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Shadowwalkers II

Kampf und Flucht
von

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Lektionen

Innerhalb der nächsten Tagen wurde Ashley nicht nur mit Lektionen konfrontiert, die ihr damit helfen sollten, ihre Kräfte besser zu kontrollieren, sie erfuhr auch einige interessante Dinge über Sam und seine Leute. Und bald verstand sie, woher der Name „die Ausgestoßenen“ herkam. Lily hatte ihr bereits erzählt, dass Sam ein Dämon war, der sich von seinen Leuten schon vor langer Zeit (Lily meinte wörtlich: „…vor mindestens vier meiner vorigen Inkarnationen“) wegen einem Streit mit den Erzdämonen abgewandt hatte.

Danach hatte er ein paar Unterweltler, Dämonen und sogar den einen oder anderen Schattengänger um sich gesammelt und die Ausgestoßenen gegründet, denn sie alle hatten ihre Leute verlassen, weil sie sich zu ihnen nicht mehr zugehörig fühlten. Für Ashley war es eine große Erleichterung zu wissen, dass sie nicht die erste und definitiv nicht die einzige Schattengängerin war, die nicht so recht dazugehörte.

Und die Schattengänger, die hier in Sams „Hauptquartier“ lebten, halfen Ashley hauptsächlich bei ihren täglichen Aufgaben. Es war, als hätte sie schon immer hier gelebt. Zum ersten Mal seit sie ihre Familie – unfreiwillig – verlassen hatte, fühlte sie sich wieder so richtig wohl und vor allem sicher, denn Sam versicherte hier, dass kein Dämon oder Schattengänger, der nicht zu ihnen gehörte, jemals hier her gekommen war. Und für den Fall, dass sie es doch versuchen sollten, hinderte sie starke Magie daran, den Wald in 5 km Umkreis zu betreten.

Warum Sam diese kleine Gruppe gegründet hatte und warum sie im Verborgenen blieben, verriet ihr aber niemand, egal wie oft sie nachfragte. Auch Trinity wollte ihr zu diesem Thema nichts verraten. Und auch aus Colin, einem der ehemaligen Schattengänger, mit dem sie heute ihre Übungen machte konnte sie nichts raus bringen.

Es war ihr erst gestern gelungen, unter seiner Anleitung, die Kraft, welche sie von Charon übernommen hatte – das Dämonenfeuer – bewusst zu benutzen. Allerdings hatte sie dabei beinahe ungewollt eine der Scheunen in Brand gesetzt, weshalb die beiden nun in sicherer Entfernung zu den Häusern daran übten, dass Ashley es schaffte, die Fähigkeit auch zu kontrollieren.

Sie wusste, dass es eigentlich keine große oder übermäßig schwierige Sache war, allerdings überkam sie jedes Mal, wenn sie die Kräfte einsetzte, ein ziemlich unangenehmes Gefühl. Es war als würde ein Teil von Charon in ihrem Bewusstsein sitzen. Und allein der Gedanke, ihn in ihrer Nähe zu haben war für sie einfach nur abstoßend. Colin hatte die Vermutung, dass dies der Tatsache geschuldet war, dass sie aufgrund der „Beziehung“, welche er zu Lily hatte, Charon gegenüber einfach grundsätzlich nicht gerade positiv gesinnt war.

Und je mehr Ashley darüber nachdachte, desto mehr war sie ihm geneigt zu zustimmen. Allerdings spielte wohl auch die Tatsache eine Rolle, dass Ashley nicht sehr motiviert bei der Sache war. Sie wollte Lily wieder zurück holen. Tagsüber fand sie kaum Ablenkung von ihren Schuldgefühlen und Sorgen und nachts lag sie entweder stundenlang wach oder, wenn sie dann doch mal eingeschlafen war, von den schlimmsten Alpträumen gequält wurde. Auch Colin schien es nicht entgangen zu sein, dass sie ihm und seinen Tipps keine Aufmerksamkeit schenkte.

