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Paranoia

von

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Träume sind Schäume

Schreiend erwachte Shiho und neben ihr schreckte Shinichi aus seinem Schlaf hoch.
 

„Shiho!?“
 

Beim Klang ihres Namen zuckte die junge Frau zusammen. Sie hatte einige Sekunden gebraucht, um die Bilder aus ihrem Traum abzuschütteln.
 

„Ist alles in Ordnung bei dir?“ Besorgt strich Shinichi ihr einige, feuchte Strähnen aus dem Gesicht und endlich blickte sie ihn an. Noch immer zitternd, sank Shiho in seine Arme, krallte sich am Pyjamahemd fest und er drückte sie fest an sich.
 

„Hattest du wieder diesen Traum?“, fragte er leise.
 

Ihr Atem ging noch immer stoßweise und sie leckte sich über die trockenen Lippen, bevor sie antwortete.

„Tut mir Leid ...“, erwiderte Shiho und verbarg ihr glühendes Gesicht an seiner Brust.

„Wirklich ... es tut mir wirklich Leid, dass ich dich jede Nacht damit wecke!“

Diese verdammten Träume, dachte sie beschämt.
 

Shinichi strich ihr beruhigend über den Rücken.

„Red keinen Unsinn, es ist doch schon besser geworden.“ Er blickte auf den Wecker neben dem Bett und lächelte. „Wir haben gleich 6.00 Uhr ... und ich muss auch nicht jeden Samstag ausschlafen!“ Shinichi grinste und gab seiner Freundin einen Kuss auf die Stirn.
 

„Es ist idiotisch, oder?“ Langsam richtete Shiho sich auf und zerrte ihr Nachthemd zurecht.
 

„Was meinst du?“
 

Seufzend setzte sie sich auf die Bettkante.

„Naja ... das ich noch immer von ihm träumte ...“ Bei dem Gedanken an Gin schluckte sie.
 

Nachdenklich verschränkte Shinichi die Arme. Was sollte er ihr antworten?

Er wusste noch immer so gut wie Nichts über ihre Zeit als Organisationsmitglied. Und sie hatte ihm nie etwas über ihre Beziehung zu Gin verraten und Shinichi wagte es auch nicht, sie darüber auszufragen. Er hatte nur eine geringe Vorstellung, eine leichte Ahnung ... diese ließ ihn bereits die Galle im Mund schmecken.

„Vielleicht ... vielleicht hilft es dir doch, wenn du zu Dr. Tanaka gehst.“

Er sah wie Shiho sich verkrampfte und für einen Augenblick herrscht eine unangenehme Stille im Raum.

Unkontrolliert schweifte ihr Blick durch das Zimmer und noch bevor sie ein Wort sagen konnte, unterbrach Shinichi das Schweigen.
 

„Ich weiß, was du denkst! Aber ... du musst mich verstehen ... ich kann dir nicht helfen ... ich weiß nicht, was ich tun kann, damit deine Alpträume aufhören! Vielleicht kann dir diese Psychologin helfen, Shiho!“
 

Heftig schüttelte die junge Frau den Kopf, bevor sie Shinichis Hand ergriff und ihn ernst anblickte.

„Ich kann das nicht, Shinichi! Ich ... wie soll sie mir meine Angst nehmen, wenn es noch immer einen berechtigten Grund für sie gibt?“

Leicht verzweifelt raufte er sich durch die Haare. „Shiho, du weißt doch, dass - “
 

„Nein!“ Sie sprang auf. „Du kennst ihn nicht, Shinichi!“ Ihre Stimme zitterte.

„Er wird nicht aufgeben!“
 

Sprachlos blickte er seine Freundin an.

Ihre Augen spiegelten all ihre Ängste und Zweifel wieder, wie so oft. Doch plötzlich entspannten sich ihre Gesichtszüge und sie lächelte. Zärtlich strich sie ihm über die Wange und gab ihm einen kurzen Kuss.

„Ich überleg’s mir ...“, sagte sie leise, bevor sie sich abwandte und im Bad verschwand.

Sie entledigte sich ihres verschwitzten Nachthemdes und griff nach dem Duschkopf.

Das heiße Wasser lockerte ihre Muskeln und langsam fühlte sie sich besser.

