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Flashing Thoughts

von

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So, wieder ein Kapitel meiner total unbeliebten Story. Na ja, bin mal optimistisch und gehe davon aus, dass es an der unpopulären Genre-Mischung liegt und nicht daran, dass sie so schlecht ist.
 

Hab übrigens keine Kursiv-Sachen formatiert, da mir das hier zu umständlich ist. Ich hoffe, man kann die Stellen trotzdem gut verstehen.
 

So und nun viel Spaß mit dem neuen Kapitel.
 


 

Mitten in der Nacht wachte Seiji auf, da er gestern so viel am Tag geschlafen hatte. Nun konnte er einfach nicht mehr einschlafen, fühlte sich aber trotzdem komisch. Vielleicht gerade weil er so viel geschlafen hatte? Was sollte er denn jetzt mitten in der Nacht machen? Zum Lesen hatte er keine Lust und was anderes kam nicht in Frage.

In der Dunkelheit konnte er nur ein paar Streifen Mondlicht an der Decke des Zimmers sehen, die durch die geöffneten Rollo-Schlitze fielen. Während er seine Gedanken so schweifen ließ, bemerkte er, dass das Medikament zur Unterdrückung von Psi-Kräften offenbar endgültig seine Wirkung verloren hatte, denn er nahm wieder leises Murmeln und einige lautere Gedankenfetzen wahr von Leuten, die Nachts arbeiteten oder heftig träumten. Selbst Telepathen hatten ihre Abschirmung nicht immer im Griff, besonders nicht im Schlaf. Außerdem, erinnerte er sich, hatte er gestern ja auch plötzlich durch die Abschirmung einiger anderer Telepathen hindurch „sehen“ können, als er seine mentale Barriere gesenkt hatte. Und nachdem dies nun geschehen war, bedeutete das, dass er nicht mehr in der Lage war, sie wieder so „hochzufahren“ wie zuvor? Es war schon seltsam, er hatte geglaubt, da wäre überhaupt keine Barriere gewesen, weil er doch ständig die Gedanken anderer Leute wahrnahm, ohne es verhindern zu können. Aber jetzt schien es, dass sie zwar vorhanden gewesen war, aber nur dafür gesorgt hatte, dass die Stimmen leiser gewesen waren. Und nicht wie Feuer in seinem Kopf brannten.
 

Es schien endlos zu dauern, bis der Morgen endlich anbrach, aber Seiji blieb trotzdem im Bett liegen. Es gab einfach so vieles, was ihm im Kopf herum schwirrte. Zum Beispiel wusste er immer noch nicht, wie die SAT ihn hatte entdecken können. Oder, warum dieser Lorane so nett zu ihm war, obwohl das sonst nicht seine Art zu sein schien. Und was ihn hier überhaupt erwartete.
 

Schließlich schlich sich der erste Sonnenstrahl – da es Sommer war, schon gegen 05:00 Uhr – durch die Schlitze des Rollos. Also stand Seiji erleichtert und gespannt darauf, wie dieser Unterricht für Psi-Kräfte wohl aussah und wie seine Mitschüler sein würden, auf. Der blauhaarige Wirbelwind schlief noch tief und fest, worüber er ganz froh war. Am Morgen hatte er gerne seine Ruhe – und auch sonst, wenn er ehrlich war.
 

Im Frühstückssaal merkte Seiji erst, was für großen Hunger er hatte. Und der Kaffee hier war auch nicht schlecht.
 

„Hi!“, winkte ihm Stephen zu, bevor er sich an einen Tisch zu seinen Kollegen am anderen Ende des Raumes setzte. Seiji grüßte zurück. Lorane war heute nicht zu sehen. Dafür konnte er Cyrus in der Menschenmenge ausmachen. Ansonsten kannte er hier niemanden.
 

„Hey! Du musst Seiji sein“, begrüßte ihn überraschend eine Frau um die Dreißig mit strahlenden blauen Augen und schulterlangen, blonden Haaren, die ein voll beladenes Frühstückstablett vor sich hertrug und eine Handtasche über der Schulter. Sie lachte ihn an und schien dabei von innen heraus zu strahlen. Damit war sie Seiji auf Anhieb sympathisch. „Ich bin Katja Livingstone und du wunderst dich jetzt bestimmt, woher ich deinen Namen kenne.“
 

„Ähm, ja. Guten Morgen“, erwiderte Seiji etwas steif.
 

