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Schwarz: Initiation

mit wildest_angel
von

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Lang, lang ist's her... Das reale Leben hat uns fest im Griff, und wenn dann mal Zeit ist, ist die Muse plötzlich weg...

Aber wir haben es dennoch geschafft, langsam weiter zu schreiben,

und wir bleiben auch dran an der Geschichte, keine Sorge!
 

Und jetzt: Viel Spaß!

(Hoffentlich erinnert Ihr Euch noch, worum es überhaupt geht... *drop*)
 


 

Schuldigs Laune sank sichtbar auf den Nullpunkt in dem Moment, als er Brad sah. Dieser beschloss, das nicht persönlich zu nehmen, und schob die Reaktion auf das bevorstehende körperliche Training – zumindest ließ Schuldigs diesbezügliche Frage darauf schließen.

„Was, bitte schön, hat denn die Temperatur damit zu tun?“ entgegnete Brad nur, und Schuldig schlich schon vom Leben (oder eher von Brad) gebeutelt in sein Zimmer und kehrte kurz darauf gehorsam umgezogen in sportlichem Outfit zurück.

Brad konnte nicht umhin, zu bemerken, dass der Junge auch in dieser Aufmachung sehr hübsch aussah... obwohl das vielleicht das falsche Wort war. Cool, traf es wohl besser. Auch wenn er so bedröppelt dreinschaute. Er sah zwar nicht sehr sportlich aus, eher wie einer dieser Jung-Rapper von MTV, fehlte nur die Mütze...

Brad griente schon wieder. „Na, komm schon“, versuchte er, sein Teammitglied ein wenig aufzumuntern. „Du wirst sehen, es wird Spaß machen!“

Ihm zumindest.

Zunächst ging es allerdings Richtung Tiefgarage, denn Brad hatte vor, ein wenig hinaus zu fahren. Er hatte da einen ganz speziellen Trimm-dich-Pfad für sich entdeckt.

Am Stadtrand parkte er den Wagen, stieg aus und reckte sich genüsslich. Die Luft roch frisch und würzig, und man hörte eine Amsel singen.

„So.“ Er rieb sich die Hände. „Wir laufen in Richtung des kleinen Wäldchens dort, am Bach entlang. Du bestimmst erstmal das Tempo, okay?“
 

Was sollte bitte daran Spaß machen, bei gefühlten hundert Grad wie ein Irrer durch die Gegend zu rennen? Innerlich schnaubte Schuldig, ließ sich aber sonst nichts anmerken.

Wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, schlich er hinter dem Amerikaner her in die Tiefgarage, setzte sich brav auf den Beifahrersitz und hielt auch während der Fahrt mitten in die Pampa einfach nur den Mund.

Nachdem sie ausgestiegen waren und Brad ihm die Richtung vorgegeben hatte, schaute der junge Telepath leicht verzweifelt zu besagtem Wald und ließ die Schultern hängen. Bis dahin waren es mindestens... mindestens... tausend Meter! Verstieß das nicht gegen die Genfer Konvention bezüglich Folter?

Einen winzigen Moment lang spielte Schuldig mit dem Gedanken, einfach stur stehen zu bleiben und seinem Boss einfach nur das Trugbild vorzugaukeln, er würde mit ihm laufen. Dann aber bemerkte er den erwartungsvollen Blick des Älteren und seufzte ergeben. Wahrscheinlich würde er auf dem halben Weg schon wegen Luftmangel einfach aufgeben...

Der Telepath zuckte die Schultern, riss sich zusammen und trabte los. Sehr gemächlich, wohlbemerkt. Er schätzte ja, dass es nicht damit getan war, bis zu dem kleinen Wald zu laufen, sondern dass es dort dann erst richtig losging. Und er wollte sich nicht die Blöße geben und tatsächlich vor Sauerstoffmangel kotzen. Ausdauertraining war nie so sein Ding gewesen...

Schon nach den ersten Metern wünschte er sich, er hätte einen MP3-Player oder irgendetwas in dieser Richtung mitgenommen, was ihn wenigstens abgelenkt hätte. Aber so gab es nichts, auf das er sich konzentrieren konnte.