Doch ihre Gedanken drehten sich immer noch um diese Träume.
 

Shinichi hatte schon Recht. Viel seltener als früher plagten sie diese Alpträume und sie hatte auch schon lange keine Panikattacke mehr gehabt.

Doch nach solchen Nächten fühlte sie sich miserabel.

Dabei führte sie seit fast zwei Jahren ein normales Leben. Sie lebte zusammen mit Shinichi in einem kleinen Haus, beide studierten und eigentlich konnte sie sich mehr als glücklich schätzen. Eigentlich ...

Vor zwei Jahren war solch ein Leben unvorstellbar gewesen.

Damals erhielt das FBI durch Kir einige, wertvolle Informationen über die Organisation. Hidemi Hondo verlor kurz darauf ihr Leben. Sie war sich jedoch dem Risiko bewusst gewesen und letztendlich gelang es durch ihre Hinweise, wichtige Mitglieder festzunehmen. Doch das Katz und Maus Spiel dauerte noch mehrere, blutige Wochen an. Es war eine Zeit der Enthüllungen, doch besonders war es eine Zeit der Gefahren.

Es gab einige Anschläge und so wurden Shiho, Professor Agasa, die Moris und viele ihrer Freunde und Bekannte für kurze Zeit ins Zeugenschutzprogramm des FBIs gesteckt.

Shinichi ließ es sich hingegen nicht nehmen, selbst an der Zerschlagung der Organisation teilzunehmen.

Und tatsächlich schritten die Ermittlungen rasch vorwärts. Man deckte die wahre Identität des Bosses auf und eine der gefährlichsten Verbrechensorganisationen wurde aufgelöst. Weltweit wurden etliche Mitglieder festgenommen und man stellte eine unglaubliche Fülle an Beweismaterialien sicher, unter anderem die Dokumente zu Apoptoxin 4869.
 

Doch einem Mitglied gelang es unterzutauchen.

Ausgerechnet Gin hatte man nicht fassen können. Er schien wie vom Erdboden verschluckt.
 

Shiho erfuhr von Gins Entkommen, als man sie bereits aus dem Zeugenschutzprogramm entlassen hatte.

Die unglaubliche Angst vor Gin und seiner Rache lähmte sie. Ganz fest glaubte sie an seine Rückkehr. Er würde nicht eher ruhen, bis ihr Blut vergossen war und sie tot vor ihm lag.

Sie war sie dessen sicher.
 

Sie versuchte diese Angst in Arbeit zu versticken und verbrachte Stunden im Labor, um das Gegengift fertig zu stellen.

Doch irgendwann war sie mit den Nerven völlig am Ende. Die Angst war ihr ständiger Begleiter.

Vor Übelkeit konnte sie nicht schlafen. Arbeiten zwar zwecklos, ihre Hände zitterten unkontrolliert. Ihr rasender Herzschlag ließ sie beinahe verrückt werden.

Sie hielt es nicht mehr aus, diese ständige Beklemmung und das innerliche Beben. In einer dieser verzweifelten Minuten griff sie nach dem Skalpell auf ihrem Schreibtisch.
 

Shiho zuckte zusammen. Wie lange stand sie bereits unter Dusche und ließ sich von dem heißen Wasser berieseln?

Hastig stellte sie es ab und griff nach dem Handtuch.

Dabei fiel ihr Blick auf die blassrosa Narbe an ihrem Arm.

Wie dumm ich doch war, dachte sie lächelnd.
 

Der Professor hatte ihren kleinen, leblosen Körper gerade noch rechtzeitig aufgefunden.

Im Krankenhaus hatte sie sich beschämt geweigert, Besuch zu empfangen.

Ihre Angst hatte sich nicht aufgelöst, doch ihr wurde bewusst, dass sie überreagiert hatte. Sie wollte nicht mehr sterben, sie wollte nur keine ständige Angst mehr haben!

Kurz vor ihrer Entlassung hatte sie Frau Dr. Tanaka kennen gelernt, eine Psychologin. Scheinbar wurde sie über die ungefähren Umstände aufgeklärt, denn sie sprach mit Shiho trotz ihres Kinderkörpers wie mit einer Erwachsenen.

