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Flashing Thoughts

von

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Seiji stand am Fenster und blickte nach draußen auf die von Bäumen beschattete Allee, durch deren Blätter einzelne Streifen von Sonne fielen. Vor dem schmalen Gehsteig, der wie ein Balkon um die Fenster des Gebäudes verlief, rankten sich Pflanzen, die gerade so viel Licht hereinließen, dass es angenehm war. Die Stille schien geradezu zu atmen wie die leichte Brise, die durch die Blätter wehte. Doch in Seijis Kopf war es nicht still, niemals. Selbst hier nicht, wo er sich allein in diesem Raum befand. Die Stimmen in seinem Inneren waren immer da. Mal lauter, mal leiser. Doch meistens zu laut. Der junge Mann atmete tief durch, versuchte, sich zu entspannen und die Stimmen zu ignorieren. Warum er, warum ausgerechnet er? Das fragte er sich jetzt schon seit zwei Jahren, seit dem Tag, als er zum ersten Mal die Stimmen gehört hatte. Dabei wäre er so gerne normal gewesen, würde gerne einfach in der Menge verschwinden und von allen ignoriert werden, außer von seinen besten Freunden natürlich. Bisher war ihm das auch ganz gut gelungen, denn noch hatte niemand von seinem Geheimnis erfahren. Und das musste unter allen Umständen so bleiben.
 

Seiji seufzte und schaltete geistig einfach ab, einfach nur mal entspannen. Doch wieder wollte es ihm nicht gelingen, denn sobald er losließ, seinen Geist schweifen ließ, übermannten ihn die Stimmen und es schien, als wollten sie sein Bewusstsein hinwegfegen, seine Persönlichkeit auslöschen und ihn zu einem Teil ihrer selbst machen. Seiji wehrte sich instinktiv dagegen und bekam sogleich Kopfschmerzen.
 

„Das hat man also davon, wenn man versucht, sich zu entspannen“, seufzte er und massierte sich die Schläfen. Er angelte sich den Streifen mit Aspirintabletten aus der Hosentasche und schluckte gleich zwei davon hinunter, ohne mit Wasser nachzuspülen, so sehr hatte er sich daran gewöhnt. Denn er wusste, dass die Kopfschmerzen von jetzt an nur noch schlimmer werden würden, bevor er ins Bett gehen und schlafen konnte. Nur dann war es ihm möglich, wirklich zu entspannen. Das Aspirin vertrieb zwar nicht die Stimmen, aber es half wenigstens gegen die Kopfschmerzen.

Er zuckte zusammen, als eine Stimme in seinem Kopf plötzlich besonders laut wurde. „Alex“, seufzte er. Im nächsten Moment ging auch schon die Tür hinter ihm auf und sein Freund betrat den Raum.
 

„Ah, hier steckst du also. Wo bleibst du denn?“, wollte der junge Mann ungeduldig wissen und fuhr sich durch die langen blonden Haarsträhnen, die an der Seite ganz lang und glatt waren, im Gegensatz zu seiner restlichen Frisur, die kurz war und sich an den Enden zu ringeln begann, was wohl am feucht-warmen Klima lag.
 

„Wieso? Es ist doch egal, wo ich auf dich warte. Oder bist du schon fertig?“, Seiji fragte rein aus Routine, obwohl er schon genau wusste, dass die Antwort nein lautete. Er hatte es sich angewöhnt, damit seine außergewöhnliche Fähigkeit nicht auffiel.
 

„Nein, aber... Wozu habe ich dich denn mitgenommen? Damit du mich moralisch unterstützt! Wenn du dann einfach abhaust, hätte ich dich auch zu Hause lassen können.“
 

„Kann es nicht sein, dass du in diesem Moment aufgerufen wirst und dann bist du nicht da?“, wandte sich Seiji seinem Freund zu und lehnte sich scheinbar ganz entspannt gegen den Fensterrahmen. „Du musst doch eh alleine reingehen.“
 

„Ja, schon, aber wieso bist du denn einfach verschwunden?“, ärgerte sich Alex und zog dabei seine Augenbrauen zusammen.
 

