen unentwegt um die Vorherrschaft. Es blieben nur noch wenige Minuten, bis die C-Sec hier eintreffen würde und Mira fühlte, wie ihre Gedanken rasten. Ihre Augen flogen durch den Raum und sie verharrte regungslos, bis das Getöse zu einem lauten Pegel anschwoll und ihr Herz schneller rasen blieb.

Krios sah ihr Traurig in die Augen an

„Ich verstehe. Sie haben ihre Wahl getroffen.“, sagte er und kreuzte die Arme hinter den Rücken. Mira schluckte bei dieser Geste. Krios gab auf. Er schloss ab und das traf Mira härter als sie jemals gedacht hätte. Ihre beinahe begannen zu zittern und sie wusste, was das Richtige war. Sollte Krios wirklich dafür bestraft werden, weil er dort arbeitete, wo die Gerechtigkeit versagte? Die Antwort war klar: Nein. Also, warum überlegte sie noch. Sollte Mira sich ewig vorwerfen, dass ihr Egoismus zu groß war um das Richtige zu tun? Dass sie Krios nur gefangen hatte, weil er es ihr erlaubte? Das könnte sie sich nie verzeihen.

„Hauen Sie ab, Krios.“, seufzte sie müde und rieb sich über die Augen.

„Was?“ Sie hörte seine Überraschung. Mira wusste, dass er mit dieser Antwort nicht gerechnet hätte.

„Hauen Sie ab!“, wiederholte sie ihre Forderung mit Nachdruck. Er musste schwinden und zwar schnell, sonst würde sie ihre Meinung vielleicht noch ändern.

„Aber was wird aus Ihnen und Ihrem Traum?“

„Ich komme schon klar.“ Kraftlos sackte Mira zu Boden und vergrub den Kopf in den Händen. Plötzlich fühlte sie sich müde und geschafft, als hätte sie ewig nicht mehr geschlafen. Die Gewissheit, dass sie ihren Traum gerade freiwillig vorbei ziehen ließ, raubte ihr den Atem. Die Luft fühlte sich wie aus ihren Lungen gepresst und sie fühlte, wie ihre Welt sich zu drehen kann.

„Sicher?“

„Krios...stellen Sie mich nicht auf die Probe.“, knurrte sie wütend und wandte sich von ihm ab. Mira hörte, wie er langsam an ihr vorbei ging.

„Danke...“ Mira erstarrte, als sie das leise Flüstern hörte und wäre beinahe in Tränen ausgebrochen.

„Krios...“ Sie wollte etwas sagen, doch Thane war bereits verschwunden. Nichts in dem Raum erinnerte noch an seine Anwesenheit. Der lange Flur gähnte förmlich vor Leere und Mira sackte zusammen, als sie spürte wie ihr Traum vor ihr zerbrach. Plötzlich schien das Bild vor ihren Augen in Scherben zu zerspringen und Mira keuchte, während ihr Tränen in den Augen brannte. Sie hatte ihn wirklich gehen lassen. So nah war sie gewesen und nun war alles zerstört. Alles vorbei.

Auch wenn sie wusste, dass sie das Richtige getan hatte, blieb diese Selbstverachtung, dass sie wieder versagt hatte. Mira ahnte nicht, dass es nicht ihre letzte Begegnung gewesen war.
 

~*~
 

Von der Hand die deine berührt

Darfst du niemals träumen

Dein Herz bleibt dein

Es schlägt für sich allein
 

Drum tanz mit der Einsamkeit

Kind aus der Dunkelheit

Dein Weg ist einsam

Lerne dabei gerne allein zu sein

Dein Weg ist einsam

Leb diesen Weg leb diesen Weg allein
 

Dein Weg ist einsam- Phantom der Oper (Jana Werner)



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2012-05-23T20:44:07+00:00 23.05.2012 22:44
Du hast Thane richtig geil beschrieben; die reptilien vergleiche, die grüne "giftig" erscheinende haut, die stimme, die erinnerungen (megaaaa!!!); einfach richtig toll geschrieben (*.*)d
Thane wirkt echt mega bedrohlich als er hinter shep auftaucht Ö.Ö
> "Warum verfolgen sie mich?" epic XD

shep wirkte ziemlich niedlich auf mich, als sie zum schluss ihren traum "aufgegeben" hat...da hätt ich sie gern in den arm genommen :3
morgen wird das nächste kapitel gelesen ;)

Von: abgemeldet
2012-05-08T16:25:06+00:00 08.05.2012 18:25
Uiiii was für ein tolles und spannendes Kapi :D
Ich habe nur darauf gewartet das die beiden aufeinander treffen......voller ungeduld und klar war dann auch das thane die bessere erfahrung hatte als shep und er es hätte locker mit ihr aufnehemen können ;D
Und töten käme für ihn bei ihr eh nicht in frage :D einfach toll und als shep dann ihren Traum aufgab und ihn gehen ließ o.o ich war echt überrascht...... aber bei einem Attentäter den man sich gedanklich ständig anders vorstellt, der aber dann wiederrum total anderster ist, als man sich dann endlich gegenübersteht, kann ich es verstehen :)
Ich könnte das auch nicht mit meinem Gewissen vereinbaren ihn einfach so zu verhaften nur für meinen Traum, wenn er sich schon so freiwillig stellt >.<
bin schon total gespannt aufs nächste chap <3<3<3


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