Doch sie war nicht bereit gewesen, mit ihr darüber zu sprechen. Zulange hatte sie ihre Vergangenheit verschwiegen und sie konnte sie nicht einfach so einer fremden Person offenbaren. Überraschenderweise hatte Dr. Tanaka Verständnis dafür und hinterließ ihr eine Visitenkarte.
 

Hastig trocknete Shiho ihre nassen Körper ab und verließ das Badezimmer.

Das Bett war bereits gemacht und draußen ging langsam die Sonne auf. Der Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie knapp eine halbe Stunde unter Dusche verbracht hatte.

Rasch kleidete sie sich an und betrachtete sich im Spiegel.
 

„Es war nur ein Traum, Shiho!“, murmelte sie ihrem Spiegelbild leise zu.
 

„Shiho!?“
 

„Ich komme!“ Sie kämmte sich schnell durch das feuchte Haar und lief runter in die Küche. Es duftete nach Pfannkuchen.

Grinsend hielt Shinichi ihr eine Tasse Kaffee hin und ihre Laune stieg sofort.

„Danke.“, antwortete sie lächelnd.

„Geht’s dir besser?“, fragte er vorsichtig und Shiho nickte. Shinichi strahlte, legte seine Arme um ihre Hüfte und zog sie nah an sich. Sie lehnte ihren Kopf an seiner Schulter und schloss die Augen. Sie genoss seine Nähe und die Wärme, die ihrer verfrorenes Herz hatte auftauen lassen.

„Du siehst hübsch aus.“, wisperte Shinichi ihr ins Ohr und sie errötete. Gerade wollte sie ihm einen Kuss auf die Lippen drücken, das Telefon schrill klingelte.

Er verdrehte die Augen und Shiho nahm seufzend einen Schluck aus ihrer Tasse.

Ein Anruf in den frühen Stunden eines Samstagmorgen konnte nichts Gutes bedeuten.

Und Shiho behielt Recht.
 

„Megure benötigt meine Hilfe bei einem Fall.“ Der Detektiv verzog schuldbewusst das Gesicht, als Shiho eine Augenbraue hob.
 

„Wir sind heute Mittag mit Ran zum Essen verabredet, schon vergessen?“, fragte sie tadelnd.

Shinichi raufte sich durch die Haare. „Stimmt ...“
 

„Schon gut.“, erwirderte sie lächelnd und umarmte ihn. „Kümmere dich um diesen Fall. Ich gehe alleine hin!“

Er seufzte und gab ihr einen Kuss. „Danke! Sag ihr das es mir Leid tut und lasst es euch schmecken!“ Hastig zog er sich eine Jacke über und lief in den Flur hinaus. Kurz darauf hörte Shiho die Tür zufallen.

Sie verschränkte seufzend die Arme und setzte sich zurück an den gedeckten Frühstückstisch.

Wenigstens gibt’s Pfannkuchen, dachte sie.
 

Gegen 14:00 Uhr verließ Shiho das Haus und machte sich auf den Weg zu einem kleinen Restaurant in Haido. Als sie das Restaurant betrat, saß Ran bereits an einem Tisch am Fenster und erhob sich lächelnd, um ihre Freundin zu umarmen.

„Wo hast du Shinichi gelassen?“, fragte sie verwundert und setzte sich zurück auf ihren Platz.

Shiho seufzte und ließ sich gegenüber von ihr nieder. „Ein Fall ...“, antwortete sie knapp und Ran nickte beinahe wehmütig. „Was sonst ...“, sagte sie lächelnd.
 

Sie waren Freundinnen geworden. Jedoch hatten sie sich nach der Auflösung der Organisation zunächst nur sehr distanziert behandelt.

Nachdem Shinichi seiner wahren Gefühle für Ran bewusst geworden war, hatte Shiho sich dafür verantwortlich gefühlt. In ihren schlechtesten Zeiten hatte er sich rührend um das Mädchen gekümmert und bemerkt, dass seine Gefühle für die ehemalige Wissenschaftlerin anders waren, als die für seine langjährige Sandkastenfreundin.

