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Ausgerechnet Er...

von

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Crescendo

Der Klang von Eri Kisakis Absätzen hallte von der Straße wider, und aus den resultierenden Stampfgeräuschen hätte selbst jemand, der Eris zorngerötetes Gesicht nicht sah, eine Ahnung ihrer Wut erlangen können. Wie hatte sie dieser Flegel nur so behandeln können? Dieser Mann, in den sie sich vor einer Zeit, die ihr endlos weit zurück schien, verliebt hatte? Sie wusste nicht genau, was sie im momentan eigentlich dermaßen aufregte. Die Dreistigkeit Kogoros, mit der er ihr den Staubsauger, den immerhin sie ihm geliehen hatte, nicht zurückgeben wollte, war keinesfalls der ausschlaggebende Grund. Sicher, es störte sie, aber über eine derartige Banalität hätte sie sich normalerweise nicht aufgeregt. Nein, es war etwas anderes. Sein Tonfall, als er sie gebeten hatte, der Detektei fernzubleiben. Normalerweise eher eine gespielte Genervtheit war es ihr diesmal so vorgekommen, als wenn ihr Mann tatsächlich ihr Fernbleiben gewünscht hatte. Die ernsthafte Dringlichkeit seiner Stimme, die so gar nicht zu seinen üblichen Ausreden passte. Als wenn diesmal wirklich etwas Wichtigeres als ihr Besuch in seinem Kopf war. Als wenn er sich nicht mehr insgeheim freute, ihre Stimme zu hören. Sie schluckte, als eine Träne aus ihrem linken Auge ihre Wange hinunterlief. Das war es, was sie verletzte hatte. Diesmal waren es nicht die üblichen Geplänkel gewesen. Diesmal hatte er es ernst gemeint.

Schlagartig blieb sie stehen. Die Wohnung dieses Mannes wollte sie tatsächlich aufsuchen? Diese Wohnung, in der es nach Bier und Zigarettenqualm stank? In der er sie offenbar keinesfalls haben wollte? Mit einem Mal verflog ihre Entschlossenheit und sie blieb stehen. Wen interessiert schon der lächerliche Staubsauger? Wenn der feine Herr etwas Besseres zu tun hat und mich um keinen Preis in seiner Wohnung haben will, dann soll er mich dort auch nicht haben.

Weitere Tränen flossen aus ihren Augen und verwischten die sorgfältig aufgetragene Schminke, die sich dort – heute waren weder Geschäfts-, noch Gerichtstermine, noch hegte sie Ausgehpläne – scheinbar ohne jeden Grund finden ließ. Mit einem traurigen Schnauben machte Kisaki auf dem Absatz kehrt.
 

Auch Moris Keuchen hätte jedem, dem es zu Ohren kam, viel über seine momentane Lage verraten. Die ihm ins Gesicht geschriebene Panik transportierte es nur allzu gut. Offensichtlich hörbar hatte er alles Menschenmögliche aus seinem Körper herausgeholt und seiner Raucherlunge schier abnorme Dinge zugemutet.

Als er schließlich vor der Detektei Mori angekommen war, ließ er seinen Blick fahrig umherschweifen. Nirgends war eine Menschenseele zu sehen, was ihn einerseits erleichterte, andererseits ängstigte. Dass keiner der mysteriösen Verbrecher, die Uragiri getötet hatten, zu sehen war, war oberflächlich betrachtet gut, doch andererseits traute er diesen Kerlen absolut zu, sich zu verstecken und ein Sichtkontakt hätte die nervöse, an einen Horrorfilm erinnernde Spannung genommen.

Dies war der letzte klare Gedanke, den Mori noch fassen konnte, bevor er die Tür erblickte, durch die man zur Detektei gelangen konnte. Sie wirkte auf den ersten Blick verschlossen, war jedoch tatsächlich leicht angewinkelt.

Moris ohnehin hoher Herzschlag explodierte in einem Maß, das ihn glauben ließ, sein Herz würde sich jeden Moment aus seinem Körper katapultieren, während sein Atem stockte.

War Eri bereits vor ihm angekommen? Hatte sie bereits die Detektei betreten?

