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Eine logische Konsequenz

- Tücken des Alltags
von

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Ein ärgerliches Ereignis

Es war drei Uhr morgens, eine Zeit in der andere Leute schliefen, als Kaiba aus Schlaflosigkeit und Langeweile die längst verjährten Unterlagen seiner Buchhaltung durchsah. Es war eher Zufall, weniger konkreter Verdacht gewesen, der ihn auf die Spur einiger Unregelmäßigkeiten führte. Zuerst dachte er, es wäre einfach nur Fehler gewesen. Kleine Beträge, die hier und da verschwunden waren. Eine Nachlässigkeit, doch nichts gravierendes. Doch die Beträge häuften sich. Sie waren unauffällig, nichts deutete darauf hin, dass sie vorsätzlich herbeigeführt wurden, doch etwas störte Kaiba an der Sache.

Schnell überschlag er im Kopf die Summe der Beträge, kam zu einem erschreckenden Ergebnis und einen leisen Verdacht.
 

Etwa vier Stunden später hatte er die traurige Gewissheit. Innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre, seit Aufbau der neuen Kaibacorporation, waren Geldmengen in Höhe von rund mehr als 30 Millionen Yen verschwunden. Wenn man die Umsätze der Kaibacorp bedachte war das wenig, doch Kaiba ging es um das Prinzip.

Abgesehen davon, war so eine Geldmenge selbst bei der Kaibacorp ungewöhnlich. Besonders wenn sie verschwand.

Kaiba hatte den Verdacht, dass noch vor seiner Zeit Gelder verschwunden waren, doch Gewissheit hatte er erst wenn er sich die alten Akten besah.

Er sah auf die Uhr, halb acht, die ersten Angestellten betraten das Gebäude. Kaiba musste sich beeilen, wenn er nicht den Leuten von der Buchhaltung über den Weg laufen wollte. Momentan war jeder verdächtig.

Schnell zog er sich das Sakko an, das er der Bequemlichkeit halber abgelegt hatte, richtete seine Krawatte und fuhr sich durchs Haar.

Dann ging er im gemäßigten Tempo aus seinem Büro und fuhr mit dem Fahrstuhl in den Keller der Kaibacorp, das Archiv.

Auf dem Weg durch die weit reichende Kelleranlage begegnete er Gott sei dank niemand seiner Mitarbeiter. Die Leute der Buchhaltung kamen generell spät und gingen auch spät. Im Anbetracht seiner eigenen Arbeitsmethoden und seinem Tempo, hatte Kaiba entschieden, dass seine Angestellte im Rahmen der Möglichkeiten, dass Tempo selbst bestimmten.

Für ihn selbst bedeutete das meistens, dass er morgens vor der Schule drei Stunden im Büro arbeitete, nach der Schule eventuelle Hausaufgaben machte, dann abermals ins Büro fuhr und dort bis spät abends blieb. Bei wichtigen Projekten und in den Schulferien passierte es öfter, dass er gar nicht nach Hause kam und im Büro schlief. Zu diesem Zweck hatte er sich ein Bad einrichten und eine Garnitur Anzüge und Schuluniformen dort bereit legen lassen.

Für seine Angestellte bedeutete dies: „Macht wie ihr wollt. Macht es wann ihr es wollt. Nur macht es und vor allem, macht es richtig!“

Merkwürdigerweise funktionierte diese unorthodoxe Firmenpolitik, besonders bei den Leuten im Kreativbereich, die sowieso eine gewöhnungsbedürftige Arbeitsmethodik hatten.
 

Wieder einmal konnte sich Kaiba zu seiner Entscheidung, die Arbeitszeiten seinen Leuten selbst zu überlassen, nur beglückwünschen. Die wenigsten Buchhalter, genau genommen keiner, kam so früh in die Firma, da sie wussten, dass die richtige Arbeit erst später anfiel, oder sie waren Langschläfer. Gleitzeit hatte nicht zu unterschätzende Vorteile und damit war nicht nur die Produktivität seiner Mitarbeiter gemeint.

