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Adolescent Hellsing

von

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Tag 02 :: Vigoroso

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DISCLAIMER

Hellsing (c) Kouta Hirano- sama. *sniff*
 

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Gleich am Morgen des darauffolgenden Tages stand Integras herbeizitierter Schneider vor der Tür, diesmal mit mehreren undurchsichtigen Anzugtaschen. Walter war zugegebenermaßen neugierig, aber Integra - die offenbar schon regelrecht auf das Eintreffen des Schneiders gelauert zu haben schien - tat ihm nicht den Gefallen, ihm in Vorfeld auch nur eine Frage bezüglich dieser Angelegenheit zu beantworten. Sie zog sich mit ihrem neuerworbenen Gut wieder zurück und ließ sich eine ganze Weile nicht mehr blicken.
 

Als sie es schließlich doch tat, hätte Walter sie beinahe nicht erkannt.
 

Wie schon am Vortag trat sie ihm auf der Treppe entgegen, als er mit dem Mittagessen zu ihrem Zimmer unterwegs war - aber im Gegensatz zu gestern trug sie einen dunkelgrünen Anzug und eine blaue Schleifenkrawatte, sogar neue, dunkle Lederschuhe. Sie sah aus, als wäre sie um zwei Jahre gealtert.
 

Walter riss sich von dem Anblick los, um einen leicht unsicheren Ausdruck in ihren Augen wahrzunehmen. Er erinnerte sich wieder daran, dass sie jetzt Zustimmung brauchte... und es war nicht so, als dass er selbige spielen müsste.
 

"Oh!", rief er aus. "Nicht schlecht, Integra- sama, das sieht sehr gut aus!"

Integra sah ihn nur regungslos an, doch das unsichere Flackern verschwand aus ihren Augen, und das genügte Walter als Reaktion.

"Wollt Ihr wieder nichts zu essen heute?", wollte er besorgt wissen.

"Doch. Ich nehme es mit." Integra drehte sich zu ihm um, und Licht fiel durch das Fenster auf das Kreuz, das an dem Knoten der blauen Schleife befestigt war. Walters Augen weiteten sich leicht.

"Oh, Ihr habt das Kreuz gefunden? Euer Vater hat es die ganzen letzten Jahre überall gesucht!"

"Es lag in einem Ordner im Schreibtisch. Wieso, ist was damit?"

"Nein.", lächelte Walter leicht abwesend. "Euer Vater hat es Eurer Mutter geschenkt, sie hat es allerdings nie getragen... Aber wenn Ihr es jetzt habt, ist es ja doch noch zu etwas gut."

"... Aha.", sagte Integra unbewegt, nahm ihm mit einem "Danke" das Tablett ab und verschwand in Richtung Arbeitszimmer.
 

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"Im Namen der Queen von England... nein... Ich begrüße Sie zu... nein... Soldaten von Hellsing, ich habe euch zusammengerufen, um euch mitzuteilen, dass.... AAAH!"
 

Frustriert knüllte Integra den Zettel zusammen und biss wieder auf ihrem Stift herum (es beruhigte sie irgendwie, auf etwas herumzukauen, wenn sie wütend war). Warum machte sie das hier eigentlich? Niemand zwang sie, eine Ansprache an ihre Truppen zu richten!...

Aber immerhin war sie der neue Sir Hellsing. Es war wichtig, dass nicht nur die Queen oder die anderen Sirs sie akzeptierten, sondern auch ihre Truppen - denn schließlich waren *sie* es, die die Arbeit an der "Front" erledigten.
 

Andererseits... offenbar kam man ja auch ohne sie aus. Sie bedachte den Ordner vor ihr mit einem finsteren Seitenblick. Es war ein Rapport eines Einsatzes, der in der vergangenen Nacht stattgefunden hatte - und Walter hatte es augenscheinlich nicht für nötig gehalten, sie auch nur mit einem Wort darüber zu informieren. Seine besten Absichten in allen Ehren, aber es änderte nichts an der Tatsache, dass sie vor Wut kochte. Was sollte das, wollte er sie als hübsches Galionsfigürchen des Schlachtschiffes Hellsing dastehen lassen?
 

"Nicht mit mir.", murmelte sie aufgebracht. "Sobald diese Ritterschlagung gelaufen ist, rede ich mit den Truppen und..."

Sie unterbrach sich, als in einer Ecke des Zimmers ein dunkler Schatten materialisierte.

"... und wer hat *dich* gerufen, Alucard? Hast du nichts Besseres zu tun? Kannst du nicht mal tagsüber schlafen, wie es sich für euch Blutsauger gehört?"

"Ebenfalls einen guten Morgen, Miss Hellsing!", entgegnete der Vampir mit leichter Ironie, in der zweifelhaften Freude, als Frustventil herhalten zu müssen. "Schlecht gelaunt?"
 

Integra überging diese Bemerkung. Wenn Alucard schon mal da war, konnte sie genauso gut schon mal eins- zwei Dinge regeln.
 

"Heute Abend ist ein Treffen mit Maxwell. Und du kommst mit."

Der Vampir entblößte grinsend die Fänge. "Mit Vergnügen, Master."

"Und du tust *genau*, was ich sage, verstanden?", hakte sie nach. "Ich will keinerlei Kapriolen oder sonstiges dummes Zeug deinerseits erleben!"

Alucard beschloss, Integra einmal mehr zu testen. Nach dem Gespräch zwischen Walter und ihr gestern mussten ihr sicher Zweifel an ihrer Autorität gekommen sein.
 

"Habt Ihr keine Angst, dass ich euch nicht gehorchen könnte?"
 

"In dem Fall frisst du ein paar Silberkugeln.", sagte Integra kalt. "Lass endlich diese Spielereien. Du sagtest selbst, ich sei dein Meister... also hör auf, mich ständig zu diesen kleinen Kämpfchen herauszufordern!"
 

Alucard lächelte nur. Also ließ sie sich nicht in ihrem Kurs beirren. *Anders als ihr Vater. Er hat sich jedes Mal wieder auf diese "Kämpfchen" eingelassen.*
 

"Hast du das begriffen, Alucard?"

