Zum Inhalt der Seite

Die lebende Lüge

Ich bitte nicht um Vergebung
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die klaffende Lücke

In den ganzen zwei Jahren, in denen Kai nun schon wieder in Tokio war, verging kein Tag, an dem er nicht an Tala dachte.

Er hatte schon lange nichts mehr von dem rothaarigen Russen gehört. Natürlich hatte dieser zu anfangs versucht, ihn anzurufen. Aber er hatte die Gespräche nicht in Empfang genommen oder gleich wieder aufgelegt.

Was hätte er auch sonst tun sollen? Sich wieder einlullen lassen, nur um noch weitere Jahre seines Lebens zu verschenken?

Stattdessen hatte er etwas aus sich gemacht, wie er fand. Noch immer trainierte er Tyson und Co. – sie wollten an der nächsten WM teilnehmen – und gleichzeitig arbeitete er bei der BBA. Kein schlechtes Leben, wie er fand.

Doch die klaffende Lücke, die Tala in seinem Herzen hinterlassen hatte, blieb.

Und sie ließ sich nicht mehr füllen. Weder mit der hübschen Sekretärin von Mr. Dickenson, die ein Auge auf ihn geworfen hatte, noch mit einem anderen Jungen.

Er wollte niemanden außer Tala.

Lange hatte er diese Erkenntnis verdrängt, aber nach und nach wusste er, dass er es nicht verdrängen konnte.

Es mochte sein, dass er sein Leben damals verschenkt hatte, aber er war dabei glücklich gewesen. Nun hatte er alles unter Kontrolle, aber glücklich war er dabei nicht.

Jetzt musste er sich entscheiden, ob er lieber weiterhin eine Lüge lebte, oder ob er ehrlich zu sich selbst war und sich eingestand, dass er Tala noch immer liebte und endlich anfangen sollte, zu kämpfen!

Wenn es nicht nach zwei Jahren schon zu spät war…
 

Ich war gewillt, über meinen Schatten zu springen und zu Tala zu gehen, mich mit ihm auszusprechen und ihm endlich zuzuhören. Und ich war gewillt, ihn zu fragen, ob er nicht doch noch einmal alles überdenken und zu mir zurückkehren möchte. Vielleicht, so hoffte ich damals wage, liebe er mich ja doch noch. Vielleicht hatte er nur Angst vor seinen Gefühlen gehabt.

Aber mir war auch klar, dass es nur der dumme Wunsch eines naiven Jungens wie mir war, der mich dies glauben ließ. Und trotzdem ließ ich alles stehen und liegen und kehrte zurück nach Moskau!
 

Kai blickte sich an Moskaus Bahnhof um und vernahm nur dumpf das vorbeirauschen eines ICEs. Es hatte sich so viel verändert, seit Tala ihn damals verlassen hatte – oder als er ihn verlassen hatte.

Tala lebte nicht mehr in seiner alten Wohnung, sondern war weggezogen, wohin auch immer. Kai wusste nicht, wo er Tala suchen sollte, aber er wusste, wen er fragen konnte, um das heraus zu finden.

Langsamen Schrittes ging er auf den Imbiss zu, welcher zum Bahnhof gehörte und in welchem er sich mit Bryan treffen wollte.

Wenn einer etwas über den verbleib seines Leaders wusste, dann ja wohl der Lilahaarige. Und zu Kais Glück lebte Bryan noch da, wo er vor zwei Jahren gelebt hatte und besaß auch noch die gleiche Telefonnummer. Ansonsten wäre er wirklich aufgeschmissen gewesen, hielt doch keiner seines ehemaligen Teams etwas davon, sich im Telefonbuch eintragen zu lassen.

Bryan saß schon in dem muffigen Raum, in welchem es nach Bratfett und alten Pommes roch. Gelangweilt blickte der Russe auf sein Bierglas und schwenkte den Inhalt nachdenklich hin und her.

“Hi,“ meinte Kai und ließ sich auf dem Stuhl, gegenüber Bryans, nieder.

“Hey. Lange nicht gesehen, was?“, doch es war keine Frage, sondern eine reine Feststellung, weshalb Kai nur zustimmend brummte und sich bei der mageren, pickelgesichtigen Kellnerin einen Kaffee bestellte.

“Was willst du hier? Bist du auf der Suche nach deinen Wurzeln, oder was?“, Bryan grinste freudlos und Kai erwiderte seinen Blick starr, wusste er doch, worauf der Lilahaarige hinaus wollte.

“Glaubst du, ich würde freiwillig noch einmal hier her kommen, nur um eine Besichtigung in der Abtei zu machen?“, fauchte der Graublauhaarige ungehalten und Bryan zuckte nur die Achseln.

