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Froh über den Tod?

Eine "Finding Neverland" FF
von

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*Akt Eins*

Es war schon sehr spät, als James endlich vom Theater nach Hause kam. Die Proben für sein neuestes Stück waren heute nicht gut gelaufen und hatten sich dementsprechend in die Länge gezogen.

Leise stellte er seinen Gehstock in eine Ecke und hängte seinen leichten Mantel auf die Garderobe. Die anderen schliefen mit Sicherheit alle schon.
 

Doch als er den Flur durchquert hatte, stellte er überrascht fest, dass in der Küche noch Licht brannte. Die Tür stand weit offen.

Fast schon zaghaft lugte Barrie in den Raum, darauf gefasst, Großmutter du Mourier darin vorzufinden, der er nur noch schnell eine gute Nacht wünschen wollte. Allerdings war dem nicht so.

Es war nicht die vornehme Dame, die da am Küchentisch saß, sondern Peter! Der Junge hatte sich über ein, in dunkles Leder gebundenes Buch gebeugt, den schwarz glänzenden Füller in der Hand, welchen James ihm vor einer Woche zum Geburtstag geschenkt hatte. Eifrig schreibend.
 

Sanft ruhten die braunen Augen des Mannes auf dem Kleinen. Freude, Stolz und Liebe sammelten sich zu einem wohligen Gefühl in Barries Magengegend, um sich dann wie warmer Honig im Rest seines Körpers auszubreiten. Ließen ihn lächeln.
 

Peter war so vertieft in seine Arbeit, dass er gar nicht mitbekam, wie James sich zu ihm setzte.
 

Noch in etwa zwei Minuten sah Barrie ihm beim Schreiben zu, bis Peter endlich einen Schlusspunkt hinter den letzten Satz machte und dann aufblickte.

„Hey Onkel Jim!“, strahlte er, „Ich dachte schon, du kommst heute überhaupt nicht mehr!“

„Hast du gewartet?“, fragte James besorgt nach. Sein Gegenüber nickte. „Oh … das tut mir natürlich Leid, aber … irgendwie …“, der Autor zuckte hilflos mit den Achseln, „waren heute die Schauspieler nicht gut drauf!“ Peter grinste.

„Entschuldige!“, beteuerte Barrie noch einmal.

„Nicht schlimm! Jetzt … bist du ja da …“, sagte der Junge leise, dann schwieg er, wandte seine Aufmerksamkeit dem Geschriebenen vor sich zu.
 

„Hast du …“, James nickte mit dem Kinn in Richtung des Buches, „deine Mutter im Nimmerland besucht?“ „Ja … ja, hab ich!“, sagte der Kleine.

Nach einem kurzen Zögern, schob er seinem Adoptivvater schließlich das Buch zu: „Kannst du es vorlesen?“, bat er leise.
 

James hob zwar überrascht die Augenbrauen, griff dann jedoch nach dem Geschriebenen und meinte: „Ja, aber natürlich!“
 

„Stopp, warte!“, wurde er von Peter plötzlich aufgefordert, gerade als er den Mund geöffnet hatte, und anfangen wollte.

Der Kleine nahm seinen Stuhl, stellte ihn ganz nah neben den von James, nur um anschließend seinen Kopf an die Schulter des Mannes zu legen und seine Hand sacht an dessen Armbeuge ruhen zu lassen.

„Jetzt kannst du!“, murmelte er.
 

Irritiert wie der Autor war, brauchte er eine Weile, bis er die Bitte realisiert hatte. Es war nicht so, dass ihm die Gegenwart des Jungen zuwider war. Ganz im Gegenteil! Doch es war höchst selten, dass Peter von sich aus freiwillig Nähe suchte. Sollte er sich nun deswegen Sorgen machen? Oder war es lediglich die Müdigkeit, die den Kleinen dazu trieb, ein wenig Zuwendung zu suchen?
 

Ungeduldig schob James diese Gedanken beiseite. Dem könnte er später immer noch nachgehen! Jetzt galt es erst mal wichtigeres zu tun.
 

Darum bemüht, seiner Stimme einen besonders warmen und weichen Klang zu geben, begann Barrie vorzulesen, was der Junge geschrieben hatte:
 

„Ich fliege, tauche hinab durch die Wolken. Da kann ich sie schon vor mir sehen. Die Insel. Das Nimmerland, welches nun immer größer wird. Ich lande am Strand, halte mich dort aber nicht lange auf, sondern betrete einen schmalen Pfad, der in den Wald hinein führt. Gehe ihn entlang, bis ich sie entdeckt habe. Mum! Sie sitzt auf der Wurzel eines riesigen Baumes, in ihrem blauen Kleid. Als sie mich sieht, streckt sie mir lächelnd ihre Hände entgegen. ‚Peter!‘, sanft zieht sie mich auf ihren Schoß und gibt mir einen Kuss, ‚Wie war dein Tag, Schätzchen?‘ Und ich erzähle. Wie Großmutter uns, wie jeden Morgen, Frühstück gemacht hat und wie James es, wie jeden Morgen, verschlafen hat. Dass es geregnet hat. Dass wir am Nachmittag im Wohnzimmer aus Bettlaken eine Höhle gebaut haben und dass Onkel Jim dann mit uns darin saß und uns ganze zwei Stunden lang Sonnenscheingeschichten erzählt hat, damit der Himmel aufhört zu weinen. Ich erzähle und Mum hört zu. Fragt zwischendurch etwas, lacht manchmal. Das ist schön und es tut gut, sie mal für eine kleine Weile, ganz für mich allein zu haben!“
 