"Sicher, Meister."

"Dann komm mit. Wir gehen jetzt zu den Truppen. Je früher sie sich an dich gewöhnen, desto besser."

Alucard hob die Augenbrauen. Integras plötzlicher Entschluss schien auf der Logik "Wenn ich einen Meistervampir herumkommandieren kann, dann auch meine eigenen Truppen" zu beruhen, denn sie schien keinen weiteren Gedanken an den zerknüllten Vorschreibezettel zu verschwenden. Energisch hob sie den Hörer ihres Telefons und wählte eine kurze Nummer.

"Kommandant Ferguson? Integra hier. Ich will, dass sich alle Soldaten sofort auf dem Hof einfinden."

Damit legte sie auf und stiefelte wortlos aus dem Zimmer, nicht ohne ein aufforderndes Kopfnicken in Richtung Alucard.
 

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Ein leises Raunen ging durch die Reihen der knapp 150 versammelten Soldaten und sonstigen Angestellten, als das ungleiche Paar ein paar Minuten später den Innenhof betrat. Integras Mut sank, fast bereute sie ihre Aktion wieder. Für einen Moment rang sie um Worte - und warf schließlich kurzerhand alle Rhetorik über Bord.
 

"Meine Herren, ich habe Sie rufen lassen, um Sie über einige Veränderungen in Kenntnis zu setzen. Wie Sie wissen, werde ich ab morgen offiziell die Führung dieser Organisation übernehmen." Sie räusperte sich kurz - sie musste noch viel lauter und energischer sprechen! Sie war jetzt hier der Boss! "Das hier ist Alucard - möglicherweise kennen ihn die Älteren unter Ihnen noch. Er wird von heute an die erste Einheit begleiten und im Falle von Schwierigkeiten unterstützen. Und um Sie von vornherein davon zu informieren - er ist ein Vampir."
 

Das Flüstern verstärkte sich, doch Integra überging das.
 

"Es besteht wegen ihm kein Grund zur Sorge für Ihre Sicherheit, aber ich zwinge niemanden, hier zu bleiben. Wer es nicht mit seinen Moralvorstellungen vereinbaren kann, mit ihm zusammenzuarbeiten, darf gerne gehen. Gibt es dazu noch irgendwelche Fragen?"
 

Schweigen. Alles starrte abwechselnd von ihr zu Alucard, der immer noch leicht grinsend hinter Integra stand und jeden Soldaten einzeln fixierte.
 

"Schön.", schloss Integra, als sich immer noch niemand meldete. "Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe auf eine gute Zusammenarbeit." Sie wollte sich zum Gehen wenden, doch hielt gerade noch inne, um die Hellsing' sche Losung anzubringen. "Möge der Segen Gottes und der Queen mit Ihnen sein. Amen."

Damit stiefelte sie davon, begleitet von einem vielstimmig gemurmelten "Amen" der Truppen.
 

"Hervorragend, Miss Hellsing.", murmelte der Vampir ihr zu, als sie wieder die Eingangshalle durchquerten. "Ihr habt genau den richtigen Ton getroffen. Sie waren sehr beeindruckt von euch, besonders dieser Alte in der ersten Reihe."

"Dieser *Alte* heißt Ferguson und ist der Leiter deiner zukünftigen Einheit.", informierte Integra ihn. "Und natürlich ist er erstaunt. Bisher war ich in seinen Augen höchstens der kleine blonde Sonnenschein des Hauses."

Alucard lachte auf. "Sonnenschein? Er verkennt euch..."

Integra schenkte ihm den eisigsten Blick, zu dem sie fähig war, und er hob abwehrend die Hände. "Das war ein Kompliment!"

"Darauf kann ich *bestens* verzichten. Wie wäre es, wenn du dich jetzt wieder in deinen Sarg legst und mich in Ruhe arbeiten lässt?"

Bei der Gelegenheit fiel ihr wieder ein, dass Alucard noch gar nicht gesagt hatte, warum er überhaupt hier am helllichten Tag herumstrich. Doch bevor sie entsprechende Frage verbalisieren konnte, war er zwei Schritte zurückgetreten und mit der holzvertäfelten Wand verschmolzen.

"Wie Mylady befiehlt. Ruft mich, wenn Ihr mich braucht."
 

Integra starrte stumm die Wand an, in der er verschwunden war. Sie wurde einfach nicht schlau aus diesem Vampir.
 

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Lautlos betrat Alucard sein Quartier in den tiefsten Verliesen der Hellsing- Villa. Man konnte sehen, dass Walter hier gewesen war, auf dem Tisch standen ein paar gekühlte Blutkonserven, das Zimmer war vollständig sauber und aufgeräumt und sein Sarg- Bett glänzte frisch poliert (dem war zuvor nicht so gewesen, der Staub von zwei Jahrzehnten hatte sich ebenso häuslich eingerichtet wie Spinnweben und Kellerasseln). Alucard ließ sich auf den Stuhl mit der riesigen Lehne fallen und legte die Beine hoch.
 

Und tat nichts.
 

Es waren kaum zehn Minuten, die den No Life King abermals zu dem Schluss kommen ließen, dass Unsterblichkeit und Fähigkeiten jenseits menschlicher Maßstäbe nur eine Seite der Medaille waren - die andere war extreme, tödliche Langeweile. Die Arbeit bei Hellsing war eine einzige Unterforderung. Er war mächtig genug, um mehrere Tage und Nächte ohne irgendwelchen Schlaf oder Ruhe auszukommen, und so wollte sich nicht einmal Müdigkeit einstellen. Desinteressiert leerte er die Blutkonserven und unterdrückte ein gelangweiltes Gähnen.
 

