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Criminal Minds - Das Leben danach

von

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Störfaktor

Gideon und Prentiss sind zurück. Diese hat sich ihres Blazers entledigt und schwitzt nun im T-Shirt vor sich hin. Sie fächert sich mit einem Stapel Tatortfotos Luft zu und sieht alles in allem eher verstört aus. Morgan kann sich einen Kommentar natürlich nicht verkneifen.

„Und? Wie war die Teeparty?“, fragt er grinsend und setzt sich zu ihr an den Tisch. Ich bleibe neben der Tür stehen und stecke die Hände in die Hosentaschen.

„Wie soll es schon gewesen sein“, meint Prentiss in düsterer Tonlage. „Ein Psychopath ist ein Psychopath, aber trotzdem kann ich nicht verstehen, wie man so denken kann. Und reden.“ Sie erschauert sogar ein wenig. Ich muss schmunzeln – was hat sie erwartet?

„Was habt ihr rausgefunden?“, will Morgan wissen.

„Es gibt keine Bewunderer“, sagt Prentiss. „Keine Fans, keinen Kontakt zur Außenwelt. Überhaupt keinen.“

Weitere Ausführungen unserer Kollegin werden übertönt, als Hotch, dicht gefolgt vom Sheriff, das winzige Büro betritt.

„Ich sage es Ihnen doch schon die ganze Zeit, Sheriff, noch sind wir uns dessen überhaupt nicht sicher.“

„Aber Agent Hotchner, bei allem Respekt, wie können Sie das auch nur in Erwägung ziehen?“, fragt der Sheriff mit großen Augen.

„Es ist nur ein Verdacht“, versucht Hotch ihn zu beruhigen, „Und noch haben wir keinen Grund, Ford zum Verhör zu bestellen. Dass er mit dem Fall zu tun hat ist nur eine Möglichkeit, die bestehen könnte. Mir ist klar, dass Ihnen das unangenehm ist, schließlich haben Sie den Kontakt hergestellt und ihn heute schon einmal enttäuschen müssen, aber wir müssen jedes Verdachtsmoment, das sich uns bietet, genauestens untersuchen.“

Der Sheriff widerspricht nicht mehr. Gideon betritt nach ihm das Zimmer.

„Zuerst sollten wir mit den Familien der anderen Opfer sprechen“, schlägt er vor. Hotch sieht in die Runde.

„Morgan, Prentiss, ihr fahrt hin“, befiehlt er dann, „Gideon, Reid und ich geben das Profil heraus.“

Ich frage mich, wo Strauss geblieben ist, seit unserer Ankunft habe ich sie nicht mehr gesehen. Soll mir recht sein. Aber normalerweise weiß ich lieber, wo mein Feind sich gerade aufhält.
 

Unser Wiedersehen findet wenig später statt. Hotch, Gideon und ich stehen wie drei Zirkuspaviane vor einer Horde schwitzender, lustloser Polizisten und versuchen ihnen verständlich zu machen, dass ein Profil tatsächlich hilft, einen Täter aufzuspüren und festzusetzen. Strauss sitzt recht zentral und beäugt uns kritisch, und das seit dem Zeitpunkt, als wir den Fuß aus dem Kabuff herausgesetzt haben.

„Der Täter ist männlich, weiß und 50-55 Jahre alt. Er besitzt einen ausgeprägten Gerechtigskeitssinn – das bedeutet, dass er eventuell einen Beruf im Rechtswesen oder der öffentlichen Sicherheit innehat, vielleicht auch inne hatte...“

Meine Konzentration geht gegen null. Während Hotch und Gideon in ihren Ausführungen versinken, stehe ich nur da und wechsle mein Standbein. Ich muss gähnen, und dabei bin ich nicht einmal müde. Kein gutes Zeichen. Strauss taxiert mich und das verunsichert mich zusätzlich.

Natürlich gibt es Fragen.

„Wollen Sie damit sagen, dass der Täter ein Polizist ist? Einer von uns?“

Hotch und Gideon reden sich um Kopf und Kragen. Niemand sucht gern in den eigenen Reihen nach Mördern, aber das auch noch von Außenstehenden befohlen zu bekommen, geht den Beamten mächtig gegen den Strich. Ich kann es ihnen kaum verdenken.

„Es ist nicht auszuschließen“, vermittelt Hotch diplomatisch.

„Möglich wäre auch ein Beruf in der Rechtsprechung. Protokollschreiber, Gerichtsdiener, Bote, um nur einige Beispiele zu nennen“, erklärt Gideon.

Ein Handy klingelt und alle Blicke werden auf den Sheriff gerichtet. Er entschuldigt sich schnell, hebt dann ab und beschränkt sich auf ein „Ja“ und „Habe verstanden“ am Ende des Gespräches. Hotch zieht die Augenbrauen hoch, sein Blick ist fragend.

„Eine weitere Leiche wurde gefunden“, verkündet der Sheriff mit ernster Stimme. Geraune und leise Gespräche. Hotch ergreift die Initiative.

„Ich möchte Sie alle bitten, nach Personen Ausschau zu halten, die in das gegebene Profil passen. Sollten Sie eine Auffälligkeit oder Ungereimtheit bemerken, bitten wir Sie um sofortige Mitteilung. Agent Gideon, Agent Reid und ich werden den Sheriff zum Fundort begleiten.“

Fast vier Uhr. Und der Tag ist noch lange nicht zu Ende.
 

