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Gefühle

von

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1.

„Tja, mein Sohn.“ Mein Vater strich sich über sein Kinn und starrte auf mein Matheheft, das er grade in der Hand hielt. Er glotzte jetzt schon seit fünf Minuten, so, als wolle er jede Zahl einzeln erfassen.

Ich stand neben ihm wie auf Kohlen. Ich hasse diese Moment! Konnte er mir nicht einfach seine Predigt halten, damit ich verschwinden konnte? Immer dieses dämliche Theater.

Ich hatte das Gefühl, er zögerte immer so lange, bis er merkte, wie die Wut in mir hochstieg, um dann, wenn ich kurz vor dem Ausbruch stand, mit dem Reden anzufangen. Und genau so war es auch diesmal.

Ich holte grade tief Luft, da öffnete der den Mund. „Tja, mein Sohn,“ wiederholte er. „Da hast du dich ja nicht grade mit Ruhm bekleckert!“

„Was?“ brüllte ich und wies auf das Heft. „Es ist eine zwei plus!! Was gibt es an einer zwei plus auszusetzen?!“

Meinen Vater konnte man nicht auf die Palme bringen, ob man ihn nun anschrie oder ihm irgendwelche bösen Spitznamen gab. Er war immer die Ruhe selbst. Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. In seiner bedächtigen Art antwortete er: „Eine zwei plus ist nun mal keine eins! Und du weißt, wenn du Medizin studieren willst, brauchst du einen sehr guten Durchschnitt.“

„Ich will aber nicht Medizin studieren! Wieso seht ihr das nicht endlich ein?!“ schrie ich, riss ihm das Heft aus der Hand und stürmte aus dem Wohnzimmer. Um wenigstens ein wenig Genugtuung zu bekommen, knallte ich die Tür mit voller Wucht hinter mir in Schloß.

„Julian?“ hörte ich meine Mutter aus dem Esszimmer rufen und ich flitzte die Treppe hoch. Mit meiner Mutter wollte ich jetzt auf keinen Fall zu tun haben.

In meinem Zimmer angekommen, schmiss ich das Matheheft auf mein Bett und traktierte dann meinen Boxsack, der in einer Ecke hing. Dafür war damals mein Taschengeld für drei Monate draufgegangen, aber das Ding war jeden Cent wert. Ohne wäre ich bestimmt so gut wie jeden Tag vor meinen Eltern ausgerastet, was dann einen Familienrat nach sich zog, bei dem ich immer an den Pranger gestellt und mir in aller Deutlichkeit aufgezeigt wurde, was ich denn nun wieder falsch gemacht hatte. Und danach erzählten sie mir zum tausendsten Mal, wie mein Leben abzulaufen hatte: Perfekte Noten auf dem Abitur-Zeugnis, ein perfektes Studium an einer hochangesehenen Uni (mein Vater war für ein Medizinstudium, meine Mutter tendierte eher zu Jura), danach ein perfekter Job mit einem perfekten Gehalt, die perfekte Frau und selbstverständlich perfekte Kinder.

Ich konnte es nicht mehr hören.

Mit nicht mehr ganz so viel Wut ihm Bauch aber mit jeder Menge Frust warf ich mich auf mein Bett und vergrub den Kopf im Kissen. Wie so oft schwamm ich in einem bodenlosen See voller trüber Gedanken, bis irgendwo im Haus plötzlich etwas scheppernd zu Boden fiel und mich daran erinnerte, dass die Welt sich, auch, wenn ich mal wieder in Depressionen versank, weiterdrehte.

Ich seufzte einmal tief, stemmte mich vom Bett hoch und setzte sich an meinen Schreibtisch. Die Lehrer hatte in letzter Zeit wohl der Hafer mehrmals gestochen, denn für die nächsten Wochen waren wir mit Klausuren zugepflastert. Ich griff nach meinem Geschichtsbuch, schlug die entsprechende Seite auf und vertiefte mich in die französische Revolution.

Ja ich weiss, erst rebelliere ich mehr schlecht als recht gegen meine Eltern und jammere darüber, wie sehr sie mich unter Druck setzen und dann lerne ich trotzdem schön, damit beim nächsten Mal unter meiner Arbeit die übliche eins steht und meine Eltern wieder stolz auf mich sind und davon schwärmen, was für ein fantastischer Arzt ich einmal sein werde. Oder was für ein fantastischer Jurist.