Also konnte er in Ruhe nach den besagten Akten suchen. Dies fiel nicht leicht, weil er nicht genau wusste, von welchem Zeitraum an die Unregelmäßigkeiten verliefen. Und vor allem, musste dies auf die herkömmliche Methode von statten gehen, da die alten Akten noch längst nicht digitalisiert waren. Er musste sich etwas anderes einfallen lassen.

Kaiba überlegte, welcher seiner Angestellten, von Beginn der Firmengründung der neuen Kaibacorp an, schon in seinen Diensten stand. Das waren einige hauptsächlich die alten Hasen, die ihr Metier wie kein anderer verstanden und somit leider auch die Hauptverdächtigen waren. Kurz kam Kaiba in den Sinn einfach die Zuständigkeitsnummern zu überprüfen, doch die Idee verwarf er wieder. Der Täter war mit Sicherheit nicht so dumm, seine eigene zu benutzen. Viel mehr würde er den Gelderschwund auf mehrere Zuständigkeiten verteilen, um so von dem Verdacht abzulenken. Und während Kaiba so vor sich hinrätselte, griff er auf gut Glück zu einer Akte von vor zwanzig Jahren und siehe da, auch da gab es bereits Unregelmäßigkeiten.

Seine Gedanken überschlugen sich, wer stand schon seit über zwanzig Jahren in den Diensten der Firma?

Als ihm klar wurde, wer der Täter war, denn es konnte eigentlich nur einer sein, verfinsterte sich Kaibas Miene gewaltig.

Nicht nur, dass dieser Mann sein Chefbuchhalter war, nein, er war auch noch einer seiner wenigen Freunde… und sein gesetzlicher Vormund.

Kaiba schwante, dass sich da noch weitaus mehr Probleme über ihn zusammen brauen würden.
 

***
 

Kirika schwante es nicht nur, mittlerweile wusste sie, dass sie vor einem nicht unsäglichen Problem stand.

„Verdammte Scheiße!“ entfuhr es der jungen Frau, als sie das Dokument überflog, welches sie gerade aus dem Briefkasten geholt hatte.

„Warum, zum Teufel, kommt so was erst jetzt?“ Fragte sie niemand bestimmten während sie ihre Wohnungstür aufschloss. Genervt ließ sie sich auf eine der vielen Umzugskisten nieder.

„Toll! Kann so was nicht kommen, bevor man um den halben Erdball reist?“

Der Grund ihres Zornes war der Brief, den sie gerade geöffnet hatte.

Kirika war zwar gebürtige Japanerin, doch seit ihrem zweiten Lebensjahr von britischer Staatsbürgerschaft und hatte dort gelebt und studiert. Doch dummerweise hatte sie nach ihrem Abschluss keinen Job gefunden. Momentan gab es im ganzen vereinigten Königreich einen gewaltigen Lehrerüberschuss und mit ihrem Abschluss hatte sie keine Chance an einer Privatschule angenommen zu werden. Dabei war der gar nicht so schlecht, nur halt nicht gut genug. Also musste sich Kirika nach einer Stelle im Ausland umsehen. Das war kein so leichtes Unterfangen, Literaturlehrer wurden nicht allzu häufig gebraucht. Außer in Japan, nach einigen Reformen in der Bildungspolitik wurde nun häufig nach Lehrkräften gesucht, die nicht nur in japanischer Literatur sondern auch in internationaler bewandert waren.

Für Kirika kein Problem. Sie war japanischstämmig, beide Elternteile waren dort geboren und sie hatte das Bushido und unzählige Haikus genauso verschlungen wie Hamlet und die gesammelten Werke von Chaucer, und das in der jeweiligen Verfassungssprache.

Kirika glaubte zwar nicht, dass sie im japanischen zu unglaublichen Schreibergüssen fähig war, da war ihr das Englische doch ein bisschen näher, doch ihre paar tausend Schriftzeichen kannte sie wohl, ihren Eltern sei dank, und die Aufforderung sie nicht mit langweiligen und völlig unnützen Ausreden zu behelligen, warum die Hausaufgaben mal wieder nicht gemacht worden waren, konnte sie zur Not auch noch in vier weiteren Sprachen aufsagen.

