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23 days - L's Last Note

von

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Entfesselt

L schlürfte seinen Kaffee; Marti tat dasselbe. Beide schwiegen sich immer noch an. Mal wendeten sie abwechselnd ihren Blick voneinander ab und musterten diverse Sachen im Zimmer. Ab und zu schauten sie aus dem Fenster, welches ihnen einen herrlichen Ausblick auf das malerisch schöne goldene Herbstwetter bot. Dann nippten sie erneut an ihren Kaffeetassen. Irgendwann fragte L dann plötzlich: „Hm, Kekse?“

Und ehe Marti überhaupt antworten konnte schritt er auch schon zu seinem Abstelltisch, öffnete dessen integrierte Schublade und holte einpaar Schokotaler heraus, die sich in einer Plastikdose befanden.

„Ich hoffe, diese Sorte magst du überhaupt!?“ sagte L skeptisch als er sich mit den Keksen im Schlepptau wieder in seinen Sessel zurück hockte und Marti drei davon überreichte.

„Und ob!! Ich danke dir!“ rief Marti fröhlich: „Nichts ist doch schöner als diese Schokokekse genüsslich in den Kaffee zu tunken und zu sehen, wie sich blitzschnell die Schokolade vom Keks löst, was dem Kaffee obendrein eine besonders leckere neue Note verleiht. Kaffee in Verbindung mit Schokolade schmeckt einfach nur traumhaft; fast schon wie süße Milch, find ich!“ Sie kicherte aufgeweckt.

Ls Augen wurden daraufhin sichtlich größer. Seine Miene blieb ernst als er ihr antwortete: „Ich hätte es nicht treffender beschreiben können.“

Martis Grinsen konnte ihrem Gesicht einfach nicht entweichen. Sie tauchte ihren ersten Schokotaler in ihren Kaffee hinein. Die Glasur begann sogleich sich zu verflüssigen und in den Kaffee überzulaufen. Mit Genuss biss Marti das angefeuchtete, aufgeweichte Stück des Kekses ab, wobei ihr ein Stückchen versehentlich abhanden kam und auf ihrem Oberteil landete. Das passierte ihr bei solchen Aktionen leider öfter schon mal. L ließ aus dem Mundwinkel heraus ein leichtes Lächeln zu, was Marti sogleich bemerkte und ihn nur beschämt angrinste. Ls Miene wurde schnell wieder zu seiner typisch Ernsten. Er seufzte. Doch Marti gab so schnell nicht auf. Sie wollte mit ihm das Gespräch suchen und war nun im Begriff, ein solches anzukurbeln: „Nun Ryuzaki, was machst du eigentlich so?“

Mit ruhiger, reichlich emotionsloser Stimme antwortete L: „Ich? Nun, ich studiere an der Uni. Zum Glück sind grad Semesterferien, so dass ich auch mal wieder ein bisschen mehr Zeit für mich selbst nutzen kann. Die brauche ich auch mal...!“

Muse rümpfte wieder skeptisch die Nase. Irgendwas gefiel ihr an ihm und dem, was er sagte, überhaupt nicht. Hing es entweder mit seinem nahe stehenden Tod zusammen, dass er Marti hier scheinbar bloß Geschichten erzählte? Muse jedenfalls hatte es schlichtweg im Gefühl, dass er ihr keineswegs die Wahrheit sagte, wenn auch sie von ihm bislang sonst nie etwas wissen konnte, aber es war ihr schon allein optisch direkt ziemlich klar, dass er nie im Leben ein einfacher Student sein konnte, der momentan einfach seine Ferien genoss. Sie machte sich ihre Gedanken...

„Aha?“ antwortete Marti interessiert: „Welches Semester denn und mit welchem Schwerpunkt?“

„Nach was sehe ich denn für dich aus?“ fragte L mit einem Hauch von Ironie in seiner Stimme. Marti grübelte munter. Sie fasste sich dabei nachdenklich ans Kinn: „Hmm, hmm... Kunst? Ganz sicher doch Kunst, nehme ich an, hm!?!“

„Warum?“ löcherte L sie direkt: „Hab ich etwas so Künstlerisches an mir?“

„Dich hat meine Zeichnung vorhin sofort interessiert, du hast einen eigenartigen Stil an dir, bist scheinbar auch eher der ruhigere Typ... Wie wir Künstler nun mal so ticken!“

„Aha. Nette Interpretation. Vielleicht auch gar nicht so verkehrt...“ hauchte L mit einem geheimnisvollen Unterton.

„Lieg ich denn richtig?“ fragte Marti nun erwartungsvoll.

„Nicht ganz, aber du könntest auf der richtigen Spur sein...“ Er zwinkerte bissig.

Marti wurde leicht aufgeregt: „Grrr, Ratespielchen sind fies!“

„Nicht unbedingt“, entgegnete L: „Manchmal liegt die Lösung näher als man glaubt.“

„Hmm, dann bestimmt Literatur!?“ riet Marti, doch L schüttelte den Kopf.

„Wie wär’s dann mit Geschichte? Kunstgeschichte wahrscheinlich, hm!?“ – L ließ ein leichtes, wenn auch bissiges Lächeln zu, worauf er auch diese Annahme Martis verneinte.

„Menno, hab keinen Bock mehr!“ gab sie schließlich auf.

„Du scheinst mir nicht gerade eine Kämpfernatur zu sein, wie?!“ belächelte L sie ein wenig: „Na, dann spann ich dich mal nicht weiter auf die Folter: Naturwissenschaft im zweiten Semester!“

Muses starrer Blick verfinsterte sich noch mehr. Sie schien jede einzelne Lüge wahrlich wie einen Stich zu fühlen. Allmählich machte sich in ihr großes Entsetzen breit und sie neigte immer mehr dazu, Marti irgendwie zur Seite zu lotsen, um sie vor diesem überaus komischen Kerl zu warnen. Dennoch tat sie es nicht, sondern wartete erstmal noch ab.

„Oha, nicht schlecht!“ lachte Marti: „Und, spannend?“

„Wie man’s eben so nimmt...“ gab L müde zurück: „Für jemanden wie dich wäre es wahrscheinlich nichts!“

„Was, wieso?“ Marti sah L nun entsetzt an. Sie hatte schon wieder sogleich die groben Befürchtungen, dass L sie vielleicht, wie so vermeintlich viele andere auch, für nicht intelligent genug halten würde. Doch da erklärte er direkt: „Du solltest andere Wege gehen und lieber etwas aus deinem Talent machen, denn das hast du zweifelsohne!“

Marti hielt inne. Im selben Moment taten ihr ihre Vermutungen von grad eben auch schon wieder leid und sie war im Begriff, sich selber für ihre voreiligen Schlüsse zu hassen. L bemerkte diesen dazu gehörigen Ausdruck in ihrem Gesicht sehr schnell, denn er sah sie die ganze Zeit überaus aufmerksam an; aufmerksamer als es Marti je hätte annehmen können.

„Naja“, stöhnte sie nur: „Ich verdien mir ‚nen Hungerlohn mit Auftragszeichnungen. Aber wenigstens ein Anfang...“

„Was nimmst du pro Bild?“ fragte L sogleich.

„Nun ja, kommt auf den Aufwand an... Mein bisher Kostenaufwendigstes wäre ein farbiges A3 für 40 Yen, und...“

„Zu wenig!“ protestierte L sofort: „Viel zu wenig!“

„Naja, aber so toll sind meine Künste doch noch lange nicht und wenn ich höher ginge, würde garantiert schon bald niemand mehr was bezahlen wollen, und...“

„Jetzt hör auf!“ unterbrach L sie erneut mit barschem Ton: „Du scheinst nicht viel Ahnung von Wirtschaft und Kostenaufstellungen im Hinblick auf Arbeitsaufwand zu haben, nehme ich an?! Jeder, der die Kunst auch nur annähernd zu schätzen weiß, wäre bereit, mehr dafür hinzulegen. Du lässt dich eiskalt ausbeuten, Marti!“

„Pah, dann kennst du halt meine ganzen Leute schlecht!“ meckerte Marti direkt los, mit der Neigung, sich schnell wieder in Rage zu reden.

„Dann sind die es nicht wert und du suchst dir Neue!“ beharrte L auf seinen Standpunkt.

„Dann könnte ich es auch gleich sein lassen!!“ wetterte Marti aufgeregt entgegen.

