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Vacaciones en las Morillas

Urlaub mit der GANZEN Familie
von

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Prolog

„Familienurlaub?”, Rons Stimme hallte durch die absonderliche Stille in der Küche des Fuchsbaus. Er war der erste seiner Geschwister, der die Stimme erhoben hatte, nachdem ihre Mutter Molly ihnen diesen merkwürdigen Vorschlag unterbreitet hatte.

„Aber wir sind...”, George sah sich im Raum um und schien im Kopf nachzurechnen, „ mindestens 30 Leute. Welches Hotel sollte uns denn aufnehmen?”

„Wenn das ein Witz sein soll, Mum, dann ist er nicht ... witzig”, sagte Percy und rückte seine Hornbrille zurecht.

„Ja, Mum”, Bill runzelte die Stirn, „ hast du vergessen, was das letzte Mal passiert ist?”

„Nein, habe ich nicht. Natürlich nicht. Wie könnte man so etwas vergessen?”, antwortete Molly leicht gereizt.

Die Erinnerung an den letzten Versuch mit allen Weasleys, Ehepartnern und Kindern in den Urlaub nach Norwegen zu fahren war noch immer sehr präsent in den Köpfen aller Beteiligten. Der Urlaub endete bereits im Vorgarten des Fuchsbaus, als Percy wutschnaubend appariert war, Audrey ihm mit Entschuldigungen gefolgt war und Ginny Ron unter Tränen Mord angedroht hatte.

Das Ganze war mittlerweile drei Jahre her und doch der Grund dafür, dass niemand im Hause Weasley auf die Idee gekommen wäre, es zu wiederholen.

Bis heute.

„Na dann, ist ja alles klar. Denn Fakt ist, wir Weasleys können nicht einmal zwölf Stunden unter einem Dach sein, ohne dass es kracht, geschweige denn zwei Wochen”, schloss Charlie und seine Geschwister nickten bestätigend. Für die Brüder schien der Fall damit erledigt zu sein, denn sie wandten sich bereits zum Gehen.

Nur Ginny blieb, an die Küchentheke gelehnt, im Raum. Sie betrachtete besorgt ihre Mutter, die auf ihrer zitternden Unterlippe kaute und Tränen in den Augen hatte. „Mum? Was ist denn? Ist es wirklich so schlimm, dass wir nicht in den Urlaub fahren wollen?”, fragte Ginny vorsichtig.

Molly schüttelte den Kopf. „Es ist nur so”, und während sie sprach, sah sie ihren sechs Kindern der Reihe nach in die Augen, „ euer Vater wünscht es sich unbedingt zu seinem siebzigsten Geburtstag. Und ich denke, wir sollten ihm diesen Wunsch erfüllen, oder?” Noch einmal traf ihr Blick einen jeden ihrer Söhne und endlich gaben sie nach.

„Ist ja gut”, seufzte Bill, „wir fahren ja mit, oder Leute?” Zustimmendes und peinlich berührtes Gemurmel kam aus allen Ecken.

„Wo soll’s denn überhaupt hingehen?”, fragte George ein wenig missmutig.

Molly Weasley strahlte wieder über das ganze Gesicht, als hätte es die vorangegangen Momente gar nicht gegeben.

„Spanien!”

Seufzer. „Mum, Spanien ist ein großes Land”, wandte Ron ein und George fügte hinzu: „Jaa, ähnlich wie Schweden, Frankreich, Japan...”

„Ist ja gut”, unterbrach Molly ihn hastig, „wir fahren nach Andalusien, in die Nähe von Córdoba.”

Über die Grenzen des Fuchsbaus

Zwei Wochen später hatten sich alle im Vorgarten der Weasleys versammelt. Die Szene erinnert so stark an das Desaster vor drei Jahren, dass Teddy Lupin sich nervös umsah. Allerdings gaben ihm nicht nur die Blicke, die Ginny Ron zuwarf, Grund zur Nervosität, sondern auch, dass er sich immer ein wenig unwohl fühlte, wenn er mit den Weasleys unterwegs war. Selbst nach all den Jahren und zahllosen Familienfesten fühlte er sich irgendwie isoliert, waren hier doch alle miteinander blutsverwandt und er „nur” Harrys Patensohn. Und obwohl ihm nie jemand dazu Anlass gegeben hatte, im Gegenteil sie behandelten ihn alle herzlich und wie einen der ihren, konnte er dieses beklemmende Gefühl nie ganz abschütteln.

Deswegen war er auch bis vor wenigen Minuten mit den zwei großen Koffern von Harry und Ginny und ihren Kindern durch den Hof gelaufen und hatte nach dem Rechten gesehen, bis sein Patenonkel kam, ihm die Koffer abnahm und ihm befahl sich zu entspannen. „Das sind auch deine Ferien, Teddy”, hatte er gesagt und sich wieder seinem besten Freund zugewandt, mit dem er gerade über Quidditch diskutierte.

Seitdem beobachtete Teddy den Rest der Familie. James, Fred und Louis hatten es sich zur Aufgabe gemacht, alle Hühner einzufangen und in den Hühnerstall zu sperren, während Rose und Lily sich köstlich über die fehlgeschlagenen Versuche amüsierten. Percy tastete in hellem Aufruhr sämtliche Umhangtaschen ab und schien einem Kollaps nahe, bis seine Frau Audrey aus dem Koffer eine Pergamentrolle gekramt und ihm überreicht hatte. Dominique und Victoire stritten sich mit ihrer Mutter, laut genug, dass Teddy es hören, aber dennoch nicht verstehen konnte. Es war Französisch. Bill stand daneben und versuchte hin und wieder, einzugreifen, doch er wurde jedes Mal, entweder von Fleur oder von seinen Töchtern, unterbrochen. Schließlich zuckte er mit den Schultern und wandte sich an seinen Vater, der Teddy am nächsten stand und sich bereits mit Charlie unterhielt.

„Wieso gerade Spanien, Dad?”, fragte Charlie gerade, offensichtlich begierig den Grund zu erfahren. Auch Teddy kam näher, vermutete er doch insgeheim uralte Zauberersehenswürdigkeiten oder persönliche Erlebnisse, die die Wahl ihres Reiseziels bestimmt hatten.

Doch Arthur Weasley lachte. „ Das Wetter ist schön, und es gibt wunderbares Essen und Wein. Was sollte man mehr wollen?” Seine Söhne stimmten in sein Lachen ein, aber Teddy konnte nicht umhin, ein wenig enttäuscht zu sein.

Wenn es in diesem Land nichts besonderes gab und er sich deplatziert fühlte, was hatte es dann für einen Sinn mitzukommen?

Mit einem Mal schlossen sich zwei warme Hände um seine Augen und er hörte ein leises Kichern. „Wer bin ich?”, flüsterte eine Stimme ganz nah an seinem Ohr.

Er hatte sie nicht hören müssen, um zu erkennen, wer sich da an ihn herangeschlichen hatte. Form und Beschaffenheit dieser Hände hätte er immer wiedererkannt.

Trotzdem beschloss er, sie ein wenig zappeln zu lassen. „Roxanne?”, riet er, absichtlich falsch. Empörtes Schnauben hinter ihm.

„Okay, nicht Roxanne. Dann vielleicht... Lucy?”

Ein schmerzhafter Schlag traf ihn in die Rippen. „Autsch!” Er stöhnte und drehte sich unvermittelt um, so dass er ihr Nase an Nase gegenüber stand. Er lächelte, als er in ihre azurblauen Augen sah. „War nur ein Scherz, ich wusste, dass du es bist.” Victoire fauchte. „Idiot!”, doch auch in ihren Augen lag ein Lächeln. Dann trat sie einen Schritt zurück, um Abstand zwischen sie zu bringen, was Teddy durchaus bedauerte.

Vielleicht hatte dieser Urlaub doch seine schönen Seiten.

Victoire war der älteste Sprössling des Weasley-Clans und somit Teddy in Bezug auf sein Alter am nächsten. Als die beiden Ältesten war es ihre Aufgabe auf die kleineren Acht zu geben, eine Aufgabe die Teddy geflissentlich und Victoire meistens widerwillig erledigte. Doch zusammen waren sie unschlagbar, so sagte sie jedenfalls immer. Sie erfanden Spiele und Ablenkungen, um die kleinen auf Trab zu halten und fanden gleichzeitig genug Zeit, sich miteinander zu unterhalten und eigenen Beschäftigungen nachzugehen. War Victoire auf den Familienfesten anwesend, wurde das absonderliche Gefühl in Teddy kleiner und verschwand manchmal ganz. Vielleicht lag das an ihrem vererbten Veela-Charme, doch Teddy wurde das Gefühl nicht los, das da mehr war, was sie verband.