„Nun ja, ich bin gewissermaßen diejenige, die Schuld ist, dass du jetzt hier bist. Ich hoffe, du bist mir deswegen nicht allzu böse. Ich habe dich nämlich in einer Vision gesehen. Ja, ich bin die Hellseherin, von der du wahrscheinlich noch einige Gerüchte hören wirst, aber hör nicht drauf, die meisten sind nur Märchen. Jedenfalls finde ich es immer toll, wenn ich diejenigen, die ich nur aus einer Vision kenne, dann in Wirklichkeit treffe. Denn es ist immer anders, als ich erwartet habe. Visionen sind nämlich selten besonders klar.“
 

„Ah, deshalb wussten Sie also mein Alter und meine Abstammung, aber nicht meinen Namen oder die Adresse?“, ging Seiji ein Licht auf, den langsam gar nichts mehr wunderte.
 

„Ja, ich wusste nicht mal genau, wie du aussiehst, nur, dass du Lorane über den Haufen rennen würdest. Ist das nicht lustig? Ich konnte ihn einfach nicht vorwarnen, die Vorstellung war zu komisch. Schade, dass ich nicht in Real dabei war. Hat er ein genauso finsteres Gesicht gemacht, wie in meiner Vision?“
 

„Noch finsterer“, schmunzelte Seiji. Irgendwie konnte er der Frau nicht böse sein, dass sie quasi Schuld war, dass er jetzt hier war. Dafür machte sie einfach einen zu netten Eindruck und wirkte nicht so, als hätte sie in böser Absicht gehandelt. Außerdem machte sie ja auch nur ihren Job. „Was tun Sie denn so, wenn Sie nicht gerade nicht registrierte Telepathen aufspüren?“, wollte Seiji wissen. Die Frage nahm sie offenbar als Einladung und setzte sich zu ihm an den Tisch, während sie antwortete:
 

„Ich helfe der Polizei, Verbrechen aufzuklären. Man lässt mir Dinge von Tatorten zukommen oder führt mich direkt dort hin und dann hoffe ich, eine Vision zu haben. Manchmal helfen mir auch meine Tarotkarten, wenn ich so nicht weiterkomme. Diese Visionen sind nämlich leider nicht so einfach abzurufen, wie andere Psi-Kräfte. Die kommen und gehen wie sie gerade wollen“, lachte sie.
 

„Das ist interessant“, erwiderte Seiji und schob sich eine Gabel Rührei in den Mund. Katja erzählte noch weiter über ihre Arbeit und er freute sich, dass sie von sich aus so aufgeweckt war und mit ihm redete, denn er selbst war eher wortkarg und kam nur schwer mit Leuten zurecht, die weniger redselig waren. Das endete dann meist in peinlichem Schweigen.
 

Nach dem Frühstück war Seiji ganz aufgeregt, da nun die erste Stunde in telepathischer Kontrolle stattfand, was immer man sich genau darunter vorzustellen hatte. Vor dem Klassenraum blieb er stehen und stellte fest, dass außer ihm noch niemand da war, da er ziemlich früh dran war. Etwas später kam eine Gruppe Mädchen, die alle um die vierzehn bis sechzehn Jahre alt aussahen und kicherten ihn von der Seite an, wobei sie versuchten, ihn telepathisch zu „begrüßen“, was Seiji so vorkam, als würden sie ihn abtatschen. Ihm lief eine Gänsehaut über den Körper und er erinnerte sich mit Unbehagen daran, dass viele Mädchen ihn süß fanden.
 

„Ich bin Elly“, stellte sich ein niedliches Mädchen, mit roten Locken und Sommersprossen auf dem Gesicht, vor. „Du musst einer der Neuen sein. Da du schon älter bist, nehme ich an, Seiji und nicht Derik, was?“ Aus der Nähe und als Einzelperson betrachtet, wirkte sie gar nicht mehr so unsympathisch, wie die ganze Gruppe Mädchen. Und obwohl sie eine der Jüngeren war, gehörte sie anscheinend zu den Mutigeren, die ihn nun zuerst angesprochen hatte.
 