„Probier’s doch wenigstens mal! Dann wirst du sehen, dass ich recht habe!“ schlug L letztendlich vor. Dabei blieb er ausgesprochen ruhig, während Martis Atem hörbar schneller wurde. Sie hasste es abgöttisch, wenn andere sie dermaßen nieder redeten. In ihren Augen hatte „dieser Ryuzaki“ nämlich grad absolut keine Ahnung und kannte die ganzen Umstände nicht. Da wollte sie sich von ihm nicht länger irgendwelche Ratschläge gefallen lassen, die doch, nach ihrem eigenen Ermessen nach, sowieso nichts bringen würden.

Sie versuchte nun ihr Bestmöglichstes, von diesem Thema schnell wieder wegzukommen. Auch L gefiel dieses nicht länger. Ihm war bewusst, dass er an dieser Stelle bei Marti wohl einen wunden Punkt erwischt haben musste, was ihn an ihr direkt ein wenig zu nerven begann.

Er nahm sich nun auch einen Schokotaler und tauchte diesen in seinen Kaffee. Die Glasur weichte auch bei ihm sehr schnell auf. Er bemerkte, dass Marti ein merklich trauriges Gesicht zog, worauf er ihr tröstend jenen Keks zuschieben wollte, was jedoch darin ausartete, dass einige Schokoflecken vom Keks direkt auf den Couchtisch tropften.

„Huch!“ machten beide zugleich. Marti musste wieder leicht kichern, während L nur ein wenig beschämt mit den Schultern zuckte und ihr den Keks eilig übergab: „Nimm ihn mal besser schnell!“

„Oh, danke dir!“ freute sie sich und aß ihn schnell auf, bevor sich seine Glasur auch noch auf ihre Klamotten verteilte. Er schmeckte, durch den Kontakt mit Ls Kaffee dermaßen süß, dass sie beinahe schon Zahnschmerzen bekam. Sie schüttelte sich und setzte grad mit einem verspielten Tadel an L an: „Also, weißt du, irgendwie glaube ich, dass du...“, als in diesem Moment plötzlich ihr Handy klingelte, welches in ihrer Hosentasche steckte und nun aufgeregt vibrierte. Ziemlich überrascht schreckte Marti hoch, während L sie nur fragend ansah. Eilig zückte sie es hervor und schaute direkt auf das blinkende Display. Es zeigte eine ihr völlig unbekannte Nummer an. Nur ihrer Vorwahl war zu entnehmen, dass sie derselben Ortschaft entstammte. Aufgeregt ging Marti ran: „H-hallo? Hier, Sakamoto-chan.“

„Hier spricht das Hauptkommissariat Tokyo, Kriminalabteilung. Guten Tag, verehrte Sakamoto-chan!“

Die Polizei! Ein riesiger Schrecken durchfuhr in diesem Moment Martis Glieder. Sie bekam mit einem Mal große Angst und wurde sehr unruhig.

„Verdammt, was könnten die denn jetzt noch von mir wollen??“ fragte sie sich im Stillen. Zitternd brachte sie schließlich am Handy hervor: „J-ja? W-was wo-wollen Sie denn?“

„Es geht um den Todesfall Ihres Lebensgefährten Chemitoshi Akiba! Wir würden Ihnen dazu gerne noch einpaar Fragen stellen nachdem wir nun soeben die Ergebnisse der Obduktion vorliegen haben!“

Marti erschrak erneut. Ob die nun etwa doch irgendetwas festgestellt hatten, was sie als Mörderin in Betracht kommen ließ? Marti fühlte sich fast der Ohnmacht nahe als sie nun mehr ein unbehagliches Schwindelgefühl heimsuchte. Schließlich gab sie aufgebracht einen Einwand kund: „Was wollen Sie mich da noch groß fragen? Der Fall ist doch klar, oder etwa nicht!?“

Der Beamte am Telefon schien Martis Unruhe gewiss zu bemerken und so sagte er: „Bleiben Sie ruhig! Es sind wirklich nur einpaar wenige offene Fragen, die uns noch bleiben und zu denen wir gerne Ihre Stellungnahme hätten!“

Marti schnaubte tief. L hingegen kümmerte sich seelenruhig um seinen letzten Keks, den er nur in kleinsten Bissen auf seiner Zunge zergehen ließ als er ihn zuvor komplett in seinen Kaffee getunkt hatte. Der Keks war bereits dabei zum Teil in seiner Hand in die Tasse hinein zu bröseln. L schien damit förmlich herum zu spielen und sich über den Anblick des sich auflösenden Mürbegebäcks zu freuen, was man seinem nahezu begeisterten Grinsen zu deutlich ansah. Marti würdigte er dabei nun keines Blickes mehr, so als wäre sie überhaupt nicht anwesend. Doch in diesem Fall war ihr das sogar mehr als recht...

„Kommen Sie bitte noch gleich zum Hauptkommissariat!“ forderte der Beamte sie nun mit sehr ernster Stimme auf: „Es ist wirklich wichtig!“

Marti holte tief Luft. Anscheinend würde sie nicht drum rum kommen. So sagte sie also letzten Endes zu: „Na gut... Bin... b-bin gleich da!“

Und sie drückte die Taste zum Beenden des Gesprächs. Sie seufzte lautstark und fuhr nervös von ihrem Platz auf. L war grad dabei, den letzten Krümel seines zerflossenen Kekses aus seiner mit Schokolade verschmierten Hand zu lecken, was alles andere als ästhetisch aussah. Daraufhin nahm er einen letzten kräftigen Schluck aus seiner Tasse, an deren Boden nun etliche Krümelreste hafteten, die L nun nach und nach in seinen Mund fließen ließ. Marti sah ihn nur mit völlig verstörten Augen an und rief mit hektischen Handbewegungen: „Ich muss weg und zwar dringend!!“

Darauf wisperte L nur wie in einer Art Trance: „Du hast so recht gehabt – Schokokekse und Kaffee ergeben zusammen die beste Kombination...“

Er lächelte benebelt als wäre er vollkommen weggetreten und würde jegliche Art von äußeren Einflüssen nicht im Geringsten mehr wahrnehmen. Dies verunsicherte Marti ziemlich. Sie wiederholte erneut: „Bin weg, äh, bis bald, ja!?“

Doch L reagierte immer noch nicht. Er blickte noch immer auf seine soeben geleerte Tasse, an deren Boden noch letzte Spuren von Krümelresten pappten. Er hielt daraufhin die Tasse schräg und starrte mit einem Auge tief in sie hinein bis er sie schließlich um 180° kippte und seinen Kopf dabei ebenfalls zurück lehnte.

„Ähm, Ryuzaki?“rief Marti langsam richtig verzweifelt. Da reagierte L schließlich als er zu ihr einen schnellen Blick warf, den er jedoch auch im selben Moment wieder abwendete, um sich weiter seiner Tasse zu widmen: „Hm, was? Ach so, ja, mach’s gut!“

Marti rümpfte nur die Nase. Er wirkte auf sie in irgendeiner Weise recht fanatisch und irgendwie schräg. Gab er sich doch bis zu diesem beunruhigenden Anruf noch als relativ in Ordnung, so hatte Marti nun leichte Bedenken. Sie hielt noch ein letztes Mal inne bevor sie das Wohnzimmer verließ und schaute sich noch einmal nach L um. Dieser jedoch ließ keine Reaktion im Hinblick auf ihren Abgang vonstatten. Sein Rücken war ihr nun, von ihrem Blickwinkel aus gesehen, zugewandt. Abweisender konnte er nicht sein. So hetzte sie nun schließlich in flotten Schritten aus dem Zimmer durch den großen Korridor aus der Villa hinaus. Muse schwebte ihr dabei, wie immer, hinterher.

„Was soll ich jetzt nur tun?“ zeterte Marti ganz aufgelöst zu ihr.

„Mensch, bleib ruhig und geh einfach hin! Ich sagte dir doch bereits mehrfach, dass dir nichts geschehen wird!“ versuchte Muse sie zu beruhigen, jedoch vergeblich.

