Zum Inhalt der Seite

Far Away

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

6

„Los, versucht es noch einmal!“ Wie oft hatte ich diesen Satz in den letzten Tagen wohl gehört? Genau wusste ich das nicht. Irgendwann hatte ich einfach aufgehört zu zählen. Also stieß ich nur einen genervten Seufzer aus und machte das ganze Affentheater noch einmal. Sprich: Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie die Magie durch meine Fingerspitzen nach außen trat und Funken bildete. So weit so gut. Das war der theoretische Teil. Klappte eigentlich auch ganz gut.

Das eigentliche Problem war der praktische Teil. Die paar armsseligen Leuchtpünktchen, die über meinen Fingerspitzen herumdümpelten, als Funken zu bezeichnen wäre die Übertreibung schlechthin gewesen. Also: keine Verbesserung. Nicht die geringste. Fast schon verzweifelt blickte ich Moses an.

„Warum klappt es nicht?“ Meine Stimme klang zittrig und wenn ich auch nur halb so beschissen aussah wie ich mich fühlte, dann würde mein Lehrer mich bald vom Boden wischen müssen. Ich hatte nämlich vor, in Selbstmitleid zu zerfließen. Jawohl!

„Alle außer Lady Etienne gehen raus und üben!“ Noch eine Veränderung. Nicht nur das ich plötzlich in den niederen Adelsstand erhoben worden war, ich hatte auch noch die entsprechende Anrede verpasst bekommen. Lady Etienne. Wow ! Zum Glück nannten mich Rhia und der Prinz weiterhin beim Vornamen. Ich hatte nämlich die nervige Angewohnheit, nicht auf Mylady zu reagieren. Zumindest reagierte ich jetzt noch nicht. Aber da man sich ja bekanntlich an alles gewöhnt....

„Und was machen wir jetzt?“ fragte ich während ich Moses zu ein paar Kissen in der Nähe eines Fensters folgte.

„Nun, ich dachte es könne nicht schaden, euch etwas über Magie zu erzählen.“ Skeptisch legte ich meinen Kopf schief.

„Und das soll helfen?“ Wenigstens musste ich nicht mehr aufpassen, was mein Zopf machte. Die Wunde heilte ziemlich gut und tat inzwischen kaum noch weh. Vorausgesetzt, man lehnte sich nicht gegen eine Steinwand wie ich gerade. Aua! Verdammter Mist.

„Ihr wirkt während der Übungen ziemlich verkrampft. Könnte es sein das ihr Angst habt?“ Volltreffer. Moses war zwar schon Anfang fünfzig, aber nicht auf den Kopf gefallen. Gedankenverloren nickte ich.

„Ich habe gesehen, wie diese Männer gegen die Wand gekracht sind. Sie hätten sich das Genick brechen können. Ich hätte Unschuldige verletzen können.“ Ich starrte mein Gegenüber aus weit aufgerissenen Augen an, während sich meine Hände in meinen blonden Haaren verkrallten. „Das macht mir höllische Angst!“ Ich hielt inne als ich bemerkte das Moses mich merkwürdig musterte.

„Ich hoffe dem Prinzen ist bewusst, was für ein Juwel ihm da in die Hände gefallen ist!“

„Wohl eher in die Arme gesprungen!“ murmelte ich leise.

„Was habt ihr gesagt?“

„Ach nichts. Nur laut gedacht.“

„Wie auch immer. Genau diese Angst muss abgebaut werden! Sie wirkt wie eine mentale Blockade. Daher dachte ich, etwas über den Ursprung eurer Macht zu erfahren würde euch vielleicht helfen.“ So wirklich glaubte ich zwar nicht daran, aber vielleicht hatte er ja recht.

Im Grunde wusste natürlich niemand genau, woher die Kräfte der Priester eigentlich kamen. Aber man ging davon aus, das die Götter ihre Priester bei der Geburt erwählten und ihnen ein gewisses „Maß an Macht“ verliehen. Dieses „Maß“ entschied darüber, wie mächtig der jeweilige Priester war. Kurz: Je mehr Magie man bei der Geburt verliehen bekam desto mehr Power hatte man und desto mächtigere Zauber konnte man wirken. Was bei mir heißen würde, dass vermutlich jeder Tempeldiener mächtiger war als ich. Wunderbar!

„Und was für Kräfte haben die Götter und die jeweiligen Priester?“ fragte ich als der Monolog zu Ende war. Ich musste dringend diese trüben Gedankengänge stoppen.