„Es ist schon seltsam, wie sehr du es perfektioniert hast, mit offenen Augen zu schlafen, von wem du das wohl übernommen hast?“ meinte er betont sarkastisch und Ashley schreckte aus ihren Gedanken. „Entschuldige.“ antwortete sie ziemlich kleinlaut, allerdings wirkte sie anschließend nicht weniger konzentriert. Colin beobachtete sie noch einige Augenblicke. Dann fügte er hinzu: „Ich weiß, dass du jetzt lieber woanders wärst, aber es ist wichtig, dass du das hier ernst nimmst.“

Ashley musterte ihn einige Sekunden, dann senkte sie ihren Blick und murmelte: „Ich geb mir Mühe.“ Colin fuhr sich durch die strohblonden Haare und schenkte ihr dann ein Lächeln. „Glaub mir, das weiß ich. Und du machst auch schon große Fortschritte, aber wenn du dich besser konzentrieren könntest, kann es sein, dass wir auch wesentlich schneller fertig sind, als zuerst gedacht.“ Ashley sah ihn nicht an, sie wusste, dass er es ernst meinte. Wenn Duncan sie eines gelehrt hatte, dann wann jemand aufrichtig zu ihr war und wann nicht. Denn er war das beste Beispiel gewesen, wenn es darum ging, etwas zu beschönigen oder ganz zu verschweigen.

Da sie nicht antwortete fügte Colin schließlich seufzend hinzu: „Na schön, vielleicht sollten wir es für heute lassen. Du siehst müde aus und Trinity hat mir erzählt, dass du nicht viel schläfst. Vielleicht legst du dich einfach ein wenig hin und wir machen heute Abend weiter.“

Ashley nickte stumm, und machte sich dann auf den Weg zu dem Haupthaus. Sam hatte sie in ein kleines Zimmer im Erdgeschoß einquartiert. Und da Trinity darauf bestanden hatte, sie im Auge zu behalten, schlief auch sie in dem Zimmer. Allerdings nicht in einem Bett wie Ashley, Trinitys Nachtlager befand sich auf einer alten zerschlissenen Couch, die von Colin und einem Halbdämon namens Grey in das Zimmer gebracht wurden.

Es war noch früher Nachmittag und Trinity war irgendwo auf dem Grundstück beschäftigt. Also hatte Ashley das Zimmer für sich allein. Erst nachdem sie sich auf das Bett gelegt und ein paar Mal tief durchgeatmet hatte, wurde ihr bewusst, dass Colin Recht gehabt hatte – sie war hundemüde. Eine Weile schloss sie die Augen und lauschte den Geräuschen von draußen und ihrem eigenen Herzschlag.

Als sie die Augen wieder aufschlug und sich aufrichtete, merkte sie sofort, dass etwas ganz anders war. Sie sah aus dem Fenster und konnte draußen keine Menschenseele erblicken. Es war unheimlich still. Selbst das Geräusch der Vögel in den Bäumen schien verschwunden zu sein und Ashley beschlich langsam Panik. Als sie sich zur Tür umdrehte, entfuhr ihr ein gellender Aufschrei und ihr Herzschlag schien eine Sekunde auszusetzen.

Dort stand mit einem milden und entschuldigendem Lächeln jemand der ihr sehr wohl bekannt war: Isaac. Noch bevor er etwas sagen konnte, entfuhr Ashley eine wütende Schimpftirade: „Verdammt noch mal, wieso musst du mich immer zu Tode erschrecken? Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen, weil du immer wie aus dem Nichts auftauchst!“ Isaac lächelte noch immer. „Verzeih, aber ich musste sicher gehen, dass du mich auch wirklich wahrnehmen kannst.“

Ashleys Verblüffung war nicht nur in ihrem Gesicht, sondern auch in ihrer Frage zu finden: „Was soll das heißen, dich auch wirklich wahrnehmen? Hab ich das jemals nicht getan?“ Isaac trat von der Tür an Ashleys Bett heran und ließ sich nieder. „Schon sehr oft, leider. Es gelingt mir nicht immer, dich auch zu erreichen. Nur wenn du dazu bereit bist.“ Ashley zog die Stirn kraus. „Heißt das, du spukst des Öfteren in meinem Träumen rum, ohne dass ich es mitkriege?“