Leider traute er sich nicht, sie danach zu fragen, aus Angst sie könne ihn auslachen und verspotten. So beließ er es bei diesen Kabbeleien und ihrer Freundschaft.

Er deutete mit dem Kopf in Richtung von James, Fred und Louis. „Ich nehme an, dass Hühner-Fang-Spiel war deine Idee?” „Wieso? Was dagegen?”, Victoire sah ihn herausfordernd an. Teddy schmunzelte. Wie immer sah Victoire jede Bemerkung als Herausforderung. „Nein, natürlich nicht! Sie werden aber leider nur wenig bis mäßig Erfolg haben.”

„Nicht mein Problem.” Victoire schob sich eine Strähne ihres blonden Haares hinters Ohr. „Sie wollten es ja nicht anders.”

Teddy hob eine Augenbraue und warf ihr einen bedeutsamen Blick zu. „Was haben sie dir angetan?”

„Genervt haben sie mich. Gequengelt, bis mein Kopf beinahe explodiert wäre. Jetzt geben sie Ruhe und sind beschäftigt.” Damit war die Sache für Victoire erledigt und sie verfielen in Schweigen.

Teddy beobachtete, wie sie ihre wachsamen Augen über den Hof schweifen ließ, und immer wieder an einzelnen Familienmitgliedern hängen blieb. Victoire war unersättlich neugierig und in Hogwarts geschah nichts, ohne dass sie davon erfuhr. Während Teddy bei fremden Gesprächen abschaltete, weil er der Meinung war, dass es ihn nichts anging, spitzte Victoire erst recht ihre ohnehin sensiblen Öhrchen. So wusste sie mehr von den Problemen, Beziehungen und Noten ihrer Mitschüler als wahrscheinlich je ein Schüler zuvor. Und auch bei ihrer Familie war sie gerne gut informiert.

Er hätte sie ewig so betrachten, ihre feinen Gesichtszüge geistig nachmalen können und ihre Haare im Sonnenlicht glänzen sehen, doch ein Seufzen von ihr holte ihn abrupt in die Realität zurück. „Hogwarts ist langweilig ohne dich”, sagte Victoire unvermittelt. „Wirklich?”, Teddy war ehrlich überrascht, „ bist du nicht froh, den komischen Typen los zu sein, der all die attraktiven Jungs von dir ferngehalten hat?” Victoire sah ihn von der Seite an und holte erneut mit der Faust aus, doch Teddy hielt abwehrend beide Hände hoch. „Nicht kaputtmachen, ich bin ein Unikat!” Victoire lachte und ließ die Faust sinken.

„Blöd bist du trotzdem”, beschwerte sie sich und kicherte gleich wieder, was ihre Worte weniger hart erscheinen ließ, „ da sage ich dir, dass ich dich vermisse, und du machst einen Scherz darüber. Aber wenn du dir Sorgen machst, die können DEM Teddy Lupin keine Konkurrenz machen.”

„Ich danke Euch für diese aufmunternden Worte”, antwortete Teddy spöttisch und verbeugte sich. Als er sich wieder aufrichtete, sah er sogleich eine Faust auf sich zukommen und er duckte sich unter ihr weg.

Noch immer lachend deutete er auf Albus und Rose, die sich gerade ihre neuen Haustiere zeigten. „Nächstes Jahr hast du die beiden am Hals. Die werden meine Abwesenheit ganz sicher ausgleichen.” Victoire verdrehte die Augen und beschloss zum Kitzeln überzugehen, da Schläge nicht mehr halfen. Teddy wich zurück und es folgte ein wilde Hetzjagd durch den Hof, bis Teddy sich auf der Stelle drehte und umkehrte. Victoire, die ihn zu spät kommen sah, konnte nicht mehr bremsen und schließlich lagen sie beide auf dem schmutzigen Boden. Ihre Gesichter waren nur Zentimeter von einander entfernt und sie atmeten schwer. Noch bevor sie ihre Hände bewegen konnte, hatte Teddy sie gepackt und hielt sie fest. So lagen sie einige Sekunden und rührten sich nicht, sondern, besonders in Teddys Fall, versanken in den Augen des anderen.

„Kinder, es ist soweit, der Portschlüssel geht in zwei Minuten. Kommt alle her und legt einen Finger darauf.” Mr. Weasleys Anweisungen zerstörten auch diesen gefühlsgeladenen Moment.

Victoire sprang sofort auf und starrte Teddy mit großen Augen an. Der erhob sich seufzend und bemerkte, dass sie beide von oben bis unten eingestaubt waren. Er zückte seinen Zauberstab und sagte: „Lass mich dir helfen!” Victoire schüttelte energisch den Kopf. „Ich kann das alleine, ich bin volljährig.”

Teddy zuckte mit den Schultern und begann seine Hose zu säubern, bevor er sich zu den anderen um das alte Sofa gesellte. Er warf noch einen Blick auf Victoire, die sich zwischen ihre Mutter und ihren Bruder gedrängelt hatte. Sie beachtete ihn nicht, sondern versuchte hektisch ihre Frisur wieder herzustellen, die durch ihren Zusammenprall etwas verwuschelt worden war. Wieder veranlasste ihr Anblick ihn zu lächeln. Wahrscheinlich war es eher ein wahrhaft dümmliches Grinsen und zu seinem Glück begann in diesem Moment die Reise und sie alle wurden fortgerissen.

Dann war es heiß.

Bis zum Grund des Pools

Unfassbar trockene Hitze umfasste ihn und, als er die Augen öffnete, sah er rote Erde. Sie standen auf einem steinigen Weg und um sie herum wuchsen nur noch Dornenbüsche. Sein Blick wanderte nach oben, wo die Sonne gnadenlos von dem unendlich blauen Himmel herunterbrannte.

Glücklicherweise war es erst Vormittag, aber dennoch schwitzte der junge Zauberer in seinen langen Hosen bereits jetzt. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie warm es später werden würde.

Ein Stückchen weiter stand ein flaches Haus, das sehr in die Länge ging. Es war wie eine Oase, inmitten dieser staubtrockenen Gegend, denn um das Haus wuchsen grüne Bäume und andere Pflanzen. Teddy vermutete stark einen Bewässerungszauber. Wahrscheinlich war dies ihre Unterkunft für die nächsten zwei Wochen.

Aus der Einfahrt näherte sich eine Hexe mit rotblondem Haar, die trotz der Aussicht auf 30 lärmender Leute in ihrem Haus einen freundlichen und aufgeschlossenen Eindruck machte. Arthur Weasley winkte ihr begeistert zu.

Er zog einen kleinen Zettel aus der Umhangtasche, der beinahe auseinander fiel, so oft war er schon gefaltet und wieder aufgeklappt worden.

Davon las er in brüchigem Spanisch und mit starkem Akzent vor, sobald ihre Gastgeberin in Hörweite war. „Hola, somos los Weasleys.” Arthur machte eine kleine Pause, vielleicht musste er etwas auf dem Zettel entziffern, dann fügte er hinzu: „De Inglaterra.”

Die Hexe lächelte erfreut angesichts seiner Bemühungen in ihrer Muttersprache zu reden.

Sie deutete auf sich und sagte betont langsam: „Me llamo Pilarin. Bienvenidos a las Morillas!” Sie deutete auf das Grundstück hinter sich.

„Habt ihr gehört?”, sagte Arthur aufgeregt. „Sie hat gesagt–” Seine Frau unterbrach ihn. „Ja, Arthur, wir wissen alle, was sie gesagt hat.”

Die folgende halbe Stunde bestand aus scheinbar ewig andauernden Erklärungen zum Haus, dem Diebesschutz und den angrenzenden Orten.

Schließlich überreichte Pilarin Arthur in einem mehr oder weniger festlichen Akt die Schlüssel zum Haus.

Sie lächelte noch einmal in die Runde, drehte sich dann auf der Stelle und verschwand.

Im selben Augenblick brach ein Tumult los. Sämtliche Kinder schienen am Ende ihrer Kräfte zu sein, zumindest verlangten sie, sofort in den Pool springen zu dürfen. Nach einigen, kraftlosen Widersprüchen der Eltern, die natürlich erfolglos blieben, da sie im allgemeinen Lärm untergingen, erhob Molly ihre magisch verstärkte Stimme: „Bevor irgendwer irgendwo hingeht, werden wir ALLE das Haus beziehen.” Mollys Kinder warfen ihr einen dankbaren Blick zu und scheuchten ihre maulenden Kinder ins Haus.