Ohne noch eine weitere Sekunde zu zögern, zog Mori die Waffe, die er dem Ganoven abgenommen hatte, und stürmte auf die Tür zu. Statt sie vorsichtig beiseite zu schieben, trat er sie rücksichtslos auf und stürmte hinein. Eindrücke aus seiner Umwelt nahm der bewaffnete Privatdetektiv nur noch stark eingeschränkt wahr, sonst hätte er dem Wegen Krankheit geschlossen-Schild, welches auf dem Fenster des Cafés unter der Detektei klebte, wohl mehr Beachtung beigemessen. Doch so interessierte ihn nur eins.

Eri. Mit eiligen Sätzen preschte Kogoro die Treppenstufen hinauf, nahm teilweise zwei, teilweise drei der Stufen auf einmal, bis er schließlich vor der braunen Tür angekommen war. Der kurze Moment, den er zum Verschnaufen brauchte, genügte, um das leise Wimmern an sein Ohr zu tragen, das aus der Detektei drang. Hastig wollte er die Tür aufreißen, doch sie war verschlossen. Seinen Hausschlüssel zu benutzen, kam ihm nicht in den Sinn, für Logik war in seinem jetzigen Geisteszustand kein Platz. In einem energischen Wurf schleuderte er sich gegen die Tür, die seiner geballten Kraft jedoch standhielt. Ohne dem Schmerz in seinem Rücken Beachtung zu schenken, warf der Privatdetektiv sich ein zweites Mal und drittes Mal gegen die Barriere, bis das Schloss schließlich brach.

Der Inhaber des Café Poirot hatte ebenso ironisches wie außerordentliches Glück, dass seine Grippe ihn genau an dem Tag überfiel und ans Bett fesselte, an dem sein Lokal zum Hinterhalt einer Verbrecherorganisation erwählt worden war. Andernfalls hätte der Mann, der nun in seinem Café stand und in ein Mobiltelefon flüsterte, ihm wohl etwas weitaus Tödlicheres als eine vorübergehende Krankheit verpasst.

„Bestätigen Sie Sichtkontakt mit Mori?“

„Ja, er ist hier eben wie von der Hummel gestochen vorbei gerannt.“

„Er hat Sie nicht gesehen?“

[align type="left"] „Nein, ich habe mich hinter dem Tresen versteckt.“

„Gut, wo ist Mori jetzt?“[/align]

„Er wird in seine Detektei gehen. Da erledigt Rum ihn dann.“

„Was? Dann braucht ihr Rye ja gar nicht?“

„Ja, Rum hat ihn in letzte Minute abziehen lassen und zum HQ geschickt, er müsste gleich bei Ihnen eintreffen.“

„Dieser Verrück – “

Mit einem Mal zerfetzte es die Luft. Die ohrenbetäubende Detonation der Kofferbombe ließ selbst im Café das Geschirr erbeben. Einzelne Teller und Tassen stürzten auf den Boden und zerbrachen.

Der Handlanger fuhr zusammen. Für Momente war in seinen Ohren nichts als schrilles Fiepen, dann erst gelangte die Frage seiner Gesprächspartnerin an sein Ohr.

„Was zur Hölle war das?“

„ICH WEISS ES N– “

Rums Kugel traf ihn genau im Hinterkopf. Das Blut, das zwischen die Tellerscherben spritzte, erinnerten den alten Mann makabererweise an eine heruntergefallene Schale Dip. Was brachte ihn bloß ihn auf solche Assoziationen? Er seufzte und beeilte sich dann, die Treppe hoch zu rennen. Er hatte nicht viel Zeit.