Kirika meldete sich also bei einer auf Bildungsaustausche spezialisierte Vermittlungsfirma an und bekam schon nach kurzer Zeit einige viel versprechende Angebote.

Nach drei Monaten war alles so weit geregelt, dass sie nach Japan überfliegen konnte, und nun das!
 

Wenn Sie nach ihrer dreimonatigen Arbeitserlaubnis in Betracht ziehen die japanische Staatsbürgerschaft oder eine unbeschränkte Arbeiterlaubnis zu erlangen, müssen Sie, zum Zeichen Ihres guten Willens, eine gemeinnützige Beschäftigung (ehrenamtliche Tätigkeit in einem Jugendzentrum, Tierheim, staatlich anerkannte Hilfsorganisation etc.) aufnehmen. Las sie den einen Absatz noch mal durch.

„Leckt mich doch alle mal am Arsch!!!“ seufzte sie und ging zu einem anderen Absatz über.

„Der Nachweis über eine solche Tätigkeit, die frühestens nach einem halben Jahr beendet werden darf, muss spätestens sechs Wochen vor Ablauf der Arbeitserlaubnis und Beginn der Staatsbürgerschaft/unbeschränkten Arbeitserlaubnis erbracht werden.“

Stolperte Kirika weiter über das sperrige Japanisch der hiesigen Bürokratie.

Toll, heißt das, ich muss in den drei Monaten sechs Monate Zivildienst stecken und dass sechs Wochen, bevor ich hier ewig versauern darf, den Leuten hier mitteilen? Oder hab ich da mal wieder was falsch verstanden?

Das könnte allerdings gut sein, wie sich Kirika ungern erinnerte.

Beim obligatorischen Einwanderungstest war es gewesen, als sie beinahe die Mitgliedschaft einer weltbekannten Terrororganisation bejahte. Gott sei dank war sie von einem freundlichen Mitarbeiter der Vermittlungsfirma darauf hingewiesen worden.

„Wo steht denn die Telefonnummer von dem Laden?“ murmelte sie und überflog den Briefkopf. „Ah ja.“

Sie schnappte sich das Telefon und machte sich daran die Unklarheiten zu beseitigen.

Nach dem siebten Läuten hob jemand ab.

„Staatliche Ein- und Auswanderungsbehörde, Fujishima mein Name, was kann ich für Sie tun?“ Kirika zog eine Grimasse, als sie die Standardbegrüßung für Staatliche Einrichtung, Nummer Zwo hörte.

„Mein Name ist Kirika Hanamoto, ich bin vor kurzem von England hierher gezogen und habe heute einen Brief zum Thema unbeschränkte Arbeitserlaubnis und… Moment, wie war das? Gemeinnützige Beschäftigung erhalten.“

„Augenblick, ich verbinde.“

Fünf Minuten Beethovens Kleine Nachtmusik und Kirika hatte den richtigen an der Strippe. Kurz schilderte sie dem Herrn ihr Problem.

„Nein, Frau Hanamoto, es reicht aus wenn sie während der drei Monate eine gemeinnützige Arbeit angetreten haben. In drei Monaten können sie ja schlecht sechs Monate ableisten.“

„Das ist mir auch klar“, antwortete Kirika. „Doch was meinen Sie, was ich schon alles mit Behörden erlebt habe. Das war in meiner Familie der ,running gag’ schlechthin. Erst die Auswanderung aus Japan, die Einwanderung nach Großbritannien, Staatsbürgerschaftbeantragung, Arbeitserlaubnisse… Meine Eltern waren froh aus Japan draußen zu sein und nun hab ich nichts Besseres zu tun, als wieder einzuwandern.“

Der Mann am anderen Ende der Leitung kicherte höflich.

