»Solange wir aneinander denken, sind wir nie getrennt...«
»Hey, Roxas. Weißt du, warum der Sonnenuntergang rot ist?
Licht besteht aus vielen Farben.
Und Rot ist die Farbe, die von allen am weitesten reist.«
Das sagte er damals zu mir – Axel. Warum? Ich hatte ihn nicht danach gefragt.
Hm...Axel, der Angeber, wollte eben immer was kluges von sich geben. Ich vermisse ihn...glaub' ich zumindest. Ich hab kein Herz, also weiß ich nicht, wie es sich anfühlt.
Eigentlich könnte ich das doch auch gar nicht, oder? Jemanden vermissen. Aber ich denke einfach, dass es sich so anfühlen müsste.
Ein Seufzer entweicht meinen Lippen.
Bereue ich es, dass ich damals gegangen bin, um herauszufinden, warum das Schlüsselschwert mich auserwählt hab? Bereue ich es, dass ich meinen Jemand – Sora – gefunden habe?
Vielleicht...
Aber so war es richtig.
Sora existiert – ich nicht.
Sora hat ein Herz – ich nicht.
Und dennoch kann er nur mit mir – einem Niemand – leben. Ist das nicht...ironisch?
Aber ich kann auch ohne ihn – nein...denn eigentlich dürfte ich ja nicht sein.
Also ist es wohl wirklich richtig, so wie es jetzt ist. Ich bin mit Sora eins. Wir sind ein und die selbe Person. Aber dennoch sind wir so unterschiedlich. Ob er fühlt, was ich denke? Ob er fühlt, wie es mir geht?
Sora? Kannst du mich hören? Meine Gedanken?
...
Stille.
Im Grunde bin ich vollkommen allein. Manchmal kommen nur Brocken, von dem was Sora sieht durch die schwarze Wand aus Nichts.
Noch immer sucht er nach seinen Freunden.
Er hat ein Ziel. Und ich? Nichts.
Nur einen Wunsch...einen Traum. Nur einmal noch würd' ich ihn gern wieder sehen. Mit ihm ein Eis auf dem Uhrenturm essen.
Ob Axel wohl mein bester Freund ist?
Ich frage mich, wie es ihm geht. Ob er noch lebt? Oh, ich hoffe es so sehr.
Ich würde ihm gern noch so viel sagen – so viel fragen.
Mir kam es immer so vor, als wüsste er jede Antwort auf alle Fragen, aber manchmal war auch er ratlos.
Hm, schon komisch.
Ich denke die ganze Zeit nur nach, ich...-
Ah, was ist das?! Ich schaue auf.
Wieder ein Brocken von dem, was Sora sieht.
A-aber das ist doch...Axel!
Ich springe auf und renne zu ihm...doch natürlich erreiche ich ihn nicht.
„Axel! Axel!“, rufe ich immer wieder, doch meine Worte dringen nicht zu ihm durch. Er kämpft mit Sora gegen...was? Gegen Niemande! Aber wieso?
Axel...
Es sind zu viele. Zu viele Gegner.
Was macht er? Er sammelt all seine Energie. All seine Kraft. Er will doch nicht...
„Nein Axel, nicht!“
...
Das Licht...ist zu hell.
Erst als es langsam erlischt, kann ich meine Augen wieder öffnen. Alle Niemande sind weg...und Axel?
Sora läuft zu ihm. Nein Axel! Er liegt auf dem Boden. Er sieht...erschöpft aus.
Aber...nein, du darfst nicht...
Sora fragt ihn etwas – ich kann es nicht genau hören - und Axel sieht ihn an.
"Ich wollte Roxas wiedersehen. Er war der einzige, den ich mochte. Er gab mir das Gefühl ein Herz zu haben. Irgendwie...schon seltsam..."
Was ist das? Eine...Träne? Sie läuft meine Wange hinab.
Ich will nicht, dass er..stirbt. Axel, ich bin hier.
„Axel!“
Ich rufe es laut heraus, mit all meinen Gefühlen, die ich eigentlich nicht haben dürfte. Mit all meiner Sehnsucht, die ich nicht haben dürfte.
Ich will zu ihm. Ich will zu Axel! Jetzt!
Was geschieht? Ich fühl' mich irgendwie so komisch. Mein Körper fühlt sich merkwürdig an...er löst sich von Soras?!