Teddy fing Victoires Blick auf, die genervt die Augen verdrehte und formte mit seinen Lippen „Bis später!” Dann betrat er sein Zimmer.

Genauer gesagt, war es auch das Zimmer von Albus, Lily und James, aber Teddy machte das wenig aus. Er mochte die drei Geschwister.

Im Zimmer war es schattig und kühl, was vermutlich an den magisch veränderte Fenstern lag, die zwar Licht, aber keine Hitze hineinließen. Da alle anderen Betten schon vergeben waren, warf er seine Tasche auf das am Fenster.

Niemand außer Teddy machte sich die Mühe, auch nur irgendetwas anderes als das Badezeug auszupacken. Kaum waren sie ihr Gepäck losgeworden, da waren die drei Pottersprösslinge schon wieder aus dem Zimmer und in den Garten verschwunden. Teddy war dieser Umstand nur recht. Endlich hatte er Gelegenheit, sich ein wenig aus dem Gedränge zurückzuziehen. Allerdings nicht lange. Seine Tasche war gerade einmal halb ausgeräumt, da rauschte jemand, ohne sich mit Anklopfen aufzuhalten, in den Raum.

„Kommst du mit raus und hilfst mir, die Gnome davon abzuhalten, sich im Pool gegenseitig zu ertränken?”

Wieder einmal schlich sich das verhasste Grinsen auf seine Lippen. „Du sollst ihnen doch keine abfälligen Spitznamen geben, Coco!”, erwiderte Teddy und wandte sich einem Stapel Umhänge zu, die er mit der größten Wahrscheinlichkeit hier nicht würde tragen können. Er sah die Faust kommen, tat aber betont überrumpelt, als er sich im letzten Moment darunter wegduckte, weil er wusste, dass Victoire ihren Spaß daran hatte.

„Und ich hatte gehofft, du hättest diesen bereits vergessen. Immerhin habe ich dafür gesorgt, dass ihn Maman seit diesem Weihnachtsfest nie wieder in der Öffentlichkeit verwendet”, seufzte sie, doch Teddy sah ihr an, dass es ihr ganz und gar nicht missfiel, wenn er sie mit Coco ansprach. Während er entschlossen weiter auspackte, konnte er Victoires Blick auf sich haften spüren und er wusste, dass sie bald die Geduld verlieren würde.

Und er behielt Recht. Victoire packte ihn schließlich ohne Umschweife bei der Hand und zog ihn hinter sich her, hinaus in die brütende Hitze. Arthur betrachtete fasziniert einen Rasenmäher, dessen Nutzen Teddy bei dieser Dürre bezweifelte und er schien kurz davor das Gerät auseinander zu nehmen. Molly lag in ihrem Liegestuhl und überblickten zufrieden das bunte Treiben. James jagte Rose, Fred und Dominique mit dem Gartenschlauch und Lily trieb mit schwebenden roten Haaren, wie eine Wasserleiche, im Pool, während Albus Galeonen von dessen Grund hochtauchte. Percy war nirgends zu sehen, er saß wahrscheinlich irgendwo im Haus an einem Schreibtisch und brütete über Kesselböden. Der arme Kerl konnte sich auch niemals entspannen. Aber er schien nicht einmal der einzige zu sein. Harrys Haare waren noch verstrubbelter als sonst, seine Stirn in tiefe Falten gelegt. Auf dem heißen Stein von einem Fuß auf den anderen springend, versuchte er vergeblich einen Sonnenschirm so einzustellen, dass Ginny, die ihre „Hexenwoche” dazu verwendete, sich Luft zuzufächeln, komplett im Schatten lag. Molly jr. diskutierte angeregt mit Hermine über "Eine Geschichte von Hogwarts", während Hugo Lucy leise etwas ins Ohr flüsterte, die Augen verdrehte und beide in stummes Kichern verfielen. Fleur widmete sich ganz und gar dem Schutz ihrer elfenbeinfarbenen Haut, indem sie eine solche Menge an magischer Sonnencreme darauf verteilte, dass es selbst für einen Albinoelefanten unter einem Ozonloch noch gereicht hätte. Ron und Charlie spielten Schach und George berichtete Bill von seinem neuesten Scherzartikel, indes machten sich Angelina und Audrey gegenseitig Komplimente zu ihren Bikinis. Alles in allem, stellte Teddy mit einem Grinsen fest, war die Situation durchaus mit den gewohnten Familientreffen vergleichbar. Wäre bloß diese Hitze nicht gewesen. Da er nicht genug Zeit gehabt hatte, seine Tasche auszupacken und sich umzuziehen, hütete er die „Gnome“ in Jeans und T-shirt, wenigstens hatte er er den Umhang bereits im Zimmer abgelegt. Bald schwirrte ihm vom Beobachten, Hinterherrennen und Ermahnen der Kopf so sehr, dass sich die Morillas um ihn zu drehen schienen. Victoire hatte sich im Laufe der Zeit ihres luftigen Sommerkleids entledigt und verfolgte die Kinder nun im Bikini.

„Verdammte Hitze!“, schimpfte Ginny, die ihre Illustrierte mittlerweile so verzaubert hatte, dass sie ihr von selbst Luft zufächelte, „ich glaube, jetzt versteh ich endlich, weshalb die Spanier Siesta halten, das ist ja nicht zum Aushalten!“.

Auch den anderen schien die Hitze ähnlich unerträglich zu werden. Und endlich drang Mollys Stimme an ihre Ohren und alle eilten zum Mittagessen in die Kühle des Hauses. Alle, außer Albus und James, die offenbar irgendeinen Streit ausfochten und Teddy beinahe den letzten Nerv raubten. Ihm war heiß, sein Mund trocken und in seinem Kopf pochten die Kopfschmerzen. Während er also fieberhaft überlegte, wie er die beiden auseinander und ins Haus bringen sollte, schien sich auf einmal der Boden unter seinen Füßen aufzubäumen, Teddy verlor das Gleichgewicht, gleich darauf auch noch das Bewusstsein und stürzte kopfüber in den Pool.

Während der Hitze des Mittags

Das nächste, was er hörte, war ein unglaublicher Lärm, den er erst nach einigen Sekunden als Stimmengewirr zu identifizieren vermochte.

„Was habt ihr mit ihm angestellt?!“, schimpfte Ginny.

„Ist er jetzt tot?“, fragte Roxanne ängstlich.

„Hitzschlag“, meinte Teddy Georges Stimme zu erkennen. Molly schluchzte, während ihr Mann sie zu beruhigen versuchte. Allmählich kam Teddy über all dem wieder zu sich. Doch was ihn endgültig wachrüttelte, waren drei Worte in einer Fremdsprache, die er Dank Kinderhüten gut genug beherrschte, um zu verstehen.

„Oh, mon pauvre“, säuselte Victoires Stimme dicht an seinem Ohr. Er schlug die Augen auf und blickte direkt in zwei schöne grüne Augen… Grün?! Sein Blick wanderte hinauf zur Stirn seines Gegenübers. Harry?!

„Teddy! Alles in Ordnung?“, wollte der halb besorgt, halb erleichtert wissen.

George fügte hinzu: „Ich glaube, wir haben dich gerade noch rechtzeitig aus dem Pool gefischt.“

Teddy wiederum sagte nichts, sondern blickte nur stumm auf die zierliche weiße Hand, deren sanfte Finger, die seinen umschlossen.

„Ist er stumm?“, flüsterte jemand.

„Oder womöglich taub…“, mutmaßte ein anderer.

„Jetzt lasst doch den armen Jüngen!“, sagte Fleur scharf, auch wenn ihr französischer Akzent dem ganzen etwas die Härte nahm. Plötzlich schlossen sich auch um Teddys andere Hand sanfte Finger. Victoire und ihre Mutter halfen ihm auf und führten ihn in sein Zimmer, dessen Kühle vergeblich versuchte, seinem Gehirn zu helfen, den Nebel aus seinem Kopf zu vertreiben. Nachdem er sicher auf seinem Bett verstaut war, verließ Fleur den Raum, um beim Mittagessen wieder Ordnung herzustellen.

Victoire aber blieb. Sie sah bleich aus und ganz ohne ihren Charme, die Witze und Wutanfälle, wirkte sie ziemlich zerbrechlich. Unwillkürlich ergriff Teddy etwas, das viele Männer spürten und sie dazu veranlasste einen auf „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ zu machen, ohne dass sie erklären könnten, was es war. Also setzte er sich auf, legt beruhigend eine Hand auf ihren Arm und sagte: „Coco? Mir geht’s gut, wenn du zum Mittagessen gehen möchtest, dann tu das ruhig“.