„Es gibt nur ein Problem Frau Hanamoto. Die Warteliste für solch eine Tätigkeit ist lang und die Wartezeit beträgt mittlerweile fünf Monate. Hat man sie nicht bei ihrer Auslandsarbeitsagentur darauf hingewiesen? Die Anmeldung dafür kann man auch leisten, wenn man noch nicht in Japan wohnhaft ist.“

„Das muss denen glatt entfallen sein.“ Meinte sie trocken. „Reicht ein Platz auf so einer Warteliste nicht aus?“

„Leider nicht. Sie müssen wenigstens einen Tag gearbeitet haben und diese Tätigkeit, wenn nichts anderes übrig bleibt, nach Ablauf der befristeten und dann deren Umwandlung in die unbefristeten Arbeitserlaubnis bzw. Staatsbürgerschaft, fortführen.“

Kirika staunte erst über die Fähigkeit des Mannes so gedrechselt zu reden, bis sie einen reichlich undamenhaften Fluch von sich gab, allerdings auf Englisch. Verstanden hatte der Mann ihn dennoch.

„Gesundheit.“ Meinte er höflich und bewies damit, dass englischer Humor nicht nur in England zu finden war.

„Ja, ja.“ Wimmelte Kirika zerstreut ab. „Und da gib es keine andere Möglichkeit?“

„Leider nein. Doch… Moment… Vielleicht…“

„Ja?“ fragte sie und es stieg ein wenig Hoffnung in ihr auf.

„Hanamoto, der Name kommt mir bekannt vor. Besonders ihr Vorname, Kirika.“

„Ja und?“ fragte die besagte, nun etwas flapsig.“

„Gab es nicht vor etwa zwanzig Jahren diesen Firmenchef? Der ist doch auch nach England ausgewandert, wenn ich mich nicht irre. Der hatte doch irgendetwas mit der damaligen Kaibacorp am Hut.“

Kirika seufzte: „Sie meinen Daisuke Hanamoto, angeheirateter Cousin zweiten Grades von Gozaburo Kaiba. Damals einer der Manager der Kaibacorp. Nach einem Streit zwischen den dreien, also zwischen Daisuke und Akane, Kusine Gozaburos auf der einen Seite und Gozaburo selbst auf der anderen, kündigte Daisuke, verkaufte seine Anteile und wanderte mit seiner Frau nach England aus, wo er bis zu seinem Tod nicht mehr einen Fuß in die Gebäude der Kaibacorp setzte. Das war vor fünfundzwanzig Jahren und ich war damals gerade mal zwei.“

„Dann sind sie also…?“

„Ich bin Daisuke Hanamotos Tochter.“ Seufzte sie abermals. Gerade in Japan war dieser Aufruhr um ihre Person und noch mehr, um die Zerrüttung ihrer Eltern mit dem ehemaligen großen Firmenmagnaten, extrem. Besonders extrem nervig!

„Nun, wo ich nun ihre Familienverhältnisse kenne, gäbe es da eine Möglichkeit.“

„Ich höre?“ Vielleicht hatten ihre Verwandtschaftsverhältnisse doch eine gute Seite.

„Ein Freund von mir ist Familienrichter, der hätte vielleicht was für sie.“

„Aha.“ Konnte Kirika nur noch krächzen. Richter! Was würde nur das wieder werden?
 

***
 

Kaiba kam zu einem ganz ähnlichen Schluss, als mitten in der Sorgerechtsverhandlung, der Richter den Saal verließ. Zwei Monate hatte es gedauert bis sämtliche Missstände in der Buchhaltung aufgezeigt worden waren und die Strafverfolgung ihren Gang nahm. Man hatte die fehlenden Gelder mit viel List und Tücke, und mit einigem Einfluss seitens Kaiba, letztendlich bei einigen Nummernkonten der Schweizer National Bank gefunden und Kaiba selbst schaffte das Ding der Unmöglichkeit und transferierte das Geld wieder dort hin wo es hingehörte. Es waren über zwei Millionen Dollar gewesen.