„Das ist schwierig. Das hängt sowohl von der jeweiligen Person als auch vom jeweiligen Gott ab. Außerdem gibt es teilweise Überschneidungen. Aber im groben könnte man sagen, dass Ronug der Gott des Lichts, des Lebens und alles Guten ist. Die zugehörigen Priester sind meistens Krieger, können aber bis zu einem gewissen Grad auch heilen. Scoah ist der Gott des Chaos, des Todes und der Dunkelheit, seine Priester sind auch meist Krieger, sie können aber auch Gifte und Medizin herstellen. Tegis ist die Göttin des Wissens, ihre Priester sind meist Gelehrte und Sterndeuter. Und zum Schluss gibt es noch Peroka, die Göttin der Pflanzen und Lebewesen. Perokapriester haben starke Heilkräfte oder sind begehrte Gärtner.“ Schweigen.

„Was bedeutet Krieger?“ fragte ich vorsichtig. Ich hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Wenn ich mit irgendwelchen Waffen herumhantieren musste... Hoffentlich gab es genug Perokapriester um meine Trainingpartner zu verarzten.

„Kommt mit!“ Mein Lehrer führte mich zu einem kleinem Balkon, von dem man in den Hof hinunter schauen konnte. Einer meiner Mitschüler machte eine kurze Bewegung, als würde er etwas werfen. Gespannt beobachtete ich, wie etwas unförmiges schwarzes über den Hof fegte, direkt auf die Zielscheibe an der gegenüberliegenden Wand zu. Im nächsten Moment war sie mit Nadeln gespickt. Und zwar komplett.

„Muss ich das etwa auch lernen?“ fragte ich als ich es irgendwie geschafft hatte meinen Mund, dessen Unterkiefer auf Bauchnabelhöhe gehangen hatte, wieder zu schließen.

„Müssen nicht, aber das ist eine einfache Übung.“ Einfach? Nur weil eine Übung einfach war hieß das noch lange nicht, dass ich sie schaffen würde.

„Macht euch keine Sorgen wenn es nicht gleich so klappt, Derian ist einer der besten.“ beeilte sich Moses zu sagen als er meinen Gesichtsausdruck sah.

„Das wird garantiert nicht gleich so klappen! Oder hast du vergessen wie schwer ich mich jetzt schon tue?“

„Nein natürlich nicht, aber ich bin sicher, dass das nur daran liegt, dass ihr euch selbst blockiert. Aber dürfte ich euch etwas persönliches fragen?“ Offenbar versuchte er das Thema zu wechseln.

„Natürlich! Frag nur, ich bin ein offenes Buch.“ Fast jedenfalls.

„Warum seid ihr die Geliebte des Prinzen? Ihr passt nicht in... in...“

„Sein übliches Beuteschema?“ beendete ich den Satz.

„Beuteschema?“ Beinahe konnte ich die Fragezeichen um seinen Kopf schwirren sehen. „Wieso Beute? Er jagt euch doch nicht. Und was ist ein Schema?“

„Das ist eine Redewendung, nicht wörtlich gemeint. Ich versuche es zu erklären.“ Ich fuhr mir mit einer Hand durch mein Haar und überlegte, wie ich das am besten umschreiben konnte.

„Also, wenn.... wenn ein Mann zum Beispiel mit vielen Frauen flirtet und diese Frauen haben alle eine Gemeinsamkeit, dann entsprechen diese Frauen alle dem selben Muster, was umgangssprachlich auch Beuteschema genannt wird.“ So wirklich zufrieden war ich damit nicht, aber besser konnte ich es nicht.

Flirtet?“ Ich stöhnte. Ich sollte mir dringend abgewöhnen, einfach deutsche Wörter zu benutzen oder Redewendungen einfach zu übersetzen. Obwohl das stellenweise zu lustigen Situationen führte.

„Um auf deine Frage zurückzukommen, ich habe keine Ahnung. Ich bin weder schön, noch reich.“ Das war zwar eiskalt gelogen, aber der Prinz war der Meinung, dass Malika versuchen würde aus der Situation Profit zu schlagen, daher wäre es besser, wenn wir das schwer verliebte Paar spielen würden. Was auch immer das nützen sollte.

„Also wenn ich ehrlich sein soll, ihr seid das beste, das seiner Majestät je passiert ist!“ Jetzt war ich dran mit dem dumm aus der Wäsche schauen. Vielleicht hatte Moses ja ein bisschen zu viel Sonne abbekommen.