Behutsam klappte Barrie das Buch zu und legte es vor sich auf den Tisch. „Wirklich gut geschrieben! Doch es … es ist wundervoll!“, er wollte dem Kleinen durchs Haar streichen, doch der wich seiner Berührung aus, verbarg das Gesicht nur noch mehr an der Schulter des Mannes. „Ist es nicht!“, sagte er bestimmt, „Es ist böse!“

James‘ Augen weiteten sich erschrocken: „Böse? Ja, aber Peter … wieso denn?“

Der Junge drehte ein wenig den Kopf, seine Mundwinkel zuckten: „Weil ich geschrieben habe, dass ich glücklich bin, sie mal ganz für mich allein zu haben. Das war früher ganz selten. Und jetzt … jetzt kann ich sie für mich allein haben, wann immer ich möchte … Das heißt doch, dass ich froh darüber bin, dass sie tot ist!“
 

„Peter!“, der Autor legte beide Arme um ihn und drückte ihn fest an sich, „Das ist doch Unsinn! Du versuchst lediglich, dich mit ihrem Tod abzufinden! Du bist dabei darüber hinwegzukommen! Dadurch verrätst du Sylvia nicht … und davor hattest du doch Angst, nicht wahr?“

Der Kleine nickte und musste nun heftig schlucken, um die Tränen zurückzuhalten. „Peter!“, flüsterte James noch einmal, wiegte ihn sacht, hielt währenddessen die Augen geschlossen und streichelte dem Jungen übers Haar, „Denk so was bitte nie wieder! Okay?“

„Okay!“, murmelte dieser, schlang auf einmal seinerseits die Arme um den Mann. Drückte ihn so fest wie er nur konnte!
 

Sicher, mit seiner Vorstellungskraft konnte er sich die Zuwendung seiner Mutter erträumen, aber so eine richtig echte, beschützende Umarmung, war dann doch etwas anderes! War wärmer! Schöner!

Hier, in James‘ Armen, blieben die dunklen Gedanken fern, die sich sonst, wenn er allein war, in seinem Kopf einnisteten.

Hier brauchte er keine Angst zu haben!
 

Er dachte über nichts mehr nach, er regte sich nicht mehr, spürte nur noch. Spürte, wie James ihn sicher festhielt, dabei mit dem Daumen über seinen Nacken streichelte. Er konnte fühlen, wie sich der Bauch des Mannes leicht hob und senkte, und dass er sein Kinn auf Peters Kopf gestützt hatte.
 

Fast wäre der Kleine eingeschlafen, hätte ihn Barries Stimme nicht sanft, aus der warmen Behaglichkeit zurück in die Realität geführt: „Meinst du nicht auch, es wäre so langsam mal an der Zeit, ins Bett zu gehen?“

„Ja!“, Peter sah zu ihm auf, „Bist du etwa auch so müde?“ „Hmm …“, nickte James, „Sogar Erwachsene werden müde. Kaum zu glauben, oder?“ „Stimmt!“, der Kleine lächelte, dann löste er sich von dem Mann.
 

Doch eine Frage schien ihm noch auf der Seele zu brennen. Ernst sah er sein Gegenüber an: „Wenn du nachts im Bett liegst, kurz vor dem Einschlafen … vermisst du sie dann auch immer so schrecklich?“

Wie ein Messerstich ins Herz, so fühlte es sich für Barrie an. Er wusste sofort, dass der Junge von Sylvia sprach. Mit zusammengezogenen Augenbrauen wandte der Autor seinen Blick gen Boden. „Ja!“, gab er schließlich zu, „Ja, das tu ich!“
 

Zu seiner Überraschung erschien auf Peters Gesicht plötzlich ein ermutigendes Lächeln: „Dann wünsche ich dir jetzt, dass du ganz schnell einschläfst!“

„Werde ich. Bestimmt!“, der Blick, den James nun auf dem Jungen ruhen ließ, war warm und zärtlich, „Träum was Schönes, Peter!“
 

„Du auch! Und danke, Onkel Jim. Für alles!“, der Kleine zögerte noch einen Moment, bevor er dem völlig überraschten James Matthew Barrie doch tatsächlich einen Gute-Nacht-Kuss auf die Wange drückte.
 

*Ende*



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ellytrix
2013-07-28T22:06:08+00:00 29.07.2013 00:06
Oh das ist eine so tolle Geschichte/Fortsetzung was auch immer Q____________Q

Hat mich echt zu Tränen gerührt *weg wisch*
Ich hatte den Film gestern angeschaut und höre mir gerade den schönen Soundtrack an und hatte dazu deine Geschichte gelesen... :D

Dein Schreibstil ist wirklich toll, darin kann man versinken^^
Kommt in meine Favos :3


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