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Wünsch dir was...

von

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Wünsch dir was...

WÜNSCH DIR WAS…

Lass mich noch einmal an dich glauben… in deine Augen sehen…
 

„Ist dir nicht kalt, Stein?“

Die leise Stimme der blonden Death Scythe reichte aus, um die Stille zu durchbrechen und hing eine Weile lang unbeachtet in der Luft, ehe sie sich schließlich in der Nacht verflüchtigte. Stattdessen spielte der Wind eine sanfte Melodie mit den Blättern und Gräsern, die grade durch ihre ruhige Eintönigkeit einen gewissen harmonischen, beruhigenden Effekt hervorrief. Einen Moment lang stand Marie noch unschlüssig in der Tür und wartete auf eine Reaktion des Doktors. Nicht, dass eine erfolgt wäre. Also trat sie langsam neben ihn und sah fragend zu ihm hoch. Er schien ihre Anwesenheit gar nicht bemerkt zu haben. In der Hoffnung, zu erfahren, was ihn so sehr faszinierte, wandte sie ihren Blick in dieselbe, in der der seiner unverwandt ruhte. Und fragte sich flüchtig, ob sie einfach nur zu blind oder ignorant war, um zu erkennen, was denn so spannend an den Bäumen war, die dort auch schon standen, als sie beide noch selbst Schüler gewesen waren.
 

Sie hörte ein Knacken über sich, sowie ein schlecht unterdrücktes Kichern und wandte den Blick – der noch beiden gesunden Augen – nach oben.

„Hast du eigentlich nichts Besseres zu tun, als mich zu stalken, Spirit-Kun?“ Der Tonfall der jungen Blonden war zwar tadelnd an den Rotschopf im Baum gerichtet, jedoch wurde er durch das leichte Lächeln auf ihren Lippen beinah ins Gegenteil verkehrt. Und auch der Junge neben ihr, der ohne Protest ihre Bücher trug, nachdem sie sie ihm aufgehalst hatte, sah nach oben. „Yo, Senpai.“

„Ha! Als würde ich DICH stalken!“ Anstatt einer Begrüßung von sich zu geben, antwortete Spirit großspurig und sprang aus dem Blätterdach. Das mit einer Eleganz, die die meisten Damen ihrer Jahrgangsstufe dazu brachte, dem Rothaarigen kichernd durch die Gänge zu folgen und ihm anonyme Briefchen zuzustecken.

Nicht, dass Marie das nachvollziehen konnte. Das heißt, sie konnte verstehen, dass verliebte Genossinnen ihres Geschlechtes sich genauso seltsam benahmen wie liebestolle Jungen – auch wenn sie es nicht nachvollziehen konnte, noch nicht – aber sie konnte nicht begreifen, warum ausgerechnet dieser es war, für den die meisten Mädchen heimlich schwärmten. Er war ein Idiot. Wenn auch zweifelsfrei ein charmanter Idiot.

„Warum trägst du ihre Bücher, Franken?“ Das oberste von diesem Stapel hatte besagter Idiot nun hochgehoben, sodass es auf einer Seite aufklappte und nach unten schlug.

„Man könnte meinen, du hast noch nie ein Buch gesehen, Senpai. Da sind zu viele Buchstaben für dich drin. Und schwere, lange Worte. Zum Beispiel ‚Inhaltsverzeichnis’.“

Beleidigt verzog Spirit das Gesicht bei Steins Kommentar, doch bevor er etwas sagen konnte, erhallte Maries Lachen. „Dein Gesicht, Spirit! Du solltest dich sehen!“

Und nach einem Moment fielen auch die beiden Jungen mit ein.
 

Ein bitteres Lächeln schlich sich auf die Lippen der Frau. Es war noch gar nicht so lange her – fünfzehn Jahre? Und dabei fühlte sie sich, als längen Jahrhunderte zwischen damals und heute. So viel hatte sich verändert. Sie hatten sich verändert. So sehr. Und doch so wenig, wenn man genau darüber nachdachte.

Dabei hatte sie schon lange nicht mehr an die Vergangenheit gedacht. Was geschehen war, war vorbei und kam nicht wieder. Etwas, das wohl jeder irgendwann lernen musste. Und sie war wohl auch kaum die Einzige, die diese Lektion nicht hatte erhalten wollen.