„Ihr habt etwas, das keine seiner Geliebten je hatte. Und zwar ein mitfühlendes Herz. Oder glaubt ihr eine Adelstochter hätte eine Narbe riskiert um einem Kind zu helfen? Oh nein, die hätte tatenlos zugesehen und es vielleicht sogar noch lustig gefunden.“

„So schlimm werden die schon nicht sein! Außerdem glaube ich nicht, dass mein unendliches Mitgefühl der Grund ist.“

„Ihr hattet wohl noch nicht viel mit dem Hochadel zu tun, oder? Ihr habt keine Ahnung, wie grausam eine gelangweilte Prinzessin auf der Suche nach Unterhaltung sein kann. Aber ihr scheint den Prinzen sehr beeindruckt zu haben.“

„Wie kommst du denn darauf?“

„Ihr seid die erste, die bei ihm in den Gemächern wohnt. Sonst waren sie stets tabu und zwar für jeden, der nicht zur Familie gehört oder dort aufräumen soll.“

„Ach wirklich?“ Ich war tatsächlich die einzige? Für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, meine Brust würde vor Stolz anschwellen. Moment mal! Stolz? Was für einen Grund gab es bitte darauf stolz zu sein? Der Kerl war der größte Schürzenjäger im Palast, wenn nicht sogar des ganzen Landes. Also gab es definitiv keinen Grund. Und deswegen war ich es auch nicht. Punkt. Ende der Diskussion.

Ich schüttelte heftig den Kopf um solche Gedanken zu vertreiben und stieß mich vom Balkongeländer ab.

„Ich muss los, der Prinz sagte, er wolle etwas mit mir besprechen.“

„In Ordnung. Und übrigens, alles was ich euch erzählt habe stimmt.“ Er lächelte mich an wie ein Vater, der seiner Tochter gerade versichert hatte, dass sie keine Figurprobleme hatte und alle anderen bloß neidisch waren.

Meine Laune besserte sich dadurch tatsächlich, aber ich hatte keine Ahnung, dass Moses mich angelogen hatte.

Als ich in den Aufenthaltsräumen im Schlossteil des Prinzen ankam war niemand da. Super! Erst schärfte er mir ein, ich solle nach dem Training sofort hierher kommen und dann lies er mich warten. So eine Unverschämtheit!

Um mir die Zeit zu vertreiben ging ich zu einem der großen Fenster, kletterte auf dem etwa Hüft hohen Sims und kuschelte mich in die Kissen die dort lagen. Okay, bei mir ging der Sims bis etwas über den Bauchnabel, aber ich war ja auch ungefähr zwanzig Zentimeter kleiner als die durchschnittlichen Landesbewohnerrinnen. Von den Männern ganz zu schweigen.

Ich schob diese Gedanken zur Seite und blickte hinaus in den Garten. Das war einer der Vorzüge an diesen Räumlichkeiten. Der wunderschöne Garten mit all diesen Pflanzen, von denen ich die Hälfte nicht kannte und deren Duft sich zu einem unglaublichen Aroma vermischte, den Pavillons, den verwundenen Pfaden und das Stück am anderen Ende, an dem der Benel durch den Garten floss. Dort konnte man sogar baden. Einfach wunderschön.

Ein Räuspern sorgte dafür, dass ich meine Aufmerksamkeit etwas anderem zuwandte. Der Prinz hatte in Begleitung einer Frau das Zimmer betreten.

Eine Anstandsdame? Das war das erste, dass mir zu ihr einfiel. Sie war groß und so schlank, dass sie schon fast dürr wirkte. Ihr schon leicht graues Haar hatte sie zu einem Knoten zusammengefasst, was sie noch strenger wirken lies.

Die gute alte weibliche Intuition hatte mal wieder recht.

„Das ist Lady Neriman, sie wird dir Etikette und Verhaltensregeln beibringen.“

„Wozu das denn?“ Eigentlich war ich der Meinung, dass meine Mutter ihren Job sehr gut gemacht hatte.

„Du kannst nicht immer durch die Gegend rennen und mit den Leuten reden wie es dir gerade passt. Und wenn du mit anderen so sprichst wie mit mir, dann ist mein Ruf schneller ruiniert als Malika ihre Kleider wechseln kann. Also?“ Meine Hände begannen unkontrolliert zu zittern und ich verschränkte sie vor der Brust, damit er es nicht sah.

„Wie ihr wünscht, Hoheit.“ War das meine Stimme? Wow. Sie klang sogar in meinen Ohren so giftig, dass ich mich wunderte warum der Prinz überhaupt noch lebte. Er tat mir leider nicht den Gefallen tot umzufallen, sondern starrte mich einfach nur unbewegt an.

„Diesen Tonfall müsst ihr euch abgewöhnen. Ihr sprecht mit dem zukünftigen König!“ Im Gegensatz zu ihrem Äußeren war die Stimme der Frau unglaublich angenehm. Sie war tief und hatte etwas beruhigendes.