Bis er einen Blick neben sich auf den durchtrainierten Körper des Schwarzhaarigen warf und seine Augen sich für den Bruchteil einer Sekunde weiteten. Himmel, wann hatte der sich denn ausgezogen? Schuldig schluckte. Okay, Brad war nicht 'oben ohne', aber so gut wie. Jedenfalls hatte er den Eindruck, auch wenn dessen Shirt locker um seinen Oberkörper flatterte.

Zu der Hitze des Sommernachmittags kam nun auch noch die in seinem Inneren, die Schuldig das Leben schwer machte.
 

Im Schatten der Bäume wurde die Luft etwas kühler. Nicht, dass Brad schon sonderlich ins Schwitzen geraten wäre bei der Schneckengeschwindigkeit, die Schuldig vorgab. Aus Solidarität trabte er lässig neben dem Jungen her, auch wenn er das Gefühl hatte, ein flottes Schritttempo wäre ausreichend, um an seiner Seite zu bleiben. Aber er sagte nichts. Immerhin war der gute Wille erkennbar. Außerdem war es nicht unbedingt faul, sondern durchaus klug von Schuldig, sich nicht gleich am Anfang des Laufes zu verausgaben.

Das Wäldchen war lang, aber nicht breit – kaum hatten sie es betreten, konnte man schon nach etwa fünfhundert Metern sein Ende ausmachen.

Die Sonne nahm sie blendend in Empfang. Sie bogen nach links ab und liefen nun am Waldrand entlang auf ein altes Fabrikgelände zu.

„So“, sagte Brad. Er war nicht einmal ansatzweise außer Atem. „Jetzt mal ein bisschen schneller.“

Er steigerte langsam das Tempo, bis aus dem Laufen Rennen wurde, blieb jedoch stets dicht bei Schuldig, nur ein bis zwei Schritte vor ihm. Jetzt interessierte ihn, wie schnell der Junge war.

Als sie an der Mauer ankamen, die das verwildernde Grundstück umgab, blieb er stehen.

„Nicht schlecht. Und jetzt klettern wir über die Mauer. Mal sehen, wer als erstes drüben ist.“

Kaum ausgesprochen begann er auch schon, geschickt das brüchige Mauerwerk zu erklimmen.
 

Nee, ne? Das ... durfte doch jetzt nicht wahr sein!

Schuldig verdrehte die Augen, verkniff sich ein 'Muss das sein?', versuchte heldenhaft, wieder zu Atem zu kommen und machte sich dann wesentlich langsamer als sein Boss daran, über die Mauer zu klettern. Das grenzte aber schon haarscharf an Tierquälerei, entschied er für sich. Nochmal würde ihn Brad aber sicher nicht dazu bekommen, mit ihm so einen Irrsinn zu unternehmen!

Reichlich unelegant ließ er auf der anderen Seite zu Boden plumpsen und kämpfte sich murrend wieder auf die Beine.

"Und jetzt?" fragte er resignierend, da er auf den ersten Blick erkannte, dass der Amerikaner immer noch nicht genug körperliche Betätigung hinter sich hatte. Verdammt, wo nahm der denn nur die Ausdauer her?

Schuldig bereute wirklich, sich die letzte Nacht um die Ohren geschlagen zu haben. Das würde ihm nicht mehr passieren, nahm er sich vor. Vor allem nicht mit einem solchen Alkoholkonsum.
 

Der Junge pfiff aus dem letzten Loch, aber er hielt sich wacker. Weiter also. Jetzt begann ja erst der richtige Spaß.

„Jetzt dort zu dem Hauptgebäude.“

Damit Schuldig wieder ein wenig Puste holen konnte, trabte Brad locker über den – zugegeben – reichlich unebenen Untergrund zu der großen, mehrstöckigen Fabrikhalle. Man musste schon aufpassen, wo man seine Füße hinsetzte, denn es lag einiges an Geröll und Schutt herum, ganz zu schweigen von den Grasbüscheln und anderen heldenhaften Pflanzen, die es geschafft hatten, die Asphaltdecke zu durchbrechen und durch diesen Zivilisationsboykott den ehemals glatten Boden in eine wahre Huckelpiste zu verwandeln.

An einem der kaputtgeschlagenen und anschließend mit Brettern vernagelten Fenster im Erdgeschoss blieb Brad erneut stehen. Das unterste Brett fehlte. Man konnte also hochspringen, sich am Fenstersims hochziehen und durch den Spalt kriechen.