Das Problem war der Täter selbst. Mit dem Auftauchen des Geldes war es nicht schwierig Kaibas Verdacht zu bestätigen und dann letztendlich den Chefbuchhalter zu überführen. Er würde für lange Zeit nicht mehr das Tageslicht zu sehen bekommen.

Und das ließ ein noch viel größeres Problem aufs Parkett treten.
 

Wie schon gesagt, war der Herr Kaibas und Mokubas gesetzlicher Vormund gewesen. Und das wurde nun zu einem Problem. Mit dem Gang hinter schwedischen Gardinen war es klar, dass der werte Herr Ex-Chefbuchhalter das Amt als gesetzlicher Vormund der Gebrüder Kaiba nicht mehr ausüben konnte. Die Frage war nun, wer machte es dann?

Kaiba hatte für sich die vorgezogene Volljährigkeit beantragt damit er für Mokuba das Sorgerecht übernehmen konnte. Das Problem war nur, dass er nicht schon in ein paar Monaten, wie es bei so einem Antrag üblich war, volljährig wurde, sondern erst in zwei Jahren!

Im Geschäftsbereich war das komischerweise kein Problem. Kaiba war sechzehn gewesen, als er die Firma übernahm und damit zum größten Teil geschäftsfähig. Es gab nur wenig, wie zum Beispiel große Fusionen und ähnliches, welche er ohne den Aufsichtsrat tätigen konnte. Doch als er achtzehn wurde, hatte sich auch das erledigt.

Blieb nur noch das leidige Thema Sorgerecht.

Und während sein kompetenter und überaus teurer Rechtsanwalt das Plädoyer des Jahrhunderts hielt, warum man Kaiba die Volljährigkeit zwei Jahre vor der Zeit billigen sollte, erhielt der Richter einen Anruf, unterbrach die Sitzung für die nächsten zwei Stunden und eilte von dannen.

Kaiba fühlte sich verarscht.
 

***
 

Und Kirika ebenfalls. Eine Stunde nach dem Telefonat mit dem überaus geschätzten Vertreter der örtlichen Behörden, Herrn Ichii, kam vom selbigen der Rückruf.

„Könnten Sie innerhalb der nächsten halben Stunde zum Gericht der Südstadt kommen? Herr Richter Yumi erwartet Sie, bezüglich Ihres Problems.“

Kirika konnte, fragte sich nur ob sie auch wollte! Es nutzte ja alles nichts. Betend, ob sie um diese Zeit noch ein freies Taxi bekommen würde, U-Bahn fahren traute sie sich angesichts ihres nicht vorhandenen Orientierungssinns nicht zu, verließ Kirika ihre Wohnung.

Fünfzehn Minuten später war sie am Gericht und ihre Nerven waren blank. Solche Taxifahrer hätte sie in New York erwartet, aber doch nicht hier im feinen Domino!

Mehr gekrochen, als gelaufen erkundigte sie sich nach dem Herren Richter, der ihr bei ihrem „kleinen“ Problem helfen konnte.

„Büro 3.49. Dritter Stock, im Nordflügel, auf der rechten Seite. Können Sie gar nicht verfehlen.“ Kirika konnte nur müde lächeln. Sicher doch, sie hatte ja auch so einen guten Orientierungssinn.

Wider Erwarten fand sie es doch.

Nach kurzem Anklopfen wurde sie auch schon herein gebeten.

„Frau Hanamoto?“ begrüßte sie ein streng aussehender älterer Mann. „Mein Name ist Yumi. Wie mir zu Ohren gekommen ist, haben Sie ein kleines Problem mit den örtlichen Einwanderungsbestimmungen.“

„Klein ist gar kein Ausdruck.“ Erwiderte Kirika gequält und schilderte dem Herrn kurz ihre Lage.“

Nach zehn Minuten lehnte sich Richter Yumi nachdenklich in seinem Sessel zurück. „Ich verstehe. Sie brauchen unbedingt einen Nachweis über die Beschäftigung im gemeinnützlichen Bereich, da sie vorhaben länger als drei Monate in Japan zu verweilen.“

„Vorhaben würde ich das nicht nennen. Es wurde mir praktisch so diktiert!“ stellte Kirika klar. „Hören Sie, mir wurde nur deshalb die Stelle an der Domino – Highschool gegeben, wenn ich mich dazu bereit erkläre, sie länger als nur sechs Monate auszuüben. Ich habe einen Zweijahresvertrag abgeschlossen.“

„Und es hat Sie niemand auf die Bestimmungen hingewiesen?“

Kirika schüttelte den Kopf.