Hotch macht zwei Anrufe. JJ soll das Profil in einer Pressekonferenz verkünden; Prentiss und Morgan sollen sofort nach der Befragung zum Fundort kommen: Eine Seitengasse, etwa fünf Meilen entfernt. Gideon hetzt den SUV durch die Nachmittagshitze, ohne Gnade, ohne ein offenes Fenster. Wenigstens ist der Weg nicht weit. Ich drücke meine Tasche fest an mich, damit sie nicht bei der nächsten Vollbremsung an der Windschutzscheibe landet. Immer wieder gehe ich in Deckung, wenn wir gefährlich knapp überholen. Spencers Nerven liegen blank, ich habe keine Chance gegen ihn.
 

Die Frauenleiche kann man nur entdecken, wenn man gründlich den Müll in der Seitengasse durchwühlt. Das hat der Obdachlose mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit getan. Hotch spricht kurz mit ihm, während Gideon und ich schon einmal die Gasse betreten.

„Was fällt auf?“, fragt Gideon noch bevor wir die Leiche gesehen haben.

„Der Ort“, antworte ich wie aus der Pistole geschossen. „Die vorherigen Leichen waren allesamt in einem Radius von 30 Meilen um den Stadtkern herum verteilt. Diese hier ist jedoch viel näher gelegen als die vorherigen Fundorte.“

Gideon nickt. „Er will uns herausfordern.“

Die Leiche liegt in einem Müllcontainer und ist halb ausgegraben. Wir steigen jeweils auf einen alten Getränkekasten, um sie uns genauer besehen zu können. Die Spurensicherung tut es uns gleich. Wieder bekommen wir Würgemale zu Gesicht, Spuren eines Kampfes, und einen Zettel in der Hand des Opfers: „Mörderin“.

Der Sheriff kommt hinzu und seufzt. „Und jetzt?“, fragt er. Ich kann es kaum glauben. Die Inkompetenz in Person.

„Abgleichen?“, frage ich höhnisch, „Mit Vermisstenanzeigen? Sie könnten es auch mit Ihren Familienfotos versuchen, aber da werden Sie wohl nur wenig Erfolg haben...“

„Reid...“, zischt Gideon, aber ich überhöre ihn.

„Und um Ihre nächste Frage vorweg zu nehmen, am besten versuchen Sie es mit einem Zeitraum von vor zwei Wochen. Dies liegt nahe, da Harry Rhymes zwei Wochen vor dem Fund seiner Leiche vermisst gemeldet wurde, ebenso wie Lindsey Higgins. Und wenn Sie ab und zu Ihr Gehirn befragen würde, wären Sie da sicher selbst draufgekommen, den Kopf haben Sie schließlich nicht nur für die Frisur. Keine Ursache.“ Ich sehe den Sheriff ein letztes Mal abschätzig an, steige von dem Kasten herunter und eile weiter in die Gasse hinein. Währenddessen ziehe ich die Gummihandschuhe aus. Scheiße.
 

„Reid!“

Gideon eilt mir natürlich hinterher.

Rede nur. Erzähl mir etwas Schönes.

„Was zur Hölle ist mit dir los? Kannst du mir erklären, was das soll?“

Gideon schreit nicht; aber er beginnt eine Predigt über Hilfestellung, Kooperation und Diplomatie. Ich sehe nur, wie sich sein Mund bewegt, seine Stimme höre ich nicht, das Blut rauscht in meinen Ohren. Ich schwitze wie ein Schwein und diese Leiche hat meine gesamte Planung durcheinander geworfen. Jetzt wird eine Nachtschicht fällig, Zeit, die ich verdammt nochmal nicht habe. In fünfundvierzig Minuten sind die acht Stunden vergangen. Acht Stunden, das bedeutet Opioidentzugssyndrom des ersten Grades. Auszuhalten, aber schwer zu verbergen. Zumindest vor Strauss, die die ganze Nacht neben mir sitzen und jeden Schweißtropfen beobachten wird, der sich auf meiner Stirn bildet. Was in weiteren vier Stunden passiert, daran möchte ich überhaupt nicht denken. Ich bin wütend. Ich bin unruhig. Und ich bin, entgegen meiner Vorsätze und derzeitigen Wesensart, panisch. Ich merke, wie Spencer mich auslacht. Angesichts der offensichtlichen Schwäche.

Ich bebe. Merkt Gideon denn nicht, was hier los ist? Oder ist es ihm völlig gleichgültig? Und wenn nicht, was will er damit bezwecken? Wieder ballen sich meine Hände zu Fäusten.

„... und natürlich ist er ein inkompetenter Polizist, aber wir sind ja dazu da, die Situation zu übernehmen.“ Väterlicher Blick seinerseits. Würgereflex meinerseits.

„Entschuldigung“, zische ich nach einer kurzen und unangenehmen Stille. „Es kommt nicht wieder vor.“

„Ich weiß.“ Schiefes Grinsen. Abgang. Einsame Wut in einer Seitengasse von Chicago.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dayce
2010-09-16T07:28:41+00:00 16.09.2010 09:28
Da bin ich mal wieder. Uhi was war das den für ein Ausraster? Nun ja ich glaube ja wie du geschrieben hast weiß er ganz genau das die Wirkung bald nachlassen wird. Er hat sicherlich andere Dinge im Kopf wie die Leiche unter dem Müll. Gideon kommt mir so vor als wüsste er genau was mit Reid los ist oder hat zumindest einen Verdacht. Ich mein er lässt ihm das durchgehen, auch wenn er weiß das Reid Recht hat. Und Hotch hat ihm damals auch gesagt das er sich zusammenreißen soll, "sonst würde er das gesammte Team verraten". Ich denke die wissen alle etwas mehr als Reid weiß. Naja mal sehen ob ich mich da verenne oder nicht aber ich mach mich mal auf zum nächsten!
Tschaui Dayce


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