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Shattered Memories

von

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Kapitel 2

Unmöglich!
 

Sie konnte es einfach nicht begreifen. Sie sah es, aber glauben konnte sie es nicht. Unmöglich. Fast wie eine Beschwörung erklang das Wort immer und immer wieder in ihrem Kopf.
 

Sie sah den Lagerplatz. Den Platz, den sie seit ihrer Geburt kannte. Hier war sie aufgewachsen und hatte mit den anderen Kindern herumgetollt. Hier hatte man ihr alles beigebracht und sie alles gelehrt, was sie bis heute wusste.

Sie sah die einzelnen Hütten, die zwar nur spartanisch repariert waren, die aber seit Jahren ihr, ihrer Familie und all ihren Freunden verlässlichen Unterschlupf gewährten.

Sie sah sie große Feuerstelle, in der Mitte des Platzes errichtet war, so dass sie jedem Wärme spenden konnte. Wie oft hatten sie am Abend dort im Kreis gesessen und gelacht und gegessen und sich der Anwesenheit des jeweils anderen erfreut?
 

Sie sah es, aber etwas stimmte hier ganz und gar nicht! Etwas war hier ganz und gar falsch! Sie konnte nicht blinzeln, nicht ihre Augen schließen, sie konnte einfach nur vor sich hin starren und versuchte zu begreifen.
 

Unmöglich!
 

Ihr Lagerplatz... Die Hütten... Die Feuerstelle... Es war, als wäre seit Jahren niemand mehr hier gewesen. Als hätte ihr Rudel die letzten Jahrzehnte nicht hier oben verbracht. Als hätten die Wölfe nie einen Fuß auf diesen Berg gesetzt.
 

Unmöglich! Unmöglich!
 

Die Hütten waren eingefallen und die wenigen Pflanzen, die es gab, hatten sie für sich eingenommen.

Die Feuerstelle sah aus, als hätte sie noch nie eine heiße Flamme beherbergt und als wäre sie nie benutzt worden.
 

Aber das alles wäre nur halb so schlimm gewesen, wenn nicht auch ihr Rudel verschwunden wäre. Sie waren einfach weg, als hätten sie nie existiert. Patricia konnte noch nicht einmal eine Witterung ausmachen. Ihr Rudel, ein paar Dutzend Wölfe, sie waren wie vom Erdboden verschluckt.
 

Kälte machte sich in ihr breit. Lähmte sie und ließ ihren Körper taub werden. Wie konnte das sein? Am morgen waren doch alle hier gewesen. Sie hatte sie gesehen, mit ihnen geredet und gelacht. Sie hatte mit ihren Freunden herumgealbert. Andrej hatte mit ihr gesprochen. Hatte sie umarmt.

Eben hatte sie ihre Stimmen gehört, ihren Geruch im Wind wahrgenommen! Patricia hatte ihr Rudel schreien, jaulen und knurren gehört und ihr Leid in sich selbst gespürt!
 

Auch heute noch lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken, wenn sie an diesen Augenblick zurück dachte. Das war das erste Mal, dass etwas sie so sehr und so tief erschüttert hatte. Das erste Mal dass sie an ihrem Verstand gezweifelt hatte.
 

Patricias Gedanken überschlugen sich.

Selbst wenn ihr Rudel weggegangen wäre, sie hätte ihre Gerüche, ihre Spuren riechen müssen. In den wenigen Minuten, die Patricia bewusstlos gewesen war, hätten sie nie alle Spuren verwischen können!

Verdammt noch mal, selbst bei Regen konnte die Wölfin ihre Gefährten noch riechen! Dafür waren sie einfach schon zu lange hier gewesen. Ihr Geruch hatte sich mit dem der Felsen und der Umgebung vollständig vereint und war immer präsent.

Jahre hätten vergehen müssen bis es nachgelassen hätte und weitere Jahre bis nichts mehr auf die einstigen Bewohner hingedeutet hätte.

Und doch stand Patricia jetzt hier und fand genau das vor.
 

Eine kleine, innere Stimme meldete sich zu Wort. Eine verzerrte, hohe, fast schon hysterische Stimme. Patricia versuchte sie zu ignorieren, doch sie sprach einfach immer weiter, wurde lauter, ließ sich nicht abschütteln und fand schließlich Gehör.

Was, wenn sie verrückt geworden war? Was, wenn sie sich jahrelang alles nur eingebildet hatte? Wenn sie nie ein Rudel gehabt hätte?

Wenn sie tagein, tagaus nur mit sich selbst gesprochen hätte? Vielleicht hatte der Sturz vorhin den Fehler in ihrem Kopf korrigiert und nun sah Patricia zum ersten Mal alles so wie es wirklich war?
 

Alles in ihr zog sich zusammen. Dieser Gedanke war einfach unerträglich!