*Ihr mieser Abschaum da draußen.*
 

Er konnte die Vampire Londons in ihren Löchern wahrnehmen, diese minderwertigen Moskitos, für deren Untergang es nur einen Hauch von Sonne bedurfte - oder ein Fingerschnippen seinerseits, zumindest metaphorisch gesehen. Feige krochen sie nachts hervor, wagten sich hier und da an ein Opfer und verschwanden sofort wieder in ihren Verstecken, sofern Hellsing sie nicht eliminierte. Einzelne, feige Streicher, billiger Müll. Nichts für sein Kaliber; nichts, für das es sich lohnte, loszuziehen und es zu beseitigen; nichts, wofür sein Siegel auch nur einen Millimeter gelockert werden müsste. Wenn nicht für eben diesen Abend ein Wiedersehen mit seinen speziellen Freunden von Iscariot bestünde, hätte Alucard sich aus lauter Langeweile wohl selbst eine Kugel in den Kopf gejagt.
 

Und doch...
 

Es waren ungewöhnlich viele Vampire da draußen. Abschaum, aber definitiv mehr als gestern.
 

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Als Integra wieder im dritten Stock angekommen war, stand Walter bereits an der Tür zum Arbeitszimmer, offensichtlich auf sie wartend.

"Das habt Ihr sehr gut gemacht, Integra- sama." Dass er sie mit diesem Worten begrüßte, ließ annehmen, dass er ihre kleine Ansprache auf dem Hof von einem Fenster aus mitverfolgt hatte. "Die Truppen scheinen sich mit Alucard recht gut abzufinden."

"Etwas anderes würde ich ihnen auch nicht empfehlen.", entgegnete sein Schützling leicht ironisch, während sie das Arbeitszimmer betrat. Walter folgte ihr.

"Ich wollte Euch vorhin nicht in Eurer Rede unterbrechen, aber gerade waren die Botschafter der Queen hier. Sie haben uns die Details für die Zeremonie morgen mitgeteilt."
 

Integra horchte auf. Für einen Moment hatte sie die anstehende Zeremonie fast vergessen. Überhaupt... Sie, ein Ritter... was für eine absurde Idee.
 

"Macht Euch keine Gedanken darüber, es handelt sich ja nur noch um eine Formsache.", beruhigte Walter eine Sorge, die sie nicht geäußert hatte. "Ihr sollt lediglich morgen um 20.00 Uhr im Buckingham Palace erscheinen, wahlweise mit Begleitung. Ich glaube nicht, dass es lange dauern wird."
 

Integra antwortete immer noch nicht. Gedankenverloren ließ sie sich in ihrem Lehnstuhl nieder. Sie kannte die Queen nur vom Sehen - ihr Vater hatte sie hier und da auf einige wenige Empfänge oder andere Feierlichkeiten mitgenommen. Da Hellsing jedoch eine geheime Organisation war, bestand die einzige Verbindung zwischen dem Institut und ihrer Auftragsgeberin zumeist nur durch die beiden Männer, die von Zeit zu Zeit aufkreuzten und die neusten Befehle oder Botschaften übermittelten. Nur selten wurden telefonische Verabredungen getroffen, da die Queen Abhörungen fürchtete.
 

Was sie wohl von ihr, Integra, dachte? Traute sie ihr wirklich zu, diese Aufgabe zu übernehmen? Erst jetzt ging Integra auf, dass die Übernahme Hellsings durch sie bereits direkt nach dem Tod ihres Vaters von der Queen genehmigt worden war...
 

Das war schon seltsam. Warum sollte sie, ohne zu zögern, einem kleinen Mädchen (das sie trotz ihrer Anstrengungen immer noch blieb) so eine verantwortungsvolle Aufgabe übertragen? Entweder, das Vertrauen der Queen in ihren Vater war groß genug, um anzunehmen, dass er seine Tochter zu einer fähigen Anführerin erzogen hatte... oder aber, und diese Möglichkeit gefiel Integra überhaupt nicht, die Queen interessierte sich einen feuchten Dreck dafür, ob sie die Aufgabe nun bewältigen würde oder nicht.
 

Walter gab es auf, auf eine verbale Reaktion Integras auf die Neuigkeiten aus dem Königshaus zu warten. Stattdessen ging er nun schweren Herzens zu der weniger erfreulichen Nachricht über.
 

"Die Botschafter kamen übrigens auch im Auftrag des Runden Tisches. Die anderen Mitglieder haben für morgen Mittag eine Sondersitzung beantragt... um nicht zu sagen, verlangt. Sie wollen Euch wohl zuerst näher kennen lernen, bevor die Queen Euch offiziell als Nachfolger Eures Vaters bestimmt."
 

Wie erwartet riss diese Neuigkeit Integra aus ihren Gedanken.
 

"'Kennen lernen', sicher!" Wütend richtete sie sich in ihrem Sessel auf und ballte die Fäuste. "Sag schon, was für Hindernisse haben die sich jetzt für mich ausgedacht?"

Beschwichtigend hob Walter die Hände.

"Beruhigt euch, Integra- sama. Ohne Zweifel darf man vermuten, dass sie Euch auf die Probe stellen wollen... aber von rechtlicher Seite her ist nichts Einschneidendes von ihnen zu erwarten; sie können schließlich nicht gegen den Willen der Queen handeln. Bedenkt allerdings, dass sie Eure zukünftigen Kollegen und Arbeitspartner sind. Ihr solltet versuchen, einen möglichst guten Eindruck zu hinterlassen."
 

Integra schob stirnrunzelnd die Brille weiter auf die Nase und massierte sich gedankenverloren die Schläfen. Wie es aussah, stand wirklich nur Walter bedingungslos hinter ihr. Allen, aber auch wirklich *allen* in ihrer Umgebung musste sie sich beweisen, sogar ihrem mehr oder weniger selbsternannten vampirischen Diener. Es war extrem ermüdend.
 

Walter schien ihr ihre Sorge anzusehen. "Sie haben nichts gegen Euch, sie sind nur neugierig, da bin ich mir sicher. Immerhin liegt auch ihnen nichts an einem schlechten Verhältnis zu Euch."

Er machte eine Pause, als wöge er jedes Wort mit Bedacht ab.