Da sich Victoires linke Augenbraue skeptisch hob, fügte Teddy hinzu: „Wirklich, es ist alles in Ordnung. Ich war nur ein wenig durcheinander, aber jetzt ohne die Sonne ist es schon viel besser. Nun geh schon!“

Kurz zögerte Victoire noch, dann verschwand auch sie aus dem Zimmer und Teddy sank mit hämmerndem Kopf, kreidebleich und hundeelend in die Kissen zurück und war bald darauf eingeschlafen

Leider währte diese Stille nicht lange und Ginnys ,wütend erhobene, Stimme ließ ihn wieder hochschrecken.

„James Sirius Potter! Ich verbiete dir, bei dieser Hitze draußen herumzutoben! Du hast gesehen, was mit Teddy passiert ist! Du wirst, wie alle anderen auch, eine Siesta halten!“

„Mum! Ich will aber nicht! Ich bin überhaupt nicht müde. Außerdem bin ich kein Kleinkind mehr. Ich brauche keinen Mittagsschlaf!“

Ginny holte bereits drohend Luft, da schaltete sich Harry ein: „Du brauchst ja auch nicht unbedingt zu schlafen. Wie wäre es, wenn du Lily Schach beibringst oder zur Abwechslung mal ein Buch liest? Schaden würde es dir jedenfalls nicht.“

„Oh ja!“, rief Lily nun begeistert aus, „bitte, James! Ich wollte schon immer Schach können. Bitte, bitte, bitte!“

Teddy wusste genau, so rebellisch der älteste Pottersprößling auch seinen Eltern gegenüber war, so gerne er auch Albus ärgerte, so sehr liebte er seine kleine Schwester und wenn sie ihn mit ihren großen braunen Kinderaugen ansah, konnte er ihr niemals einen Wunsch ausschlagen.

„Na gut. Komm mit, wir gehen ins Wohnzimmer, Lils.“

Die darauf folgende Szene, konnte sich Teddy denken. Lily hüpfte voraus ins Wohnzimmer, mit fliegenden Haaren und roten Wangen, während James ehrfürchtig die Schachfiguren seines Vaters entgegen nahm. Ganz leise wurde in diesem Moment die Tür zu Teddys Zimmer geöffnet. Albus schlüpfte herein, kramte kurz in seiner Tasche, zog ein Buch heraus und schlich ebenso vorsichtig, wie er eingetreten war, wieder hinaus. Der Schlaf hatte Teddy gut getan. Sein Kopf pochte nicht mehr und das Haus hatte ebenfalls aufgehört, sich zu drehen. Also beschloss er, aufzustehen und sich im Haus umzusehen, allerdings erst, nachdem er sich umgezogen hatte. Er wollte keinen weiteren Hitzschlag riskieren, diese Erfahrung reichte ihm für sein Leben. Da ihm trotzdem noch etwas übel war und seine Gliedmaßen ihm nicht so ohne weiteres gehorchen wollten, dauerte das Wechseln seiner Kleider länger als erwartet. Endlich trat er aus dem Zimmer und fand Flur und Küche verlassen und stumm vor. Auch der Rest des Hauses war erfüllt von einer sonderbaren Stille, die im Kreise dieser Familie selten bis niemals auftrat. Schon wuchs in Teddy der Verdacht, James hätte die anderen überredet, trotz Ginnys Verbot raus zu gehen. Doch als er das Wohnzimmer erreichte, zeigte sich ihm ein noch nie dagewesenes Bild. Lily war in ihrem Sessel eingeschlafen und James, der ihr gegenübersaß, blickte mit verklärter Miene an die Decke. Albus las mit leiser Stimme aus dem Buch vor, dass er zuvor geholt hatte, während Rose, die auch schon mehr schlief als, dass sie wach war, sich bemühte zuzuhören. In einer anderen Ecke des Raumes ließ sich Molly von Dominique die Haare flechten, Lucy lauschte aufmerksam Hugos Erklärungen zu Quidditch und Fred, der sonst quasselte wie ein Wasserfall, schüttelte nur ab und an den Kopf. Die Erwachsenen und, für Teddy viel wichtiger, Victoire, waren nirgends zu sehen. Sie mussten sich wohl in ihre Zimmer zurückgezogen haben. Dominique, die Teddy in der Tür stehen sah, blickte ihn fragend an. Mit den Lippen formte er stumm das Wort; „Coco?!“, und bekam zur Antwort drei empor gestreckte Finger der linken Hand. 
„Danke“, flüsterte er, zwinkerte ihr zu und verließ das Wohnzimmer. Wenn er richtig verstanden hatte, lag Victoires Zimmer hinter der dritten Tür auf der linken Seite des Flurs. Um sie nicht zu wecken, falls sie schlief, klopfte Teddy ganz vorsichtig an. Offensichtlich schien sie eins ihrer Geschwister zu erwarten, denn die Reaktion auf sein Klopfen war französisch und leicht ungehalten, wie immer, wenn ihr die Kleinen auf die Nerven fielen: „Ouais?!“

„Coco? Ich bin’s, darf ich rein kommen?“

„Teddy?“, rief Victoire und ihr Tonfall wurde sofort milder, „natürlich.“

Sie saß auf dem Bett und hatte wohl bis eben noch gelesen. Nicht ganz sicher, was er tun sollte, setzte sich Teddy ans Fußende des Bettes und beschränkte sich darauf, sie anzusehen. Ein merkwürdiges Schweigen lag zwischen ihnen, dass er jedoch bald brach, weil er es nicht länger aushielt.

„Was liest du da?“, fragte Teddy.

„Ein Buch, das mir Tante Hermine gegeben hat. Es ist ein Muggelroman. Die drei Musketiere. Das Beste daran ist bis jetzt, dass es in Frankreich spielt. Die spießen sich doch allen Ernstes mit Degen gegenseitig auf, statt dem anderen einen Fluch auf den Hals zu hetzen!“, erwiderte Victoire empört und Teddy musste schon wieder grinsen.

Damit sie es nicht sah, schlug er das Buch irgendwo auf und begann daraus vorzulesen, wie er es schon etliche Male getan hatte, als die Kinder noch jünger gewesen waren. Jedes Mal waren sie alle im Kreis um ihn herumgesessen und hatten an seinen Lippen gehangen, die sich darauf verstanden, eine Geschichte so vorzutragen, dass sie sich in den schillerndsten Farben vor ihrem inneren Auge abspielte. Als er begriff, was er gerade tat, wollte Teddy das Buch bereits wieder verhalten zuklappen, doch Victoire hielt seine Hand fest und schüttelte leicht den Kopf, also las er weiter. Sie lächelte zufrieden und lehnte den Kopf an seine Schulter und während Teddys Stimme die Worte Dumas erst lebendig werden ließ, schloss Victoire die Augen und träumte sich fort, in ein Frankreich des 17ten Jahrhunderts, in ein Frankreich ohne Zauberei, indem sich junge Männer wacker mit dem Degen schlugen, um die Gunst ihrer Geliebten zu erwerben.

Vom Abendessen zum Ende des Tages

„Aufwachen, Schlafmützen!” Wenn die laute, durchdringende Stimme, die der Zwölfjährige mit Sicherheit von seiner Mutter geerbt hatte, Teddy nicht bereits aus dem Schlaf und Victoire von seiner Schulter gerissen hätte, dann hätte der Wasserschwall sein Übriges getan, den James ihnen nun über den Kopf laufen ließ, da sie, zumindest seiner Meinung nach, nicht schnell genug auf die Beine gekommen waren.

Teddy sprang vom Bett, schüttelte instinktiv seine Haare, damit die Wassertropfen nicht in sein Gesicht liefen und brüllte: „Was sollte das denn bitte? Kann man denn nicht andere Weckmethoden anwenden?” Er wandte sich James zu, um ihm eine gerechte Strafe zu verpassen, doch Victoire hatte sich bereits fauchend auf den Jungen gestürzt und schien kurz davor James zu erwürgen. „Bist du lebensmüde? Einfach so hier hereinzuplatzen. Wage es nicht noch einmal, sonst...?” „Sonst was?”, fragte James frech mit einem Leuchten in den Augen. Er liebte die Gefahr und den Nervenkitzel und seine Cousine konnte jeden Moment hochgehen. „Willst du mich bei Mum verpetzen?” James liebte es, sie zu provozieren, wusste er doch, dass Victoire dies niemals tun würde.

Doch heute war er damit zu weit gegangen. Teddy spürte das und James sah es sicher an dem Blitzen in Victoires Augen.