Ein kühler Wind strich über sie hinweg und erinnerte sie an das Hier und Jetzt. Vielleicht mochte ihm ja nicht kalt sein, aber ihr wurde es schon. Worüber er wohl nachdachte? Möglicherweise auch vergangene Zeiten? Wahrscheinlich eher nicht. Stein hatte nie in der Vergangenheit gelebt – wenn auch nicht in der Zukunft, oder nur der Gegenwart. Er hatte seine eigene Welt, in die ihm keiner folgen konnte.

„Stein?“, fragte sie noch einmal versuchsweise, erwartete aber keine Antwort. Sie erhielt auch keine. Wenn sie nicht das leise Geräusch seiner Atemzüge im Wind gehört und das heller und wieder dunkler werdende Glimmen seiner Zigarette gesehen hätte, wäre ihr beinah die Vermutung gekommen, dass sie nur neben einer Statue in der Dunkelheit stand.

Da schob sich wieder ein Bild vor ihr inneres Auge…
 

Die Knie angezogen und die Arme darum geschlungen, mit dem Rücken sacht gegen einen Baum lehnend und die Stirn auf den Knien, weinte sie leise. Schon lange. Sie hatte heute Morgen die Nachricht erhalten, dass ihre Eltern – beide – auf einer Mission gestorben waren, und war seither für heute – und auch den Rest der Woche – vom Unterricht befreit worden. Ihre Kehle brannte mittlerweile ebenso wie ihre Augen, aber das war ihr egal. So lange wie sie weinte, blockierte das die Gedanken ein wenig. Und sie wollte nicht denken.

„Hoi, Marie.“

„Geh weg.“ Sie sah nicht einmal auf. Es war ihr egal, wer da war. Oder was er wollte. Oder dass er sie so gesehen hatte. Sie wollte nur ihre Ruhe. Sie wollte allein gelassen werden.

Eine Weile lang Stille, jedoch auch keine Schritte. Stattdessen legte sich schließlich eine Hand auf ihre Schulter, und nun hob sie doch den Kopf. Um in Steins ein wenig entschuldigendes und typisch neben der Spur stehendes Lächeln zu schauen.

„Rei-sensei hat mir gesagt, was los ist.“ Mehr sagte er nicht. Er sagte nicht „mein Beileid“, er sagte nicht „ich bin für dich da“, sondern nur diesen einen Satz.

Und wahrscheinlich war das auch besser so.

Statt von ihm, erklang von neben ihr eine entsprechende Bemerkung. „Sie hat gesagt, wir sollen dich davon abhalten, Death City unter Wasser zu setzen, und dich irgendwie ablenken.“

Sie hatte sich ja denken können, dass wenn Stein hier war, dann war auch Spirit nicht weit weg. Die beiden gehörten zusammen – und in diesem Moment spürte das Mädchen deutlich, dass sie wohl auch dazu gehörte.

„Ist okay…“ Sie schluckte die Tränen herunter und zwang ein Lächeln auf ihre Lippen, das Steins ein wenig erleichterter machte.
 

Es stimmte schon. Trotz allem, was vorgefallen war, waren sie drei früher unzertrennlich gewesen. Dann war sie nach Europa gegangen, nachdem sie – als erste von ihnen beiden – zu einer Death Scythe wurde, hatte noch sehr wenig Schriftverkehr mit Spirit und ein wenig mehr mit Stein gehabt – und dann hatte sich auch das gelegt, und die Beziehung war quasi tot. Nachdem sie jahrelang nicht auseinander zu bekommen gewesen waren. Und es brauchte einen Dämonengott, um sie wieder zusammenzubringen.

Sie waren alt geworden, allesamt. Nicht körperlich. Geistig. Steins Psyche war damals schon nicht mehr allzu stabil gewesen, aber er konnte – meistens – noch als normaler Mensch durchgehen. Ein wenig verträumt, ein wenig sadistisch und ab und an hatte er bereits Anfälle des Wahnsinns gehabt, der sich seiner heutzutage bemächtigte. Und ihr war bitter bewusst, dass es vielleicht nicht so weit hätte kommen müssen, wenn sie geblieben wäre. Dass es wahrscheinlich heute nicht so wäre. Möglicherweise nicht viel besser, aber sie hätte etwas bewirken können. Es tat ihr weh, ihm in die Augen zu sehen, und dort so oft eine Leere vorzufinden, die gleichermaßen verletzend und verletzt war. Zu wissen, dass sich sein Geist immer weiter zurückgezogen hatte, um möglichst nicht mehr viel mit anderen zu tun zu haben. Wann hatte sie ihn zuletzt richtig lachen gehört? So wie in ihrer Jugend? Oder auch nur ehrlich lächeln? Es wollte Marie nicht einfallen. Lange nicht. Zu lange nicht.
 