"Nur vor Sir Islands solltet Ihr Euch in Acht nehmen. Er könnte versuchen, Euch in ein schlechtes Licht zu rücken. Die Idee, dass ihr Hellsing weiterführt, scheint ihm nicht sonderlich zu gefallen. Und vor allen Dingen - seid vorsichtig ihm gegenüber in allem, was Alucard angeht. Sir Islands war schon damals gegen die Idee, ihn als Waffe gegen andere Vampire einzusetzen und war maßgeblich an der Entscheidung beteiligt, Alucard einzusperren. Ob er allerdings weiß, dass er wieder frei ist, kann ich nicht genau sagen."
 

Integras Müdigkeit verflog sichtlich, und Ärger blitzte stattdessen in ihren Augen auf. "Sir Islands oder sonst wer, keiner von diesen blöden Sesselfurzern wird mir vorschreiben, was ich zu tun habe!", fauchte sie so böse und entschlossen, dass Walter vor Schreck das Monokel herunterfiel.

"Integra- sama!"

"Ist doch wahr!"

Mürrisch und mit verschränkten Armen starrte Integra Walter über den Schreibtisch hinweg an. Sie sah dabei so sehr wie ein störrisches Kind aus, dass der Shinigami unweigerlich lächeln musste. Es tat gut, sie zur Abwechslung mal wieder so zu sehen.... und sogar von Integra selbst schien ein wenig Spannung abgefallen zu sein.
 

Jetzt schien eine gute Gelegenheit zu sein, sein eigentliches Anliegen zur Sprache zu bringen.

"Was ich in dieser Sache noch fragen wollte... habt Ihr euch entschieden, wegen dem Treffen mit Maxwell? Werdet Ihr Alucard wirklich mitnehmen?"
 

Sofort verhärtete sich ihr Gesichtsausdruck wieder.

"Es *war* längst entschieden." Kühl musterte sie ihn mit ihren eisblauen Augen. "Alucard kommt mit. Und ich sehe keinerlei Problem darin."
 

Stille.
 

"Allerdings... jemand muss mich hinfahren. Würdest du das übernehmen?"
 

Walter lächelte in sich hinein - also war die junge Lady wohl doch noch nicht so selbstsicher, wie sie tat. Sie hätte einfach den hauseigenen Chauffeur anfordern können, aber offenbar wollte sie ihn doch lieber bei dieser Konfrontation dabeihaben (was ihm nur allzu Recht war).
 

"Ein Kulturzentrum auszuwählen, das passt zu Maxwell. Was steht eigentlich heute Abend auf dem Programm?", fragte er, nachdem er ihre Bitte bejaht hatte.

"Ich glaube kaum, dass das wichtig ist...", entgegnete Integra, suchte aber trotzdem auf dem Schreibtisch nach den Karten. "Aha... ,Le damnation de Faust' von Hector Berlioz." Verstimmt runzelte sie die Stirn. "War Faust nicht jemand, der sich mit dem Teufel verbündete und immer tiefer ins Unheil verstrickt wurde? Soll das wieder eine von Maxwells dummen Anspielungen sein?"
 

Sie erwartete keine wirkliche Antwort von Walter sondern begnügte sich damit, die Karten missgelaunt wieder auf den Schreibtisch zu pfeffern. "Ich hasse ihn.", murmelte sie. "Ich kenne ihn noch nicht mal persönlich, aber ich hasse ihn jetzt schon! Allein für diesen widerlichen, verlogenen Brief... MISTKERL!"
 

Den beiden hingeschleuderten Konzertbillets folgte krachend eine geballte Faust. Ihre Haare waren Integra ins Gesicht gefallen, so dass Walter ihre Miene nicht erkennen konnte, doch er konnte sehr wohl sehen, wie ihre Schultern zu zittern begannen. Von einem Moment auf den anderen war sie wieder ganz das Kind, das vor fünf Tagen Vollwaise geworden war.
 

"Lass mich in Ruhe!", fauchte sie grob, als Walter näher herantrat. "Ich muss endlich mit diesem Kram weitermachen, sonst werde ich nie fertig..." Wahllos zog sie einen Umschlag aus dem immer noch beträchtlichen Postberg und vergrub ihr Gesicht darin. "Geh und... hol mir einen Tee oder irgendwas..."
 

Es war klar, dass sie allein sein wollte. Und Walter konnte nur bedrückt gehorchen.
 

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Eine eigentümliche Stimmung herrschte abends in dem Wagen, in dem Walter Integra und Alucard am Abend zum Treffpunkt fuhr. Walter warf verstohlen einen Blick in den Rückspiegel; der Anblick eines No Life Kings, der sich in einem Auto umherkutschieren ließ, war schon eigenartig. Integra war jedoch im entscheidenden Moment nicht klargewesen, dass Alucard ganz andere Fortbewegungsmittel zur Verfügung standen, und so hatte sie ihm einfach bedeutet, in das Auto zu steigen (was er dann ausnahmsweise ohne einen weiteren Kommentar getan hatte). Im Nachhinein wollte sie sich selbst für ihre Dummheit ohrfeigen, aber nun war es zu spät.

Und so saßen die beiden da, der riesenhafte Alucard trotz der großzügigen Innenraummaße ziemlich eingeklemmt zwischen Bank und Vordersitz, Integra dagegen klein und verloren wirkend in den cremefarbenen Ledersitzen der Limousine.
 

Klein und verloren, ungefähr so fühlte sich Integra gerade auch. Schwerer denn je fühlte sie das Gewicht des Colts unter der Jacke ihres dunklen Anzuges. Und gleichzeitig hasste sie sich selbst für ihre Schwäche - sie hatte diesem Kerl selbstsicher gegenübertreten wollen, und nicht von vornherein eingeschüchtert!
 

In einem verzweifelten Versuch, die Stärke vom Nachmittag wiederzufinden, straffte Integra die Schultern und streifte kurz Walters Blick im Rückspiegel, bevor sie sich an ihren Nachbarn wendete.

"Hier sind nur zwei Karten in dem Umschlag. Halte dich also erst einmal versteckt, Alucard."

Der Vampir deutete ein Nicken an - kein Kommentar, kein provokantes "Yes, my Master!" oder sonstige Herausforderungen seinerseits. War er krank? Integra musterte ihn fragend, doch er ging nicht darauf ein. Es war, als wäre seine Konzentration gerade ganz woanders.
 