„Ja, richtig. Freut mich“, brachte Seiji etwas unbeholfen hervor.
 

„Mich auch“, zwinkerte die Kleine ihm frech-freundlich zu und ging wieder zu ihrer Gruppe. Er guckte ihr gerade so hinterher, als ihn plötzlich ein telepathischer Schlag traf, der ihn taumeln ließ. Es war, als hätte jemand direkt sein Gehirn angefasst.
 

„Ah, da ist also der Schwächling, der gleich bei der HyB-Messung zusammengebrochen ist?“, stellte eine Stimme hinter ihm fest. Woher wusste der das? Seiji wandte sich um und sah vor sich einen Jungen um die sechzehn Jahre alt, der ihn so herablassend musterte, als wäre er der Ältere und zudem der Anführer hier. Er hatte lange, dunkelblonde Haare, die hinten zu einem Zopf zusammengebunden waren und grüne Augen, die verächtlich blitzten.
 

„Sieht so aus“, erwiderte Seiji, der nicht gerade zu den Kampflustigen gehörte. Derartige Streitigkeiten an der Schule hatte er schon immer gehasst und war heilfroh gewesen, als er in die elfte Klasse gekommen war, wo es nicht mehr so zuging wie bei den Jüngeren. Doch hier war er ja vorwiegend mit Jüngeren zusammen, da bei den meisten Leuten die Psi-Kräfte spätestens mit Anfang der Pubertät ausbrachen. Es gab auch nicht wenige, bei denen das schon als Kind der Fall war. Nur er, Seiji, schien so ein Spätzünder zu sein.
 

„Sieht so aus“, schnaubte der Junge und war offenbar verblüfft über die mangelnde Gegenwehr. Das hielt ihn aber nicht davon ab, noch eins nachzusetzen. „Hör mal, falls dir das noch nicht klar sein sollte, ich bin der Klassenbeste und mein HyB-Wert ist fünfundzwanzig und ich werde später SAT-Aufseher. Das heißt, wenn du keinen Ärger kriegen willst, musst du dich mir unterordnen, auch wenn du älter bist. Du tust, was ich dir sage, oder du wirst dein blaues Wunder erleben.“ Seiji guckte ihn verblüfft an, dieser Kleine war ja ganz schön frech. Und auch wenn er sonst so schüchtern war - wenn es um das Thema Gerechtigkeit ging, ließ er sich nicht so leicht unterkriegen. In dem Fall besaß er auch einen außerordentlichen Dickkopf und er sah nicht ein, dass er sich von so einem kleinen Rüpel niedermachen ließ.
 

„Nein“, erwiderte er scheinbar gelassen.
 

„Nein?! Sagt er?!“, der Junge holte tief Luft und schien kurz vor der Explosion zu stehen. Nach dem schüchternen Anfang hatte er offenbar kein Nein erwartet. Der Rest der Klasse schaute nun mit angehaltenem Atem zu den Beiden hinüber. „Ha, das wollen wir doch mal sehen!“ Mit diesen Worten griff eine Art telepathische Klammer nach Seijis Gehirn, und es fühlte sich an, wie wenn man einem die Luft abdrückt. Er taumelte und hielt sich den Kopf.
 

„Hey, was machst du mit meinem Freund?“, wollte da eine empörte Stimme wissen. Der blonde Junge wandte sich um und entdeckte einen kleinen, blauhaarigen Jungen mit böse funkelnden Augen. „Lass das, oder ich koche dich!“ Derik formte zur Demonstration ein paar Blitze, die nun zwischen seinen Händen zuckten.
 

„Ha!“, machte Angesprochener und entließ Seiji tatsächlich aus seinem telepathischen Klammergriff, der erleichtert ausatmete. „So ist das also, du bist so eine Memme, dass du dich von dem Kleinen da beschützen lassen musst. Wie erbärmlich.“ Der blonde Junge wandte sich, die Nase in der Luft, ab, als hätte er gerochen, dass gerade der Lehrer ankam. Wahrscheinlich hatte er es tatsächlich telepathisch wahrgenommen.
 