„Ach, ich hatte nur Kopfschmerzen und wollte ein bisschen Ruhe haben. Außerdem gefällt mir das Gebäude und ich wollte mich mal ein bisschen umsehen.“
 

„Ach, das glaubt dir doch kein Mensch. Du und deine Kopfschmerzen immer. Vielleicht solltest du endlich mal zu einem Arzt damit.“
 

„Nein, so schlimm ist es nicht“, protestierte Seiji. Ein Arzt wäre das letzte, was er gebrauchen könnte, außerdem wusste er auch so, was mit ihm los war. Aber dieses Gebäude gefiel ihm wirklich. Er schmunzelte. „Du solltest dich wirklich beeilen“, empfahl er, als er eine Stimme in seinem Kopf spürte, die nach einem Alexander Crane verlangte und sich wunderte, dass sich keiner meldete.
 

„Na schön“, grummelte Alex. „Kommst du nun?“ Seiji nickte bloß und folgte seinem Freund, der nun doch noch warten musste, da ein anderer Bewerber statt seiner vorgelassen worden war. „Mist“, ärgerte sich Alex. „Hoffentlich gibt das keinen allzu großen Minuspunkt.“
 

„Na ja, du warst doch schon vorher da und jetzt nur mal auf Toilette“, erfand Seiji eine Ausrede für seinen Freund.
 

„Ja, gute Idee“, strahlte der. Zwar war er sonst nicht auf den Kopf gefallen, aber wenn es um die Bewerbung um eine Ausbildungsstelle ging, schaffte er es, in jedes nur erdenkliche Fettnäpfchen zu tappen. Letztens hatte er zum Beispiel im letzten Moment seinen Anzug mit Kaffee bekleckert. Oder er ließ irgendwelche dämlichen Sprüche los, um die Atmosphäre zu entspannen, doch leider kam dabei immer das Gegenteil heraus. Zudem war er sehr von sich selbst überzeugt und übertrieb gerne mit seinen Leistungen und wenn dann herauskam, dass er längst nicht so gut war, wie er tat... Doch Seiji störte sich nicht an der großspurigen Art seines Freundes. Er wusste, dass dieser sein Herz am rechten Fleck hatte und das genügte ihm. Im Gegenteil, er mochte es sogar, dass dieser die ganze Aufmerksamkeit auf sich zog, das hatte den Vorteil, dass er selbst meistens übersehen wurde, mit seiner schmalen Statur und den zerzausten, schwarzen Haaren, durch die sich ein paar rote Strähnen zogen. Für viele Leute mochte es seltsam klingen, dass jemand gerne nicht auffiel, wollten die meisten doch am liebsten im Mittelpunkt stehen. Doch Seiji wünschte sich eher, unsichtbar zu sein. Einerseits, weil dann weniger die Gefahr bestand, dass man sein Geheimnis aufdeckte und andererseits mochte er anderen Menschen nicht so nahe sein, denn je näher sie waren, desto lauter waren auch deren Stimmen in seinem Kopf. Und er brauchte ja nicht die Nähe zu anderen Menschen, um deren Gedanken zu kennen. Deshalb war er ganz froh, wenn er mal seine Ruhe hatte. Aber auch so war er von Natur aus sehr zurückhaltend. Seltsamerweise schien er gerade damit eine gewisse Art von Leuten anzuziehen. Besonders Mädchen. Die schienen irgendwie auf geheimnisvolle Typen zu stehen. Und außerdem hatte er zu seiner Verwunderung festgestellt, dass ihn auch viele sehr attraktiv fanden. Als er mit 16 Jahren zum erstem Mal Gedanken lesen konnte, hatte ihn wirklich überrascht, wie anders ihn andere Leute sahen. Am ehesten konnte man es vielleicht damit vergleichen, wie man sich zum ersten Mal selbst in einem Film sah. Als wäre das ein ganz anderer Mensch.

Aber am meisten assoziierte er mit dem ersten Ausbruch seiner telepathischen Fähigkeiten den brennenden Schmerz. Wie ein Feuer hatten sich die Stimmen und Bilder durch seine Nervenbahnen gezogen und tagelang hatte er wie im Fieber im Bett gelegen, bis es ihm endlich gelungen war – mehr unbewusst, als bewusst - die Stimmen auf ein erträgliches Maß zurückzudrängen und wieder zu sich selbst zu finden. Er war sehr überrascht gewesen, dass er so spät noch telepathische Fähigkeiten entwickelt hatte. Vorher hatte er geglaubt, dass so etwas spätestens mit 12 bis 14 Jahren zum Vorschein kam. Und nur dieser Tatsache hatte er es auch zu verdanken, dass er noch nicht von der SAT (Staatliche Aufsichtsbehörde für Telepathie) entdeckt worden war. Die führten an den Schulen nämlich nur Kontrollen bis zum 14. Lebensjahr durch.
 