Ja, ich gelange nach draußen. Ich gelange zu ihm.
Ich weiß nicht warum aber, immer mehr Tränen laufen meine Wangen hinab. Hab ich...Angst?
„R-Roxas?“, erschrocken sieht Axel mich an. Ich nicke nur, bekomme kein Wort raus. Meine Arme legen sich fast automatisch um ihn und ich drücke ihn fest an mich.
„Du-du darfst mich nicht...verlassen“, schluchze ich.
„Roxas ich...hab meine ganze Kraft...verbraucht“, sagt er leise.
Schnell schüttel ich meinen Kopf und sehe ihn an. „Nein. I-ich kann dir doch was von meiner Kraft geben!“, sag ich etwas hilflos.
Kurz lacht er. „Wie willst du das anstellen?“, fragt er mich und setzt sein typisches Grinsen auf, was mich nur noch mehr zum Weinen bringt.
Ich klammer mich an seinen Mantel, auf welchen meine Tränen lautlos fallen.
„Wieso weinst du Roxas? Schon vergessen...du hast kein Herz“, meint er, hebt seine Hand etwas und streicht mir über die Wange. Es fühlt sich ungewöhnlich schön an.
„V-vielleicht braucht man ja kein Herz...um zu fühlen“, entgegne ich und sehe ihn traurig an.
Er lacht wieder leise.
„Lach nicht!“, ermahne ich ihn. „Ich mein's ernst. Es sind nicht die Erinnerungen von meinem damaligen Leben. Es sind nicht die Erinnerungen von Sora. Es sind nicht einfach nur Gedanken. Es...es sind...Gefühle...“
Ich weiß selbst, dass es absurd klingt, aber ich bin mir ganz sicher!
Axel will gerade wieder was sagen, als ich von hinten gepackt und von ihm weggezogen werde.
„H-hey!“, ich zappel mit meinen Beinen und versuche mich zu befreien.
„Du musst wieder zu Sora zurück“, höre ich Donalds Stimme.
„Ja, ihr müsst euch wieder vereinen“, sagt nun auch Goofy.
Ja, das müssten wir, nicht wahr? Aber ich...
Mein Blick fällt wieder auf Axel. Ich will zu ihm. Ich will nicht zu Sora.
„Lasst mich los!“, schreie ich und versuche noch mehr, mich zu befreien, doch sie lassen nicht locker. Es macht mich...es macht mich wütend!
Ich will nicht. Lasst mich los. Aufhören. „Aufhören!“, schreie ich nun abermals laut aus mir heraus...mit all meiner Trauer, mit all meiner Wut! Mit all meinen...Gefühlen?
...
Und mit einem Mal fühle ich mich ungewöhnlich schwerelos.
Ich öffne meine Augen wieder, die ich geschlossen hatte und es ist alles so...hell, unglaublich hell.
Axel liegt immer noch dort, aber...alles andere ist verschwunden. Schnell laufe ich zu ihm.
„Axel, was...“
„Du hast...einen Raum aus Licht geschaffen“, unterbricht er mich und wirkt überrascht.
„Einen Raum aus...Licht? Aber wie...?“ Ich versteh das nicht.
„Ich weiß es nicht, aber...“, er setzt sich auf. „...mir geht es wieder besser“, führt er den Satz fort.
Ich habe mich vor ihn gehockt und sehe ihn an...und er sieht mich, doch dann weiten sich seine Augen, als er plötzlich an mir vorbei schaut.
„Was zur...“
Erschrocken drehe ich mich um und mir stockt der Atem. Langsam stehe ich auf.
„Axel, das ist doch...ist das...?“
„Ja, das ist...ein Herz“, beantwortet er meine nicht vollendete Frage.
„Aber warum...“, bevor ich die Frage stellen kann, kommt das Herz schnell auf mich zugeflogen und...dringt in mich ein.
Dieses Gefühl...nein Gefühle, ganz viele. Ich kann sie gar nicht alle auseinanderhalten, geschweigedenn unterscheiden.
Ich sinke zu Boden und schnappe nach Luft. Es sind so viele Gefühle. So viel Trauer und Wut, aber auch Freude...das alles auf einmal.
Dann spüre ich Axels Hand auf meiner Schulter. „Roxas...Roxas, alles ok?“, fragt er mich...und klingt besorgt dabei. Ob er sich wirklich Sorgen um mich macht?