“Hast du das nicht damals auch gemacht, als du hier plötzlich mit deinem Team aufgetaucht bist und dich angeblich nicht mehr erinnern konntest?“

“Ja. Aber wie du bereits sagtest: Ich konnte mich nicht erinnern. Sonst wäre ich doch niemals so blöd gewesen, auf Boris’ Angebot einzugehen!“, giftete Kai und riss den Kaffee, den die Kellnerin brachte, an sich.

“Wie auch immer. Ich dachte ja nur, dass du es vielleicht noch einmal probieren möchtest. Und vielleicht bleibst du dann auch hier, bei Tala. Anstatt ihm Hoffnungen zu machen und abzuhauen – wie du es nun schon drei Mal getan hast, Kai!“, Bryans Blick wurde hasserfüllt und Kai fragte sich in seinem tiefsten Inneren, warum Bryan so sauer wurde, was Talas Liebesleben anging.

Außerdem…

“Tala hat mich verlassen, nicht ich ihn!“, konterte er und Bryan zog die Brauen nach oben.

“Ach? Ich dachte immer, du bist nach Tokio abgehauen und nicht Tala, aber das würde das Verschwinden unseres Leaders natürlich erklären,“ seine Stimme triefte vor Sarkasmus.

Obwohl Kai ihn nun gerne mit Schimpftiraden bombardiert hätte, riss er sich zusammen, denn etwas an Bryans Satz hatte seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

“Willst du damit sagen, du weißt nicht, wo Tala steckt?“, wollte Kai wissen, ignorierte somit die Sticheleien des Anderen und Bryan zuckte sogleich erneut mit den Schultern.

“Nein, ich weiß nicht, wo er steckt. Er meinte zu mir, er würde mit seinem neuen Freund wegzeihen. Wir sollten nicht nach ihm suchen. Und dann war er weg. Von Heute auf Morgen – einfach weg,“ um seine Aussage zu unterstreichen machte Bryan ein Geräusch, dass wohl ein ‚Peng’ werden sollte, jedoch so bryanuntypisch klang, dass Kai nur die Brauen hochziehen konnte und sich fragte, was in den Lilahaarigen gefahren war.

Er war wohl doch länger weg gewesen, als gedacht.

“Das heißt… er hat einen neuen Freund?“, hakte Kai nach und der Russe nickte nur, ließ den Graublauhaarigen dabei nicht aus den Augen.
 

Das war das erste Mal gewesen, wo mir bewusst wurde, dass es nicht an mir lag, dass er mich nicht wollte. Er hatte also die ganze Zeit schon einen anderen Lover gehabt. Und mich letztlich für diesen verlassen.

Der Schmerz, der mich bei diesem Gedanken überkam, war mehr, als ich aushalten konnte…
 

“So ist das also. Du wolltest ihn treffen und auf Knien vor ihm kriechen, nur damit er dir noch eine Chance gibt. Das ist doch gar nicht deine Art, Kai. Ich bin enttäuscht von dir!“, Bryans hämisches Grinsen lud dazu ein, die Faust darin zu versenken, aber Kai unterließ es und blickte nur stumm in seinen – mittlerweile wohl kalten – Kaffee.

“Ich wollte nur mit im reden,“ rechtfertigte er sich stattdessen, obwohl er sich am liebsten dafür geohrfeigt hätte, sich vor Bryan ins richtige Licht setzen zu wollen.

Dieser ignorierte Kais Ansage und trank von seinem Bier.

“Ich hätte dir ja gerne bei deiner Romeo-Aktion geholfen, aber ich hab keine Ahnung, wo sich deine Julia – oder soll ich sagen, dein Julian? - aufhält,“ Bryan grinste erneut hämisch.

“Halt dein dreckiges Maul, Kuznetsov! Sag mir lieber, ob du weißt, ob Spencer mehr von Tala erfahren hat!“, forderte Kai und Bryan grinste schief.

“Seit dem er sich – blind wie er war – in dich verknallt hatte, war ich sein bester Freund. Glaubst du etwa, er würde Spenc mehr erzählen, als mir?“, fragte Bryan und Kai murmelte etwas davon, dass er selbst Spencer auf jeden Fall mehr erzählt hätte, als Bryan.

Aber er war ja auch nicht Tala.

“Tsss,“ machte Bryan nur und stand auf.

“Ich kann dir nicht weiterhelfen, Kai. Und ich wüsste auch keinen Grund, warum ich das tun sollte. Außer vielleicht Tala zu liebe, aber meiner Meinung nach, ist er ohne dich besser dran,“ damit ließ er den Halbrussen stehen und dieser blickte wieder hinab auf seinen Kaffee.