Ihr Magen rebellierte und sie spürte Übelkeit in sich aufkommen. Sie zitterte und bekam einen Schweißausbruch. Schwankend lies sich das Mädchen auf die Knie fallen. Sie atmete kurz und schnell, ihr Herz raste. Sie spürte, dass sie gleich hyperventilieren würde und zwang sich langsamer zu atmen.

Einatmen und ausatmen.
 

Nach ein paar Minuten hatte sie sich wieder einigermaßen beruhigt. Zumindest so weit, wie man sich in so einer Situation beruhigen konnte.

Konnte das wahr sein? Hatte sie sich das alles, in Folge einer Verrücktheit, nur ausgedacht? Dann gab es ihr Rudel gar nicht? Und Andrej?
 

Erinnerungsfetzen drangen in ihr Bewusstsein. Sie sah sich selbst, als kleines Kind, wie sie lachend auf dem Platz herum sprang und mit den anderen Kindern fangen spielte.

Sie sah ihre Eltern, wie sie mit anderen Erwachsenen in einer Ecke standen und vermutlich tratschten. Wie sich ihre Mutter dann zu ihr herum drehte und besorgt feststelle, dass sich ihre Tochter beim Spielen verletzt hatte. Wie sie auf sie zu kam und behutsam hochhob und zu ihrem Vater brachte.

Sie sah wieder sich selbst, wie sie ihren ersten großen Fang gemacht hatte und ihn freudig im Rudel herum zeigte, wie ihre Freunde kamen und ihr lobend auf die Schulter klopften und wie ihr Vater stolz den Arm um ihre Schulter legte.

Sie sah Andrej, wie er schwitzend in der Mittagssonne stand und einen umgefallenen Baum aus dem Weg räumte. Wie seine Muskeln sich unter seiner Haut abzeichneten. Sah wie er schnaufend sein braunes Halsband zurecht rückte und dann weiter arbeitete.

Andrej, der auf dem Boden saß und vor sich hin träumte.

Andrej, der glücklich auf sie zu kam und sie in den Arm nahm.

Andrej, der ihr tief in die Augen schaute, lächelte, sie an sich zog und ihr dann ihren ersten Kuss gab.
 

Sie spürte einen tiefen Stich in ihrem Herzen. Ihr Inneres schien sich zu verkrampfen und Patricia fasste sich mit Schmerz verzogenem Gesicht an die Brust.
 

Unmöglich! Absolut unmöglich!
 

Nein! Nein, nicht Andrej! Sie konnte ihn sich nicht ausgedacht haben! Tränen stiegen in ihr auf und Patricia kämpfte gegen ein tiefes Schluchzen an.

Seine Wärme, seine Worte, seine Berührungen.. Einfach ihn, das konnte sie sich nicht eingebildet haben! Andrej war echt!

Und wenn Andrej real war, dann waren auch ihre anderen Rudelmitglieder real! Es gab sie und sie wohnten und lebten hier! Etwas war geschehen und irgendwas hatte diesen Platz hier verändert! Hatte die Zeit vor oder zurück gedreht oder sonst irgendwas Merkwürdiges mit diesem Berg veranstaltet!
 

Patricia wusste nicht was es war und wie so etwas möglich war, aber sie beschloss dass sie herausfinden würde was hier los war! Und sie würde ihr Rudel finden! Und! Und sie würde wieder bei Andrej sein können.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Daemion
2015-08-06T16:12:11+00:00 06.08.2015 18:12
Dieser Kommentar enthält Spoiler! :)
Wer diesen Kommentar liest, sollte vorher die Geschichte lesen!


Das Entsetzen und die Schockierung des Hauptcharas bringst du gut rüber. Und ich muss gestehen, dass ich sehr überrascht war, dass ihr Rudel einfach so verschwunden ist, mehr noch, dass die Umgebung wirkt, als habe es niemals existiert. Das macht mich schon sehr neugierig, wie es weiter geht. :D
Ich, als Leser, frage mich, was wohl passiert sein mag und ob die hysterische Stimme in Patricias Kopf womöglich Recht hat?
Die Emotionen des Charas sind schlüssig und mitreißend, ich kann ihren inneren Sturm mitfühlen.
Hast du vor, die Geschichte irgendwann weiter zu schreiben? Mich würde der weitere Verlauf interessieren.
LG,
Daemion
Von:  DemonhounD
2010-08-18T15:28:44+00:00 18.08.2010 17:28
Süß! Vor Allem die Widerholung des Wortes "Unmöglich"" kommt hier besonders gut zur Geltung. Ah! Ich bin gespannt, wie es weiter geht. Verspricht ja ne interessante Story zu werden. ^^
Von: abgemeldet
2010-05-19T12:38:47+00:00 19.05.2010 14:38
Mau O.o die Aaaaarmeeeee T_T *heult wie ein Wasserfall* das ist so was von traurig ... T_T ... Q_Q das Kapitel ist wirklich schön geschrieben und so ... *schnief* traurig. Trotzdem mag ich dieses Kapitel sehr :3 *gleich nochmal les* :D

lg Miki


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