Genau das tat Brad nun auch und wartete im Dämmerlicht der alten Halle auf seinen Gefährten. Er schloss halb die Augen und sondierte schon einmal die nächsten Minuten. Er war schließlich nicht der einzige, der diese Ruine für seine Zwecke nutzte. Junkies und Obdachlose lümmelten sich hier teilweise herum, waren jedoch relativ harmlos. Weniger harmlos war eine Art Vorstadt-Rockergang, die manchmal den abgelegenen Ort für Partys, Mutproben oder andere finstere Machenschaften nutzte.

Im Moment schien alles ruhig.
 

Oh nein, nicht auch das noch! Schuldig stand an der Fassade und starrte den Spalt an, durch den Brad verschwunden war. Ihm fiel nicht ein, zu protestieren, auch wenn er das jetzt liebend gern gemacht hätte. Doch da schlug der Rosenkreuz-Drill wieder an, und obendrein ging er davon aus, dass es einen Grund gab, weswegen der Ältere ihn so hetzte und quälte.

Mit einem leisen Ächzen hievte er sich am Fensterbrett in die Höhe, wobei er mit dieser einfachen Übung fast überfordert war. Er wog zwar nicht viel, aber er war gänzlich untrainiert, und seine Muskeln protestierten enorm gegen diese Beanspruchung. Und dummerweise half ihm seine Telepathie hier auch kein Stück weiter.

Dann endlich hatte er es geschafft und sich durch das Loch gezwängt und stand nun schwer atmend und mit vor Anstrengung zitternden Armen und Beinen vor dem Amerikaner.

"Sag mal... Für was soll das eigentlich gut sein?", wollte er allen Ernstes wissen, als er wieder genug Luft hatte, um zu reden. "Ich dachte, du wolltest nur eine kleine Runde Joggen gehen, und nicht, dass du mich im Militärstil drillst."

Zittrig strich er sich die Ponysträhnen aus der Stirn, die vor lauter Schweiß an seiner Haut klebten und ihn deswegen nervten.

Erst jetzt kam er dazu, sich ein wenig im Halbdunkel umzusehen, und kräuselte angewidert die Nase.

"Und was machen wir hier jetzt? Sind wir bald fertig?"

Er wusste, dass er sich gerade anhörte, wie ein quengeliges Kind, aber das war ihm egal. Für seine Begriffe hatte er heute mehr als genug geleistet, und es bestand keine Veranlassung, ihn noch weiter durch die Gegend zu hetzen.
 

„Schätze, du bist jetzt schon fertig“, sagte Brad in neutralem Tonfall, nachdem er Schuldig ernst zugehört und ihn aufmerksam gemustert hatte. Der Jugendliche hatte allem Anschein nach wirklich schon genug. So, wie seine Muskeln jetzt schon zitterten, war es zu gefährlich, Brads speziellen „Trimm-dich-Pfad“ fortzusetzen. Bedauernd huschten seine Augen kurz an dem metallenen Stahlgestänge entlang, welches die Halle von innen stützte und an dem man so herrlich herum klettern konnte. Musste das eben warten.

„Du scheinst es tatsächlich geschafft zu haben, dich den 'körperlichen Ertüchtigungen' bei Rosenkreuz konsequent fernzuhalten“, stellte er mit einem leichten Anflug von Anerkennung in der Stimme fest. Entweder hatten sie tatsächlich den Schwerpunkt auf seine mentalen Fähigkeiten gesetzt oder Schuldig hatte eben diese erfolgreich eingesetzt, um den Sportunterricht zu schwänzen. Was beides auf sein außergewöhnliches Talent hinweisen würde. Aber das wusste Brad ja nun schon.