Doch Integra hatte jetzt wirklich andere Sorgen als den sonderbar einsilbigen Vampir, und so zuckte sie nur leicht mit den Schultern und starrte aus dem Fenster, wo sich die Leuchtreklamen der Stadt in den (wie immer) regennassen Straßen spiegelten. Stadtzentrum. Sie waren fast da.
 

"Wer in London lebt, entwickelt über kurz oder lang Kiemen, sonst ertrinkt er noch in all dem Regen.", warf Walter in diesem Moment ein, im Versuch, eine lockerere Stimmung zu erzeugen.

*Kiemen entwickeln oder ertrinken... das passt.* Integra verzog das Gesicht. Sie wollte gerade etwas antworten, als eine kleine, schnelle Bewegung Alucards sie davon ablenkte. Der Vampir schien etwas draußen hinter den verregneten Scheiben zu fixieren, er wirkte nahezu angespannt. Auch Walter war die minimale Änderung in seiner Haltung aufgefallen; er beobachtete den Vampir aufmerksam durch den Rückspiegel. Diesmal entschied sich Integra dazu, der Sache auf den Grund zu gehen.
 

"Sag mal, was ist eigentlich los mit dir?"
 

"Nichts, was Euch Sorgen bereiten müsste.", war die lakonische Antwort, die deutlich machte, dass auch nichts weiter als das aus ihm herauszubekommen sein würde. Integra runzelte verstimmt die Stirn - Alucard benahm sich wirklich eigenartig heute Abend - gab sich dann aber damit zufrieden, denn Walter bog in diesem Moment auf den Parkplatz der Barbican Hall ein.
 

"Also.", sagte sie, nachdem der Wagen stand und Walter schon dabei war, um selbigen herumzugehen, um ihr ganz hochherrschaftlich die Tür zu öffnen. "Du ziehst dich jetzt erst einmal zurück und tauchst nur dann auf, wenn ich dich rufe. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, ich will keine unangenehmen Zwischenfälle erleben!"

Alucard deutete ein weiteres Nicken an, dann verschwand er an Ort und Stelle, als hätte er sich in Luft aufgelöst. Seine eigenartige Schweigsamkeit begann Integra langsam wirklich Sorgen zu bereiten - wer wusste, was er im Schilde führt? - doch nun war es ohnehin zu spät. Sie stieg aus der Limousine, deren Tür Walter offen hielt und ging mit ihm auf den Eingang der Konzerthalle zu.
 

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*'Leviathan' also... an Selbstvertrauen mangelt es dir jedenfalls nicht.*
 

Alucard materialisierte direkt wieder dort, wo er vom Auto aus den ,Anderen' gesehen hatte. Der ,Andere', der ihm wie zum Gruß seinen Namen hinterlassen hatte. Dass er es wagte, ihn zu kontaktieren... er schien demnach kein hirnloser Blutsauger vom niedrigsten Niveau zu sein. Begeistert bleckte Alucard die Zähne.
 

*Zeig dich. Wir regeln das jetzt und hier.*
 

Doch es blieb alles still. Sein Herausforderer war wieder verschwunden.
 

Nicht so seine Artgenossen, wie Alucard im selben Moment feststellte. Was er gestern schon bemerkt hatte, setzte sich heute fort: es trafen immer mehr Blutsauger in London ein. Und es waren nun nicht mehr nur die schwächlichen, einzelnen Streuner, sondern durchaus ältere und mächtigere Vampire. Und was noch seltsamer war - keiner von ihnen rührte sich auch nur im Geringsten, was Angriffe auf die Menschen hier anging. Sie waren einfach nur da, als ob sie auf etwas warteten.
 

Alucard blieb regungslos stehen und lauschte auf die "Lebens"zeichen der anderen Untoten in der Stadt, auf einer Ebene, die Menschen nicht wahrnehmen konnten. Er lächelte finster.
 

*Was habt ihr vor, ihr Moskitos?*
 

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Nicht weit entfernt schallten hastige Schritte durch eine verlassene, regennasse Seitenstraße - Stöckelschuhe auf Kopfsteinpflaster. Ein Rauschen erhob sich in der Dunkelheit, und kaum zwei Sekunden später gellte ein spitzer Schrei durch den Abend.
 

"In nomine patri et filii et spiritu sancti. Amen."

"Amen."

"Holt sie euch."
 

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Nicht ohne Erleichterung stellte Walter fest, dass Integra sich nach dem Stimmungsausbruch vom Nachmittag wieder gefasst zu haben schien. Ihre Bewegungen waren sehr kontrolliert und ruhig, und ihr Gesicht zeigte ein unbewegtes Pokerface - eine Miene, die er in den folgenden Jahren öfter zu sehen bekommen sollte, bis sie schließlich zu ihrem Standard- Gesichtsausdruck wurde.

"Hat Maxwell irgendeinen genauen Treffpunkt genannt?", fragte er, während sie das Foyer betraten.

"Nein. Weißt du, wie er aussieht?"

Walter konnte nur den Kopf schütteln.

"Also müssen wir wohl warten, bis sich der Maestro von selber zeigt. Er weiß ja, wo unsere Plätze sind."
 

Besagte Plätze waren außerordentlich gut, wenn man bedachte, dass Integra und Walter nicht wegen des Stückes hier waren. Maxwell ließ sich nicht lumpen, dafür, dass er Hellsing hasste, dachte Integra ironisch, während vor ihr auf der Bühne Faust auf sein Verderben zuging. Der Handlung selbst folgte sie kaum, sie musste sich vielmehr zusammenreißen, um sich nicht ständig unter den Zuschauern nach Maxwell umzusehen.
 

"Wenn er sich jetzt nicht blicken lässt, gehen wir wieder!", zischte Integra Walter zu, als die Pause begann und sie beide im Foyer auf deren Ende warteten. "Ich sehe nicht ein, warum wir hier Ewigkeiten..."
 