„Na dann, Guten Morgen, allerseits“, eröffnete der Lehrer die Stunde, als endlich alle ruhig im Klassenraum saßen. „Für die Neuen unter uns: Ich bin Samuel Lessner und euer Lehrer für telepathische Kontrolle. Das schließt alles ein, angefangen davon, wie man sich vor anderer Leute Gedanken bis hin zu telepathischen Attacken abschirmt und wie man selbst solche ausführt, sowie wie man seine eigenen Psi-Kräfte mit denen anderer verbinden kann.“ Derik reckte seinen Arm in die Höhe. „Ja, junger Mann?“
 

„Aber ich bin doch gar kein Telepath, ich kann Blitze erzeugen, bin ich hier dann nicht falsch?“
 

„Nun, das Grundsätzliche, wie man seine Psi-Kräfte kontrollieren kann, wirst du auch hier lernen. Und auch, wenn du kein Telepath bist, wirst du trotzdem lernen können, deine Gedanken abzuschirmen, das kann man auch mittels anderer Psi-Kräfte. Außerdem ist es schlicht und einfach so, dass es viel zu wenige Menschen mit anderen Talenten gibt, als dass es sich lohnen würde, dafür Klassen zu bilden. Also wirst du dich mit dieser hier begnügen müssen.“
 

„Verstehe.“
 

„Gut. Nun, wir haben zwei Neuzugänge, wo wir schon mal dabei sind, stell dich doch gleich vor“, forderte er den Jungen auf. Anschließend tat es Seiji ihm nach und war froh, als er damit fertig war und die Aufmerksamkeit nun nicht mehr auf ihm lag, als der blonde Junge von vorhin sich meldete.
 

„Ja, Jason, was gibt es?“, fragte Mr. Lessner.
 

„Ich möchte noch etwas von Seiji wissen. Wie hoch ist denn dein HyB-Wert?“ Jetzt starrten ihn alle erwartungsvoll an. Seiji lief rot an und brachte kein Wort hervor. „Was, traust du dich nicht, es zu sagen, weil er so niedrig ist? Vielleicht mickrige Fünf?“, provozierte ihn Jason. „Oh, ich brech gleich zusammen, weil mein geringer HyB-Wert gemessen wird, Dornröschen?“, höhnte er.
 

„Jetzt reicht es aber!“, schimpfte Mr. Lessner. „Jason, beleidige deine Klassenkameraden nicht!“ Jason brummelte verärgert. „Wenn Seiji seinen HyB-Wert nicht verraten will, dann ist das sein gutes Recht. Und jetzt fangen wir mit dem Unterricht an.“
 

Na, von wegen, den werde ich schon noch herausfinden und wenn sein HyB-Wert wirklich nur bei Fünf liegt, dann wird sich die ganze Klasse über ihn schlapplachen, fing Seiji den beleidigten Gedanken Jasons auf. Doch der hatte den unfreiwilligen Gedankenkontakt offenbar bemerkt und blitzte ihn nun zwischen den Tischen hindurch böse an. Warte nur, bis der Unterricht vorbei und dein kleiner Leibwächter nicht mehr da ist!, verkündete er. Dann wirst du dafür bezahlen, dass du es gewagt hast, einfach meine Gedanken zu lesen!
 

Dafür kann er ja nichts, wenn du so blöd bist, deine Gedanken so laut hinauszuschreien, stellte eine andere Stimme fest.
 

„E-elly“, brachte Jason ganz kleinlaut hervor. Offenbar lag ihm etwas an dem Mädchen.
 

„JASON EDWARDS!“, fuhr Mr. Lessner laut dazwischen und alle zuckten zusammen. „Jetzt reicht es aber! Von nun an herrscht Ruhe! Und das gilt auch für eure Gedanken! Und du sitzt heute nach!“
 

„Och, nö“, stöhnte Jason.
 

„Also“, begann Mr. Lessner an Seiji und Derik gewandt. „Ihr beide könnt eure Bücher nach dem Unterricht in meinem Büro abholen. Bis dahin schaut bitte bei euren Nachbarn rein. Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass ihr einigen Stoff nachholen müsst, da ihr mitten im Jahr zu uns gestoßen seid.“ Die Beiden versicherten brav, dass sie das tun würden.
 