„Du hast immer leicht reden!“ bockte Marti: „Als ob du dich in unserem scheiß System auskennen würdest um das beurteilen zu können! Menschen sind kaltherzige Wesen und immer darauf aus, aus allen sämtlichen Dingen sofort ihre eigenen Schlüsse zu ziehen, um andere fertig zu machen! Ich bin geliefert, sag ich dir! Die werden früher oder später alles heraus finden!“

„Kein Mensch auf der ganzen Welt würde dabei von einem Death Note ausgehen, liebe Marti!“ widersprach Muse: „Nur die Wenigsten wissen, seit dem Fall Yagami Light von damals, über die fremde Macht bescheid und das beschränkte sich lediglich auf diejenigen, die damals in diesem Fall eingeweiht waren. Also reichlich wenige!“

„Sehr leichtsinnig, Muse!“ zischte Marti angespannt und beschleunigte ihre hektischen Schritte Richtung Innenstadt noch zusätzlich als würde sie von was extrem Grauenvollem verfolgt werden...
 

In der Mitte der Innenstadt, in einer Abzweigung zu einer Seitenstraße hin, befand sich das besagte Polizeipräsidium, dem zusätzlich noch zwei weitere große Gebäude angebaut waren; nämlich das regionale Rathaus sowie das Staatsgefängnis Tokyo. Alle drei Gebäude waren äußerst hoch gebaut und hielten locker mit den vielen anderen riesigen Hochäusern und Wolkenkratzern Tokyos mit, die sie in unendlichen Massen umgaben.

Marti trat näher an das Präsidium heran. Einige steinerne Bildnisse geschichtlicher Ereignisse zierten den Torbogen, unter dem sich die große Eingangstür des Gebäudes befand. Ansonsten wirkte dieses im Hinblick auf seine Fassadenmauern äußerst trist und in seiner ganz bestimmten Art und Weise beängstigend. Die Eingangstür ließ sich drehen. In zaghaften Schritten passierte Marti diese nun schließlich und gelangte in das große Foyer, wo sich zu ihrer Linken gleich eine Rezeption befand, hinter der zwei Beamte alle eintretenden Leute empfingen.

„Guten Tag!“ begrüßte man sie: „Was können wir für Sie tun?“

Marti wurde nervöser den je, was man ihr sogleich anmerkte.

„Ich bin zu dem Fall Chemitoshi Akiba vorgeladen worden; als seine damalige Freundin Martina Sakamoto-chan.“

Die Beamten zogen sich kurz zurück und hielten über ein Sprechgerät Rücksprache mit einer oberen Abteilung. Dann schließlich wiesen sie Marti in ein entsprechendes Zimmer in der fünften Etage: der Abteilung für Kriminalfälle.

Marti benutzte den Fahrstuhl und erreichte bald jenes Stockwerk. Wieder wurde ihr ganz komisch als würde sie jeden Augenblick umfallen. Der gesamte eiskalte Flur, bestehend aus etlichen geschlossenen Türen, außer denen ansonsten hier pure Leere herrschte, ließ Marti geradezu erstarren.

Zimmer 513 hatte man ihr zugeteilt. Dort würde man sie bereits zu einer Befragung erwarten. Langsam steuerte Marti mit klopfendem Herzen auf das Zimmer zu. Sie befand sich auf Ebene 504/505. Die Zahl nahm zu, je mehr sie lief... 508... 509... 510... Bald würde sie es geschafft haben. 511... 512... Nun stand sie davor: 513 – Verhörraum; so stand es auf dem Schild, welches neben der geschlossenen Tür an der Wand angebracht war. Marti wäre am liebsten im letzten Moment doch noch umgekehrt, doch wusste sie, dass sie sich nicht drücken durfte, denn grad das hätte sie nämlich verdächtig gemacht. So klopfte sie zögernd an die Tür und wurde sogleich herein gebeten. Drei Kommissare saßen hinter einem großen Schreibtisch und empfingen sie freundlich.

„Seien Sie gegrüßt, Sakamoto-chan!“ grüßte einer von ihnen und reichte dazu Marti die Hand.

„Erstmal bitten wir vielmals um Vergebung, dass wir Sie an dem schönen sonnigen Herbstnachmittag zu uns in unser kaltes Büro gerufen haben, aber es musste leider sein!“ fügte der eine Kommissar, Toki Zoshi, wie sein Namensschild an seinem Hemd verriet, freundlich hinzu. Seine beiden Kollegen gaben Marti ebenfalls die Hand und stellten sich dabei vor. Nun sollte Marti auf dem Stuhl Platz nehmen, der sich unmittelbar vor dem großen Schreibtisch befand, hinter dem die drei Beamten sie nun aufmerksam musterten.

„Was gibt’s denn noch?“ fiel von Marti sogleich die Frage: „Ich weiß doch auch nicht mehr als Sie und die ganze Sache quält mich eh schon genug!“

„Bitte beruhigen Sie sich!“ rief Zoshi direkt entgegen: „Wir waren bei der Obduktion Ihres verstorbenen Freundes anwesend und haben Folgendes zu Protokoll nehmen müssen...“

Sein Kollege hielt einen Block in den Händen bereit und begann zu verlesen: „... Plötzlicher Herzstillstand mit sofortiger Todesfolge um 3.53 Uhr am 8. Oktober 2005.“

„Uns quält nun die Frage, warum dies in Ihrer Wohnung geschehen ist und Sie zu dem betreffenden Zeitpunkt nicht dort waren.“ lenkte der zweite Beamte, genannt Wotan Fukata, nun erwartungsvoll ein. Alle drei blitzten Marti förmlich mit skeptischen Blicken an als hätten sie einen leisen Verdacht, der sich ganz eindeutig gegen sie richtete...

Marti wurde ganz blass und sie haderte nach geeigneten Worten. Es würde nun kommen, wie sie es die ganze Zeit schon erwartet hatte. Was sollte sie jetzt bloß tun...

Müheselig stotterte sie leise: „Nun... wie... s-soll ich sagen...“

Die Beamten starrten sie nun eindringlicher denn je an. Ihre Mienen verfinsterten sich plötzlich auffallend.

„Ich...“ stammelte Marti weiter: „Er... nun... er kam eigentlich jeden Tag zu mir...“

„Aha, nun denn, verständlich, da Sie ja seine Freundin waren“, antwortete Zoshi: „Nur fragen wir uns nun, weshalb Sie ausgerechnet in dieser Nacht, besser gesagt ja schon beinahe morgens, außer Haus waren, und dann noch zusätzlich an einem Werktag. Ist das bei Ihnen so üblich?“

Wieder verzweifelte Marti regelrecht daran, darauf eine passende Antwort zu finden. Sie spürte wie sie erschreckend nahe dran war, den Dreien auf den Leim zu gehen. Keine Paar Minuten mehr und sie würden sie durchschaut haben, dem war sie sich sicher. Sie schluckte und japste aufgeregt, was von den Dreien nicht unbemerkt blieb.

„Schon allein Ihr nervöses Verhalten hier macht uns, ehrlich gesagt, schon sehr stutzig, dass da anscheinend irgendetwas nicht ganz koscher gelaufen sein muss!“ warf der dritte Kollege Yaga Ukari schonungslos ein. Zoshi berührte ihn sogleich leicht an seinem Ärmel und meinte dabei leise zu ihm: "Nicht gleich so direkt, bitte!"

"Aber ich habe langsam echt das dumpfe Gefühl, dass..." wollte sich Ukari rechtfertigen, doch Zoshi ließ ihn gar nicht erst ausreden, sondern warf ihm eine klare Mimik zu, die ihm zu verstehen gab, dass er sich vorerst zurück halten sollte.

Marti war nun völlig am Ende. Sie holte aufgeregt Luft und atmete hörbar laut wieder aus. Dies grenzte schon bald fast an Hyperventilation.

"Wollen Sie was trinken?" bot der Kollege Fukata schon fast besorgt an.

"Nein, nein, es geht schon!" lehnte Marti bewusst ab: "Es ist nur... hach, es ist halt alles viel zu viel für mich! Ihre Anschuldigungen machen es mir auch nicht leichter..."

Sie senkte betrübt und entkräftet den Kopf.

"Ja, aber es ist unser gutes Recht zu erfahren, warum es zu solch merkwürdigen Begebenheiten kam!" gab Ukari frech zurück.

"Ist man also direkt ein Verbrecher und Mörder, wenn man sich eines Nachts mal nicht gut fühlt und deswegen ein bisschen nach draußen Luft schnappen geht??" schrie Marti nun hysterisch.