“Scheiße!“
 

Nach dem ich das Alles von Bryan erfahren hatte, wurde mir klar, dass es zu spät für mich war. Vielleicht hatte Tala auch etwas besseres verdient, als mich. Vielleicht war sein neuer Freund mehr für ihn da, als ich es sein konnte. Obwohl ich immer mein Bestes gegeben hatte, um Tala aufzufangen, hatte ich manchmal das Gefühl gehabt, dass es nicht reichte. Vielleicht auch deshalb nicht, weil ich selbst mit meiner eigenen Vergangenheit zu kämpfen hatte. Ich war mir sicher, dass Tala nun jemanden gefunden hatte, der ihm zuhören konnte, ohne selbst an grausame Dinge erinnert zu werden. Der ihm den Rücken sichern konnte, ohne selbst Schutz zu verlangen. Er hatte jemanden gefunden, der nicht ihr war.
 

Allein lief Kai die Straße entlang zu seinem Hotel. Er war wirklich naiv gewesen zu glauben, Tala würde mit im Schluss machen, nur um ihn dann zwei Jahre hinterher zu trauern. Und dennoch hatte er sich Hoffnungen gemacht. Vielleicht auch, weil Tala sich so bemüht hatte, noch einmal mit ihm zu sprechen.

Der Graublauhaarige dachte an Bryans Worte und verwarf den Gedanken. Sicher hatte Tala einfach nur ein schlechtes Gewissen gehabt, ihn zu verlassen, für einen Anderen.

Es war wahrscheinlich das Beste gewesen, nicht mit ihm darüber zu sprechen. Vom Rothaarigen zu hören, dass er ihn verlassen hatte, weil er mit einem anderen Jungen in die Kiste sprang, wäre mehr gewesen, als Kai verkraftete hätte…
 

Die junge Dame an der Rezeption begrüßte ihn mit einem überschwänglichen Lächeln und zwitscherte ihm ein ‚Guten Abend!’ entgegen, wofür Kai sie am liebsten umgebracht hätte.

Sah er so aus, als würde er diese gespielte gute Laune jetzt ertragen können?

Barsch forderte er seinen Zimmerschlüssel und bewegte sich dann schnurstracks zu den Aufzügen.

Als er endlich in seinem Zimmer, auf seinem Bett, lag, überkamen ihn all die Gefühle, all das Chaos, dass von seinem Inneren besitzt ergriffen hatte.

Und er verwarf die fixe Idee, Tala zu suchen und noch einmal mit ihm zu sprechen, nur um ihm die Chance zu geben, ihm zu sagen, dass er ihn liebte.

Seine Hoffnungen waren zunichte gemacht.

Kai schloss verbittert die Augen. Er hätte es ja eh nicht gesagt, rügte er sich selbst. Wahrscheinlich, dachte er zynisch, hatte Tala ihn schon längst vergessen.
 

Und dennoch zog sich damals alles zu ihm, jedoch verweigerte ich es mir.

Ich tat das, was ich am Besten konnte: Weglaufen!

Ich reiste am nächsten Tag ab, ließ Moskau und Tala hinter mir, wie ich es schon einmal vor zwei Jahren getan hatte. Mit der Gewissheit, dass ein Teil von mir, von meinem Herzen, immer bei ihm sein würde!



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2010-07-03T17:25:56+00:00 03.07.2010 19:25
Und noch dazu war Shakespeare schwul. Hat jedenfalls seine ersten Sonette an einen Mann gerichtet... ^-^
Ein schönes Kapitel! Wieder so melancholisch-schön...
Von:  Last_Tear
2010-06-19T23:22:13+00:00 20.06.2010 01:22
Chyu~ x3
Endlich Zeit
*freus*
Sou~
erstmal wusstest du, dass zu Shakespeares Zeiten es wirklich eher Romeo und Julian geheißen hätte? xP Da dürften Frauen nämlich nicht schauspileren und es waren tatsächlich zwei Männer^^
Wobei die Vorstellung echt geil is
*~*
Was mich etwas gewundert hat, war, dass Bryan Bier trinkt Oo Son widerliches, deutsches Zeug XD Gut, ich weiß ja nich, ob die in Russland Bier haben, aber sowas hab ich mir beim Lesen vorgestellt^^
Iwie hab ich ein mieses Gefühl bei der Sache, ich sags gleich ><

>Und dennoch zog sich damals
mich

> der nicht ihr war.
er

=3 Ich freu mich auf jeden Fall auf jedes neue Kapi und beeil mich auch bei dir mitm weiterschreiben >< Kann ja nich angehen, dass ich so zurückliege ôo


Zurück