Kogoro wusste nicht, was ihm am Meisten wehtat, als er das Bewusstsein wiedererlangte und sich verkrümmt vor dem Eingang seiner Detektei fand. Seine gebrochene Nase, die einen weiteren Schlag erhalten hatte, seiner Glieder, mit Brandflecken und Splittern übersät, oder der Anblick seiner Detektei, der sich ihm durch die zerstörte Tür bot. Sicherlich war sie bereits vorher alles andere als ordentlich gewesen, doch jetzt hatte die buchstäbliche Bombe tatsächlich eingeschlagen. Alles war vollkommen verkohlt, der kleine Tisch in der Mitte des Raumes existierte nicht mehr und das Sofa, von dem er vor kurzer Zeit noch in friedlichen Träumen gefallen war, stand nun in Flammen da. Die Fotografie von Eri flatterte langsam zu ihm herunter, doch auch sie war von den Flammen zerfressen worden und zeigte bloß noch die Haarpracht der Frau. Tränen bildeten sich in den Augen des Privatdetektivs, doch er war sich nicht sicher, ob sie von dieser Entdeckung oder dem beißenden Rauch der verbrennenden Sofapolster herrührten. Er schluckte, als er zusah, wie der letzte Rest des Fotos ebenfalls verbrannte. Vielleicht war Eri in dieser Flammenwolke gewesen. Vielleicht auch nicht. Es macht jetzt keinen Unterschied mehr, er konnte ihr jetzt nichts mehr sagen. Ihr nichts erklären. Sich nicht entschuldigen. Und Ran. War dieses Telefonat mit den klischeehaften Elternratschlägen, die er ihr gegeben hatte, nun das letzte gewesen, was sie von ihm hören sollte? Nicht einmal Ich hab dich lieb hatte er ihr vollständig zu sagen vermocht. Ich bin wohl doch ein schlechter Vater gewesen.

Er war sich in nichts mehr sicher. Was für ein spärliches Konzept er bis eben gehabt haben mochte, die Sprengung seiner Detektei, hatte ihn auch aus diesem gebracht. Wer auch immer dafür verantwortlich war, wem auch immer die Schritte, die jetzt von der Treppe her erklangen, zuzuordnen waren, diese Person hatte ihn besiegt. Diese Person hatte vielleicht soeben seine Frau in die Luft gesprengt, oder seine Frau war nie hier gewesen, wer wusste das schon? Ganz sicher würde diese Person ihn gleich töten, seiner unglückseligen Existenz ein Ende setzen.

Natürlich, resignierte Kogoro. Ich bin vermutlich der einzige Detektiv, der er schafft, bei seinem ersten großen Auftrag von wahnsinnigen Verbrechern ermordet zu werden. Vermutlich ist das auch ein Rekord. Memento Mori. Haha.

Als Rum bei ihm angekommen war, waren die einzigen von Moris Muskeln, die noch taten, was er wollte, in seinem Gesicht. Um also nicht untätig zu sein, lächelte Mori.

Immerhin sind es nicht die Zigaretten, die mich umbringen.

Milde Überraschung zeigte sich in seinem Gesicht, als der alte Mann über ihm nicht die erwartete Pistole, sondern ein Tuch hervorzog und es ihm ins Gesicht drückte. Kurz roch Mori den beißenden Gestank des Chloroforms noch, dann versank er in einen traumlosen Schlaf.
 

Wermuts Fluchen passte gar nicht zu ihrer sonst gefasst-arroganten Persönlichkeit. Doch seit der Kontakt zu Rums Mitarbeiter abgebrochen war, schien ihr die Sache außer Kontrolle. Was war da los, woher war diese enorme Lärm gekommen? Explosionen? Pistolenschüsse? Beides? Am Liebsten wäre sie selbst sofort vom Hauptquartier aus losgefahren, doch falls bei der Detektei das befürchtete Drama eingetreten war, würde sich das Gesicht einer berühmten Schauspielerin in der Nähe nicht gut machen. Also hatte sie ein Team vorbereitet, welches sich in diesem Moment auf den Weg machen sollte. Ihr Handy klingelte. Das Display zeigte Piscos Nummer an, den sie zur Leitung der Truppe ausgewählt hatte.

„Hier Wermut.“

„Sie sollten mal aus dem Fenster sehen.“

Was?

Hastig eilte sie zu dem großen Glasfenster und zuckte zusammen. Ihr roter Sportwagen stand in Flammen und vollkommen zerfetzt auf dem Parkplatz. Wie nach einer Explosion. Aber wer könnte das...? In dem Wagen war ich doch zuletzt mit... Sie erschrak plötzlich. Ein schrecklicher Verdacht keimte in ihr auf. Ohne weitere Worte drückte sie den Anruf weg und begann, eine SMS zu tippen.
 