„Hey, du bist ja mal wieder in deinen Träumereien versunken!“, stellte Alex fest, der von seinem Vorstellungsgespräch zurück war.
 

„Und wie ist es gelaufen?“, erkundigte sich Seiji, aus seinen Gedanken gerissen. Alex grinste zuversichtlich und meinte:
 

„Diesmal wird es bestimmt was.“ Wenn er gewusst hätte, dass Seiji genau merkte, dass er gar nicht so optimistisch war!
 

Zusammen gingen sie wieder nach Hause in ihre WG, in der auch Chris lebte, der das Haus mitsamt der Werkstatt von seinem verstorbenen Vater geerbt hatte und seine Freunde für eine geringe Miete hier wohnen ließ. Seiji arbeitete zudem neben seinem Abitur in der Werkstatt mit, um sich seinen Lebensunterhalt leisten zu können. Chris kannte er schon, seit er ein kleines Kind war, denn dieser hatte auch im Waisenhaus gelebt. Alex hatte er auch dort kennengelernt, aber erst als sie beide 12 Jahre alt gewesen waren.
 

Wieder daheim, ließ sich Alex auf die Couch fallen und machte es sich gemütlich. Er versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass er sich wegen seines Vorstellungsgespräches sorgte, doch für Seiji waren seine Gedanken wie immer ein offenes Buch. Er hatte schon so oft versucht, die Gedanken der Menschen um sich herum abzublocken, doch es wollte ihm selten gelingen und wenn, dann eher aus Zufall, weil er gerade mit anderen Dingen beschäftigt war. So war es ihm jedes Mal peinlich, wenn er ungewollt in die Privatsphäre anderer eindrang, besonders, wenn es sich um seine Freunde handelte. Ganz schlimm war es, wenn Chris mal wieder eine Freundin mitbrachte, die über Nacht blieb. Seiji bekam alles hautnah mit und ergriff dann jedes Mal die Flucht. Nur um dann am nächsten Morgen total gerädert von der durchwachten Nacht in der Schule zu erscheinen, falls er nicht gerade Glück hatte, und es Wochenende war. Manchmal passierte es auch, wenn er schon schlief, was ihm ganz „nette“ Träume bescherte.
 

„Oh, man, Telepathie muss was tolles sein“, riss Alex ihn aus seinen Gedanken. Seiji blickte überrascht auf. Seit wann konnte sein Freund auch Gedanken lesen?
 

„Was?“, machte er erschrocken.
 

„Ja, oder einen Telepathen finden, die Kohle könnte ich gebrauchen.“
 

„W-wie meinst du das?“, erwiderte Seiji unsicher. War Alex ihm auf die Schliche gekommen? Vor lauter Schreck „vergaß“ er einem Moment sogar, dass er die Antwort eigentlich schon aus dessen Gedanken kennen müsste, doch wenn ihn heftige Gefühle bewegten, schien seine Fähigkeit kurzzeitig auszusetzen, oder wurde einfach durch die eigenen Emotionen überdeckt. Wie auch immer, er wusste nicht, was Alex meinte, bis dieser sagte:
 

„Na, hast du nicht die Anzeige im Fernsehen eben gesehen? Die bieten einem 10.000 Globals, wenn man einen Telepathen findet. Und wenn man selbst einer ist, kann man Mitglied bei der SAT werden und bekommt alles bezahlt: Unterkunft, Essen, Ausbildung und was man sonst noch so braucht. Und dafür muss man nur ein bisschen in anderer Leute Gedanken herumschnüffeln. Tja, Telepath müsste man sein, was?“, lachte Alex und dachte daran, dass er dann nicht diese Scheiß Probleme hätte, eine Ausbildungsstelle zu finden. Seiji lachte gekünstelt mit und meinte dann:
 