„Bei mir wird es das aber nicht geben. Ich erwarte, dass du in Höchstform bist – auch körperlich. Das, was du 'Militärstil' nennst, wird dir im Zweifelsfall später das Leben retten. Was meinst du, warum das Militär auf die Art trainiert wird? Es wird nicht ausreichend sein, dich auf deine Psi-Fähigkeiten zu verlassen, wenn du mit mir zusammen arbeiten willst. Und falls du jetzt immer noch nicht weißt, wozu das hier gut sein soll, beantworte ich dir das gerne: Es soll ganz einfach deine Kondition verbessern. Darum werden wir das von nun an auch jeden Tag wiederholen. Aber für heute ist es genug. Gehen wir.“

Doch anstatt wieder durch das Fenster zu kriechen, durchquerte Brad die weiträumige Halle, bis zu einem dunklen Schacht an der gegenüberliegenden Seite. Das war wohl einmal ein alter Aufzug gewesen, der jetzt nur notdürftig mit Maschendrahtzaun abgesichert war. Brad schob das Drahtgeflecht ein wenig zur Seite und begann, in die Dunkelheit hinab zu klettern. An der Betonwand war eine schmale Eisenleiter befestigt.

Er nahm immer diesen Weg hinaus – durch den dunklen Keller. Es war keine akrobatische Meisterleistung, an der Leiter hinunter zu steigen, aber es schulte den Orientierungssinn, sich in den Kellergewölben nicht zu verlaufen. Außerdem verspürte er in der Dunkelheit jedes Mal ein unbehagliches Gefühl, das auf seine Anfangszeit bei Rosenkreuz zurückzuführen war. Es war seine Art, mit seinen Ängsten umzugehen, und sich ihnen immer wieder zu stellen. Klaustrophobie im Dunkeln konnte er sich nun wirklich als Anführer eines Top-Agenten-Teams nicht erlauben, und es wurde auch tatsächlich von Mal zu Mal besser. Das rasende Herzklopfen und die schweißnassen Hände gehörten schon längst der Vergangenheit an, und übrig war nur noch diese leichte Beklommenheit. Und auch die würde bald überwunden sein.
 

Jeden Tag? Schuldigs Teint nahm einen leichten Grünstich an, und er konnte sich nicht beherrschen, nicht die Augen zu verdrehen. Na toll. Ja, Brad hatte Recht: Er hatte eine Möglichkeit gehabt, tatsächlich dem verhassten Sportunterricht zu entkommen. Im Nachhinein stellte sich das ja wohl als Eigentor heraus. Hervorragend, wirklich!

Mit wenig Begeisterung trabte er hinter dem Älteren her zu dem Aufzugschacht. Doch nach dem ersten Blick in das schwarze, scheinbar bodenlose Loch hellte ein freudiges Grinsen sein Gesicht wieder auf. Brav wartete er ab, bis Brads Vorsprung weit genug war, und er nach oben schaute, um zu sehen, wo sein Schützling denn blieb.

"Ich bin gleich da!", rief er auf die unausgesprochene Frage, die ihn aus dem Dunkel erreichte, und wartete, bis der Andere weiter kletterte und schließlich auf dem Betonboden aufkam. Das war das Geräusch, auf das er gewartet hatte. Oh, er war sich sicher, den Amerikaner nun ein klein wenig überraschen zu können...

"Geh mal ein bisschen zur Seite!", rief er zu dem Älteren hinunter, schätzte die Tiefe ab, atmete noch einmal tief durch und ... sprang.

"WOOOHOOOO!" hallte sein Jubelschrei von den engen Wänden wider, gefolgt von ausgelassenem Gelächter, während er im freien Fall in die Tiefe fiel.

Geschmeidig und elegant wie eine Katze kam er mit einem sattem 'BANG!' neben Brad auf und zischte leise, da ihm der Aufprall durch die Turnschuhe die Fußballen prellte. Na, auch in solchen Stunts war er anscheinend außer Übung... Aber wenn sie diese Strecke jeden Tag absolvieren sollten, würde er auch diese Technik wieder lernen.

"Das war richtig geil!" strahlte er Brad an. "Das machen wir dann auch jeden Tag? Gibt's noch mehr solcher Stellen?"

Oh ja, DAS kam seinem Abenteuerdrang und Übermut sehr entgegen. Und für die Möglichkeit, öfter solche Sprünge hinzulegen, würde er sich sogar herablassen, zuvor zu joggen, auch wenn er das hasste wie die Pest. Und vielleicht sollte er sich auch überlegen, ob er sich nicht doch bei Gelegenheit mal in die Folterkammer quälen sollte... Schaden konnte es sicher nicht, wenn er nachhalf, seine Muskeln schneller aufzubauen.