"Das hat hier keiner gesagt!!" begann Ukari plötzlich zu brüllen: "Mäßigen Sie sich oder Sie gelangen sofort in Untersuchungshaft!"

"Herr Kollege..." mischte sich Zoshi ein, um Ukari erneut zurückzuhalten. Schließlich wollten sie Marti eigentlich in Ruhe verhören ohne ihr das Gefühl zu geben, gleich als Verdächtige durchzugehen, wenn auch sich diesbezüglich insgeheim alle drei einig waren, dass ihnen die Sache schon recht seltsam vorkam.

Doch Marti wurde nun regelrecht aufbrausend und erlitt einen Anfall von Hysterie.

"Ihr scheiß Bullen schaut doch nie dahinter!!" kreischte sie wie von Sinnen: "Für euch ist der Fall immer sofort klar, was?!!"

Ihre Haare sträubten sich wüst, ihr perlte der Schweiß im Gesicht, die Pupillen ihrer Augen erhielten ein merkwürdiges rotes Leuchten. Ihr ganzes Gesicht schien sich mit einem Male verfinstert zu haben.

Den Beamten wurde mit einem Mal ganz seltsam zu Mute. Bei allen Dreien schien sich allmählich etwas zu bestätigen. Diese junge Frau schien gewiss etwas an sich und in sich zu haben, was ziemlich eindeutig dafür sprach, für den Tod des Chemitoshi-san verantwortlich zu sein.

Ganz aufgeregt legten sie ihre Hände an ihre Waffen, die sie an ihren Gürteln immer bei sich trugen.

"Werden Sie bitte wieder ruhig!" forderte Zoshi beinahe schon panisch.

Marti kam plötzlich etwas in den Sinn: Sie konnte sich sehr wohl aller Verantwortung entziehen. Ebenso konnte sie einfach weglaufen. Ihr würden alle Rechte und Freiheiten der Welt gehören, solange sie zuletzt nochmals einen versichernden Blick auf die einzelnen Namensschilder der jeweiligen Beamten warf und von ihrem äußerst guten Gedächtnis Gebrauch machen würde...

Wie ein Blitz sprang sie von ihrem Stuhl auf und rannte zur Zimmertür hinaus. Die drei Beamten sprangen sogleich hinterher.

"Bleiben Sie stehen! Sofort!!!" schrien sie ihr nach und folgten ihr eilig durch den Flur, durch den sie nun schnellstens reisaus nahm.

Sie wollten es eigentlich bevorzugt vermeiden, Waffengewalt ins Spiel zu bringen, jedoch ließ Marti ihnen einfach keine Wahl. Sie rannte gerade ihre letzten Schritte zu der nach unten führenden Treppe, als Zoshi als Erster seine Waffe hervorzückte und nach ihr schoss - Marti konnte dem Schuss jedoch im letzten Augenblick ausweichen.

Eilig rannte sie die Treppe hinunter. Ihre Beine überschlugen sich dabei regelrecht und sie musste schwer Acht geben, dass sie auf halber Strecke nicht umknickte. Immerhin waren es vier Stockwerke, die sie hinunter zu rennen hatte. Die drei Herren Polizisten folgten ihr ebenso eilig.

Als sich auf der Treppe des dritten Stockwerkes ihr Weg mit einem anderen Beamten kreuzte, der ihr gerade nichtsahnend entgegen spazierte, forderte Zoshi diesen sogleich lauthals auf, sie festzuhalten. Gerade als Marti an ihm vorbei gehastet war, registrierte dieser den Ernst der Lage und er konnte die Flüchtende gekonnt aufhalten als er sie an ihrer Jacke zu fassen bekam.

"Nicht so hastig, junge Dame!" sagte er. Marti wehrte sich mit allen Kräften, indem sie nach ihm schlug und trat, wobei sie energisch brüllte: "Lassen Sie mich sofort los!!"

Sie wendete ihre Sicht dem Beamten zu, dessen Griff sich daraufhin nur noch verfestigte.

"Keine Gewalt, ist das klar?!!" herrschte er sie an. Mit einem dämonischen Blitzen in den Augen machte sie sich seinen festen Griff an ihrer Jacke zum Nutzen als sie ihm einen letzten äußerst schweren Tritt gegen die Knie verpasste, was seinen Halt auf der Treppe nun stark einschränkte und sie ihn gekonnt hinunter reißen konnte. Schmerzhaft polterte er die 30 Stufen in die nächste Etage hinunter, während Marti hingegen eilig weiter rannte.

Jedoch hatten die drei Herren dadurch, dass sie durch ihren Kollegen für einpaar Sekunden zum Halten gekommen war, einen kleinen Vorsprung gewonnen und konnten die Flüchtige nun um einiges dichter verfolgen. Zoshi schrie erneut: "Zum letzten Mal: Stehen bleiben!!"

Marti gelangte bald zur Treppe des vorletzten Stockwerkes. Sie spürte wie sich ihre Verfolger langsam immer dichter hinter sie drängten. Nicht mehr lange und sie würden sie eingeholt haben. Langsam verlor sie an Tempo. Fukata erhob seine Waffe und löste einen Schuss - Marti vernahm an ihrer rechten Seite einen lauten Knall, gefolgt von einem aufkommenden Schmerz in ihrem rechten Arm und einigen nach vorne schießenden Blutspritzern. Man hatte sie gestreift. Nur knapp hatte sie die Kugel verfehlt und ihr eine Schürfwunde am Arm beigebracht. Marti stieß einen kurzen Schrei aus; eher aus dem Schrecken heraus. Fukata schoss erneut - Diesmal hatte er sie erfolgreich getroffen!

Unter schwersten Schmerzen brach Marti schreiend mitten auf der Treppe zusammen und hielt sich, so weit es ihr noch möglich war, dabei am Geländer fest, um nicht runterzustürzen. Der Schmerz, der sich durch ihre gesamte rechte Schulter zog, war unausstehlich. Es war als würde diese wahrlich zerspringen. Doch es half alles nichts, sie musste weiter! Nur mit ihren letzten, noch verbleibenen Kräften arbeitete sie sich auf der Treppe wieder hoch und rannte die letzten Paar Stufen schließlich ins Erdgeschoss herab, wobei sie sich schmerzgekrümmt mit ihrer linken Hand ihre bluttriefende rechte Schulter hielt. Fukata zielte erneut auf sie, doch Marti gelang es, dem Schuss noch einmal geschickt auszuweichen als sie eilig in eine Kurve, gleich neben der Treppe im Erdgeschoss, einbog. Sie hatte die Eingangstür, neben der Rezeption, schon im Visier und war im Begriff drauf zu zusteuern. Die Beamten gaben weitere Schüsse ab. Natürlich wurden durch all den Lärm auch alle anderen in dem Gebäude ansässigen Beamten und Kommissare hellhörig, die dann auch sogleich ihre Räume verließen um nach dem Rechten zu sehen. Es dauerte nicht lange, da hatte man Marti schon umzingelt. Etliche Kollegen stellten sich ihr mit ihren auf sie gerichteten Waffen in den Weg, so dass sie letztlich nur noch anhalten konnte.

"Oh nein!" stöhnte sie nun als sie einer nahezu endlosen Reihe von wütenden Beamten entgegen blickte.

"Geben Sie's auf, es ist zwecklos, Sakamto-chan!" meinte Zoshi: "Ergeben Sie sich! Sofort!!"

"Neiiiiin!" krächzte Marti jedoch noch immer energisch gegen an, wenn auch sie sich allmählich der Entkräftung nahe fühlte. Schließlich sank sie fast schon automatisch mit gesenktem Kopf auf ihre Knie hernieder; inmitten sämtlicher Polizisten, die sie allesamt eingekesselt hatten. Die Lage war für sie auswegloser als sie es je hätte sein können...

Leise begann sie zu murmeln: "Muse...? Muse... bist du noch da?..."

Ihre Stimme klang heiser und schwach. Die vielen Beamten konnten ihre Worte nicht hören, sondern bemerkten lediglich, dass sie irgendetwas vor sich hin murmelte.

"Geben Sie endlich auf?" fragte Fukata: "Es hat keinen Zweck für Sie! Es ist das Beste so!"

"Sie sind festgenommen!" fügte Ukari hinzu.