Doch da stieß Walter sie leicht an und deutete mit einem Blick auf einen hochgewachsenen Mann, der in diesem Moment auf die beiden zukam. Er musste zwischen dreißig und vierzig Jahren alt sein und trug einen schlicht grauen Anzug mit einem langen schwarzen Mantel darüber. Sein sehr helles, langes Haar war bereits mit grauen Strähnen durchsetzt, und wenn nicht schon die Zielstrebigkeit, mit der er auf sie zusteuerte, so überzeugte doch zumindest das silberne Kreuz um seinen Hals Integra von der Tatsache, dass dies tatsächlich Enrico Maxwell war. Hinter ihm schlich ein einzelner, unauffälliger Mann her... was jedoch nicht bedeutete, dass nicht noch viel mehr Iscariot- Mitglieder in der unmittelbaren Umgebung herumstreunen konnten.
 

"Integra Wingates Hellsing.", begrüßte Maxwell sie freundlich lächelnd, als er schließlich bei ihnen angekommen war. "Es ist mir eine Ehre, Sie persönlich kennen zu lernen."

"Guten Abend.", entgegnete sie steif.

"Ich hoffe, Ihnen gefällt das Stück.", fuhr er im Plauderton fort, ihre Kühle übergehend. "Kannten Sie Faust vorher? Eine sehr eindrückliche Geschichte."

"Und so aktuell.", fügte Integra kalt hinzu. Sie hatte keinerlei Absichten, seinen Smalltalk mitzumachen. "Das wollten Sie doch sagen, oder?"
 

Maxwells Gesicht verzerrte sich leicht. Für einen kurzen Moment trat der Abscheu zu Tage, den er für die Tatsache hegte, sich mit einem kleinen Mädchen abgeben zu müssen.
 

"Offener Streit ist niemals eine gute Lösung zur Beilegung von Konflikten.", informierte er sie. "Ich war schon immer mehr für friedliche Wege."

"Sicher.", spottete Integra kalt. "Aus diesem Grund musste ja auch erst vor wenigen Jahren ein regelrechter Friedensvertrag zwischen Hellsing und einer Organisation geschlossen werden, die sich doch tatsächlich immer wieder gewaltsam in Angelegenheiten jenseits ihres Zuständigkeitsbereiches eingemischt hat."
 

Walter grinste innerlich. Integra lehnte sich ganz schön weit - gefährlich weit - aus dem Fenster, aber wahrscheinlich hatte sich Maxwell noch nie zuvor so etwas sagen lassen müssen. Er konnte nicht umhin, Integra in Gedanken zu applaudieren... sie wusste gut anzuwenden, was er ihr noch kurz vor der Abfahrt von der Geschichte der beiden Institutionen erzählt hatte.
 

Doch diesmal ließ sich Maxwell nicht aus der Ruhe bringen. Er winkte einen Kellner heran, der mit einem Tablett seinen Weg durch die Besucher bahnte, und nahm sich - als mustergültiger Abstinenzler - einen Orangensaft.
 

Integra griff prompt nach einem Sektglas.
 

"Hellsing...", sinnierte Maxwell. "Eine Organisation, die ungelogen überaus gute Dienste für ihr Land leistet."

Integra wartete schweigend ab, bis Maxwell fortfuhr.

"Doch in den besten Absichten geschehen die schlimmsten Verbrechen. Dazu gehört auch die Austreibung des Teufels mit Beelzebub."

"Wenn Sie damit Alucard meinen, frage ich mich ernsthaft, was *Sie* das angeht.", gab Integra zurück.
 

Maxwells Blick verhärtete sich. Lange würde er Integras Frechheiten nicht mehr so ruhig hinnehmen.
 

"Eine Menge. Die Iscariot- Institution..." - er machte eine Kunstpause - "... hat schon Untote ausgemerzt, bevor Luther lesen lernte. Dass die Königin dieses Landes es duldet, dass eine protestantische Organisation für die Eliminierung der Blutsauger andere Exemplare dieser Plage einsetzt, ist ein Problem insofern, als dass es unsere Jahrhunderte alte, vom HERRN gegebene Mission ist, alle - und ich wiederhole *alle* - Vampire vom Antlitz dieser Erde zu tilgen. Auch in England. Und auch die in Hellsings Diensten."

"Jegliche Aktion Iscariots auf den Britischen Inseln verstößt gegen den Vertrag.", hielt Integra dagegen.

"Der Vertrag!", wiederholte Maxwell höhnisch. "Den mein Vorgänger in seiner Unfähigkeit unterzeichnet hat. - Lassen Sie sich gesagt sein, *Sir* Hellsing..."
 

Er senkte seine Stimme bedrohlich und beugte sich vor. Integra trat aus Reflex einen Schritt zurück und verfluchte sich im nächsten Moment innerlich dafür. Maxwell lächelte süffisant, als er fortfuhr.
 

"Unter *meiner* Leitung setzt Iscariot keinen von Menschen abgeschlossenen Vertrag über SEINEN Göttlichen Willen."
 

Das war deutlich. Integras Gedanken rasten. Sie standen mitten im Foyer, umgeben von Menschen. Alucard jetzt herzuzitieren war unmöglich, und selbst wenn, was sollte er tun? Maxwell erschießen? Ihn in der Luft zerreißen? Ihm den Schädel einschlagen? So sehr Integra der Sinn danach stand, es war wohl nicht die empfehlenswerteste Lösung.
 

"Dann lassen *Sie* sich gesagt sein, *Pater* Maxwell, dass sich Hellsing auch unter *meiner* Leitung nicht von irgendwelchen fundamentalistischen Fanatikern ins Handwerk pfuschen lässt."
 

Maxwell richtete sich wieder auf und sah herablassend auf sie nieder. "Dann wollen wir mal hoffen, dass es überhaupt so weit kommt. Denn wie es mir scheint, hat zumindest Hellsings Leistung in der letzten Zeit erheblich nachgelassen."

"Was soll das heißen?", verlangte Integra wütend zu wissen.

"Mm- mmh." Tadelnd hob Maxwell den Zeigefinger und vollführte eine Geste, als belehre er einen ungehorsamen Welpen. "Der ,fundamentalistische Fanatiker' wird Hellsing nicht ins Handwerk pfuschen."