Das Adrenalin, das bei dem Sprung freigesetzt worden war, pumpte durch seine Adern und ließ seine Augen aufstrahlen. Von diesem Kick angestachelt, hakte er sich einfach bei Brad ein, stellte sich auf Zehenspitzen und blinzelte ihm aus allernächster Nähe direkt in die Augen.

"Jetzt schau nicht so entsetzt!", grinste er, wobei er Brad so nah war, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten und der Ältere seinen Atem auf den Lippen spüren konnte.
 

Brad spürte die Nähe des Jungen nur allzu deutlich, nicht nur seinen Atem, auch die Wärme des erhitzten Körpers, den Geruch nach frischem Schweiß, vermischt mit ihrem Duschgel und den neu gekauften, noch ungewaschenen Klamotten... Schuldig war mit einem Mal so aufgedreht und ausgelassen, Brad sah trotz des Zwielichts das Funkeln in den grünen Augen, und aus irgendeinem unerklärlichen Grund musste er sich zurück halten, nicht den Kopf noch ein Stück weiter nach vorne zu neigen und seine Lippen auf Schuldigs, dicht vor seinem Gesicht einladend grinsenden, Mund zu legen. Seine Mitte reagierte auch schon wieder auf diese körperliche Nähe und begann angenehm zu pochen.

Sofort rückte Brad ein Stück von ihm weg und strich sich mit einer fahrigen Geste durch das dunkle Haar.

Himmel nochmal! Waren das immer noch die Nachwirkungen von ihrer gestrigen Gedankenverbindung? Oder was war plötzlich mit ihm los? Vielleicht sollte er seinem ungewohnt drängenden Sexualtrieb heute Abend mal ein wenig Befriedigung verschaffen und eine Prostituierte aufsuchen... Oder noch besser: Kommen lassen. Hatte er nicht Schuldig auch so etwas versprochen? Immerhin war das auch förderlich für die Kondition und machte eindeutig mehr Spaß als Joggen.

„Ich schau gar nicht entsetzt“, verteidigte er sich, ohne auf Schuldigs scherzenden Tonfall einzugehen. Zumindest nicht wegen dem, was du denkst, fügte er in Gedanken hinzu. „Wenigstens scheine ich doch noch etwas gefunden zu haben, was dir gefällt“, redete er rasch weiter, als ihm erneut bewusst wurde, dass seine Gedanken jetzt nicht mehr ganz so persönlich waren, wie sie es sein sollten. „Du gehst vor mir und findest den Ausgang. Ich werde dich lotsen – in Gedanken. Okay?“

Je häufiger sie das übten, umso besser würde das später im Notfall klappen. Dabei ging es wahrscheinlich gar nicht in erster Linie darum, dass Schuldig das üben musste – er selbst musste sich daran gewöhnen. Wie auch immer. Er wollte ein reibungslos funktionierendes Team, und das gab es nun einmal nicht durch Theorie.

„Es ist ziemlich duster hier, also pass auf, wo du hintrittst.“ Schuldig schien mit der Dunkelheit nicht so viele Probleme zu haben wie er, als er Rosenkreuz frisch verlassen hatte. Und der Sprung in die Tiefe war beeindruckend gewesen. Was der Junge wohl noch so auf Lager hatte? „Es gibt hier noch einige Stellen, wo du solche Sprünge hinlegen kannst. Du wirst sehen, wenn du erstmal fitter bist, werden wir hier viel Spaß haben“, nahm er den Faden zu Schuldigs Fragen wieder auf, bevor er sich auf den Weg durch die verwinkelten Gänge konzentrierte.
 

Oha! Das klang nach einer sehr interessanten Methode, hier wieder raus zu kommen.

"Okay!" erklärte sich Schuldig bereit, verband sich schnell, aber sanft mit dem Verstand des Älteren und wartete die ersten Anweisungen ab, die auch prompt kamen. Dennoch blieb er wie angewurzelt stehen und sah den Amerikaner leicht gestresst an.

"Hey! Ein bisschen langsamer, bitte!" moserte er. "Ich bin doch noch gar nicht losgegangen, und du bist gedanklich schon am Ausgang..." War er Superman, oder was? Er konnte zwar springen wie ein Känguru, aber noch lange nicht fliegen.