Isaac nickte kurz: „Leider bist du aber nicht immer in der Lage mich zu spüren.“ Ashley lief knallrot an wie eine überreife Tomate. „Auch, wenn ich… von… privaten Dingen träume?“ Isaacs Lächeln wurde breiter und Ashley hatte das Gefühl, im Boden zu versinken, bis er antwortete: „Nein, in so einem Fall ist mir vorher klar, dass du mich nicht bemerken wirst. Da bist du zu abgelenkt, das hätte also keinen Sinn.“

Geräuschvoll atmete Ashley aus und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Das hier war viel zu skurril, um wahr zu sein. Wahrscheinlich bildete sie sich Isaac sowieso ein und verlor allmählich den Verstand. Entweder konnte er ihre Reaktion sehr gut deuten oder er konnte Gedanken lesen, jedenfalls antwortete er: „Ich bin nach wie vor keine Einbildung, auch wenn ich bisher nur mit dir gesprochen habe, wenn du nicht bei Bewußtsein warst.“

Ashley lehnte sich gegen die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und was für eine wichtige Nachricht hast du heute für mich?“ Isaac sah sie einige Minuten nur stumm an, dann, als hätte er sich seine Worte wohl überlegt, antwortete er: „Es ist weniger eine Nachricht für dich, als mehr ein bisschen moralische Unterstützung.“ Ashley kratze sich am Kopf. „Warum denkst du, dass ich die brauche?“

„Weil du im Moment ziemlich verloren bist. Auch wenn es dir nicht so vorkommt.“ antwortete Isaac. Ashleys schien getroffen, als sie weiter sprach: „Was meinst du damit?“ Isaac sah sie ernst an: „In den letzten Monaten hast du sehr viele Dinge erfahren und jedes einzelne dieser Dinge hatte einen großen Einfluss. Alles, was du vorher für wahr gehalten hast, stellt sich nun immer mehr als eine Lüge heraus. Lily hatte dich getäuscht und jetzt ist sie in den Händen von Duncan. Und auch du veränderst dich. Deine Kraft ist erwacht. Und…“ er sprach nicht weiter. Doch sie sah es in seinen Augen, fast so als könnte sie darin lesen.

Und deshalb vollendete Ashley seinen Satz. „Ich weiß, wo das Manuskript ist. Ich habe das was alle wollen, aber niemand haben soll.“ Isaac lachte kurz auf. „Das ist nur die halbe Wahrheit, Ashley.“ Sie sah ihn skeptisch von der Seite an. „Und was ist dann mit dem Rest?“ Isaac reichte ihr die Hand und instinktiv nahm Ashley sie auch an, warum, das wusste sie nicht genau.

„Alles folgt einem gewissen Plan, Ashley. Das Manuskript wurde vor so langer Zeit versteckt, damit bestimmte Leute es nicht finden können. Aber genauso wie es ihnen nicht bestimmt war, den Rest der Schriftrolle zu finden, so war es dir bestimmt, es zu finden. Und auch, es vor ihnen zu verbergen. Bis die richtige Zeit gekommen ist.“ Er drückte Ashleys Hand kurz, bevor sie fragte: „Ach ja wirklich? Und warum musste gerade ich so dumm sein, dieses Stück Papier auszugraben?“

Wieder lachte Isaac kurz auf: „Weil du genau wusstest, was damit zu tun ist und dass es noch zu früh war, seinen Inhalt preis zu geben.“ Ashley verzog das Gesicht zu einer spöttischen Grimasse: „Woher soll ich wissen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist?“ Isaac schenkte ihr erneut ein breites, beruhigendes Lächeln und drückte noch einmal ihre Hand. „Ich denke das weißt du bereits.“

Als er die Hand losließ, spürte Ashley, dass es sie wieder zurückzog. Und innerhalb von einigen Sekunden verschwamm der Raum vor ihr. Und wie aus weiter Ferne hallte Isaacs Stimme nach, die ihr zurief: „Für alles gibt es den richtigen Zeitpunkt.“



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