„Aber was ist mit den Gerüchten davon, dass sie Experimente mit Telepathen gegen deren Willen anstellen?“
 

„Ach, glaubst du das wirklich? Und wohl auch noch das Märchen, dass sie ihnen bei lebendigem Leib das Gehirn aufschneiden, um es zu untersuchen? Ich sag dir, das ist Quatsch. Wenn so etwas herauskäme – und das würde es ganz bestimmt – hätten sie riesige Probleme. Das könnten sie sich nicht erlauben, selbst wenn sie es wollten.“
 

„Aber die SAT ist doch eine staatliche Institution. Es könnte doch sein, dass die Regierung das vertuscht.“
 

„Du bist wirklich zu ängstlich. Warum machst du dir überhaupt solche Gedanken darüber? Eigentlich kann es uns doch egal sein. Aber das wäre doch einfach verdientes Geld, wenn man einen Telepathen finden würde, oder?“
 

„Ja, aber erstmal musst du einen finden“, stellte Seiji fest, stand auf und verließ das Zimmer.
 

„Hey, warum bist du denn jetzt beleidigt?“, rief ihm Alex verständnislos hinterher.
 

Seiji legte sich auf sein Bett, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte an die Decke. Wie konnte Alex nur manchmal so gefühllos sein. Gut, er wusste nicht, dass er Telepath war, aber trotzdem. Seiji drehte sich auf die Seite und presste die Lippen fest aufeinander. Verdammt, warum konnten die Stimmen nicht einfach wieder verschwinden und sein Leben so normal wie vorher sein? Unruhig kam er wieder auf die Füße, verließ sein Zimmer und ging nach draußen. Es war ein heller, sehr warmer Sommertag und die Sonne brannte auf Seijis schwarzer Kleidung. Kurze Zeit später war er schon durchgeschwitzt und setzte sich an den Brunnenrand auf dem Platz, wo einmal in der Woche Markt war.

Sobald ich mein Abitur und das Studium beendet habe, werde ich mir eine Arbeit irgendwo auf dem Land suchen, weit, weit weg von den Menschenmassen, dachte sich Seiji und starrte mit leerem Blick auf das Wasser neben sich. Dann stand er auf und lief ein Stückchen weiter, ignorierte die Leute um sich herum so weit, dass er nicht mal ihre Gedanken mehr bewusst wahr nahm – natürlich waren sie immer noch da, aber wie ein stetiges Geräusch, dass man irgendwann nicht mehr bemerkt. So bekam er auch nicht mit, dass er einem Mann mittleren Alters direkt vor die Füße lief und mit diesem zusammen stieß.
 

„Jetzt passen Sie doch mal auf, junger Mann!“, beschwerte sich dieser empört. Man merkte ihm sogleich ein, dass er einer von der Sorte Mensch war, die sich für etwas besseres hielten und eine Aura der Arroganz um sich herum verstrahlten. Aber nicht das war es, was Seiji so erschreckte, sondern, dass der Mann und sein jüngerer Begleiter das Abzeichen der SAT trugen. Verfolgte ihn das Pech, oder was? Doch die Tatsache, dass Seiji so erschrocken war – dieses Gefühl überlagerte seine Gedanken - und dass die Männer von der SAT sich nicht für ihn interessierten, rettete ihn vor einer Entdeckung. So kam er mit dem Schrecken davon und starrte ihnen noch hinterher, als sie schon längst außer Sichtweite waren. Seiji fiel auf, dass die Leute einen großen, sehr großen Bogen um die SAT-Männer gemacht hatten und dies war ein weiterer Grund, warum er auf keinen Fall als Telepath entdeckt werden wollte. Denn jeder, der diese Psi-Kraft besaß, konnte nicht nur, sondern war sogar dazu verpflichtet, der SAT beizutreten und deren Abzeichen zu tragen, damit „normale“ Menschen wussten, dass sie einen Telepathen vor sich hatten und so davor geschützt waren, ausspioniert zu werden. Und man musste einen Beruf ausüben, der der SAT entgegen kam. Ingenieurwissenschaften – was Seiji studieren wollte - gehörten nicht dazu. Erleichtert, dass er nicht weiter aufgefallen war, machte er sich auf den Weg nach Hause.
 

