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Ich schließe die Augen und träume mich zurück...
 

Und wie immer wenn ich das tue sehe ich zu allererst ihr Bild vor mir. Sie war wunderschön... meine Mutter. Sie war ein Teufel - man muss wissen,

auch wenn wir eigentlich geschlechtslos sind, konnten wir uns fortpflanzen und wenden uns im Laufe der Zeit in die Rolle die uns am ehesten liegt - wir entscheiden

uns also bewusst für ein männliches oder weibliches Dasein.
 

"Geburten" in der damaligen Welt geschahen allerdings auf anderem Weg als dies zum Beispiel bei den Menschen üblich ist.
 

Wenn ein Teufel einen Partner hatte und diesen liebte - das war die wichtigste Bedingung - und noch ein paar andere Gegebenheiten

stimmten, konnten Teufel und Engel sich fortplfanzen. Ein "Kind der Liebe" entstand entsprechend dem Sprichwort.

Eine weitere, auch nicht unwichtige Komponente war Blut. Es klingt vielleicht makaber, aber aus diesem Ritual entstand dafür tatsächlich der Begriff

"Lebenssaft".

Beide Partner mussten sich gegenseitig mit einer Schneide aus dem Unterarmknochen ins Herz stechen, der Knochen wurde durch einen Zauber

hervorgeholt und geformt. Man durfte nicht zu tief stechen - nur ein Tropfen Herzblut war nötig.

Das war der gefährlichste Teil des Rituals, daher wurde dieses auch nur selten praktiziert. Und für Mischwesen wie mich war er komplett verboten,

da wir uns nicht so gut beherrschen können wie die Reinblüter und es wohl zu Todesfällen kam, weil die Mischlinge ihre Partner versehentlich im Blutrausch töteten.
 

Naja - jedenfalls war das Gesicht meiner Mutter das erste was ich sah als ich das Licht der Welt erblickte. Sie war von einem bunten Leuchten

umgeben wie man es sieht wenn man einen Kristall in die Sonne hält. Das sollte mein Sinnbild für Schönheit werden.
 

Das zweite was ich sah war das liebende, sanfte Gesicht meines Vaters - ein Engel. Damals verstand ich noch nicht, wie besonders diese

Verbindung war, ich fühlte nur innige Liebe und Geborgenheit in der Umarmung meiner Eltern.
 

Meine Kindheit war eine wundervolle Zeit - von meiner Mutter lernte ich das Leben wert schätzen, von meinem Vater, der nur sporadisch

zu Besuch kam, lernte ich was Gefühle sind und das alle Wesen ihren Sinn und Zweck haben.

Ich wusste nicht, dass die beiden mich auf die Ablehnung, die ich als Erwachsener erfahren sollte, vorbereiten wollten. Damals war meine Welt

einfach so und ich war glücklich.
 

Eines Tages leuchtete das Licht, welches eigentlich immer meinen Vater ankündigte, in unsere Bleibe - ich rannte voller Freude nach draussen,

fand aber eine ganze Heerschar von Engeln, die mit völlig emotionslosen, leicht angewiderten Gesichtern auf mich herabblickten.
 

Meine Mutter kam ganz langsam hoch erhobenen Hauptes herausgetreten und fragte, was sie für unsere Besucher tun könne.

Einer der Engel trat vor und hielt etwas in der Hand - es sah für mich aus wie eine Blume. Es war weiß und glitzerte wie eine Perle. Ich war mir nicht sicher

was es war, doch die wunderschönen, schwarzen Augen meiner Mutter weiteten sich im Entsetzen der Erkenntnis.
 

Sie kniete sich zu mir, nahm mich in den Arm und drückte mich so fest das es weh tat. Ich verstand nicht was dieser Gegenstand war, doch

ich fing an eine Abneigung gegen diese Engel zu entwickeln, weil sie meiner Mama Angst machten.
 

Dann flüsterte sie so leise das nur ich es hören konnte: "Mein Liebling, wenn ich dich gleich loslasse wirst du allein sein. Flieh an die Oberfläche, dorthin wo der große Stern

tagsüber leuchtet und bleib für immer dort! Dreh dich nicht um und komme nie mehr hierher zurück! Hab keine Angst, du wirst niemals

einsam sein, denn meine Gedanken und meine Liebe werden bei dir sein - für immer mein Herz!"
 

Dann ging alles sehr schnell, meine Mutter schleuderte mich mit all ihrer Kraft - und davon hatte sie reichlich - hinter sich. Und ich, ganz

das brave Kind, lief so schnell ich konnte... und doch konnte ich nicht umhin mich nochmal umzudrehen. Ich lief weiter, stolperte, schlug der Länge nach

hin und sah etwas, das mir klar machte, dass die Welt in der ich bisher lebte nichts weiter war als ein schöner Traum der jetzt zu Ende ging. Ich sah meine

Mutter, blutüberströmt, die wie wild die Engelskrieger in Einzelteile zerriss und dabei selbst schon einen Arm weniger hatte. Einer der Engel

sah mich und kam zu mir - ich lag immer noch auf dem Boden, nun vor Angst und Verzweiflung wie gelähmt.

Als der Cherub über mir sein Schwert hob wurde mir mit einem Mal bewusst - dieser Engel wollte meinen Tod. Als sein Arm gestreckt war konnte

ich meinen Blick nicht mehr von dem Schwert lösen - wie merkwürdig - im Angesicht des sicheren Todes sah ich nur, wie hübsch sich das

Licht der unzähligen Kerzen und Glühwürmchen auf der Klinge brach. Als es herabstieß schloss ich meine Augen.
 

Ich wartete, ich zählte - ein Herzschlag...noch einer...noch einer... - immer noch spürte ich keine Veränderung. Ich wusste auch nicht was passieren würde.

Bisher kannte ich weder Schmerz noch Tod - nur mein Instinkt sagte mir, dass das, was der Engel vorhatte, mich unwiderruflich vernichten sollte.
 

Ein Lufthauch...
 

Bubumm...
 

Ein süßlicher Geruch hüllt mich ein...
 

Bubumm...
 

Ich öffnete ganz langsam meine Augen und sah, dass der Seraph vor mir zusammengesunken war. Meine Mutter hielt in ihrer verbliebenen linken Hand eine

der weißen Blumen wie diejenige, welche der Engel uns zu Beginn gezeigt hatte. Ich begriff - es war sein Herz. Und die erste Blume war das Herz meines Vaters...
 

Ich lag da und starrte sie an. Ihr Gesicht war merkwürdig verzerrt - und ich bekam meine erste schallende Ohrfeige. Während ich meine Wange hielt, spürte

ich, wie meine Augen sich mit Flüssigkeit füllten und diese über mein Gesicht herunter lief.
 

Ich weinte zum ersten Mal in meinem kurzen Leben.



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