„Fangen wir also damit an, noch mal unsere Abschirmung zu verbessern.“
 

„Nicht schon wieder dieses langweilige Thema“, stöhnte Jason halblaut.
 

„Hast du etwas gesagt, Jason?“, mahnte Mr. Lessner.
 

„Ich frage mich nur, warum wir das schon wieder machen müssen. Wir wissen inzwischen wie man sich abschirmt. Nur wegen dieser beiden Neuen gehen wir das Thema noch mal durch. Haben Sie nicht gerade gesagt, dass die das außerhalb des Unterrichts nachholen sollen?“
 

„Oh, da verstehst du was falsch. Diese Wiederholung ist für euch. Eine Wiederholung für Fortgeschrittene, sozusagen. Denn sich gut abzuschirmen ist keineswegs so leicht wie manche von euch glauben. Eigentlich ist es das schwierigste überhaupt. Sogar manche ausgebildete SAT-Aufseher haben damit noch Probleme.“
 

„Wen er damit wohl meint?“, flüsterte es ironisch hinter Seiji, der unwillkürlich an Stephen Mitchell denken musste. Dessen Abschirmung war auch nicht ganz wasserdicht.
 

In dieser Stunde lernte Seiji, dass es zwei wesentliche Methoden gab, sich abzuschirmen. Im Grunde bestanden aber beide aus Ablenkung. Eine direkte Möglichkeit, die Gedanken anderer Leute abzublocken, gab es nicht. Entweder konnte man sich etwas vorstellen, ein bestimmtes Gedankenbild, ein Gedicht oder eine Melodie, was immer einem am leichtesten fiel und sich darauf so stark konzentrieren, dass alle anderen Gedanken nicht mehr wahrgenommen wurden und auch umgekehrt, andere Telepathen nur noch dieses Gedankenbild wahrnahmen. Dies war allerdings eine Methode, die sich schwer ständig aufrechterhalten ließ, da man sich schlecht gleichzeitig auf etwas anderes konzentrieren konnte. Sie war eigentlich nur für Anfänger gedacht, bis man die zweite, schwierigere Methode erlernte, die dafür aber viel effektiver war: Nämlich musste man statt eines Gedankenbildes Emotionen simulieren. Man musste sich auf ein bestimmtes Gefühl konzentrieren und dieses tatsächlich in dem Moment spüren. So wie ein Schauspieler, der auf Kommando weinen sollte. Auf dem Weg dahin halfen auch Gedankenbilder und deswegen war das die erste Stufe. Mann nannte dies „Emotio-Block“.

Jetzt wurde Seiji auch klar, warum er manchmal, wenn ihn besonders starke Emotionen bewegt hatten, kurzzeitig mal keine Gedanken wahrgenommen hatte. Es durfte allerdings keine Emotion wie Liebe sein, denn diese rief eher das Gegenteil hervor. Es musste etwas sein wie Wut, Eifer oder Hass. Auch kein berauschender Gedanke.

Etwas ganz anderes war dagegen eine unterbewusste mentale Barriere. Man wusste nicht wie sie eigentlich funktionierte und wie man diese Art von Abschirmung bewusst selbst erzeugen konnte. Man war lediglich in der Lage, sie mit Hilfe eines Hypnotiseurs oder eines Hypnosegenerators zu errichten. Aber das war unsinnig, denn wenn diese Barriere erst mal da war, war es nicht so einfach, sie nach Belieben wieder zu senken, wenn man seine telepathischen Fähigkeiten einsetzen wollte.
 

Auf Kommando irgendetwas fühlen und mich so abzuschirmen, das lerne ich nie, seufzte Seiji. Es ist ja schon schwierig genug, sich auf irgendein Gedankenbild zu konzentrieren. Man kann sich zwar leicht etwas vorstellen, aber wie leicht wird man dann abgelenkt und dann kommen doch Gedanken durch. Oder man konzentriert sich so stark auf die Vorstellung, dass man auch alles andere ausblendet.