Mein Kommentar war ein schnauben. Wenn Mr. Von und Zu nicht dauernd einen auf „ich bin der Größte“ machen würde wäre ich auch höflicher. Außerdem: Was um alles in der Welt sollte dieses Theater? Ich würde einfach als Geliebte hier vor mich hin versauern. Ende. Wozu also die Mühe?

„Also, wann und wo?“ Meine Stimme klang immer noch als wolle ich jemanden an die Gurgel gehen, aber was sollte ich machen? Mir war in Rekordzeit die Laune ruiniert worden.

„Jeden Tag nach eurem Training im kleinen Besprechungsraum seiner Majestät.“ Mit diesen Worten verbeugte sich mein neuster persönlicher Folterknecht und lies uns einfach stehen.

Jetzt da wir allein waren hätte ich ihn fragen können, was das ganze sollte. Eigentlich wollte ich das auch. Aber nach einiger Zeit fiel mir auf, dass wir beide schweigend in ein anderes Eck starrten. Und das gefühlte drei Stunden!

Man, mir war nie aufgefallen, wie viele Dinge es gab die man anstarren konnte. Da drüben stand eine Obstschale. Hatte dieser Hocker schon immer da gestanden? Und die Fliesen unter meinen Füßen waren wirklich erstaunlich!

Und das war absolut erbärmlich! Ich verhielt mich wie ein verängstigtes Kleinkind. Er würde mir schon nicht den Kopf abreisen.

Also holte ich tief Luft, hob den Kopf und sah, dass der Prinz schon auf dem Weg zur Tür war.

„Warum?“ Das Wort hing in der Luft, völlig zusammenhangslos, aber er war nicht dumm. Ich würde es zwar ihm gegenüber niemals zugeben, aber er war sogar ziemlich klug. Oder zumindest wirkte er so.

„Dein Verhalten lässt zu wünschen übrig!“

„Ist das alles?“

„Ist das nicht genug?“ Er klang, als würde er einem trotzigen Kind erklären, warum es sich nicht gehörte andere anzuspucken. „Die Leute reden schon über dich. Einige glauben, ich wolle dich heiraten. Deswegen möchte der Adel dich kennen lernen. Wenn du dich dabei so benimmst wie gerade eben werden Gerüchte entstehen.“

„Gerüchte über eine Scheinbeziehung? Das ist eine Tatsache. Und wenn ich einfach still und leise vor mich hinlebe werden sie das alles bald vergessen haben.“

„Tatsachen kann man verschleiern, aber Gerüchte sind wie Kletten. Man wird sie nie mehr los. Außerdem solltest du viel in der Öffentlichkeit zu sehen sein. Je mehr Leute dich kennen und respektieren, desto unantastbarer wirst du für Malika. In einem Monat ist ein Bankett, zu dem du eingeladen bist. Halte dich also ran.“

Einen Monat, um alles zu lernen, was eine Adlige schon von Geburt an lernte. Na super. Für wen hielt der mich?

Das kleine Straßenmädchen lugte vorsichtig hinter einer Säule hervor. Für sie musste ich mir noch etwas überlegen. Einfach nach Hause schicken ging nicht. Ihre Familie war bettelarm und es wäre nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder stehlen musste.

„Willst du mir in den Garten gehen Kija?“ Das Kind war sofort Feuer und Flamme und ich freute mich schon auf die Ablenkung. Der nächste Monat würde die Hölle werden.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  shinichi_san
2011-08-22T14:10:37+00:00 22.08.2011 16:10
Ich schäme mich so, jetzt erst ein Kommi zu hinterlassen, aber es ging einfach nicht früher... Es tut mir Leid!!! Sorry, sorry, sorry!!!
Aber ich habe gelesen! (Wahnsinn, ich weiß-.-)
Okay, aber jetzt gehts weiter: zur story (Applaus, bitte)
heyhey, sie ist Lady und lernt das zaubern, lustig^^ was sie wohl alles mit dieser Magie anfangen kann? Und ob sie es wirklich hinbekommt?! Oh, aufregend!
Oh ja, sie wird kriegerin! Da bin ich dabei!!! Aber das sie echt Angst hat, jemanden zu verletzen, find ich irgendwie voll niedlich und knuffig^^
Und arwwwww... ich mag den Prinzen.... Is irgendwie voll süß mit den beiden^^
hmmmm... gut, was soll ich jetzt davon halten, dass er ihr Manieren beibringen will?! Und das mit der Heirat?! Arwww, bitte!!!! Gut, ich dreh durch! XD
Nya gut, das Kapitel war wieder mal der Hammer und ich freu mich auf das nächste^^
LG


Zurück