Teddy machte einen Schritt auf sie zu, doch Victoire hatte bereits ihren Zauberstab gezogen und mit einem kurzen Schlenker des selbigen rief sie: „Rictussempra!”

Während James sich vor Lachen am Boden krümmte, weil unsichtbare Hände ihn erbarmungslos kitzelten, stand Victoire zufrieden mit erhobenem Zauberstab über ihm, schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr und kicherte. „Das, James Potter, ist meine Strafe, und ich kenne noch eine ganze Menge anderer Flüche. Einer unangenehmer als der andere. Also leg dich nie wieder mit einer volljährigen Hexe an.”

Teddy, der bemerkte, dass James kaum mehr Luft bekam, sprang an Victoires Seite und legte eine Hand auf ihren Zauberstab. „Lass ihn, ich denke, er hat's kapiert.” Victoire sah ihn skeptisch von der Seite an, verdrehte die Augen und hob den Zauber auf.

Sofort sprang James aus dem Zimmer, allerdings nicht ohne die Tür hinter sich zuzuknallen. „Ich meinte, ich hoffe”, korrigierte sich Teddy mit gerunzelter Stirn. „Jetzt ist es deine Schuld, wenn er uns wieder auf der Nase rumtanzt”, folgerte Victoire und rümpfte die Nase, „was wollte er überhaupt?”

Teddy zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, du kennst ihn doch, er brauchte vielleicht nur ein wenig Aufmerksamkeit.”

„Na klasse. Kann er sich die nicht von jemand anderem holen? Immer muss er uns nerven. Er ist bei Weitem der schlimmste, obwohl Hugo und Lucy auch keine Unschuldsengel sind. Können die nicht einfach alle normal sein?” Während Victoire ihren Monolog weiterführte und ihre Klamotten mit einem Zauberspruch trocknete, vergrub Teddy seine Hände in seinen Hosentaschen und hörte geduldig lächelnd zu. Natürlich malträtierten all die kleineren Kinder auch seine Nerven, aber er liebte sie dennoch viel zu sehr, um ihnen lange böse zu sein und er wusste, dass es Victoire im Grunde genauso ging. Trotzdem hieß es jetzt, sie unbedingt Wut abbauen zu lassen und ihr nicht zu widersprechen.

Auf dem Weg zur Küche begegneten sie Bill, der Victoire einen Kuss auf die Stirn drückte. „Guten Morgen, mein Engel. Na, auch schon wach?” Sein lachender Blick wanderte auch zu Teddy, der wiederum den Blick erwiderte. „Da James uns so 'liebevoll' geweckt, ja”, antwortete Victoire, „was ist denn so wichtig, dass wir aufstehen müssen, Dad?” Bill lachte leise. „Abendessen, meine Tochter, Abendessen. Und in diesem Land nimmt man das für gewöhnlich mit der ganzen Familie ein.” Victoire und Teddy wechselten einen geschockten Blick, gefolgt von einem auf die Uhr. „Es ist doch erst... 21 Uhr?!” Irritiert sah Teddy auf. Es konnte unmöglich schon so spät sein. Draußen war es doch noch taghell!

Bill lachte wieder, diesmal lauter. Ihre verwirrten Gesichter mussten auch Galleonen wert sein. Bill nickte in Richtung Terrasse. „Kommt schon, Grandma verteilt schon das Essen.”

Immer noch völlig verdattert folgten sie Bill an den Tisch und ließen sich nebeneinander auf ihren Stühlen nieder. Neben Teddy saß Molly, die ihn mit großen Augen anstarrte, als wäre er gerade von den Toten wieder auferstanden.

An Victoires anderer Seite saß James, was sie mit hochgezogenen Augenbrauen quittierte, so dass er ein wenig von ihr wegrutschte. Zufrieden mit sich selbst hob Victoire ihren Teller, damit Molly ihr etwas von der Suppe auftun konnte.

Im selben Moment beschwerte sich Ron von der anderen Seite des Tisches: „Mum, die Suppe ist ja kalt.” Teddy probierte einen Löffel und tatsächlich handelte es sich um eine kalte Tomatensuppe. Molly seufzte.

„Das gehört so, Ronnie. Es ist warm hier.” Auch das stimmte. Teddy konnte noch immer im T-Shirt und kurzen Hosen draußen sitzen ohne zu Frieren. Es war allerdings auf jeden Fall angenehmer als heute Nachmittag.

Nun schaltete sich Hermine ein und erklärte: „Das ist Gazpacho, Ron. Eine kalte Suppe aus Tomaten, Gurken und Paprika. Fast wie ein flüssiger Salat.”

Ron grummelte, doch er widmete sich wieder seinem Essen. Offenbar war sein Hunger zu groß. Teddy fand die Suppe großartig. Sie war genau richtig für solch heißen Tage, denn sie kühlte und lag nicht schwer im Magen.

„Möchtest du auch etwas?” Teddy sah überrascht zur Seite. Victoire hielt ihm eine Flasche mit weinrotem Inhalt entgegen. Er nickte, bevor er sich fragte, was sie ihm da andrehte, doch als er sah, dass auch Lily und Hugo davon tranken, war er sich sicher, dass es keinen Alkohol beinhaltete. Ganz im Gegenteil, es schmeckte süß, nicht bitter. Als Victoire merkte, dass es ihm schmeckte, fügte sie hinzu: „Salobreña. Ein Wein ohne Alkohol, also Traubensaft. Angeblich ist noch irgendeine Geheimzutat beigefügt.”

Das glaubte Teddy aufs Wort. Allein Traubensaft konnte nicht derart lecker sein.

Während die Weasleys aßen, redeten und lärmten, versank die Sonne langsam hinter den Bäumen der Morillas und die Nacht begann. Wie in Spanien üblich blieb die Familie, auch nachdem alle satt waren, zusammen und taten dies und das. Die einen diskutierten die neusten Veränderungen im Ministerium, während ein paar Kinder die Brettspiele aus dem Haus geholt hatten und sich nun begeistert gegenseitig bekämpften.

Teddy beobachtete diese friedliche Szene und fühlte sich sicher, satt und geborgen. Ja, Er fühlte sich endlich rundum wohl. Vergessen die Bedenken von heute morgen, vergessen der Hitzschlag und vergessen der Ärger über James.

Victoires Hand fand seine unter dem Tisch und ohne über die Folgen nachzudenken schloss er seine Finger um ihre. Vielleicht war ja doch Alkohol in dem Getränk gewesen.

Mit einem Mal erhob sich Arthur und alle Aufmerksamkeit richtete sich auf ihn. Er sagte: „Ich freue mich, dass wir alle hier sind. Wir haben alle einen anstrengenden Tag hinter uns-”

„Ja, wir haben am Pool gechillt, gegessen, geschlafen und dann noch mehr gegessen, was für ein anstrengendes Leben”, warf George ein und erntete dafür böse Blicke von Angelina, Hermine und Molly sr., aber auch Gelächter von Harry, Ron, deren Söhnen und einigen anderen. Arthur hingegen lächelte noch ein wenig breiter und fuhr ungerührt fort: „Und ich wollte, dass wir hiermit auf unsere gemeinsamen Ferien anstoßen. Machen wir es auf die spanische Art.” Mit einem Blick auf seinen Zettel verkündete er feierlich wie eine Zauberspruch: „Arriba!”, und hob sein Glas hoch. Die anderen taten es ihm nach.

„Abajo!” Und sämtliche Gläser wanderten hinunter auf Tischhöhe.

„Al centro!” Arthur streckte sein Glas in die Mitte, wo schließlich alle Gläser klirrend zusammenstießen.

„Y para dentro!” Mit diesen abschließenden Worten setzte er sein Glas an die Lippen, was bei den anderen mit Verzögerung ebenfalls geschah. Es folgte eine allgemeines Schlucken, dann beendete Arthur seinen Toast mit einem: „Auf unsere Ferien!”

Nach etwa weiteren zehn Minuten wurde den Kindern definitiv zu langweilig. Sie zerrten an den Armen ihrer Eltern, die wiederum Victoire und Teddy flehentlich ansahen. Schließlich leuchteten Victoires blaue Augen auf. „Ich habe eine Idee”, hauchte sie begeistert. Teddy folgte ihrem Blick und sah in den schwarzen Himmel, an dem unzählige Sterne funkelten.

Er nickte Victoire aufmunternd zu, die sich daraufhin Lily und Molly an der Hand schnappte und mit einem „Wer kann mir sagen, wo ich den Großen Wagen finde?” in Richtung Liegestühle verschwand. Teddy stand ebenfalls auf und brachte die übrigen Kinder mit einem Pfiff dazu, ihm zu folgen. Zum Glück kannte Victoire sich mit Astronomie aus.