Auf einmal laufen wieder Tränen über meine Wangen. Ich kann sie nicht unterdrücken, nicht aufhalten. Ich schaue zu Axel hoch und es kommen immer mehr. Er scheint verwirrt.
Was ist das für ein Gefühl, welches ich empfinde, wenn ich ihn ansehe?
Langsam strecke ich meine Hand nach ihm aus. „Axel ich...“
Alles verschwimmt vor meinen Augen. Es ist zu stark...die Gefühle...alles.
Alles verschwimmt...
Alles verschwimmt immer mehr...
...
„Roxas. Hey Roxas.“
Axels Stimme.
Nur schwerfällig kann ich meine Augen öffnen. Anfangs ist noch alles verschwommen. Doch nach ein paar mal blinzeln, erkenne ich alles. Erst Axel und dann...
Schnell setze ich mich auf.
„Axel, wie sind wir hier her gekommen?“, frage ich ihn, als ich erkenne, dass wir auf dem Uhrenturm sind. Axel grinst schief und zuckt mit den Schultern. „Ich weiß nicht...du bist in Ohnmacht gefallen und auf einmal waren wir hier.“
„Hm.“
Was ist eigentlich...? Ach genau! Ich fasse an die Stelle, wo das Herz in mich eingedrungen ist und...ich spüre es. Es schlägt. Aber das ist doch eigentlich...unmöglich. Fragend schaue ich zu Axel.
„Wie ist es so, ein Herz zu haben?“, fragt er mich und grinst wieder. Also hab ich tatsächlich eins.
„Ich...ich weiß nicht genau. Es...sind so viele Gefühle“, entgegne ich und wieder dieses eine bestimmte Gefühl, wenn ich ihn ansehe...oder auch, wenn ich an ihn denke. Was ist das?
„Du wirst schon mit klar kommen. Du bist ein echter Glückspilz!“ Immer noch grinst er mich an.
„Aber...wie ist das möglich, Axel?“
Eigentlich kann doch ein Niemand kein Herz haben...
„Ich weiß es auch nicht. Aber mach dir darüber keinen Kopf. Freu dich lieber!“
„Ja, ich freu mich ja...“, murmel ich. „...aber ich...fühle mich komisch“
Axel zieht eine Augenbraue hoch. „Wie denn komisch?“
„Ich mein, ich...ich fühle mich komisch, wenn...ich dich ansehe und dann fängt das Herz auch ganz schnell an zu schlagen.“
Ich schaue zur Seite. Ist es mir peinlich ihm das zu sagen? Ich merke, wie ich rot werde. Axel sieht mich an. Wieso sagt er denn nichts? Das macht mich irgendwie ganz verrückt.
„Ich verstehe“, sagt er dann und schaut zum Sonnenuntergang.
Überrascht sehe ich ihn an „Ja?“, frage ich ihn. Denn ich verstehe nämlich überhaupt nichts.
„Ja...du hast dich in mich verliebt“, sagt er, als wäre es das Normalste der Welt.
„V-v-verliebt?“, gebe ich erschrocken von mir und im selben Moment spüre ich, dass er recht hat.
Mein Blick richtet sich nach unten und ich fasse an die Stelle, wo mein Herz sitzt. Es schlägt schnell. Schneller als vorhin. Ist das wirklich so, wenn man verliebt ist?
Plötzlich legt Axel seine Hand auf meine. Überrascht sehe ich ihn an.
„Hab ich recht?“, fragt er mich dann und ich merke, wie ich noch etwas röter werde. Leicht nicke ich mit dem Kopf. Er nickt auch und nimmt seine Hand wieder weg, schaut wieder zum Himmel.
„Vielleicht deswegen...vielleicht hast du deswegen ein Herz bekommen“, er lächelt leicht.
Weil ich mich verliebt hab?
Aber das würde ja bedeuten, dass er vielleicht auch...
Ich senke meinen Blick wieder. Natürlich nicht. Er hat doch keine Gefühle. Aber die hatte ich doch auch nicht und dennoch...
Leicht beiße ich mir auf die Unterlippe. Er empfindet eben nicht so, wie ich.
Und was ist das jetzt für ein Gefühl? Irgendwie...tut es weh...