Tja, ich stehe eben total unter der Fittiche meiner Eltern und versuche alles, um sie zufrieden zu stellen. Dieses Rebellieren hier und da ist, glaube ich, ein Eingeständnis meines Gehirns daran, dass ich ein siebzehnjähriger Teenager bin und die nun einmal zu rebellieren haben.

Und sich danach wieder brav an ihre Bücher setzen.

Zwei Stunden hockte ich bestimmt da und hämmerte mir den Stoff an die richtigen Stellen meines Schädels, dann klopfte es an die Tür und sie wurde direkt danach aufgerissen. Meine Mutter stand auf der Schwelle, in der Hand das Telefon und mit freudestrahlendem Gesicht blickte sie auf ihren braven Sohn, der fein dasaß und lernte.

Mir fielen tausend Dinge ein, die ich ihr jetzt so gerne an den Kopf geschmissen hätte und dann wäre ich, endlich einmal mit dem guten Gefühl der Selbstbehauptung, der Rücksichtnahme auf die eigenen Gefühle, aus dem Zimmer gegangen. Und zwar betont langsam. Ich wollte ihr Gesicht sehen, wenn es sich vom Freudestrahlen in Entsetzen verwandelte und sie mich mit offenem Mund anstarrte.

Aber was tat ich stattdessen? Ich drehte mich zu ihr um und lächelte und hasste mich in diesem Moment.

„Das ist ja schön, dass du lernst. Dein Vater wird stolz auf dich sein,“ sagte sie und dann hielt sie mit das schnurlose Telefon hin. „Es ist Kai.“

Ich griff nach dem Hörer, sagte hallo und starrte meine Mutter an. Ich kannte ihre Angewohnheit, gerne während eines Telefongespräches in meinem Zimmer zu bleiben, damit sie auch kontrollieren konnte, was ich zu erzählen hatte und deswegen versuchte ich, sie mit den Augen hinaus zu dirigieren. Und anscheinend hatte sie heute einen guten Tag, denn nach einer halben Minute drehte sie sich tatsächlich um und ging. Sie schloss sogar die Tür hinter sich.

Ich wandte mich wieder dem Telefon zu. „Tut mir Leid dass es etwas länger gedauert hat. Aber du kennst ja meine Mutter.“

Kai lachte: „Oh ja, allerdings. Und eben weil ich sie kenne, wollte ich nur Bescheid sagen, dass ich gleich bei dir vorbeikomme und dich ein bisschen in eine schönere Welt entführe.“

Ich öffnete der Mund, aber er kannte mich nur zu gut und sprach gleich weiter: „Und keine Widerrede! Du kommst mit und basta. Bis gleich also.“ Er legte dann sofort auf, bevor ich auch nur irgendetwas sagen konnte.

Ich lehnte mich in meinem Schreibtischstuhl zurück, blickte auf den ganzen Papierkram und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

Kai war mein bester Freund, wir waren schon zusammen in einer Klasse in der Grundschule gewesen und das hatte sich auf dem Gymnasium fortgesetzt. Und im Laufe der Zeit hatte sich herausgestellt, dass seine Eltern fast genau so tickten, wie meine. Wir hatten uns vorher auch schon immer gut verstanden, aber das hatte uns erst richtig zusammengeschweißt. Wenn ich Kai nicht hätte, dann wäre ich sicherlich irgendwann verrückt geworden.

Er wohnte nicht weit weg von mir und nach seinem Anruf begann ich, mir bessere Sachen anzuziehen und mir noch einmal kurz durch die Haare zu fahren. Danach lief ich hastig die Treppe runter. Ich wollte auf keinen Fall, dass Kai auf meinen Vater oder meine Mutter traf. Im Gegensatz zu mir besaß er wenigstens ein wenig Durchsetzungsvermögen und diskutierte stundenlang mit seinen Eltern, die aber, wie als Ausgleich, dann doch noch um einiges strenger waren als meine und wurde es auch nicht müde meine Eltern zu belehren, dass sie mich anders behandeln sollten.

Deshalb mochten sie Kai auch nicht besonders, doch trotzdem akzeptierten sie ihn und ließen mich, meistens jedenfalls, ohne Diskussionen und Predigten, ziehen. Allerdings beschwerten sie sich dann nachher immer bei mir, was andere Dinge mit sich zog und irgendwann redeten sie dann wieder geschlossen auf mich ein, während meine beiden Schwestern dabei saßen, mit großen Ohren zuhörten und sich diebisch freuten, dass es nicht um sie ging.