Marti reagierte nicht im geringsten auf sie und ihre Worte. Sie wirkte nun mehr so als wäre alles um sie herum nicht da. Wie in einer Art Trance neigte sie ihren Kopf leicht zur Seite und erhoffte sich, Muse zu sehen. Diese war in der Tat die ganze Zeit bei ihr gewesen und hatte sich lediglich etwas mehr im Hintergrund aufgehalten, aber sie hatte das gesamte Geschehnis mit verfolgt und schwebte nun unmittelbar neben Marti in der Luft. Sie näherte sich der entkräftet am Boden liegenden jungen Frau mit einem eindeutigen Ausdruck von Besorgnis in ihrem sonst so starren, kalten Gesicht.

"M-Muse..." Marti hielt sich noch ein letztes Mal mit allen ihr noch verbliebenen Kräften zusammen. Ihr wurde durch den hohen Blutverlust fast schwarz vor Augen. Alles um sie herum drehte sich und erlangte eine trüb flimmernde Schicht.

"Marti!" zischte Muse und beugte sich nun in unmittelbarer Nähe zu Marti herunter um ihre Augenhöhe zu suchen. Marti hielt ihren Kopf noch immer tief gesenkt, um zu verhindern, dass die Polizisten auch nur irgendetwas davon bemerkten, dass sie zu dem Shinigami sprach, der hingegen ja für die Augen eines jeden anderen gänzlich unsichtbar war.

"Sie sind festgenommen wegen Gewalt gegen die Staatsmacht!" hörte Marti Ukaris Stimme nur noch schemenhaft sagen. Sie spürte, dass sie jede Sekunde bewusstlos zu werden drohte.

"Marti. Warum nur dieser Aufstand?" hörte sie nun die Stimme Muses: "Jetzt hast du dich ganz schön in was reingeritten, du dumme Nuss!"

Marti zitterte am ganzen Körper. Der Schweiß spross ihr dabei nur so aus den Poren, dass mittlerweile ihre gesamte Kleidung feucht triefte. Das Blut, welches im hohen Maße aus ihrer Schulter strömte, hatte derweil nahezu die gesamte rechte Seite ihres Oberteils in ein dunkles Rot getränkt.

Nur äußerst müheselig brach sie noch hervor: „Muse... M-Muse, bitte! Gleite zu mir nach Hause und hol das Death Note!“

„Ich soll... was!?“ Muse erschrak und sah Marti nur ungläubig an als hätte sie sich verhört.

„Bitte hinterfrage es nicht, sondern tu mir einfach den Gefallen! Bring es mir her, klar...“ Mit diesen Worten brach Marti in tiefe Bewusstlosigkeit zusammen. Sofort stürzten etliche Polizeibeamte über sie her, fühlten ihren Puls und forderten einander auf, schnell einen Arzt zu holen und sogleich eine freie Zelle für sie zu reservieren. Eins stand fest, so schnell würde sie hier vorerst nicht mehr heraus kommen.

Während man die bewusstlose Marti langsam vom Boden aufnahm und sie dabei wieder zu Bewusstsein zu kommen versuchte, verharrte Muse schockiert in der Luft und schaute dem Treiben nur regungslos zu. Sie musste Martis Aufforderung innerlich erst einmal verarbeiten. „Hat sie wirklich allen Ernstes nach dem Death Note verlangt?“, fragte sie sich fassungslos: „Sie ist also im Begriff von ihm Gebrauch zu machen und andere Menschen bewusst umzubringen?!“

Muse wurde langsam immer deutlicher, in welch tiefem Schlamassel sie mittlerweile steckte; sowohl sie als auch Marti. Jene Katastrophe, von der Latok gesprochen hatte, schien nun besiegelt und es gab kein Zurück mehr. Und würde Muse all dies nicht nur noch schlimmer machen, wenn sie Martis Bitte nun so einfach nachkommen würde? Andererseits hatte sie eh keine Wahl mehr; Marti war die alleinige Herrin über das Death Note und spätere Schicksalsschläge würden so oder so eintreffen. Das war nun einmal vorher bestimmt nachdem Muse ihre Rechte auf sie übertragen hatte. Ferner konnte sie Marti einfach nicht mehr länger so leiden sehen. Insgeheim war sie ihr dafür einfach schon zu sehr ans Herz gewachsen...

Durch ihr unkontrolliertes Fehlverhalten war Marti in dem Todesfall Chemitoshi nun natürlich zur Verdächtigen geworden, etwas damit zu tun zu haben. Von einem einfachen Unglücksfall ging nun niemand mehr aus. Marti musste hier weg und zwar dringend! Das war Muse klar und sie konnte ihr einzig und allein dadurch helfen, indem sie ihr das verhängnisvolle schwarze Heft brachte. Eine alternative Möglichkeit gab es da nun mal nicht. Dennoch war diese natürlich von schweren Konsequenzen geprägt, die Muse zu tragen haben würde. Sie war bei dem Großen Shiozzan ohnehin auf der schwarzen Liste vorgemerkt und sie konnte alles nur noch schlimmer machen bis ihr die unerträglichsten Strafen drohen würden. Es war ihr fraglich, all dies auf sich zu nehmen, nur damit sich eine Menschenseele aus ihrer verhängnisvollen Situation retten konnte. Muse seufzte bestürzt und fühlte sich hin und her gerissen. Andererseits war ohnehin alles zu spät.

„Na denn, besser werden kann es ja sowieso nicht mehr! Warum nicht also gleich das ‚volle Programm’...“ tat Muse schließlich die Situation mit einem Hauch ihres typischen Galgenhumors ab und steuerte daraufhin zu Martis Wohnung.
 

Währendessen war Marti in einen kalten engen Raum des Polizeipräsidiums gesperrt worden. Zuvor hatte sich ein Amtsarzt um sie gekümmert, indem er die Kugel aus ihrer Schulter entfernt und die Einschusswunde behandelt hatte. Noch immer war sie bewusstlos und man hatte daher entschieden, sie erstmal in diese Zelle zu setzen bis sie wieder vernehmungsfähig sein würde. So hatte man sie dort auf einem schlichten Bett gebart. Diese betreffende Zelle war allein zum aufwachen von unter Arrest stehenden Personen vorgesehen. Man nutzte sie auch häufig zum Ausnüchtern von Trunkenheitskandidaten...

Bis zum frühen Abend hin verweilte Marti dort in einer Art Tiefschlaf, zumal man sie obendrein mit diversen Beruhigungsmitteln versorgt hatte. Hin und wieder schauten Aufseher nach ihr durch einen kleinen Spion an der Zellentür. Sie hielt alle Glieder von sich gestreckt und blieb absolut regungslos. Plötzlich drang Muse durch das Gemäuer der Zelle hindurch; ihr Körper verhielt sich dabei jenseits aller Materie.

„Hier steckst du also!“ stellte Muse mit einem Hauch von Erleichterung fest. Marti reagierte nicht. Muse beugte sich zu ihr hinunter und musterte ihren reglos dar liegenden Körper. Ihre rechte Schulter war mit einem dicken weißen Verband abgebunden worden. Martis Antlitz wirkte auf Muse äußerst blass und erbärmlich. Der Shinigami war langsam sogar ganz froh, ihr zur Hilfe gekommen zu sein, wenn auch dies gewiss harte Konsequenzen mit sich bringen würde.

Muse starrte die tief schlafende Marti lange an. Dann strich sie ihr einmal sanft über die Stirn und rief schließlich vorsichtig: „Marti... komm zu dir!“

Sie näherte sich ihr dabei noch etwas mehr; jedoch erntete sie von ihr nicht die geringste Reaktion. Sie versuchte es erneut, wobei sie etwas lauter sagte: „Hey Marti!“

Noch immer keine Regung! Marti schien in ihrem Schlummer regelrecht gefangen. Nun wurde es Muse langsam zu viel und sie verpasste Marti einen gezielten Klaps ins Gesicht.

„MARTI, jetzt komm endlich zu dir, verdammt!!“ Ihr Tonfall wurde hörbar aggressiver.

Erschrocken riss Marti ihre Augen auf und fuhr blitzschnell hoch.

„Was... was ist?“ fragte sie aufgeregt.

„Endlich bist du wach!“ sagte Muse nun erleichtert.

„Muse?!“ rief Marti: „Wo bin ich...?“

Sie musterte diese kalte, graue Umgebung, die ihr diese erschreckend kleine enge Zelle bot und verstand zuerst gar nicht, wie sie denn hier eigentlich her gekommen war.