Der Richter seufzte und sah Kirika ein Weilchen schweigend an.

„Sie sagten, sie wären eine Highschoollehrerin?“

„Ja, für Literatur um genau zu sein. Warum fragen Sie? Wenn Sie darauf anspielen wollen, dass ich ja die Aufsicht für irgendeinen Club an meiner Schule übernehmen könnte… Das wird leider nicht anerkannt. Auf die Idee bin ich nämlich schon selbst gekommen.“

„Das meine ich gar nicht. Es ist nur interessant, dass Sie ausgerechnet an der Domino angestellt sind.“

„Na ja, sie ist eine staatliche Schule. Die Privaten können sich wohl bessere Lehrer leisten. Worauf wollen Sie hinaus?“ Langsam aber sicher wurde Kirika ungeduldig.

„Um ehrlich zu sein, sind Sie für mich ein Geschenk des Himmels. Ich bin nämlich momentan Vorsitzender einer Sorgerechtsverhandlung, die ich für Ihre Angelegenheit kurz unterbrochen hatte“,

Ja, reibe mir noch Salz in die Wunden, dachte die junge Frau zerknirscht, als ihr einfiel wie sehr sie die örtlichen Instanzen schon strapaziert hatte.

„Und in anbetracht Ihres Berufes und Anstellung…“ Ja?

„… und Ihrer Person…“ Nicht schon wieder die Leier.

„… würden Sie mir und Ihnen sehr helfen, wenn Sie diese meine Verhandlung zu einem positiven Abschluss brächten.“ Schön, wenn ich ihnen helfen kann.

„Sie werden also der gesetzliche Vormund von Seto und Mokuba Kaiba, dies wird Ihnen auch bei Ihrer Einwanderungsproblematik weiterhelfen.“

„WAS?!“ Kirika fiel aus allen Wolken.

Yumi redete einfach weiter: „Soweit ich mich erinnere sind Sie doch mit den Kaiba Brüdern verwandt.“

„Ich war die Kusine dritten Grades von Gozaburo Kaiba und die zwei sind adoptiert!“ entfuhr es Kirika entrüstet.

„Na bitte!“ meinte der Richter fröhlich und nicht auf ihren Tonfall eingehend. „Das ist doch perfekt!“ Damit wandte er sich zum Gehen. Kirika folgte ihm.

„Nichts ist perfekt! Es ist ja sehr freundlich, dass Sie mir helfen wollen, aber Sie können mich doch nicht so einfach überrumpeln!“

„Wieso? Wie gesagt, eine Vormundschaft wird von der Behörde anerkannt und ich habe mir sagen lassen, dass die Gebrüder Kaiba sehr pflegeleicht sind. Jedenfalls, was das Thema gesetzlicher Vormund angeht.“

„Das sind Kaibas! Die sind niemals pflegeleicht!“

„Ich dachte, die zwei wären adoptiert?“

Diese Eigenschaft vererbt sich automatisch mit dem Namen.“ Bemerkte Kirika trocken.