Derweil waren die beiden SAT-Aufseher weitergegangen und der jüngere meinte: „Ich frage mich, wie lange wir noch hier herumlaufen sollen. Hätte Katja sich nicht etwas genauer ausdrücken können?“
 

„Ach, Sie wissen doch, wie das mit der Hellseherei ist. Alles bleibt schwammig und unklar.“
 

„Na ja, so genau weiß ich das eigentlich nicht. Immerhin ist Katja unsere einzige Hellseherin.“
 

„Ja, leider. Doch es gibt Aufzeichnungen von früheren Hellsehern. Die sind sehr aufschlussreich – manchmal.“
 

Sein jüngerer Begleiter lachte. „Da sagen Sie was. Trotzdem, ich frage mich, warum Katja so schadenfroh gegrinst hat, als sie sagte: 'Er wird ihnen über den Weg laufen.'“ imitierte er ihre Stimme. „'Buchstäblich.' Er dachte einen Moment darüber nach und schlug sich dann mit der Hand gegen den Kopf. Im selben Moment kam sein älterer Kollege ebenfalls darauf, auch ohne seine Gedanken lesen zu müssen.
 

„Oh, nein, wir waren ja so dumm“, stellte er fest. „Hinterher!“, rief er und schon rannten die Beiden los. Nach einer Weile blieben sie atemlos stehen und wussten nicht mehr weiter. „Mist, er ist uns entkommen.“
 

„Ja, aber da wir jetzt wissen, wie er aussieht, können wir ein Phantombild anfertigen lassen. Ich weiß auch noch ganz genau, wie er aussieht. Da werden wir ihn sicher bald finden“, meinte der Jüngere optimistisch.
 

„Das hoffe ich für Sie“, zischte sein Kollege, als wäre der andere Schuld, dass sie den Gesuchten nicht gleich geschnappt hatten.
 

Zuhause stellte sich Seiji erstmal unter die Dusche, da er total verschwitzt war. Das kühle Nass tat unglaublich gut. Anschließend schlang er sich nur ein Badetuch um die Hüften und ignorierte seine nassen Haare – wer wollte bei der Hitze schon einen Föhn benutzen? Auf dem Gang begegnete er Alex, der ihm gerade entgegen kam und ihn dabei mit einem Blick bedachte, der dafür sorgte, dass ihm heiß und kalt zugleich wurde. Besonders, wenn man wie Seiji in der Lage war, die Gedanken dazu wahrzunehmen, die ungefähr lauteten: Wow, ich wusste gar nicht, dass Seiji so heiß aussieht. Dabei kenn ich ihn doch schon so lange. Scheiße, was denk ich denn da eigentlich? Das ist mein bester Freund aus Kindertagen. Ausgerechnet von ihm sollte ich am wenigsten so denken. Und wenn ich ihn weiter so anstarre, dann bemerkt er noch, dass ich schwul bin. Das darf auf keinen Fall irgendjemand erfahren. Hoffentlich hat er noch nichts bemerkt. Alex schüttelte den Kopf und versuchte krampfhaft, den Blick abzuwenden. Seiji lief rot an, nicht nur dieser Gedanken wegen, sondern auch der Gefühle dahinter, die er ebenfalls wahrnehmen konnte und die fast wie eine körperliche Berührung anmuteten. Er war total schockiert, da sein Freund bisher nicht mal in der Richtung gedacht hatte. Wie hatte ihm das entgehen können? Er hätte doch wenigstens merken müssen, dass dieser auf Männer stand. Nun ja, dann war es eben so. Schließlich ging es ihm selbst da nicht anders. Er war nur total überrascht, dass ausgerechnet Alex so empfand und das er gar nichts mitbekommen hatte.
 

„Was ist denn?“, fragte er vorsichtig, da er ja nicht zugeben wollte, dass er Telepath war und daher schon Bescheid wusste. Außerdem wollte er jetzt wissen, was Alex sagen würde.
 

„Was meinst du?“, versuchte der, ahnungslos zu tun.
 

„Na ja, warum starrst du mich so an?“
 

„Hab ich das? Ah, ja! Ich war ganz in Gedanken. Ich habe dich gar nicht angestarrt, sondern nur dabei in deine Richtung geguckt“, redete Alex sich raus und dachte dabei: Oh, scheiße, der darf auf keinen Fall merken, dass ich ihn scharf finde. Wieder lief Seiji rot an.
 