Gegen die Ruhe der Nacht

Teddy konnte nicht schlafen. Seit Ewigkeiten, so erschien es ihm, drehte er sich ständig von einer Seite auf die andere und kam nicht zur Ruhe.

Neben ihm hörte er das gleichmäßige Atmen von Lily, Albus und James, die bereits seit geraumer Zeit eingeschlummert waren.

Wie auch immer sie das geschafft hatten, war ihm jedoch ein Rätsel, war es doch unfassbar warm. Seiner Decke, die ohnehin nur ein dünnes Laken war, hatte er sich schon vor einer halben Stunde entledigt, doch das versprach ebenso wenig Kühlung wie das weit geöffnete Fenster.

Hinzu kam auch noch, dass er durch seinen „Mittagsschlaf” mehr als ausgeruht war. Er konnte einfach nicht ruhig liegen, schließlich war es erst kurz nach eins.

Nachdem allerdings die Kinder einer nach dem anderen während ihres Sternschnuppenschauens und Sternbilderentdeckens eingeschlafen waren, hatten auch die Erwachsenen angefangen zu gähnen und so war ein allgemeines Schlafengehen angeordnet worden, obwohl weder Teddy noch Victoire müde gewesen waren.

Victoire. Ob sie wohl auch gerade in ihrem Bett lag und sich unruhig hin- und herwälzte. Teddy sah sie bereits vor sich, ihre blonden Haaren über das Kissen geworfen, damit sie sie nicht störten, die Arme weit von sich gestreckt und die blauen Augen auf die Decke gerichtet. Teddy schmunzelte. Ob sie wohl auch an ihn dachte?

„Merde!” Jetzt hörte er sie schon auf Französisch fluchen. Moment mal... Die Stimme eben war echt gewesen, keine Einbildung seines Verstandes. Und sie kam von draußen.

Leise, ganz leise und langsam erhob sich Teddy von seinem Bett, sorgfältig darauf bedacht, die anderen nicht zu wecken.

Er lehnte sich mit dem Oberkörper aus dem Fenster und flüsterte: „Coco?” Jemand, also mit Sicherheit Victoire, erstarrte in der Dunkelheit. „Teddy? Bist du das?”

Teddy tastete mit der rechten Hand nach seinem Zauberstab, der auf seinem Nachttisch lag und sprach: „Lumos!” Die Spitze seines Zauberstabs erhellte sich und strahlte Victoire direkt in die Augen, die sie auf der Stelle schloss. „Sorry”, murmelte er und senkte seinen Zauberstab wieder ein bisschen, „was machst du hier?” Victoire verdrehte die Augen.

„Wonach sieht's denn aus? Ich mache natürlich einen Mondspaziergang und verstecke mich im Gebüsch, damit mich die Mondmäuse nicht finden. Dann bin ich über die Mitternachtskatze gestolpert.” Teddy sah sie schief an.

„Du lügst.”

Victoire schmunzelte. „Natürlich lüge ich, du Genie.”

„Wo willst du dann hin?” Teddy hatte da so eine Ahnung, aber er wollte sie vorher bestätigt wissen.

„Raus. Ins nächste Dorf oder so”, bemerkte Victoire und machte eine unbestimmte Handbewegung Richtung Tor.

„Du kannst doch nicht einfach raus”, antwortete Teddy entrüstet.

Victoire verschränkte ihre Arme. „Und wieso nicht?”

Teddy kramte in seinem Gehirn nach einem guten Grund. „Was, wenn sie aufwachen und du bist nicht da?”

„Werden sie nicht.”

Teddy schnaubte. Das war wohl ein sogenanntes Totschlag-Argument. „Und wenn du dich verirrst? Du kannst doch nicht mal Spanisch.”

„Ich kann Französisch. Das wird reichen.”

„Und wenn dir was passiert?”

„Was soll denn passieren? Ich will in ein kleines, spanisches Dorf. Außerdem kann ich auf mich aufpassen.”

Teddy sah sie immer noch unsicher an. Sie seufzte und schüttelte den Kopf. „Wenn du unbedingt sicher gehen willst, dann komm halt mit.” Ihr Blick brannte sich in seine Augen. „Oder hast du Angst?”

Jetzt war es an Teddy zu schmunzeln. Das war Victoires vorgezogene Taktik. Den anderen solange zu provozieren, bis sie bekam, was sie wollte. Das funktionierte bei ihr selbst hervorragend, und bei den meisten anderen auch, aber Teddy war dagegen weitestgehend immun. Aber die Vorstellung mit Victoire alleine ein spanisches Dorf zu erkunden war verlockend. Deshalb grinste er. „Von wegen!”

Auf Zehenspitzen schlich er durch das Zimmer, zog sich um und kehrte zum Fenster zurück. Mit einem letzten kontrollierenden Blick auf seine Zimmergefährten kletterte er hinaus und landete einen Moment später neben Victoire, die ihn zufrieden anlächelte und ihm ihren Arm anbot.

Arm in Arm wanderten sie schließlich über das Grundstück. „Was wollen wir überhaupt in dem Dorf?”, wollte Teddy wissen. Victoire zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Was erleben. Kultur und so ein Zeug. Jetzt fängt das Leben in Spanien doch erst an. Außerdem kann ich nicht schlafen.” Teddy nickte verständnisvoll. Dann fiel ihm noch etwas ein.

„Wie willst du da überhaupt hinkommen? Wir können ja nicht apparieren, wenn wir nicht wissen, wo das Dorf genau ist.” Anstatt einer Antwort hielt Victoire vor einem kleinen Schuppen an und öffnete ihn mit einem „Alohomora”. Sie verschwand für einige Momente darin und kam mit einem Besen, einem Sauberwisch 7, wieder heraus.

Teddy starrte sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Dann ging ihm ein Licht auf und er sagte fassunglos: „Du hast das alles geplant!” Victoire brauchte einen Besen, um in das Dorf zu kommen. Doch aufgrund ihrer Höhenangst brauchte sie Teddy, der den Besen flog. Natürlich. Victoire war nicht so unvorsichtig, dass sie ausgerechnet vor seinem Zimmer stolperte, wenn sie sich alleine wegschleichen wollte.

Sie sah ihn entschuldigend an. „Je suis desolée, Teddy. Aber sonst wärst du nicht mitgekommen.” Teddy sagte nichts, wusste er doch genau, dass er auf jeden Fall mitgekommen wäre. Ihr Blick wurde flehentlich, da sich seine Miene nicht änderte. „Bitte, ich wollte doch eigentlich gar nicht hierher. Ich wollte nach Frankreich, aber dann hat Maman gesagt, dass du auch hier bist und ich habe meine Meinung geändert. Dominique hätte mich beinahe erschlagen, als ich ihr in den Rücken gefallen bin. Und jetzt will ich doch nur das Land kennenlernen. Zusammen mit dir. Mit dir ist es viel lustiger.” Sie sah ihn mit herzzerreißendem Augenaufschlag an. „Sei nicht böse. Außerdem...”, sie machte eine dramatische Pause, „bin ich sonst so einsam ohne dich in Hogwarts.”

Na toll, es war schon schwer genug, ihr böse zu sein, wenn sie ihn so ansah, aber jetzt kam sie auch noch mit der Mitleidstour. Na dann, spielte er ihr Spiel eben mit.

Er seufzte theatralisch und hob kurz die Hände, um seine Niederlage einzugestehen.

Dann nahm er ihr den Besen aus der Hand und Victoire erstrahlte wieder.

„Danke”, murmelte sie in sein T-Shirt, als sie ihre Arme von hinten um ihn schlang und sich hinter ihm auf den Besen setzte, „du bist ein wahrer Freund!”

Teddy ignorierte den kleinen Stich im seinem Herzen bei ihren Worten, konzentrierte sich auf seinen Flugweg und erwiderte: „Immer wieder gerne!” Dann stieß er sich ab und ihr kleiner Ausflug begann.

Rund um das Feuer

„Sag mir, wenn ich landen soll”, rief Teddy nach hinten.

Aber anstatt einer Antwort bekam er ein leises Wimmern. Tatsächlich hatte sich Victoires Griff dermaßen verstärkt, dass er das Gefühl hatte, jemand hätte ihm einen Klammerfluch aufgehalst.

„Coco? Alles okay?”,fragte er besorgt. Er spürte, wie sie ihr Gesicht tiefer in seinem Shirt vergrub und leicht den Kopf schüttelte. Merkwürdig, dass dieses Gefühl beim Fliegen für den einen das schönste Gefühl der Welt war und für den anderen der reinste Horror. Teddy beugte sich nach vorne, der Besen neigte sich leicht Richtung Boden und unter Victoires nun panischer Umklammerung brachen ihm beinahe die Rippen. Oder zumindest fühlte es sich so an.