Ich hatte es eilig, aus dem Haus zu kommen, griff mit der einen Hand nach meiner Jacke und mit der anderen nach der Türklinke. „Ich geh’ noch weg,“ brüllte ich, riss die Tür auf und wollte schnell hindurchschlüpfen, aber Kai grinste mir von der anderen Seite bereits entgegen. „Aber Julian,“ rief er, als er meinen gehetzten Blick sah. „Willst du mich nicht erst zu deinen Eltern bringen, damit ich ihnen einen guten Abend wünschen kann?!“

„Hör bloß auf,“ zischte ich, drängte ihn zur Seite und zog die Tür hinter mir zu.

Er grunzte einmal vergnügt. Ich glaube, er war der einzige Mensch auf dieser Welt, der ein solches Geräusch von sich geben konnte und es reizte jeden, der es hörte, dazu, ebenfalls zu lachen. Auch heute verfehlte es nicht seine Wirkung und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

Ich musste gar nicht fragen, wo es hingehen würde, da es nur eine Möglichkeit gab: Das ,Schäfers’, eine kleine Kneipe in der Innenstadt. Was sich so Innenstadt nannte. Der Ort, an dem ich geboren und mehr schlecht als recht groß geworden war, war nicht mehr als ein verschlafenes Nest. Aber mir gefiel es hier und um mal ein paar Stunden von dem üblichen Alltagskram abzuschalten reichte die Kneipe völlig aus. Wir gingen ja auch nicht dahin, um uns zuzusaufen, sondern um mal was anderes zu sehen. Da es meistens Einheimische waren, die dort hockten, kannten wir uns alle schon und wurden dementsprechend begrüßt, als wir zur Tür hereinkamen und die Ecke, in die wir uns immer setzten, war auch noch frei. Und, ohne dass wir etwas sagen mussten, brachte uns der Wirt zwei Krefelder.

Kai lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah mich mit einem Blick an, den ich schon ziemlich oft bei ihm gesehen hatte. „Was ist los?“ fragte ich deswegen.

Er runzelte die Stirn. „Du weißt doch, dass meine Eltern gerne öfters mal einen auf Familie machen, nicht wahr?“ Ich nickte und er fuhr fort: „Die Schwester meiner Mutter ist vor kurzem hergezogen und jetzt bestehen meine Eltern darauf, dass ich was mit meiner Cousine und meinem Cousin mache. Und deswegen hab ich sie eingeladen, auch herzukommen. Ich hoffe, das ist in Ordnung.“

„Na klar,“ erwiderte ich. „Wird schön sein, mal wieder neue Gesichter zu sehen und andere Stimmen zu hören.“

Er hob sein Glas. „Okay Alter, auf uns und das verdammte Leben, das wir führen.“

Während ich einen großen Schluck trank, fiel mir ein, dass das Gesicht von Kais Cousine dann doch nicht mehr ganz so neu für mich sein würde. Ich hatte sie vor vier Jahren schon einmal auf Kais Geburstagsparty getroffen. Genau konnte ich mich an sie aber nicht mehr erinnern, nur noch daran, dass sie einen sehr ausgefallenen Namen hatte. Also, er war jedenfalls für mich, der doch mehr oder weniger das Leben eines Spießers in einer spießigen Familie führte, ausgefallen gewesen.

Zehn Minuten, nachdem wir uns häuslich niedergelassen hatten, tauchte Kais Verwandtschaft dann auf. Ich saß so, dass ich die Tür im Blick hatte und die beiden fielen mir sofort auf, weil sie so neu aussahen – besser kann ich es einfach nicht beschreiben.

Der Anblick von Kais Cousine sprach dann auch die richtigen Synapsen in meinem Gehirn an und weckte Erinnerungen. In den vier Jahren hatte sie sich nicht viel verändert. Sie war immer noch klein, blond, hatte Sommersprossen im Gesicht und die Vorliebe für mehrfarbige Kleidungsstücke auch behalten. Dazu trug sie einen merkwürdigen Schal um den Hals, der aussah, als hätte der Hersteller beim Stricken ganz bewusst irgendwelche Fehler gemacht. Ihr Blick fiel als erstes auf mich und an ihrem Gesicht war deutlich abzulesen, dass sie mich auch wieder erkannte.