Er hörte förmlich, wie Brad gedanklich zu ihrem Standort zurückkam und nun seine Gedanken so kontrollierte, dass Schuldig immer wusste, wie viele Schritte er bis zur nächsten Abzweigung oder Biegung zu gehen hatte. Ein anerkennendes Lächeln bildete sich ungesehen auf seinen Lippen, er strich sich die langen Haare aus dem Gesicht und marschierte los. Ihm machte die Dunkelheit nichts aus - und dieses kleine Manko Brads war auch nichts, was ihn interessierte. Deswegen ignorierte er die flüchtigen Gedanken darüber, die sich hin und wieder in die Wegangaben einmischten und blendete sie zum Schluss so aus, bis er sie gar nicht mehr empfing.

Trotzdem dauerte es eine gefühlte halbe Stunde, bis er am Ende eines engen Ganges, in dem er sich auf dem Bauch dahinrobben musste, einen hellen Lichtfleck sah, der allmählich größer wurde, je näher er ihm kam.

Schuldig kniff die Augen zusammen, als er von der Röhre, in der sie sich befunden hatten, ins Freie purzelte und der strahlende Sonnenschein ihn blendete.

Er saß im hohen Gras, war wahrscheinlich von oben bis unten verdreckt, aber das freche Grinsen verließ für keinen Moment sein Gesicht, als er den Älteren ansah, der ebenso ramponiert aussah, wie er wahrscheinlich auch.

"Das war ja mal richtig geil!" stellte er vergnügt fest. Seit dem Sprung in den Aufzugschacht war er total gut drauf, und wenn er ehrlich war, hatte der letzte Teil ihrer Tour ja auch etwas von einem Abenteuerspielplatz an sich gehabt - und kam damit seinem Übermut gewaltig entgegen.

Vorsichtig löste er die mentale Verbindung wieder, stand auf und klopfte sich den Staub und Schmutz von den Klamotten.

"Ich gehe davon aus, du hast mir mindestens zwei Garnituren Jogginganzüge besorgt", grinste er den Älteren frech an und setzte ein kleines, neckendes Zwinkern hinterher. Seine Kopfschmerzen waren verschwunden, sein Körper gehorchte ihm wieder, und er hatte diese grausame Joggingtour für heute hinter sich. Das war doch ein Grund, um gut drauf zu sein, fand er.

Jetzt nur noch nach Hause und ab in die Badewanne - Duschen würde er so schnell nicht wieder, hatte er beschlossen - und dann konnte man ja sehen, was man mit dem angebrochenen Tag noch machen konnte.
 

Auch wenn seine Aufgabe bei weitem nicht darin bestand, Schuldig glücklich zu machen, freute es ihn doch irgendwie, dass sein spezielles Kraft-Ausdauer-Training dem Jungen letztendlich doch noch gefallen hatte. Er erklärte sich dieses ungewohnte Gefühl damit, dass es immerhin ein Kompliment für den Lehrer war, wenn der Schüler Spaß hatte, und außerdem zeigte es doch auch, wie gut sie zusammen passten, welch gute Wahl Schuldig gewesen war. Wie schön das Leben doch war, wenn alles nach Plan lief!

Wäre da nicht diese merkwürdige Faszination, die der jugendliche Körper immer deutlicher auf ihn ausübte. Während der Rückfahrt warf er so manchen, kurzen Blick auf den lässig im Beifahrersitz lümmelnden Teenager. Schuldig hatte sich besoffen, war übernächtigt, hatte kaum etwas gegessen (vermutete Brad einfach mal, so wie er den Jungen bisher erlebt hatte), hatte einen anstrengenden Tag hinter sich und musste dann auch noch bis zur Erschöpfung durch die Nachmittagshitze laufen – der musste doch total fertig sein. Aber er schaffte es selbst in diesem Zustand noch, cool zu wirken. Irgendwie schien Schuldig sich in dem Kellergewölbe regeneriert zu haben. Das zeigte doch mal wieder, wie wichtig die Psyche für die Leistungsfähigkeit des Körpers war... Den Spaßfaktor durfte er also in seinem Team keinesfalls vernachlässigen.