„Ach ja? Mir kam es nämlich gerade so vor, als hättest du mich aus einem ganz anderen Grund angestarrt“, stellte Seiji fest.
 

„Und was soll das wohl für ein Grund sein?“, erwiderte Alex, äußerlich gelassen, innerlich total außer sich.
 

„Kann es sein, dass du auf Männer stehst?“, sprach Seiji es mal direkt aus und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
 

„Was? Du spinnst ja wohl!“, regte sich sein Freund auf, der total schockiert war. Er hat es wirklich bemerkt. Was mach ich denn jetzt nur?, fragte er sich verzweifelt. „Das bildest du dir doch bloß ein. Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, nur weil ich zufällig mal in deine Richtung schaue“, ließ er herablassend vernehmen und verschränkte die Arme vor der Brust.
 

„Du brauchst dich deswegen nicht zu schämen“, versicherte Seiji. „Ich stehe ja auch auf Männer.“ Auf dieses Geständnis hin guckte ihn Alex an, als wäre er das siebte Weltwunder. Was, er auch? Das kann doch nicht sein! Wieso habe ich nie was davon bemerkt? Das fragte sich Seiji umgekehrt allerdings auch.
 

„D-das ist ja schön für dich. Aber ich stehe wirklich nicht auf Männer. Also versuch bloß nicht, mich anzumachen“, tat Alex geekelt.
 

Was ist denn jetzt los?, fragte sich Seiji verwirrt. Wieso wollte sein Freund es nicht zugeben? Schließlich hatte er keinen Grund dafür. Als er jedoch genauer auf Alex Gedanken achtete, erfuhr er, dass dieser bloß Angst hatte, Angst davor, sich mit seinem alten Freund auf etwas einzulassen und damit ihre Freundschaft zu zerstören und Angst vor dem Schwul sein an sich. Irgendwie hatte er es wohl noch nicht geschafft, das wirklich für sich zu akzeptieren. Er war sich zwar klar darüber, aber es gefiel ihm nicht, dass er anders war.
 

„D-das hatte ich nicht vor“, erwiderte Seiji verunsichert. „Ich wollte bloß sagen, dass du keine Angst haben brauchst, es zuzugeben.“
 

„Tja, wie ich schon sagte, da gibt es nichts zuzugeben“, erwiderte Alex verkrampft und floh im nächsten Moment geradezu auf sein Zimmer. Seiji kam es allerdings vor, als stünde sein Freund immer noch bei ihm, da dessen Gedanken durch ein paar Meter Abstand und eine Zimmertür nicht gedämpft wurden. Im Gegenteil, da dessen Emotionen ziemlich stark waren, dachte er sogar noch „lauter“ als sonst. Seiji wollte es nicht, aber er konnte nicht verhindern, dass die Gefühle seines Freundes zu ihm durchdrangen – und die waren hochgradig verwirrt und verzweifelt.
 

„Oh, man, dass Alex schwul ist und Angst davor hat, hätte ich nie gedacht. Dabei ist er sonst immer so stark“, seufzte Seiji, der einerseits zu müde war, um noch etwas zu unternehmen, andererseits aber nicht zu Hause bleiben und die Gedanken seines Freundes mitbekommen wollte. Also ging er, nachdem er sich angezogen hatte, erneut nach draußen, diesmal zum nahegelegenen Fluss hinunter, setzte sich auf eine Bank und starrte nachdenklich auf das Wasser. Immer noch brannte die Sonne gnadenlos vom Himmel herab, was so gar nicht zu Seijis Stimmung und der Tatsache passen wollte, dass er sich schon reif für' s Bett fühlte, obwohl es erst später Nachmittag war. Doch immer wenn er starke Gefühle und Gedanken auffing, oder sich zum Beispiel in einer großen Menschenmenge aufhielt, machte ihn das ziemlich fertig. Als wären die ständigen Kopfschmerzen nicht schon genug.
 

Hallo liebe Leser,
 

dies ist mein erster Versuch, eine Geschichte zu schreiben, die keine Fanfiction ist. Daher würde ich mich über eure Meinung und besonders über Tipps sehr freuen.

Vielen Dank.

Saedy



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