Shiho selbst war darüber erstaunt gewesen, doch Ran nahm sein Geständnis sehr gut auf. Denn auch ihre Schwärmerei für Shinichi hatte sich nach all der Zeit gelegt und inzwischen war sie mit Tomoaki Araide verlobt. Trotzdem blieben sie und Shinichi sehr gute Freunde und sie sahen sich regelmäßig.

Shiho hatte in dem Mädchen immer nur einen bedauernswerten, verliebten Teenager gesehen. Doch hinter ihrer Sorge für Shinichi steckte eine weitere Fassade. Ran hatte eine warmherzige und eigentlich sehr fröhliche Natur ... so, wie ihre Schwester Akemi gewesen war.

Und irgendwann brach das Eis zwischen den beiden Frauen.
 

„Er ist schon ein Spinner! Rennt immer noch jedem Fall hinterher und vergisst alles um sich herum ... scheint als hätte er nichts aus der Sache von damals gelernt!“ Ran schüttelte den Kopf und Shiho lächelte amüsiert. „Na ja, inzwischen hört er sogar manchmal auf mich ...“

Ran seufzte und lehnte sich zurück. „Manchmal bin ich richtig froh darüber, dass ich mir nicht ständig um Tomoakis Leben Sorgen machen muss! Das ist eine richtige Erleichterung!“

Shiho schmunzelte über ihre leicht sarkastische Aussage.
 

Sie waren mit dem Essen fertig, als Ran einen Umschlag aus ihrer Handtasche zog und auf den Tisch legte. „Das hätte ich fast vergessen ...“

„Was ist das?“, fragte Shiho stirnrunzelnd.

„Eine Einladung!“

Sie begriff erst, als in Rans strahlendes Gesicht blickte. „Der Termin für eure Hochzeit steht fest!?“

Glücklich nickte die junge Frau. „Der 12. Mai ... in zwei Monaten ist es soweit!“
 

Shiho konnte nicht anders als sich für Ran zu freuen. Selten hatte sie einen solch glücklichen Menschen gesehen und sie gönnte dem Mädchen ihr Glück von ganzen Herzen. Würde es ihr eines Tages auch noch so ergehen, fragte sie sich.

„Ich freue mich für euch! Wir kommen gern zur Hochzeit!“, erwiderte sie lächelnd.
 

Sie sprachen noch eine Weile über die Vorbereitungen, bis sie das Restaurant verließen und gemeinsam nach einem möglichen Geschenk für Shinichis Geburtstag Ausschau hielten.

Gegen Abend verabschiedeten sie sich voneinander und Shiho versuchte vergeblich Shinichi auf seinem Handy zu erreichen. Sie nahm an, dass der Fall ihn noch immer beschäftigte. Öfters vergaß Shinichi sich darüber hinaus bei ihr zu melden und dann wurde sie sauer. Doch bisher hatte er immer gewusst, wie sie zu versöhnen war.

Bei dem Gedanken lächelte sie und bog gedankenversunken um die Ecke.
 

Und plötzlich war dieses Gefühl da. Wie erstarrt blieb sie stehen und keuchte auf. Augenblicklich begann ihr Herz zu rasen und ihre Handflächen wurden feucht.
 

Er ist da! Er ist hier in meiner Nähe!!
 

Sie war sich totsicher. Ihre Intuition hatte sie noch nie im Stich gelassen, auch wenn sie dieses Gefühl ungewohnt lange nicht mehr verspürt hatte. Das grauenhafte Gefühl, wenn sich ein Mitglied der Organisation in ihrer Umgebung befand.
 

Shiho wagte es nicht hinter sich zu blicken, um ihre Vermutung zu überprüfen. Sie rannte einfach los, rannte um ihr verdammtes Leben.

Atemlos hastete sie die Straße entlang, riss das Tor auf ohne es zu schließen und versuchte mit zitternden Händen die Haustür aufzuschließen. Es gelang ihr nicht sofort und sie wimmerte verzweifelt auf. Die Tränen in ihren Augen machten es nicht besser, verschleierten ihre Sicht.

Endlich öffnete sich die Tür und als Shiho sie hinter sich zu zog, sank sie weinend und am ganzen Körper zitternd zu Boden.
 

Und plötzlich hörte sie ein Geräusch.

Erschrocken hielt sie den Atem an und hob ruckartig den Kopf.
 

Am Ende des Flurs stand eine Person.



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