Weich landeten sie auf der roten Erde am Rand einer kleinen Straße, aber Victoire ließ dennoch nicht los und machte auch keine Anstalten wieder aus den Tiefen seines T-Shirts aufzutauchen.

„Coco?”, murmelte Teddy und löste sanft ihre Arme, hielt jedoch ihre Hände fest, „es ist vorbei. Wir gehen das letzte Stück zu Fuß!”

Teddy schrumpfte den Besen und verstaute ihn in der Hosentasche. Kreidebleich stützte sich Victoire nun auf seinen Arm und stammelte: „Teddy, der Boden...bewegt sich...er soll damit aufhören...”

„Mensch, Coco! Das war doch deine Idee...”, lachte Teddy leise und nahm sie beruhigend in den Arm. Sie standen eine ganze Weile so da, doch dann schob Victoire ihn von sich, strich sich die Haare aus dem Gesicht, räusperte sich und sagte, als wäre nichts geschehen: „Lass uns weitergehen, sonst ist die ganze Kultur vorbei, bis du mit Trödeln fertig bist”.

Ungläubig öffnete Teddy den Mund und starrte sie an. Aber sie schenkte ihm nur ihr entwaffnendstes Lächeln, nahm seine Hand und zog ihn hinter sich her in Richtung Dorf.

Was auch immer sich Teddy erwartet hatte, das hier war es nicht. Viel aufregendes oder Kultur würden sie hier wohl nicht finden. Niemand feierte, sang, tanzte, lachte oder trank. Wobei, das dann wohl doch. Soweit er die Straße hinunter sah, erblickte Teddy nichts als alte Leute, die in Plastikstühlen vor ihren Haustüren saßen und sich unterhielten. Ab und an waren da noch ein paar Kinder, die auf der Straße spielten, doch sonst überhaupt nichts.

Der ungläubige Blick, den er Victoire zuwarf, wurde durch einen, zudem auch noch ziemlich genervten, ihrerseits erwidert.

„Sollen wir mal jemanden fragen?”, schlug Teddy mutlos vor und erntete dafür einen verächtlichen Blick von Victoire.

„Fragen ist was für Kleinkinder, Teddy”, tadelte sie ihn. Na, das war mal wieder typisch. Sie war zu stolz, um nach dem Weg zu fragen.

„Ich würde ja fragen und du könntest hier-”, begann Teddy, doch Victoire hatte sich bereits der nächsten Straßenkreuzung zugewandt.

Teddy schüttelte irritiert den Kopf. Das konnte jetzt doch nicht ewig so weitergehen! Er sah sich kurz auf der Straße um und entdeckte eine Gruppe von drei Senioren, die ihn Wein trinkend und Kekse essend beobachteten.

Er warf einen verstohlenen Blick auf Victoire, die immer noch an der Straßenecke stand, und war mit drei großen Schritten bei seinen Beobachtern.

Teddy räusperte sich, um ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu bekommen, obwohl er sie wahrscheinlich ohnehin schon besaß.

„Entschuldigung, könnten Sie mir und meiner Freundin sagen, wo man hier etwas erleben kann?” Die drei Männer sahen ihn immer noch kauend an und zeigten keinerlei Reaktion.

„Tja nun, ich meine, Kultur... cultura. Sie wissen schon, äh, tanzen, äh... dansar?” Ihm gingen die Worte aus. Nach wie vor ausdruckslose Gesichter vor ihm.

Teddy war kurz davor einen Zauberspruch zu verwenden, der ihn, zumindest kurzzeitig, diese Sprache beherrschen lassen würde, und den Arthur sicher als Schummelei betitelt hätte, aber ein plötzlicher Ausruf Victoires hielt ihn davon ab.

„Teddy, komm schnell, ich habe was gefunden.” Er spürte die Blicke der Männer in seinem Rücken, als er zu ihr eilte. Victoire sah ihn verzückt an und sagte: „Hörst du das?” Teddy runzelte die Stirn. Was genau sollte er hören, mal abgesehen von den Grillen?

Dann drangen gedämpfte Töne an sein Ohr.

Aufgeregt packte Victoire seine Hand und zog ihn hinter sich her. Je weiter sie sich vom Zentrum des kleinen Dorfes entfernten, desto deutlicher wurde die Musik. Es handelte sich um lebendige, aufgeweckte Gitarrenmusik, die zudem noch unheimlich rhythmisch war. Hinzu kam das Gemurmel von zahlreichen Stimmen und ein herausforderndes Klatschen. Als sie das Dorf bereits ein ganz schönes Stück hinter sich gelassen hatten, entdeckte Teddy auf einmal einen Feuerschein. Mit jedem Schritt, den er hinter Victoire her stolperte, konnte er ein klein wenig mehr von dem ausmachen, auf das sie sich zu bewegten. Allerdings wäre es ihm unmöglich gewesen, zu sagen, worum es sich bei den merkwürdigen Schemen handelte.

"Fantastisch", hauchte Victoire, die endlich stehen geblieben war.

Sie standen am Rand einer, wie sollte man das nennen, Caravansiedlung?! Die Wägen waren so angeordnet, dass sich zwischen ihnen ein zentraler Platz bildete. In dessen Mitte brannte ein Feuer, um welches viele Menschen in bunten Kleidern auf Klappstühlen saßen. Junge Frauen in langen, fliegenden Röcken, tanzten rund um das Feuer herum zu der Gitarrenmusik und dem geklatschten Rhythmus. Teddy wollte sich fragend zu Victoire umdrehen, aber die stand nicht mehr neben ihm, sondern lief schnurstracks auf die versammelten Menschen zu.

"Coco! Verdammt, was machst du? Bleib stehen!", zischte er ihr hinterher.

"Wieso? Genau deshalb sind wir doch hergekommen", rief sie ihm über die Schulter zu, wodurch eine der tanzenden Frauen sie bemerkte und ihr zu winkte.

Teddy beeilte sich ihr zu folgen und befand sich im nächsten Moment, von lauter fröhlichen Menschen umgeben, auf einem Plastikklappstuhl, auf den er kurzerhand platziert worden war. Da man Victoire keinen Stuhl „anbot” setzte sie sich einfach auf seinen Schoß. Teddy war sich nicht sicher, ob ihm das nicht unangenehm sein sollte.

Aber das war es nicht. Es gefiel ihm, ihre Wärme auf seiner Haut zu spüren, sogar den Duft ihrer Haare konnte er riechen. Eine ganze Weile saßen sie so da und beobachteten, wie die Frauen kunstvoll ihre Röcke schwangen, in den Boden stampften und Hüften sowie von sich gestreckte Hände im Kreis drehten. Dann postierte sich eine sehr junge, sehr hübsche Frau direkt vor ihnen, streckte Victoire ihren Arm entgegen, ohne mit dem Tanzen aufzuhören und sagte: „ Tu también!“

Victoire erhob sich elegant von Teddys Schoß, stand jedoch erst ein wenig verloren da und betrachtete die Bewegungen der jungen Frau genau. Die nickte ihr aufmunternd zu und rief: „ Inténtalo! Tu puedes!”

Noch ein weiteres Mal ließ Victoire sich das nicht sagen, denn obwohl sie die Sprache nicht hundertprozentig verstand, war die Bedeutung doch unüberhör- und -sehbar. Victoire fühlte sich herausgefordert und Teddy wusste, wie sehr sie Herausforderungen liebte. Konzentriert tanzte Victoire nach, was die junge Frau vormachte. Vor dem rötlichen Schein des Feuers wirkten ihre Haare noch heller, ihre Bewegungen, elegant wie immer, waren erst schüchtern, zurückhaltend und wurden mit jedem Takt, in dem sie sicherer wurde, wilder und ausgelassener. Teddy strahlte über beide Ohren, während er sie so beobachtete. Sie wirkte so glücklich, so unbefangen. Er wünschte, er würde für immer zusehen dürfen, wie sie sich im Kreis drehte, mit den Füßen stampfte und ihren Kopf lachend in den Nacken warf.

Dann auf einmal packte sie seine Hand, wie bereits schon so oft an diesem Abend, und zog ihn vom Stuhl mitten hinein in die Menge der Tanzenden. Und als sie gemeinsam um das Feuer tanzten, er sie herumwirbelnd, sie vor Freude strahlend, kam er sich kein bisschen lächerlich dabei vor. Er wollte vielmehr, dass dieser Moment nie endete.