Was mir an dem ziemlich hochgewachsenen Jungen, der hinter ihr ging, als erstes auffiel, war, dass er Kais Cousine wie aus dem Gesicht geschnitten war. Die gleichen blonden Haare, wenn auch etwas kürzer, die gleichen Gesichtszüge, die gleiche Nase, die gleichen Sommersprossen, der gleiche Mund…

Ich muss ihn wohl ziemlich irritiert angesehen haben, denn er glotzte verwirrt zurück. Für einen Moment starrten wir uns einfach an, dann senkte ich den Blick und spürte, wie mein Gesicht heiß wurde. Vermutlich hatte ich jetzt eine Birne wie ein Feuermelder. Was mich ziemlich überraschte. Schüchtern war ich eigentlich nicht.

Kai wurde von seiner Cousine nur mit einem kurzen Kopfnicken bedacht und dann stürzte sie sich auf mich. Auch damals auf der Party war sie vor Mitteilungsdrang fast geplatzt und ich stellte mich innerlich schon mal darauf ein.

Sie streckte mir die Hand hin. „Hallo Julian, kennst du mich noch?“ Ich öffnete den Mund, um etwas darauf zu erwiderten, aber sie ließ es gar nicht zu: „Ich hab dich gleich wieder erkannt, als ich dich da sitzen sah. Und das nach vier Jahren. Es waren doch vier Jahre, oder? Mein Gott ist das lange her.“ Sie redete ohne Punkt und Komma, ließ sich neben mich auf den Stuhl fallen und zog ihre Jacke aus, wobei sie mir ein T-Shirt präsentierte, das nur mit einem Wort beschrieben werden konnte: bunt.

Ihr Bruder setzte sich neben Kai, stützte die Unterarme auf den Tisch und blickte seine Schwester mit einem Blick an, der halb genervt und halb belustigt war. „Bea!“ rief er schließlich mitten in ihr Gerede hinein und er musste es noch ein paar Mal rufen, bevor sie den Mund schloss und ihn anblickte. „Was ist?“ fauchte sie wütend.

Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Gib mir nur ein paar Sekunden, damit ich auch mal meinen Namen nennen kann. Du bestehst doch immer so darauf, dass wir alle höflich sind.“

Sie kniff die Lippen missbilligend zusammen. Früher hatte sie es auch gehasst, unterbrochen zu werden. Dafür hatte sie aber keinerlei Probleme damit, anderen regelmäßig ins Wort zu fallen.

Ihr Bruder streckte mir über den Tisch hinweg die Hand hin. „Hi, ich bin Francis.“

Ich ergriff seine Hand. „Hallo, ich bin Julian,“ sagte ich unbeholfen, was mich selbst überraschte. Ich hätte auch noch gerne etwas hinzugefügt wie ,Nett, dich kennenzulernen’, aber ich konnte es nicht. Während Francis, der nix weiter erwartet hatte, sich wieder Kai zuwandte und Bea ihre Sprache wiederfand, saß ich da und fragte mich, warum um alles in der Welt ich nicht in der Lage gewesen war, ein ,Nett, dich kennenzulernen’ hinzuzufügen. War mir der Vorfall von vorhin denn so unangenehm gewesen, ohne dass ich es selbst mitbekommen hatte?

Um mich abzulenken wandte ich mich wieder Bea zu. Ich bin zwar nicht allzu introvertiert, aber ich höre trotzdem lieber zu, als selbst zu reden und das war für Bea natürlich ideal. Sie lief zur Höchstform auf, legte die Geschichte, wann wir uns denn jetzt das letzte Mal gesehen und was sie gesagt und was ich gesagt hatte, schnell wieder ad acta und begann mir zu erzählen, dass sie jetzt endlich ihre Berufung gefunden hatte. Jahrelang hatte sie sich darüber Gedanken gemacht, was sie denn nach der Schule machen sollte, sie war jetzt schon in der zehnten und jetzt hätte sie nur noch dieses Jahr und danach musste sie sich dann entscheiden. Und sie hatte beschlossen, dass sie ihr Abi machen und danach studieren würde, am liebsten Soziale Arbeit und sie hatte auch schon ein paar Unis im näheren Umfeld gefunden, die den Studiengang anbieten würden und eine davon sei angeblich besonders hervorragend…

Ich nickte an den geeigneten Stellen, lächelte und gab zustimmende Laute von mir – und erwischte mich selbst dabei, dass mein Blick ab und zu einmal zu Francis ging, der ebenfalls Krefelder trank, den Arm auf die Tischplatte und den Kopf in die Hand gestützt hatte und mit Kai in ein angeregtes Gespräch vertieft war.