„Komisch, und warum heißen Sie dann nicht Kaiba?“

„Werden Sie ja nicht frech, Sie…!“

Yumi seufzte. „Warum sträuben Sie sich so? Es wäre doch nur für ein Jahr. Spätestens dann wird der ältere Kaiba abermals die vorgezogene Volljährigkeit für sich beantragen. Die ihm dann auch wahrscheinlich gewährt wird.“

„Und warum nehmen Sie dann für die Zeit nicht Kaibas Gärtner oder so? Und war nicht erst die Rede von sechs Monaten und nicht einem ganzem Jahr?“

„Weil dies nicht die übliche Vorgehensmaßnahme ist. Man versucht erst einen Verwandten zu finden, der dies übernehmen kann. Und ob nun ein halbes oder ein ganzes Jahr, die Vormundschaft würde vermutlich sowieso fast nur auf dem Papier bestehen. Ich bezweifle, dass Seto Kaiba eine größere Einmischung in seinem Leben akzeptieren würde.“

„Ach, und warum hat man mich dann nicht vor zwei Jahren konsultiert, als Gozaburo verschwand?“

„Waren Sie da nicht gerade an Ihrer Doktorarbeit beschäftigt?“

„Sie meinen die, die ich vermasselt habe? Sie wissen ja gut bescheid. Aber ich dachte, diese Vormundschaftsgeschichte wäre sowieso eine rein formelle Angelegenheit, warum mir dann nicht einfach die Vormundschaft vor zwei Jahren übergeben und mich einfach in England in Ruhe weiter mein Leben versauen lassen?“

Mittlerweile waren die beiden fast am Verhandlungssaal angelangt.

„Erstens, sollte man sich für solch eine Aufgabe wenigstens im gleichen Land befinden. Zweitens, gehört dann doch noch ein wenig mehr dazu“, entgegnete ihr der Richter.

„Welch Überraschung!“ murmelte die junge Frau, diese Bemerkung wurde jedoch von ihrem Gesprächspartner gründlich übergangen. Stattdessen ging er dazu über, ihr weitere Argumente an den Kopf zu werfen, warum ausgerechnet sie für diese Aufgabe geeignet wäre. Gleichermaßen trat ihm Kirika vehement mit Gegenargumenten gegenüber, warum sie ausgerechnet nicht die richtige Wahl war. So gern sie auch in diesem Land bleiben wollte und so sehr sie diesen Job brauchte, aber sie konnte sich einfach besseres vorstellen. Und wenn sie in der örtlichen Bahnhofsmission Suppe verteilte!

„Frau Hanamoto, es gibt keinen triftigen Grund warum Sie mein Anliegen ablehnen!“ Nun wurde Richter Yumi doch etwas ungehalten! Diese Frau war ja nun wirklich nervenaufreibend störrisch und dickköpfig. Er öffnete die Seitentür zum Gerichtsaal und trat ein. Dicht gefolgt von einer offensichtlich genervten und zunehmend zornigeren Kirika, der nun endgültig der Kragen platze.

„Doch gibt es! Schon mal daran gedacht, dass ich keine Lust habe Babysitter für zwei picklige Teenager zu spielen?!“

„Wie bitte?“ ertönte nun eine für Kirika unbekannte Stimme. Sie drehte sich um und blickte in ein Paar blaue Augen. Ein Paar überaus ärgerlich dreinblickende blaue Augen! Doch die junge Frau war nicht zu bremsen.

„Richtig gehört! Wer bin ich denn, die amtliche Kummerkastentante, wenn das Herz ganz dolle pocht und die Hormone sprießen? Mein Gott, ich bin doch selbst noch ein halber Teenager und habe ganz sicher keine Lust darauf still und sittsam diesen verwöhnten Kaibagören hinterher zu steigen, weil sich diese auf illegalen Saufpartys rum treiben, wenn ich selbst vor noch nicht allzu langer Zeit Stammgast auf solchen Veranstaltungen war!“

Die verärgerten blauen Augen richteten sich nun auf Richter Yumi.

„Herr Richter, Sie wollen doch nicht ernsthaft diese Person zum Vormund meines Bruders und mir ernennen! Meinen Sie nicht, dass ich alt genug…“ Seto Kaiba hatte wie gewohnt erstaunlich schnell kombiniert. Yumi hatte mittlerweile wieder am Pult platz genommen.