AN: Anokata
 

Boss, haben Sie einen Befehl für Gins Entbindung von der Mission Mori gegeben?
 

Die Antwort kam wesentlich früher als üblich. Kein gutes Zeichen.

Nervös öffnete sie die SMS, in aller Hoffnung, nicht ihren Verdacht bestätigt zu bekommen. Ihre Hoffnung wurde nicht erfüllt.
 

AN: Wermut
 

Nein. Begründung der Frage?
 

Sie ließ ihr Handy fallen, sodass es unsanft auf dem Teppichboden aufschlug.

Ich habe früher oft falsch SOS gefunkt. Ich wurde nie erwischt.“ Ein kalter Schauer lief ihr angesichts dieser Erinnerung über den Rücken. Wie konnte ich so einen Fehler machen? Und noch viel wichtiger, wie kann ich ihn wiedergutmachen? Schnell ließ sie sich die Situation durch den Kopf gehen, versuchte, sie so gut es ging zu analysieren. Den Kontakt zu Rums Mitarbeiter habe ich sicher verloren, weil er ihn umgebracht hat. Also...
 

Ihr Gedankenfluss wurde von einem erneuten Handyklingeln unterbrochen, wieder war es Pisco.

„Sie haben einfach aufgelegt. Was ist los?“

„Rum hat uns hintergangen, das ist los!“

„WAS?!“ Piscos überraschtes Gebrüll klang ihr unangenehm in den Ohren, was die Lage nicht besser machte. „Ich fahre sofort zur Detektei Mori.“

„Nein!“, befahl Wermut energisch. „Schlimmstenfalls lauft ihr nur der Polizei in die Arme. Rum hat das alles genau geplant, er hat dafür gesorgt, dass keine Mitglieder unserer Organisation sich in seiner Nähe befinden. Zu mir sagte er, ich solle ins HQ fahren. Aber wenn ich das nicht getan hätte, sondern in der Nähe geblieben wäre und im Auto gewartet hätte, hätte mich wohl die Bombe erledigt. Gin hat er mit einem gefälschten Funkspruch von der Mission abgezogen. Und Rye hat er sich wohl auch nur zuteilen lassen, um eines unserer besten Mitglieder irgendwohin wegschicken zu können. Was auch immer er vorhat, er hat es gut geplant. Und wenn er wollte, dass ich beim HQ bleibe, bedeutet das, dass wir ihm vom HQ aus nichts anhaben können. Rum macht da keine Fehler, das ist nicht sein Stil.“

„Was tun wir dann?“

„Ich habe keine Ahnung.“
 

Rum hatte seinen Wagen gerade noch rechtzeitig um die Ecke biegen lassen, um den penetranten Sirenen der Feuerwehrautos entkommen zu können. Er grinste und blickte auf die Rückbank, auf der Kogoro Mori ohnmächtig und zusammengesackt saß. Bis jetzt läuft alles nach Plan. Er lächelte. Zeit für den Anruf. Mit einem Lächeln auf den Lippen wählte er Wermuts Nummer. Sie nahm sofort ab.

„Rum, was hast du vor?!“

„Erinnerst du dich noch an unser erstes Treffen?“

Sie antwortete nicht, also machte er einfach weiter.

„Damals hast du mir einen Handel vorgeschlagen, jetzt will ich dir einen vorschlagen.“

Sie klang skeptisch.

„Einen Handel?“

„Ja,“ Er drehte seinen Kopf nach hinten und sah sich nach Kogoro um. „ich will euch etwas verkaufen. Aber wenn ihr es nicht kauft, werdet ihr daran ersticken. Und ich verkaufe nur zu einem Preis.“

„Welcher Preis?“

„Meine Schwester.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  TeuflischGuterOtaku
2013-03-04T15:49:36+00:00 04.03.2013 16:49
Der Name dieses Kapitels gefällt mir besonders :D
Antwort von:  Corab
13.03.2013 22:20
Ja, ich mag ihn auch. :)


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