Doch nun hatte Seiji keine Zeit mehr, sich weitere Gedanken zu machen, denn in der nächsten Doppelstunde hatte er weiteren Unterricht zur Telepathie, aber diesmal nur rein theoretisch. Die Grundlagen, die sie hier lernten, würden erst im nächsten Jahr praktisch geübt werden, da es dabei um die gefährlicheren Sachen ging, wie zum Beispiel, mit Hilfe seiner eigenen Kräfte bei anderen Menschen Illusionen zu erzeugen. Das ging so weit, dass ein starker und ausgebildeter Telepath in der Lage war, jemandem zu suggerieren, dass er gerade getötet wurde, wodurch dieser Mensch so stark daran glaubte, dass er einen Hirnschlag oder einen Herzinfarkt erlitt. Oder einfach wahnsinnig wurde. Seiji hatte gar nicht gewusst, dass telepathische Kräfte so gefährlich sein konnten. Dass man damit bloß Gedanken lesen konnte, war wohl eine Wunschvorstellung.

Im Anschluss an den Unterricht für Psi-Kräfte konnte Seiji sein Abitur direkt in der Schule der SAT fortsetzen.
 

Gegen Abend war Seiji fix und fertig. Die ganzen neuen Eindrücke, die bewusste Anwendung seiner telepathischen Fähigkeiten, das war ganz schön viel auf einmal. Nachdem er kurz auf dem Bett gelegen hatte, raffte er sich aber noch einmal auf, da er unbedingt mit Alex telefonieren wollte. Der hatte ja schon seit zwei Tagen nichts von ihm gehört und fragte sich sicher auch, wie es ihm bei der SAT ergangen war. Hoffentlich war Alex nicht mehr sauer, weil er ihm seine Psi-Kräfte verschwiegen hatte.
 

Seiji suchte den nächsten Computerraum auf, da er kein Handy mit Bildübertragung hatte und Alex gern sehen wollte, wenn er mit ihm sprach.
 

„Du bist es“, machte sein blonder Freund überrascht, als er dann auf dem Monitor erschien.
 

„Ja, wie geht es dir?“, lächelte Seiji und strich sich verlegen durch die Haare.
 

„Gut. Alles bestens“, erwiderte Alex knapp, was sonst nicht seine Art war.
 

„B-bist du noch sauer?“, wollte Seiji wissen.
 

„Nein, nein, es ist nur... Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Auf einmal erfahre ich, dass du ein Telepath bist und zur SAT musst. Und ich hab auch noch dort angerufen und man... Wahrscheinlich hatte Chris Recht, das hätte ich nicht machen sollen. Du kriegst auch das ganze Geld, ich überweise es dir, sobald ich es habe. Es tut mir leid.“
 

„Nein, schon gut. Ich habe ja zugestimmt. So schlimm ist es hier auch gar nicht. Und wir teilen das Geld durch drei, wie abgemacht“, versicherte Seiji.
 

„Gut, also dann...“, seufzte Alex erleichtert. „Aber Chris ist immer noch sauer auf mich. Der wird gar nichts von dem Geld annehmen, du kennst ihn doch, den Sturkopf.“
 

„Ja, so ist er“, schmunzelte Seiji. „Sehen wir uns vielleicht am Sonntag?“
 

„Äh, ja klar“, stimmte Alex zu, aber irgendwie hatte er leicht gezögert. Seiji hätte zu gerne gewusst, warum. Es war komisch, weil es nicht mehr gewohnt war, dessen Gedanken nicht zu kennen. Über die Entfernung funktionierte das natürlich nicht. Vielleicht bereitete ihm immer noch Unbehagen, dass Seiji seine Gedanken lesen konnte.
 

„Ich freue mich“, lächelte Seiji und verabschiedete sich mit einem Gruß an Chris.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Erika6
2011-02-27T23:07:58+00:00 28.02.2011 00:07
also mir hat dein ff bis jetzt gut gefallen ich würde gerne wissen wer mit wem zusammen kommt oder so naja hoffe du schreibst weiter ^^
Von:  ReinaDoreen
2010-09-25T15:03:01+00:00 25.09.2010 17:03
Ich finde deine Geschichte gut durchdacht und spannend geschrieben.
Reni


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