Ich hatte keine Ahnung, wieso ich immer zu ihm herübersah. Mittlerweile müsste es mir doch klar sein, dass Bea und er Zwillinge waren. Und da musste ich ihn doch gar nicht mehr angucken. Einmal reichte doch und das grade war jetzt aber wirklich das letzte Mal.

Es gab aber noch viele letzte Male an diesem Abend.

Unglücklicherweise hatte Bea, auch, wenn sie die ganze Zeit redete, immer noch ein Auge für ihre Umgebung und für den, mit dem sie redete. Frauen und ihre Mutitaskingfähigkeiten. Irgendwann unterbrach sie sich selbst und fragte: „Warum guckst du eigentlich immer zu meinem Bruder rüber?“

Ich konnte nicht verhindern, dass ich zusammenzuckte. Ich war mir sicher gewesen, dass ich es so hinbekommen hatte, dass es niemandem aufgefallen war, aber da hatte ich mich wohl geirrt. Und wenn es Francis auch gemerkt hatte? Ich spürte, wie mein Gesicht schon wieder heiß wurde, vermutlich hatte es diesmal auch die Ohren erwischt. Und dann kam mir doch glatt ein geistreicher Einfall. „Ihr seid Zwillinge, nicht wahr?“

„Ja, allerdings, man sieht es uns wohl an.“ Sie lachte und ich stimmte höflich mit ein. Allerdings war mir so gar nicht zum Lachen zumute. Aber wenigstens hatte ich mich aus der Affäre gezogen. Für den Rest des Abends hielt ich mich standhaft davon ab, auch nur ein einziges Mal zu Francis hinüberzublicken. Und wir wechselten an diesem Abend, bis auf das kurze ,Tschüss’ am Ende kein einziges Wort mehr. Auch mit Kai sprach ich erst wieder, als wir beide auf dem Heimweg waren. Bea und Francis mussten in die andere Richtung, was mir auch ganz lieb war. Nicht nur wegen Bea.

„Meine Cousine ist ganz schön anstrengend, nicht wahr?“ meinte Kai nach ein paar schweigsamen Minuten, die ich dazu genutzt hatte, die Luft in mich aufzusaugen, in der Hoffnung, so wieder klar im Kopf zu werden.

Ich zuckte mit den Schultern. „Na ja, ich hab sie ja damals schon getroffen und da hat sie schon die ganze Zeit nur geredet. Von daher war ich ein wenig drauf vorbereitet gewesen.“

Kai lachte. „Ach ja, die Party damals. Du hast dich nachher bei mir ganz schön über sie aufgeregt.“

„Das werde ich jetzt aber nicht machen,“ erwiderte ich. „Warum hast du mir eigentlich nie erzählt, dass dein Cousin und deine Cousine Zwillinge sind? Und wieso war er damals eigentlich nicht auf der Party?“

Kai zuckte beiläufig mit den Schultern. „Francis ist ein komischer Kauz. Wir haben uns nie verstanden. Er lebt in seiner eigenen Welt und was anderes, als zu diskutieren, kann ich mit ihm nicht machen. Früher haben wir zwar nicht diskutiert, aber wir haben uns immer geprügelt, wenn wir uns gesehen haben. Unsere Eltern haben sich immer furchtbar aufgeregt und ich glaube, selbst wenn ich ihn damals hätte einladen wollen, hätte Mam gleich nein gesagt. Und deswegen fand ich ihn auch nie erwähnenswert. Ich wollte eigentlich auch nicht, dass er heute mitkommt, normalerweise macht er solche Sachen auch nicht, aber dann ist er ja doch aufgekreuzt.“

Ich hätte ihm gerne noch einige Fragen über Francis gestellt, zum Beispiel, warum er ein komischer Kauz sei und worüber sie den ganzen Abend geredet hatten. Sie lagen mir schon auf der Zunge, aber ich schluckte sie hinunter. Mir gefiel nicht, was Francis' Anwesenheit mit mir angestellt hatte, also war es besser, mich nicht weiter um ihn zu kümmern.



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