Zu Hause angekommen, verschwand Schuldig erstmal ins Bad, und Brad flüchtete sich in den Fitnessraum. Nach dem gestrigen Erlebnis wollte er nicht so bald wieder mit Schuldig im Bad sein, wenn einer von ihnen nackt war. Außerdem hatte er sich noch nicht wirklich ausgepowert. Das würde er jetzt nachholen. Ihm war auch irgendwie gar nicht mehr danach, sich noch eine Frau zu besorgen. Es fühlte sich auf einmal seltsam falsch an, sich mit Schuldig zusammen auf diese Art zu vergnügen. Und allein hatte er jetzt auch keine Lust mehr. Sport war genauso gut! Er drosch auf den Sandsack ein, bis ihm der Schweiß in die Augen lief und seine Glieder vor Anstrengung schmerzten. Danach vollzog er noch sein Dehnprogramm, und erst danach ging er nachsehen, ob das Bad inzwischen frei war.
 

Die nächsten Tage verliefen in genau dieser Reihenfolge. Schuldig stand früh auf, verbrachte sechs bis sieben Stunden mit dem Fahrlehrer, wobei der netterweise den theoretischen Unterricht gleich im Wagen abhielt, während der Junge sich durch den irren Großstadtverkehr kämpfte. Allerdings ging das nur, weil der Telepath ein wirklich schlaues Kerlchen war und sehr gut darauf trainiert war, alles abzuspeichern, was ihm gesagt wurde.

Nach den Fahrstunden zog er sich um und ließ sich von Brad zu ihrem 'Fitness-Pfad' fahren. Okay, das Joggen machte ihm nach wie vor keinen Spaß, auch wenn er inzwischen doch mehr mit dem Amerikaner mithalten konnte als am ersten Tag. Doch durch die alte Fabrikhalle zu streifen, zu klettern und zu springen, das waren durchaus Sachen, die Schuldig gefielen und die ihn immer wieder dazu brachten, erfreut aufzulachen.

Er merkte bei diesen Gelegenheiten auch, wie sein Boss sich mehr und mehr entspannte und lockerer wurde, wenn sie allein waren. Und ihm fiel auch auf, dass der Andere dann so jung aussah, wie er eigentlich war.
 

An diesem Morgen war der junge Telepath besonders hibbelig und kippte nicht nur eine Tasse seines mörderischen Kaffees hinunter, sondern gleich drei, was seine Nervosität nicht unbedingt milderte. Im Gegenteil, er tippte mit dem Fuß in einem wilden Stakkato auf den Boden, was jedesmal ein klackendes Geräusch ergab. Dabei starrte er auf die Uhr, als wären seine Augen daran festgetackert. Als sich der große Zeiger endlich auf die zwölf schob, sprang er auf, wuschelte sich noch einmal durch die Haare, schlüpfte in seine Sneakers, rief "Wünsch mir Glück!" durch die Wohnung und knallte die Tür hinter sich zu.

Vor dem Haus wartete schon sein Fahrlehrer auf ihn.
 

Zwei Stunden später schlich ein geknickter Telepath zurück in die Wohnung. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit landete die Tür nicht mit Schwung im Schloss, nein, er machte sie fast unhörbar zu. Dann zog er sich die Schuhe aus und tappte mit tief gesenktem Kopf durch das Wohnzimmer, auf dem Weg in sein inzwischen vollständig eingerichtetes Zimmer.

Aus den Augenwinkeln sah er den Amerikaner auf sich zukommen und zog den Kopf noch weiter zwischen die Schultern.

"Wie war's?", wollte Brad wissen, auch wenn er sich schon am Verhalten des sonst so lebhaften Jungen ausmalen konnte, was geschehen war.

Schuldig seufzte leise und wartete noch ab, bis der Ältere direkt vor ihm stand. Dann hob er ganz langsam den Kopf, sah seinen Leader deprimiert an - und sprang ihn an. Wortwörtlich. Er hopste auf Brad, umschlang dessen Taille mit seinen langen Beinen, klammerte sich mit den Armen um seinen Nacken fest und lachte laut los.

"Ich hab bestanden! Was dachtest du denn?", quietschte er lachend. "Ich darf jetzt ganz offiziell fahren!"

Und weil er vor Freude fast überschäumte und dieses Gefühl unbedingt teilen wollte, knuddelte er Brad durch und gab ihm einen übermütigen Knutscher auf die Backe.
 