„Herr Kaiba ich habe Ihren Antrag äußerst sorgfältig von allen Seiten beleuchtet. Trotz Ihrer unglaublichen Leistungen in der Geschäftswelt, bin ich der Meinung das man Ihnen… wie soll ich sagen? Dass man Ihnen noch ein paar Jahre unbeschwerten Leichtsinns gönnen sollte, bevor Sie die komplette Verantwortung über Ihre Taten trifft. Ihr Antrag auf vorgezogene Volljährigkeit ist abgelehnt. Die Vormundschaft über Seto und Mokuba Kaiba fällt auf Frau Kirika Hanamoto. Sie sind Lehrerin an einer Highschool, Frau Hanamoto! Also erzählen Sie mir nichts!“

Damit fiel der Hammer und wenn man Kaibas und Kirikas Gesichter sah, könnte man denken auf die Nägel zu ihrem Sarg.

Zwei Sekunden brauchten die zwei um das ganze zu realisieren.

„Aber Herr Richter! Sie können mich doch nicht einfach so überfahren!“ Kirika.

„Wenn Sie glauben, dass ich DAS einfach so hinnehme…!“

„RUHE!!!“ donnerte es. „Herr Kaiba, sein Sie froh das ich Ihnen Ihre Geschäftprivilegien nicht auch noch aberkenne! Und Sie Frau Hanamoto, anbetracht Ihrer offensichtlichen aber unverständlichen Abneigung gegenüber ein Paar Teenager, die auf Grund Ihres Berufes gar nicht haben dürften…“

„Ich habe nicht allgemein was gegen Teenager, nur die zwei sind mir…“ Und das in einem Fall sogar unbekannterweise!

„RUHE!!!“ brüllte Richter Yumi ein zweites Mal. „Eigentlich dachte ich mir, dass Sie Ihr Amt als Vormund bequem über die Domino – Highschool ausüben können, da Herr Seto Kaiba Schüler dieser Schule ist. Doch in anbetracht der Umstände sehe ich mich gezwungen, dass ein engeres Verhältnis zwischen Ihnen angebracht ist.“

„Was soll das heißen?“ tönte es von beiden, Kirika und Kaiba.

„Ganz einfach, Frau Hanamoto. Sie werden bei Seto und Mokuba Kaiba einziehen!“

„WAS????!!!!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  jyorie
2013-11-22T05:18:45+00:00 22.11.2013 06:18
Hey ◠‿◠

Ich dachte ja zuerst, bei dem nicht namentlich
genannten Vormund, würde es sich um Roland
handeln. Aber scheinbar doch nicht, den das hätte
mich sehr geschockt, wenn er Geld hinterzogen
hätte. Ich frage mich gerade, ob seto den rechtstreit
auch heraufbeschworen hätte, wenn er an den
Bevormundungsprozess gedacht hätte.

*grinst* welch ein Zufall, das gerade da Kirika
hamamoto auftaucht, die mit gozaburo verwandt ist.
Als der Gesetzlicher Vormund nicht mehr da ist

Ich fand die Szenen klasse, wie sich Kirika mit dem
Richter und seto gezankt hat, das sie keinen bock
hat. Hi hi und jetzt soll sie. Bei seto einziehen.

Ich freu mich schon darauf, wie es weiter geht.

CuCu, Jyorie

Von:  JK_Kaiba
2011-10-10T16:21:02+00:00 10.10.2011 18:21
Kaiba bekommt einen Vormund, der auch noch bei ihm einziehen soll und wohl nicht nur ja und amen zu allem sagt ?!
Bin mal gespannt wie das weiter geht, besonders wo sie auch noch Lehrerin an seiner Schule ist.
Vor allem hat mir gefallen, wie die sich aufgeregt hat, über angeblich pubertierende Teenager, aber der gute Kaiba ist wohl alles andere als ein pubertierender Teenager und ich glaub das wird sie auch noch feststellen :D
lg
Von:  Currywurstbrot
2011-08-28T23:33:04+00:00 29.08.2011 01:33
wie cool xD
also mir gefällts, besonders wie sich die beiden über ihre situation freuen =P
dein schreibstil gefällt mir und die idee sowieso
hoffe es geht weiter
lg =)


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