„Weißt du denn gar nix mehr!? Du bist bekloppt geworden und hast dich gegen alle Bullen hier frech zur Wehr gesetzt!“ klärte Muse sie auf und beliebte dabei gleich wieder eine ihrer vorwurfsvollen Äußerungen kund zu tun: „Du machst’n Scheiß, du! Hier kommste im Leben nicht so schnell wieder heraus!“

Nun erinnerte sich auch Marti wieder. Ihr zuerst noch ganz bestürztes Gesicht begann nun langsam raffiniert zu grinsen. Ihr Gemüt entspannte sich merklich.

„Hmm, doch doch, Muse!“ zischte sie zufrieden.

Ihre Miene verfinsterte sich dabei auf einmal, ihre Haare sträubten sich leicht und ihre Augen erhielten plötzlich ein seltsames rotes Leuchten in den Pupillen. Muse behagte dies gar nicht und sie wich verunsichert zurück als Marti schließlich von dem Bett hochfuhr und sie nun eindringlich anstarrte: „Ich nehme an, du hast ES bei dir, nicht wahr?!“

Daraufhin hielt sie der völlig entsetzten Muse ihre Hand entgegen und forderte nun einschlägig: „Gib es mir!“

Muse starrte sie darauf entgeistert an und haderte nach möglichen Ausschweifungen, um sie von ihrem irrsinnigen Vorhaben vielleicht noch abbringen zu können. Doch sie ahnte schon, dass dies in keinster Weise von Erfolg gekrönt sein würde. Marti schien irgendwie verändert als wäre sie in diesem Moment nicht sie selbst. Sie wirkte mit einem Mal ganz wahnsinnig und fixiert als würde es für sie nur noch das Death Note geben und alles andere jenseits ihres Interesses.

„Na, gib es mir schon! Wird’s bald?“ wiederholte Marti, wobei sich ihre Stimme sogar noch etwas verfinsterte.

„Marti...“ entgegnete Muse dann: „Bist du denn sicher, dass dies der richtige Weg ist?“

„Jetzt fang nicht an das noch zu hinterfragen! Du weißt es doch selbst am besten...“ fauchte Marti sie mit wütender Miene an und forderte noch ein letztes Mal energisch: „Jetzt rück’s schon raus!“

Wie gerne hätte Muse sich noch im letzten Moment gesträubt, doch sie wusste, dass es eh nichts mehr gebracht hätte. Mit gesenktem Kopf zückte sie somit nun endgültig das Death Note hervor und überreichte es Marti, ohne sie dabei anzusehen. Dabei nuschelte sie nur leise: „Ich hoffe, du weißt, was du da tust! Ich hab nämlich langsam das Gefühl, als wäre dies gar nicht mehr der Fall...“

Eifrig krallte sich Marti nun das Heft und löste dessen Taschenkuli, worauf sie eine leere Seite aufschlug. Doch bevor sie die Miene des Kulis löste um ihn darauf anzusetzen, harkte sie noch einmal nach: „Und man kann eine Todesart und ihre näheren Umstände, die zu diesem führen sollen, also selbst festlegen?“

Nur äußerst spärlich sah Muse sie daraufhin an und antwortete ebenso leise: „Ja, so ist es...“

„Völlig frei? Auch wenn dabei noch weitere Menschen zu Tode kommen?“fragte Marti weiter.

„Genau.“ Muse drehte sich nun vollkommen von ihr weg, was Marti jedoch nicht großartig registrierte. Ihre dämonischen Augen blitzten nun knallrot auf und sie ließ ein bissiges Grinsen zu.

„Nun, ihr scheiß Bullen“, begann sie: „Ihr hättet euch lieber nicht so sehr in meine Angelegenheiten einmischen sollen! Ich hatte meine Gründe, aber ihr habt mich aufs Übelste bedrängt! Das möge nun jetzt euer Verhängnis werden, hahaha!“

Marti brüllte ihr Gelächter lauthals heraus als sie anfing, in das Death Note zu schreiben, während Muse sich nur noch zusammen krampfte und aus der Zelle verdünnisierte...
 

Es musste gegen 21 Uhr gewesen sein als der Reporter Sashi Brown einen ohrenbetäubend lauten Knall vernahm, der aus der Richtung der Stadtmitte kam und den Boden unter seinen Füßen zum Beben brachte. Er war gerade im Begriff mit dem beiliegenden kleinen Löffel seinen Cappuccino umzurühren, den er sich in einem gemütlichen kleinen Café inmitten der Tokyo Stadtmitte schmecken lassen wollte. Ein unheilvolles Beben und Rumpeln folgte dem Knall und erfüllte das gesamte Innenstadtviertel. Auch alle anderen Anwesenden des Cafés wurden in diesem Moment ganz starr und schauten nur völlig irritiert drein.

Dieses lautstarke Gerumpel durchdrang förmlich ihre Glieder hindurch und drohte sie vor Schreck nahezu zu lähmen. Brown ging es in diesem Moment nicht anders und dennoch fasste er sich ein Herz und hastete eilig aus dem Café nach draußen um nach dem Rechten zu sehen. Als er die Türschwelle zum Café passiert hatte, musste er sich jedoch sogleich den Kragen seines wohligen Rollkragenpullovers über seinen Mund und seine Nase stülpen als er sogleich von erstickend dichtem Qualm umkesselt wurde, der obendrein einen starken Anteil an Schutt und Asche enthielt, was ihm sogleich übel durch die Haut brannte.

„Du lieber Himmel, was ist hier los?“ schrie Brown-san entsetzt. Eine ältere Dame schleppte sich müheselig an ihm vorbei und rief auf ihrem flüchtenden Wege in das Café hinein: „Das Rathaus ist, mitsamt Polizeipräsidium und Stadtgefängnis, soeben explodiert! Es regnet Blut und Leichen!!“

Sie schrie hysterisch und hielt sich entkräftet an der Mauer des Café-Gebäudes fest, denn sie drohte in jedem Moment ohnmächtig zu werden. Auch unzählige andere Leute rannten mit dem Schrecken in den Gliedern durcheinander an Brown vorbei, der nun völlig ungläubig und erstarrt die total verqualmte Umgebung musterte. Alles war in dichtestem Nebel gehüllt und kaum mehr zu erkennen, außer die dicken Bruchfetzen eines ehemals existierenden, riesigen Gebäudes... Niemand wusste, wie er sich nun verhalten sollte – Jeder fühlte sich als Opfer; als Gejagter einer unbekannten Bedrohung, aus der es kein Entkommen zu geben schien.

Die Situation war einfach grauenvoll! Doch Brown fühlte sich dazu berufen, noch einmal zurück ins Café zu seinem Tisch zu laufen, dort eilig seine Kameraausrüstung zu schnappen und jenen Unglücksplatz aufzusehen, von dem dieses gesamte Unheil ausging. Er musste es einfach tun! Sein Beruf als lokaler Reporter Tokyos ließ ihm keine andere Wahl und er musste sich beeilen. Schnellstens hatte er seine Sachen an sich genommen, worauf er sich in unkontrollierten schnellen Schritten auf dem Weg Richtung Stadtmitte zum Rathausplatz machte.

Es fiel ihm ausgesprochen schwer, gegen all den Dunst anzukommen und vorwärts zu laufen, als sich dieser schon sehr bald in seine Augen brannte. Sämtliche Bruchteile des zerfetzten Gebäudes bissen sich an seiner Haut und seiner Kleidung fest. Überall roch es nach Rauch und verbranntem Fleisch. Ihm war nahezu übel als sich einige Passanten um ihn herum in manchen Ecken der Stadt erbrachen, während andere der Bewusstlosigkeit nahe waren und sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Doch Brown musste durchhalten. So schnell ihn seine Füße tragen konnten, kämpfte er sich durch den Qualm bis zum Rathausplatz durch. Je näher er seinem Ziel kam, umso dichter wurde der Rauch und umso rötlicher verfärbte sich sein Dunst. Dieser unheilvolle Geruch wurde immer intensiver und es begannen bald erste Funken aus dem Qualm hervor zu peitschen.