Doch gegen den folgenden hatte er dann allerdings auch nichts einzuwenden. Nachdem Teddy sie mit einer Ausdrehung von sich fort geschickt hatte, drehte sie sich wieder ein. Victoire wirbelte in ihrem Übermut mit viel zu viel Schwung, so dass sie gegen ihn stieß und ihn rückwärts zu Boden warf. Sie lachte vergnügt.

„Ich glaube, ich habe gerade ein Déjà-vu“, keuchte Teddy vollkommen außer Atem, „kommt dir das nicht bekannt vor?“

Victoire schüttelte den Kopf: „Bekannt ist es mir schon, aber es ist kein Déjà-vu!“

„Wieso das denn?“

Statt ihm eine Antwort zu geben, legte sie die Lippen auf seine und küsste ihn sanft. Teddy schloss die Augen, erwiderte den Kuss und genoss den Moment. So fühlte es sich also an, wenn man wunschlos glücklich war.

Epilog

„Hallo? Jemand zu Hause? Teddy!”

Langsam kehrten Teddys Gedanken wieder in die Gegenwart zurück. Er war am Bahnhof Kings Cross. Victoire starrte ihn verärgert an. „Hör mir gefälligst zu, wenn ich mich beschwere!”

Teddy lächelte sie entschuldigend an. „Tut mir leid, Coco, aber es kommt doch sowieso nur, James hat das gemacht, Dominique hat sich unmöglich aufgeführt und überhaupt nerven alle.”

Victoire schnappte nach Luft. „Du gemeiner...!” Doch bevor sie zu ihrem üblichen Vergeltungsschlag ansetzen konnte, hatte Teddy sie bereits in die Arme geschlossen.

„Ich habe mich an unseren Urlaub erinnert”, murmelte er in ihr Haar. Er spürte, wie sie seine Umarmung erwiderte und ihn fest drückte. „Zum Glück hab ich das in die Hand genommen, du hättest dich wahrscheinlich nie dazu überwunden”, antwortete sie.

„Ja, ich weiß, du bist die Beste und ich kriege nix auf die Reihe.”

„Genau!”, sie lachte, „endlich hast du es verstanden.” Er lachte auch.

„Teddy?” Ganz leise, fast zaghaft kam es von ihr.

„Hmm...”

„Ich will nicht gehen.”

Teddy schob sie abrupt von sich weg und sah sie ernst an. „Victoire, das haben wir doch schon zehnmal durchgekaut.” Sie verdrehte die Augen. „Ja, Schule geht vor, UTZ sind wichtig und bla bla bla. Ich geh ja auch, aber ich werde dich trotzdem vermissen.”

„Ich dich auch. Und wie. Wahrscheinlich werde ich nicht schlafen können, weil ich dich so sehr vermissen werde.”

Victoire sah schon etwas zufriedener aus. Teddy warf einen kurzen Blick auf die Uhr und entschied, dass jetzt der richtige Augenblick war, da es bereits auf elf zuging.

Er holte aus seiner Jackentasche ein kleines Päckchen, liebevoll eingepackt mit etwas zu viel Klebeband.

„Ich wollte dir etwas geben.” Victoires Augen erstrahlten augenblicklich. „Für mich?”

Teddy schmunzelte. „Nein, für meine andere Freundin in Southampton. Natürlich ist das für dich. Nun öffne es schon.” Das ließ sich Victoire nicht zweimal sagen, vorsichtig, aber mit geübten Fingern öffnete sie die Verpackung.

Heraus fiel eine silberne Halskette mit einem kleinen Anhänger. „Och, wie süß. Eine Fee”, schwärmte Victoire und hielt die Kette umsichtig hoch.

„Äh, genauer gesagt ist es eine Nymphe. Es war das erste Geschenk von meinem Dad an meine Mum.” Victoire erstarrte. „Teddy...”

„Nein, kein aber. Sie würden wollen, dass du sie hast, ich kann schließlich schlecht damit rumrennen. Außerdem hast du so ein Erinnerungsstück an mich, in Hogwarts rennen doch ein paar gut aussehende Typen rum.”

Anstatt einer Antwort küsste sie ihn. Teddy zog sie enger an sich und schloss die Augen. Noch ein wenig Zeit schinden. Die letzten Momente genießen, bis sie für über drei Monate getrennt sein würden.

„Was macht ihr da?”

Teddy schreckte auf und sah zur Seite, direkt in James' verblüfftes Gesicht. Victoire seufzte genervt auf. „Wir verabschieden uns, James”, erwiderte Teddy, „wie ganz normale Leute.”

„Gar nicht. Normale Leute geben sich die Hand oder umarmen sich. Seid ihr verliebt?” Teddy und Victoire wechselten einen überraschten Blick. „Ja, sind wir. Und jetzt verschwindest du besser, wenn du in Hogwarts ein halbwegs ruhiges Jahr erleben willst”, drohte Victoire, doch es wirkte nicht, James ignorierte sie einfach. „Warum kommst du nicht uns verabschieden, Teddy?”

Teddy atmete tief durch. „James, du gehst jetzt zurück und hilfst deinem Bruder und deiner Cousine in den Zug, okay? Wir sehen uns an Weihnachten und ich bring dir was cooles aus China mit.” Er hielt dem Jungen die Hand hin und nach kurzem Zögern schlug er ein und verschwand.

Teddy wandte sich wieder Victoire zu und küsste sie noch einmal. Im selben Moment ertönte ein lautes Pfeifen.

„Ich muss los”, Victoire verzog das Gesicht. Gemeinsam gingen sie zum Zug. Ein letztes Mal drehte sie sich zum ihm um.

„Du schreibst mir?”

„Ja, jeden Tag”, bestätigte Teddy.

„Du studierst fleißig?”

„Ja”, antwortete Teddy geduldig.

„Und du liebst mich?”

Teddy lächelte. „Immer.” Auch Victoire lächelte. „Gut, ich liebe dich nämlich auch.”

Er half ihr in den Zug und wartete, bis sie an einem der Fenster auftauchte. Sie beugte sich kurz zu ihrer Familie und gab ihren Eltern und ihrem Bruder einen Kuss. Dann warf sie Teddy eine Kusshand zu und schon setzte sich der Zug in Bewegung.

Teddy folgte ihm mit den Augen und winkte. Winkte Victoire, aber auch James, Rose und Albus, die sich jetzt auf dem Weg in ein wundervolles, neues Schuljahr befanden.

Als Bill zu ihm kam und ihm die Hand auf die Schulter legte, um ihm zu zeigen, dass sie gingen, stand er immer noch mit erhobener Hand am Bahnsteig.

Er drehte sich ebenfalls um, schlug seinen Jackenkragen hoch und vergrub die Hände in den Hosentaschen. Draußen war es schließlich kalt.

Hoffentlich verging der Herbst und die Zeit bis Weihnachten genauso schnell wie ihre restlichen Sommerferien.



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  sunny3291
2011-12-27T17:50:59+00:00 27.12.2011 18:50
Mir hat die komplette Fanfic sehr gefallen. Du hast das Paaring wunderbar in Szene gesetzt, obwohl ich nicht ganz mit deinem Kosenamen übereinstimme. Beim Lesen hat man richtig Lust bekommen in den Süden zu fahren und die Sonne zu genießen. Alles in Allem eine schöne Story, die aber an einigen Stellen mehr Kultur aufweisen könnte.
Von:  klothhilde
2011-10-18T20:43:55+00:00 18.10.2011 22:43
Schönes Chap! Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Eine kleine Frage habe ich allerdings noch. Warum hat Dominique Victoire fast erschlagen, weil diese doch mit wollte??
LG Anna;)
Von:  klothhilde
2011-10-10T11:57:58+00:00 10.10.2011 13:57
Schönes neues Chap! Die Weasleys sind echt eine Chaos Familie, aber trotzdem hat man jedes Mal Lust dazuzugehören xD
Ich freu mich schon aufs nächste Chap!
LG Anna
Von:  klothhilde
2011-10-05T17:33:18+00:00 05.10.2011 19:33
Hallo,
ich finde das neue Kapitel sehr gelungen. Schön, dass es Teddy schon wieder besser geht. Ich bin mal gespannt, wie es weitergeht!
LG Anna
Von:  klothhilde
2011-10-01T10:05:28+00:00 01.10.2011 12:05
Hallo,
die FF gefällt mir bisher sehr gut. Ich liebe FFs, in denen die ganze Familie Weasley vorkommt. Das ist immer so ein schönes großes Chaos. Ich bin gespannt, wie es weitergeht!
LG Anna


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