„Hört endlich auf, mir hinterherzulaufen, als wärt ihr Hunde!“

Mit einem Ruck stoppte sie mitten im Lauf und drehte sich um. Sie war kein Mädchen mehr, sondern eine Frau, ebenso wie die beiden keine Jungen mehr waren. Und so, wie Spirit immer noch die Weiber hinterher liefen, sahen ihr mittlerweile auch die anderen Typen hinterher. Und wie jedem Mädchen imponierte ihr das natürlich.

Die beinah goldenen Augen richteten sich jedoch drohend auf den Rotschopf und den angehenden Doktor, die sie schon seit geraumer Zeit nicht in Ruhe ließen.

„Waaaarum, Marie-San?“ Wie ein kleines Kind zog Spirit diese Worte in die Länge, ließ es damit ein wenig lächerlich wirken.

„Weil… ah, weil ihr nervt!“ Ihr fielen keine passenden Worte ein. Ja, warum eigentlich?

„Du hast ein Date“, stellte darum Stein ruhig fest und wies auf ihr nicht grade unauffälliges Outfit. „Und du willst nicht, dass wir mitkommen, weil du Angst hast, wir könnten dich blamieren.“

Sie spürte, wie sich Röte zaghaft auf ihrem Gesicht ausbreitete. Wie von ihm gewohnt, hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen. Aber das konnte sie doch niemals zugeben.

„D-Das stimmt gar ni-“

„Natürlich stimmt es“, unterbrach er sie und schob sich die Brille wieder hoch. „Aber ich nehm es dir nicht übel.“ Dass Spirit offenbar etwas dazu sagen wollte, ignorierte er völlig. „Wir laufen dir nämlich nach, damit wir wissen, mit wem du ausgehst – und ob wir dich wirklich mit ihm allein lassen können. Irgendwer muss ja auf dich aufpassen.“
 

Das war es doch eigentlich gewesen. Sie hatten immer aufeinander aufgepasst, und jetzt taten sie es wieder. Mit einem leisen Seufzen hob sie den Blick und sah in den Himmel.

„Schau mal Stein, eine Sternschnuppe…“

Nun endlich regte sich auch der Mann neben ihr, auch wenn sie es nicht vermutet hätte. „Jetzt darf man sich was wünschen, oder?“

Ein leises Lächeln zierte Maries Gesicht. „Denke schon…“, murmelte sie leise. „Ich glaube, ich weiß, was ich mir wünsche.“

Die Hand der Waffe schmiegte sich in die ihres Meisters, während sie beide den Fall des Himmelskörpers verfolgten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Nightglass
2015-02-01T22:35:58+00:00 01.02.2015 23:35
Oh, ich liebe das Pairing SteinxMarie!!!
Ich finde wie du den OS geschrieben hast echt spitze :)
Die Formulierungen und Gedanken von Marie hast du echt spitze hingekriegt,
Ich war total vom FF gefesselt!
Von:  alphawitch
2010-08-20T19:49:24+00:00 20.08.2010 21:49
Ouh, ich mag den One-Shot, echt. Er ist so ehrlich, und so knuffig, und nicht kitschig und so schön.
Oute mich auch als ein SteinxMarie Fan. Die sind einfach toll zusammen.
Mal was neues, mal was schönes, die kursiven Texte hast du echt gut hinbekommen, man hat die Jugend so richtig gespürt.
Lieblingssatz: Es tat ihr weh, ihm in die Augen zu sehen, und dort so oft eine Leere vorzufinden, die gleichermaßen verletzend und verletzt war.
Zu schön.
Entschuldige bitte, dass ich keine wirkliche Kritik abgeben habe, aber ich bin grad geflasht und melancholich, da gehts nicht so. Nimm's mir nicht übel. :D
Ich hoffe, du schreibst weiter so schöne SteinxMarie Ffs, ich würd mich freuen, und jedes einzelne Wort davon verschlingen. <3

Liebste Grüße
alphawitch
Von:  Finvara
2010-04-11T21:45:01+00:00 11.04.2010 23:45
Wunderschön, wirklich.
Maries gedanken sind anchvollziehbar und schlüssig. DIe kursiven EInschübe gefallen mir, besonders der erste. So stell ich sie mir wirklich vor.
Einfach toll.
Und du magst nicht als einzige das Pair SteinxMarie.
Ich finds auch toll <3


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