Brown merkte, dass er in diesem Szenario praktisch unmöglich eine seiner pflichtigen Reportagen halten, geschweige denn irgendwelche Fotos schießen konnte. Nahezu gar nichts war mehr zu sehen, bis auf die immer deutlicher hervor stechenden Flammen, inmitten eines dicken schwarzen Qualms. Lediglich einpaar Silhouetten weiterer panisch flüchtender Passanten passierten seinen beschwerlichen Weg und drohten ihn fast umzurennen. Es dauerte nicht lange als er über den ersten Leichnam stolperte und daraufhin zu Boden ging. Vor sich auf dem Boden registrierte er nur schemenhaft etwas verkohltes Längliches, das sich bei längerem Hinsehen als ein völlig verstümmelter, abgetrennter Arm erwies, der durch den Brand, kaum mehr als solcher zu erkennen war. Das war selbst einem ansonsten recht abgehärteten Mann wie Brown zu viel. Ihm wurde vor Schreck die Luft abgeschnürt und er erhielt einen Würgereflex. Doch als wäre dieser grausige Fund inmitten dieses scheußlichen Szenarios nicht schon schlimm genug, so musste er unmittelbar darauf feststellen, dass es zwischen all den Funken inmitten dieses dichten Qualms Fleischfetzen regnete.

Eilig rannte Brown in die nächste Ecke und übergab sich schließlich. Ihm war nun dermaßen schwindelig geworden, dass auch er das Gefühl hatte, all diesem Unglück nicht länger standhalten zu können und umzukippen. Schwermütig hielt er sich an einer Mauer fest und arbeitete sich an diese gestützt weiter zum Unglücksort vor. Er durfte nicht aufgeben, wenn auch es ihm noch so schwer fiel, auf den Beinen zu bleiben. Das Gift des dicken Rauches hatte sich bereits in seiner Lunge ausgebreitet. Er konnte kaum noch richtig atmen.

Wie in Trance bemerkte er die Sirenen einiger Einsatz- und Krankenwagen des örtlichen Hospitals, wie sie mit ihrem Fernlicht eilig aus dem Nebel, mitten durch die Stadt, vorgefahren kamen. Auch sie kamen dabei nur spärlich voran, da sie besonders stark aufzupassen hatten, nicht irgendwelche Passanten anzufahren, die immer noch in all ihrer Panik entgegen gehastet kamen. Des Weiteren flogen ihnen durch den dicken Nebelschwall immer wieder diverse Bruchstücke und zerfetzte Leichenteile entgegen, worauf sie ebenfalls arg Acht geben mussten. Es dauerte nicht lange, da wurden die ersten Wagen von einigen besonders großen Bruchfetzen stark demoliert, wobei einer von ihnen ein besonders großes Stück direkt mitten durch die Windschutzscheibe einkassierte, worauf dieser nun völlig aus dem Verkehr gerissen wurde und mit einem weiteren Wagen zusammen stieß. Der lautstarke Krach von Scherben und einem eisernen Aufeinanderprallen war zu hören, sowie die darauf folgenden Alarmsirenen dieser Unfallwagen.

Browns Angst stieg bis ins Unermessliche; den anderen Anwesenden erging es nicht anders. Sie konnten allesamt nicht schnell genug aus der Stadtmitte fliehen. Längst waren unter ihnen auch bereits mehrere durch die vielen umher fliegenden Bruchteile des zerschmetterten Gemäuers zu Tode gekommen und langen in ihren Blutlachen verteilt auf dem eingenebelten Asphaltboden der Innenstadt herum.
 

Einige Kilometer von der Innenstadt entfernt hatte sich lediglich leichter Dunst in Form eines aufkommenden Nebels aufgetan, der aus dem Katastrophengebiet empor gestiegen war. Viele Leute lugten aus ihren Fenstern oder gingen gar vor ihre Türen um sich der Lage zu vergewissern. Das laute, von Panik erfüllte Geschrei der flüchtenden Menschenmassen aus der Innenstadt drang bis zu diesem ruhigen abgelegenen Viertel hervor und irritierte die dort Ansässigen natürlich enorm.

„Du liebe Güte,“ rief eine ältere Frau zu ihrer Nachbarin: „Was ist da bloß los?“

„Ob irgendein Unglück passiert ist!?“ antwortete diese sehr verunsichert und mit einer sichtbaren Unruhe in ihrem Gesichtsausdruck: „Herr je, das ist doch nicht normal, dass die da so derartig herumschreien?!“

Wie erstarrt blickten beide in Richtung des aufkommenden Nebels, welcher sich nun auch immer weiter zu diesem Viertel hin verteilte...

Aus diesem ging in holprigen langsamen Schritten am Horizont eine Gestalt hervor, die sich nun müheselig mit gesenktem Kopf durch die einzelnen Gassen dieses Viertels schleppte. Sie wirkte äußerst angeschlagen. Einige Brandverletzungen erfüllten ihre freien Arme und ihre Kleidung war an manchen Stellen leicht eingerissen und angekokelt. Es war Marti, wie sie stumm und entkräftet kaum mehr einen Fuß vor den anderen setzen konnte. An ihrer Seite folgte ihr Muse, die stillschweigend neben hier herflatterte. In deren Seitentasche ihres ledernen Outfits steckte jenes unheilvolle schwarze Heft, welches all dieses schreckliche Unglück veranlasst hatte als Marti kürzlich jenen Eintrag darin verfasst hatte:
 

„20.30 Uhr, 9 Oktober 2005

Hauptkommissar Toki Zoshi geht in die Dienstwagen-Werkstatt des Polizeipräsidiums Tokyo und entnimmt dort fünf Kanister Benzin, sowie einen Gassprenger. Während alle seine Kollegen in ihren Aufenthaltsräumen wachen, breitet er mit dem Sprenger all das Gas im Foyer des Rathauses aus und vergießt das Benzin der fünf Kanister sowohl im Rathaus als auch in dessen Anbauten: dem Polizeipräsidium und dem Stadtgefängnis. Zuvor öffnet er in Letzterem die Zelle, in der ich mich befinde, und verharrt fünf Minuten in seiner Situation, so dass ich noch genügend Zeit habe, mich in Sicherheit zu bringen. Nach Ablauf dieser fünf Minuten nimmt Zoshi ein Streichholz und entzündet dieses mitten im Foyer des Rathauses.

Punkt 21 Uhr wird dann wohl alles gelaufen sein, ihr scheiß Drecksbullen, haha!!“
 

„Marti,“ flüsterte Muse vorsichtig: „Sag, war das wirklich richtig? Ich meine, bist du jetzt etwa zufrieden...?“

Doch Marti antwortete ihr nur mit einem teilnahmslosen Schweigen und absoluter Nichtbeachtung. Sie schien geistig nicht mehr wirklich anwesend zu sein als sie sich mit letzten Kräften zu jenem Ort kämpfte, wo der einst ernannte „Meisterdetektiv L“, für sie nur bekannt als „Ryuzaki“, sein ihm überlassenes Anwesen hatte.

Dieser lehnte zum selbigen Zeitpunkt wieder einmal nachdenklich und ausgesprochen niedergeschlagen an einem der Fenster seines Wohnzimmers und blickte in die Ferne, wo ihm ebenfalls längst der seltsam aufkommende Nebelwall aufgefallen war, der sich nun mehr auch für diese Ortschaft sichtlich rot verfärbt hatte. Von Weitem konnte er das Heulen der anrückenden Feuerwehrautos und Krankenwagen vernehmen, die selbst seine schalldichten Fenster leicht durchdrangen.

„Hm,“ machte L leise und hielt sich den Daumen seiner rechten Hand vertieft an seinen Mund: „Das sieht mir nicht gut aus. Was da wohl vorgefallen ist!?“

Seine gesamte Konzentration widmete sich nun diesem bedenklichen Dunst. Umso erschrockener wurde er als es an seiner Tür plötzlich klingelte.