Natürlich konnten bei so einer Fahrprüfung alle möglichen Sachen schief gehen. Allerdings hatte Brad nie ernsthaft in Erwägung gezogen, dass sein Telepath durchfallen würde – der Fahrlehrer war schließlich stets zufrieden mit Schuldigs Leistungen gewesen. Als Schuldig jedoch so geknickt und niedergeschlagen zurückkehrte, traf Brad das Nichtbestandenhaben der Prüfung so unvorbereitet, dass ihm mehr als ein sinnloses „Wie war's?“ nicht einfiel.

Und dann überraschte ihn der Junge erneut und hüpfte ihn freudestrahlend an! Unter diesem stürmischen Freudenausbruch taumelte Brad zwei Schritte rückwärts und die eigentlich abwehrend hochgerissenen Arme konnten nichts weiter mehr tun als den schlanken Körper zu umschließen. Er war so überrumpelt, dass er nicht mal rechtzeitig dem feuchten Kuss auf seiner Wange ausweichen konnte.

Fühlte sich auch gar nicht so schlecht an. Weich und warm.

„Na... natürlich dachte ich, dass du bestehst. Und jetzt runter von mir, du bist schwer!“

Er befreite sich aus der Umklammerung und versuchte seine Würde als Teamleiter wieder herzustellen, in dem er an seinem hochgerutschten Sakko herumzupfte.

„Du darfst vielleicht offiziell fahren, aber vor mir hast du noch nicht bestanden, und glaub mir, ich habe andere Ansprüche als dein Fahrlehrer“, verpasste er mit mürrischen Ton dem sprudelnden Übermut vor sich einen Dämpfer. Gleichzeitig versuchte er, seiner eigenen inneren Vorfreude keinerlei Beachtung zu schenken, denn schließlich wollte er nicht die Überraschung versauen, die Schuldig jetzt erwartete. Das beste Mittel, Gedanken vor Telepathen geheim zu halten, war immer noch, an etwas ganz anderes zu denken. In der Theorie klang das einfach...

„Natürlich brauchst du jetzt auch einen eigenen Wagen. Ich habe mir erlaubt – in weiser Voraussicht – schon mal einen zu besorgen... Er steht unten in der Tiefgarage.“

Nur mit Mühe unterdrückte er ein Grinsen und gab seinem Gesicht einen ernsten, geschäftsmäßigen Ausdruck. Nur seine Augen funkelten verräterisch amüsiert.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Anuri
2011-11-14T09:08:10+00:00 14.11.2011 10:08
Das kann ich gut verstehen. Geht mir bei meinen Geschichten zurzeit nicht anders. Aber so lange es immer noch weiter geht und immer weiter xP kann ich auch mal etwas warten :)
Ich glaube ich erinner mich noch wo wir waren… mal sehen ob ich recht habe xP

Siehste mal eine Kapitel vergessen, aber beim Lesen kam es sehr schnell wieder :)

Soo nun zum Kapitel.
Am Anfang gefällt die Formulierung mit Cool irgendwie nicht so.
Ich kann mir Schuldig richtig vorstellen xP

Armer Schuldig. Ich wäre nicht einmal über die Mauer gekommen, oder überhaupt bis dahin xP Obwohl ich mich nie vorm Sportunterricht drücken konnte (sagen wir selten).

Schuldige Freude ist süß. Man vergisst irgendwie auch immer wieder das er erst ein Teenager ist :)

Ich bin sehr gespannt was Brad da jetzt geplant hat.

Ich freu mich schon auf das nächste Kapitel :)

Liebe Grüße
Anuri
Von:  Battosai
2011-11-13T20:23:10+00:00 13.11.2011 21:23
So war fleißig und habe zuende gelesen. es war mal wieder ein Genuss das spiel mit den Leader und den kleinen schuldig mitzuerleben. Einfach nur toll wie Schuldig aufblüht und alles mitmacht, Betrunken, fahrschule, dann das harte Training (der arme *mitleid hab)
Und das Brad auch nicht mehr so distanziert ist.
Außerdem find ich es toll das du mir bescheid gegeben hast ^0^
Echt toll weil ich verpeil sowas sehr schnell xDDD


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