„Was ist los Roxas?“, fragt Axel mich und ich sehe ihn überrascht an. Was bedeutet dieses Gefühl jetzt, wenn ich ihn ansehe? Warum tut es so weh? Ist es Trauer...oder Angst, oder beides? Ich versteh das alles einfach nicht.
„Roxas. Hey, Roxas“, er fuchtelt mit einer Hand vor meinem Gesicht rum.
„Was? Äh, achso...ich ähm...es ist nichts“, murmel ich stotternd und natürlich nimmt er mir das nicht ab. Leise seufzt er und schaut wieder zum Sonnenuntergang.
Bedrückt sehe ich nach unten.
„Roxas...“, fängt Axel wieder an. „...du hast ein Herz, du solltest dich freuen“, sagt er mir nochmal.
„Ja, ich weiß...“, entgegne ich leise, schaue weiter nach unten und fasse an mein Herz. „Es ist nur, ich...du...“, ich weiß nicht, wie ich ihm sagen soll...dass ich Angst – glaub ich zumindest – hab.
Sanft legt Axel seine Hand unter mein Kinn und zwingt mich so wieder ihn anzusehen.
„Was?“, fragt er.
Kurz wende ich meinen Blick ab, dann schaue ich ihn aber wieder an und hebe meine Hand, lege sie sachte auf seine Brust.
„...Du...hast kein Herz und ich...ich weiß, dass du mich deshalb...nie lieben können wirst“, erkläre ich ihm leise. Axel schweigt und kratzt sich am Kopf. Ich nehme meine Hand wieder zurück und weiß, dass ich recht habe. Auch Axel nimmt seine Hand wieder von meinem Kinn.
„Nun...das stimmt“, meint er dann.
Ich drehe mich wieder zur Seite und ziehe meine Beine an mich ran. Was nützt mir dann so ein Herz, wenn es einfach nur weh tut? Wieso habe ich eins bekommen? Ich will das nicht fühlen müssen – es soll aufhören...
Ich vergrabe mein Gesicht in meiner Hose. Axel sagt eine ganze Weile nichts. Ihm fällt wohl auch nichts mehr ein.
„Aber...“, fängt er dann doch wieder an. „...wer sagt denn, dass ich kein Herz kriege?!“, fragt er.
Erschrocken sehe ich ihn wieder an. „Was?“
„Na, wer sagt denn, dass du der einzige Niemand bist, der auf einmal ein Herz kriegt?“, fragt er mich deutlicher und grinst.
„Ich...weiß nicht“, murmel ich.
„Eben!“, er schaut wieder zum Himmel. „Warum denkst du, hast du ein Herz bekommen?“, fragt er mich dann.
„Hm“, mach ich grübelnd und schaue auch wieder zur Sonne, welche nun schon fast hinterm Horizont verschwunden ist. „Ich weiß nicht. Vielleicht, weil...weil ich dich unbedingt wieder sehen wollte. Ich hab dich so sehr vermisst und vielleicht...hab ich ja schon ohne Herz gespührt, dass du...mir so viel mehr bedeutest..., wie du vorhin ja schon gesagt hast“, sag' ich leise.
Axel sieht mich wieder an und streicht mir durch's Haar. Als ich ihn anblicke, seh' ich, dass er lächelt.
„Und warum sollte ich dann nicht schaffen, ein Herz zu bekommen?“, fragt er mich.
Meine Augen weiten sich. „Du meinst...-“
„Roxas“, unterbricht er mich. „...Ich hab so lange versucht, dich zurück zu holen. Ich hab dich...auch vermisst. Vielleicht hätt' ich nicht aufgeben sollen, aber nachdem du wieder mit Sora eins warst, hab ich keine Chance mehr gesehen, dich zurück zu holen...“, sagt er und ich nicke leicht.
„Ich will nie wieder von dir getrennt sein, Roxas...und ich werd' alles dafür geben auch ein Herz zu bekommen...damit ich dich auch lieben kann.“
Axels Worte brennen sich sofort in meinen Kopf und rühren mich zu Tränen.
Ich kann nicht anders, als ihm in die Arme zu fallen. Irgendwie ist das alles noch so unwirklich. Aber ich glaub...jetzt wird alles gut und ich und Axel können wieder jeden Tag hier sein und Meersalzeis essen, den Sonnenuntergang angucken...und einfach zusammen sein...