Er wandte sich zum Gehen.

"Auch wenn unser Treffen bedauerlicherweise nicht so freundlich ausgefallen ist, wie ich es mir erhofft hatte, so fand ich es doch recht... aufschlussreich. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend."
 

Kaum hatte er ausgesprochen und sich vollends umgedreht, als Maxwell gegen etwas - besser gesagt, jemanden - stieß, der wie ein Schatten hinter ihm aufgetaucht war. Der Anführer Iscariots erstarrte. Es war Alucard.
 

"Ich wünsche ebenfalls einen angenehmen Abend, Enrico Maxwell."
 

Pause. Es gongte zum ersten Mal zum Wiederbeginn der Vorstellung.
 

Der Angesprochene starrte den Vampir terrorisiert an, der im Gegenzug breit und fangzähneentblößend grinste. Mindestens ebenso terrorisiert starrte aber auch Integra, wenngleich auch aus anderen Gründen: sie konnte sich nicht erinnern, Alucard gerufen zu haben, was bedeutete, dass er ihr nicht gehorcht hatte. Was wiederum bedeutete, dass es mit ihrer Kontrolle über ihn nicht sonderlich weit her war.
 

Integra wurde fast übel vor Schreck, das war schlimmer als Maxwells dummes Geseiere von vorhin.
 

*Lass ihn in Ruhe, Alucard. Lass. Ihn. In. Ruhe!*, beschwor Integra ihn innerlich und versuchte verzweifelt, Blickkontakt aufzunehmen. Falls Vampire tatsächlich so etwas wie telepatische Fähigkeiten besaßen, mussten ihm jetzt förmlich die Ohren klingeln, so viel Nachdruck legte sie in diese Forderung. Dies war die letzte Chance. Wenn Alucard ihr jetzt nicht gehorchte, war alles aus.
 

Doch zu Integras grenzenloser Erleichterung blieb der furiose Eklat, den sie befürchtet hatte, aus. Nach ein paar weiteren Sekunden, die wie eine Ewigkeit schienen, grinste Alucard noch breiter, hob kurz grüßend den Hut und trat zur Seite. Maxwell stolperte förmlich an ihm vorbei, seine Selbstgefälligkeit wie weggeblasen, seine Blicke Dolche aus purem Hass.
 

"Wir kriegen euch alle, ihr verdammten Blutsauger.", zischte er, sich weiter entfernend, seinen stummen Begleiter im Schlepptau.

Auch Alucards Konturen verblassten, als wäre er nie da gewesen, während um ihn herum die Menschen wieder in den Saal strömten. Niemand schien überhaupt etwas bemerkt zu haben.
 

Es gongte zum zweiten Mal.
 

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"Wartet, Integra- sama...", versuchte Walter sie aufzuhalten, doch die Hellsing- Erbin riss die Tür auf, kaum dass der Wagen auf dem Hof der Villa angehalten hatte. Kochend vor Zorn stapfte sie auf die Eingangstüren zu und von der Halle aus direkt in den Keller.
 

Er hörte sie von Weitem.
 

Die Tür zu seinem Raum flog auf, und Integra stand mit gezogener Pistole auf der Schwelle. Der Lauf war direkt auf ihn gerichtet, ihre Hände zitterten vor unterdrückter Wut.
 

"Sag mir *einen* Grund, warum ich nicht abdrücken sollte. EINEN!"
 

Alucard blieb regungslos in seinem Stuhl sitzen, Beine auf dem Tisch und Arme hinter dem Kopf verschränkt. Er hatte nicht wirklich Grund zur Sorge. Die Waffe war mit zwar mit Spezialmunition geladen, doch er würde es wohl irgendwie überleben, selbst wenn Integra sich wirklich dazu entscheiden würde, ihn das ganze Magazin schmecken zu lassen.
 

"Warum diese Aufregung, Miss Hellsing?", fragte er ganz ruhig.
 

"Das FRAGST du noch?!" Integras Stimme überschlug sich vor Wut. Kochend vor Zorn rang sie nach Atem und bemühte sich nach Kräften, ihre Fassung wiederzuerlangen und zu wahren.
 

"Jetzt hör mir mal gut zu.", erklärte sie ihm schließlich gefährlich ruhig. "Wenn ich dir einen Befehl erteile, dann hast du ihn SO zu befolgen, wie ich das sage! Ich kann keine Organisation leiten, in der jeder macht, wozu er Lust und Laune hat. Wenn du nicht in der Lage bist, einfachste Anweisungen zu befolgen, bist du schneller wieder in deiner Zelle, als du deine Waffe ziehen kannst, verlass dich drauf!"
 

Alucard beobachtete sie weiterhin schweigend. Es war nicht ersichtlich, ob er ihre durchaus berechtigten Vorwürfe ernst nahm.
 

"Ich weiß ja nicht, wie du das siehst, aber das ist kein Spiel. Ich weiß auch nicht, was du dir alles bei meinem Vater erlauben konntest. Aber ich versuche hier zu arbeiten, und du wirst dich jetzt *endlich* entscheiden, ob du ernsthaft mitmachen oder weiterhin den Supervampir markieren willst!"
 

Immer noch kochend senkte Integra den Lauf ihrer Walter PPK und wandte sich zum Gehen.
 

"Ich erwarte dich morgen um neun Uhr im Arbeitszimmer, und dadurch, ob du erscheinst oder nicht, werde ich wissen, wie du dich entschieden hast. Wenn du danach allerdings weiterhin diese Spielchen durchziehst, wenn ich hiernach noch ein *einziges* Mal so eine Diskussion mit dir führen muss, dann GNADE dir Gott! Das ist die ALLERLETZE Warnung!"
 

Die Tür knallte, als Integra den Raum verließ und Alucard immer noch schweigend zurückließ.
 

- - - - - - -
 

Walter hatte zunächst vorgehabt, Integra in den Keller zu folgen - so wutgeladen wie sie war, beging sie vielleicht einen großen Fehler oder beschwor sonst irgendeine Katastrophe herauf. Doch er kam nur bis in die Eingangshalle, denn dort hielt ihn eine Sekretärin mit einer Mappe auf, die in dem Moment aus seinem Büro kam.

"Walter! Wir hatten einen Ghoul- Alarm!"

"Schon wieder?" Der Shinigami riss die Augen auf (und musste daraufhin sein Monokel wieder einklemmen, um die Papiere zu überfliegen, die die Frau ihm reichte).

"Na ja, nicht direkt. Es ist vielmehr...", begann sie, doch Walter sah im gleichen Moment, was sie meinte. Er nahm die hastig ausgedruckten Fotos aus der Klarsichtfolie - er spürte noch die Feuchtigkeit der Tinte - und hielt sie ins Licht.
 

"Der Alarm kam gleichzeitig aus Mayfair, New Cross und Killburn. Doch als die Truppen ankamen, war alles schon vorbei. Sie fanden insgesamt sieben erlegte Ghoule und drei Vampire."

"Mayfair, New Cross, Killburn... alles in der Nähe des Barbican." Der Shinigami betrachtete das entstellte Gesicht des Untoten, dass ihn aus dem Foto heraus anstierte. Ein seltsam geformtes Messer steckte in seinem abnormal verdrehten und vom Kopf getrennten Körper. Er war umringt von losen, mit Kleinstschrift bedruckten Papieren.
 

"Iscariot.", murmelte Walter.
 

- - - - - - -
 

*Ich muss völlig verrückt gewesen sein. Er ist ein Vampir! Der Erzfeind Hellsings! Was habe ich eigentlich erwartet?*
 

Es ging bereits auf Mitternacht zu, doch Integra lag immer noch hellwach in ihrem Bett. Sie zitterte am ganzen Körper, teils vor Wut, teils vor Aufregung, teils vor Anspannung. Obwohl das Treffen mit Maxwell im Grunde noch viel brisanter gewesen war, war ihr ganzer Kopf nur voll von Gedanken an ihren selbsternannten, aber unberechenbaren Diener. Was dachte der sich eigentlich? Seit sie ihn aus dem Verlies befreit hatte, nannte er sie "Meister" und heuchelte ihr Gehorsam vor, um sie im nächsten Moment mit seinen Herausforderungen und Machtspielchen zu provozieren und ihr ihre Unterlegenheit ihm gegenüber unter die Nase zu reiben. Verdammt noch mal, er sollte sich gefälligst endlich entscheiden!
 

Morgen früh würde das Theater ein Ende haben. So oder so.
 

*'Meister', pah! Wie konnte ich auch nur eine Minute lang denken, er würde mir wirklich gehorchen?*, dachte sie verbittert. *Wie konnte ich annehmen, dass ich ihn tatsächlich kontrollieren könnte?*
 

*Ihr setzt Gehorsam mit völliger Kontrollierbarkeit gleich. Und genau da liegt das Problem, my Master.*
 

Noch immer nicht gewöhnt an Alucards unheimliche Wege, sie zu kontaktieren, fuhr Integra wie elektrisiert hoch, als seine Stimme klar und deutlich in ihrem Kopf erklang. Der Vampir war nirgends zu sehen (was sie ihm allerdings auch nicht geraten haben wollte). Sie öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, ließ es aber schließlich - teils, weil sie nicht sicher war, wie sie auf eine telepatische Botschaft antworten sollte, teils, weil sie nichts zu erwidern *wusste*.
 

*Ich nenne Euch nicht meinen Meister wegen dieses Siegels, oder weil ihr mich kontrolliert, sondern aus freiem Willen. Nennt es Respekt vor Euch. Oder Loyalität.*
 

Integra lauschte gebannt und auch ein wenig nachdenklich. Sie erinnerte sich plötzlich an das Gespräch, das sie mit Walter über die Gründe geführt hatte, aus denen Arthur Hellsing Alucard eingeschlossen hatte. Sie war dabei, genau denselben Fehler zu begehen wie ihr Vater... als er bemerkt hatte, dass man Alucard nicht einfach so kontrollieren konnte, hatte ihn die Furcht gepackt und er hatte den Vampir eingesperrt.
 

Sie hatte jetzt die Chance, sich klüger zu verhalten. Nicht nur er musste seine Einstellung ihr gegenüber ändern, sondern auch sie gegenüber ihm.
 

Integras Wut war plötzlich wie weggeblasen.
 

*Ja, ich glaube, ich verstehe...*

*Wunderbar... my master.*
 

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++ to be continued

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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  BlackCrow
2004-01-13T18:55:34+00:00 13.01.2004 19:55
Kann nur wieder sagen, wirklich guter Schreibstil. Auch dieser Teil is wieder klasse.
Freu mich schon darauf den nächsten Teil zu lesen. ^^
Von: abgemeldet
2003-10-13T18:41:51+00:00 13.10.2003 20:41
die fanfic ist ja mal mehr als genial!unbedingt weiterschreiben,alu kommt wirklich genial rüber!
Von: abgemeldet
2003-10-04T02:04:13+00:00 04.10.2003 04:04
Ja bitte schreib weiter

ch
Von: abgemeldet
2003-09-26T05:22:54+00:00 26.09.2003 07:22
Wow, Respekt!
Du hast es echt geschafft das Feeling der Serie in deiner FF zu erhalten! Bitte schreib schnell weiter, ich sterbe vor Spannung!
cu, zero
Von: abgemeldet
2003-09-14T22:27:18+00:00 15.09.2003 00:27
Wunderbar! Du fängst die Hellsing-Stimmung hervorragend ein.
Auch die Story entwickelt sich sehr gut.
Schrei bitte bitte weiter!!!
Von: abgemeldet
2003-09-13T07:59:45+00:00 13.09.2003 09:59
Geiloooooooo!!! Weiter!! Büddebüdde! eiko
Von:  Lucille
2003-09-04T12:14:52+00:00 04.09.2003 14:14
Bitte schreib weiter, ja?
Die Story ist echt interessant! ^^
Wäre echt schade wenn du jetzt aufhören würdest.

Shadow757


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