„Wie, was, nanu...??“

Erst vermutete er bloß einen Irrtum, doch als sich das Klingeln nur wenige Sekunden später wiederholte, entschied er sich, in seinen Dunkelraum zu schreiten, welcher mit mehreren Bildschirmen und Apple-Computern ausgestattet war; alles Einrichtungen, die zu Zeiten seiner vielen Ermittlungstätigkeiten veranlasst worden waren. Dort betätigte er an einem der Rechner einen kleinen Knopf, der einen der Monitore aktivierte, der ihm nun einen Einblick in das Geschehen vor seiner Haustür verschaffte. Dieser schockierte ihn sogleich als sich ihm darauf der Anblick einer völlig hernieder krümmenden Marti bot, wie sie sich sichtlich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Er verstand nun gar nichts mehr und musterte das kleine milchig dargestellte Bild auf dem Monitor genauer. Marti hob leicht ihr Gesicht gen der kleinen Kamera über der Türklingel an und L konnte in ihr von völliger Schwäche geprägtes Gesicht sehen. Es musste etwas passiert sein, waren sofort seine Gedanken, jedoch wusste er nun gar nicht recht, wie er sich zu verhalten hatte. Noch immer wäre es ihm am liebsten gewesen, jedem Kontakt zur Außenwelt gänzlich aus dem Weg zu gehen, denn was würde ihm das denn noch bringen... Dann aber musste er sich dieses gequälte Antlitz Martis noch einmal genauer zu Gemüte führen und er war sich nicht sicher, ob es wiederum tatsächlich das Richtige war, sie in ihren ersichtlichen Qualen wirklich sich selbst zu überlassen. Andererseits könnte er ja auch einfach schnell zum Telefon greifen und einen Arzt verständigen und das völlig anonym. Diese Idee gefiel ihm am besten und er war schon im Begriff, sein Telefon zu nehmen um die entsprechende Nummer anzuwählen als er nach den ersten zwei Ziffern plötzlich inne hielt. Er dachte wieder daran, wie Marti ihm gestern in seiner ähnlich misslichen Lage einfach so geholfen hatte und das obwohl er für sie ja eigentlich ein völlig Fremder gewesen war. Dann war sie ferner zu ihm zurück gekommen und hatte ihm auch noch dieses Bild geschenkt. Abgesehen davon, dass L es in keinster Weise verstehen konnte, weshalb sie all diese Mühen einfach so auf sich genommen hatte, so musste er sich eingestehen, dass es ihn insgeheim schon ziemlich berührt hatte, dass er anscheinend tatsächlich irgendeinem Menschen auf Erden in irgendeiner Form noch wichtig war, obschon Marti in seinen Augen noch immer als eine Fremde galt. Fakt war für ihn wiederum, dass er sie in ihrem jetzigen Zustand nicht einfach so abwimmeln konnte; das ließ sein Gewissen einfach nicht zu und er hatte es bereits im Gefühl, dass es ihm wahrscheinlich danach nur noch viel schlechter gehen würde, wenn er diese Frau einfach von irgendeinem Notarzt heimlich hätte abtransportieren lassen, so als hätte er nie im Leben auch nur ansatzweise mit ihr etwas zu tun gehabt.

L seufzte schließlich und setzte sein Telefon wieder zurück an dessen Station. Nachdem er daraufhin auch seinen Überwachungsmonitor ausgeschaltet und den Dunkelraum verlassen hatte, näherte er sich in bedachten langsamen Schritten seiner Haustür, wobei er immer noch daran zweifelte, wirklich das Richtige zu tun. Doch dann öffnete er seine Tür letztendlich doch, worauf er jedoch im selben Moment völlig überrascht wurde als ihm Marti vor seinen Augen direkt zusammen brach und mitten in seine Arme stürzte, jenseits allen Widerstands. Glücklicherweise konnte er sie gerade noch rechtzeitig auffangen und stützen.

„Marti!?“ rief er geschockt und registrierte sogleich ihre Brandverletzungen sowie ferner ihre abgebundene rechte Schulter, die von einer Schussverletzung gezeichnet war.

Mit allen Kräften zog er Marti in seine Stuben hinein. Ihr Kopf vergrub sich dabei in seine warme Brust. Anscheinend war sie nun bewusstlos.

Dennoch versuchte er sie vorsichtig anzusprechen: „Marti? Hey, was ist passiert?“

Er hob ihr Gesicht mit einer Hand sanft an. Ihre Augen waren geschlossen. Mit leichtem Tippen gegen ihre Wangen versuchte er ihr Bewusstsein wieder zu erlangen, doch es schien für’s Erste zwecklos. Lediglich ein leises Keuchen ließ Marti vonstatten, wobei sich ihr Gesicht gequält verzerrte.

„Marti?“ rief L erneut und mit einem Hauch von Hoffnung. Ihre schwachen Augen blinzelten ihn nun leicht an und sie säuselte leise in eher unverständlichen Worten. „Hm... Ryu...zaki...“

Ls Augen ließen einen besorgten Ausdruck zu als er Marti fassungslos fragte: „Was ist dir denn nur widerfahren und warum kommst du ausgerechnet wieder zu mir??“

Er verstärkte seinen Griff noch ein wenig, mit dem er sie sicher stützte. Marti haderte sichtlich nach Worten, doch sie war dazu einfach viel zu schwach, um ihm gescheit antworten zu können. So war sie schon bald erneut weg getreten.

L wusste, dass es momentan einfach keinen Sinn machte, mit ihr das Gespräch zu suchen. So würde es wohl vorerst das Beste sein, sie in sein Bett zu verfrachten, damit sie sich erst einmal erholen konnte. Ferner hielt er es für sinnig, sich erstmal ihren Verletzungen anzunehmen. Sie musste ziemliche Schmerzen haben, da war er sich ziemlich sicher.

So rückte er ihren linken Arm um seine Schultern und hob sie vom Boden auf um sie sachte nach oben in sein Zimmer zu tragen. Er stellte dabei direkt fest, wie leicht sie doch war, was es ihm enorm erleichterte, sie eilends die Treppe rauf zu tragen.

Sein Zimmer, in welchem er nur äußerst selten mal zu seinem längst fälligen Schlaf kam, befand sich unter dem Dach und bildete zur Seite des Bettes hin eine Dachschräge. In dieses legte er Marti nun vorsichtig hinein. Sie schien von alle dem noch immer rein gar nichts mit zu bekommen.

Nun musterte L vorsichtig ihre Verletzungen. Da sie nur ein kurzärmliches purpurnes Oberteil trug, fiel ihm direkt ihre abgebundene rechte Schulter auf. Durch den Verband zeichnete sich inzwischen neues, angestautes Blut ab. Auch ihre leichten Verbrennungen blieben nicht unbetrachtet und das nun ganz genau. L war einfach nur entsetzt und fassungslos.

„Du lieber Himmel, was hast du nur mitgemacht??“ rief er geschockt, wobei er sich die schlimmsten Sachen ausmalte.

Vorsichtig löste er nun den Verband und eine blutig triefende Wunde eröffnete sich ihm. Für ihn stand nun unmittelbar fest, dass er sie eilends zu versorgen hatte, wenn auch er von solchen Dingen eigentlich nicht viel Ahnung hatte. Jedoch würde er wohl das Nötigste tun können, so dachte er sich als er sich runter ins Badezimmer zu dem dort befindlichen Medizinschränkchen begab, um dort nach Desinfektionsmittel, Antibiotika und Verband zu greifen. Vorsichtig nahm er sich daraufhin Martis Schussverletzung an als er diese zuerst sanft desinfizierte. Marti blieb dabei völlig ruhig. Sie schien tatsächlich noch immer in tiefer Bewusstlosigkeit zu weilen. Mit leichten Bewegungen massierte er die Antibiotische Salbe in ihre Wunde ein und betrachtete sich dabei immer wieder ihr Gesicht, welches einen überaus entspannten Eindruck machte als würde sie grad etwas sehr Schönes träumen.

Schließlich fiel ihm wieder ihre „Rettungsaktion“ für ihn ein und er konnte es sich nicht verkneifen, ein leichtes Lächeln zu zulassen als er ihr leise zuflüsterte: „Nun, anscheinend ist hier ein wenig Schicksal mit im Spiel: Jetzt muss ich mich bei dir revanchieren, was?!“

Er vollendete seine Behandlung indem er ihr schließlich den Verband anlegte und behutsam zu zog. Dann wollte er leise aus seinem Zimmer schreiten, um Marti in Ruhe genesen zu lassen, doch dann hielt ihn noch irgendetwas davon ab. Er bewegte sich noch einmal zu seinem Bett hin und betrachtete sich die darin friedlich schlummernde Marti genau. Seine Miene war ernst, sein Körper starr. Sein Blick wanderte unwillkürlich zu seinem Schreibtisch hin, an dessen Pinnwand er Martis Bild geheftet hatte, welches sie ihm noch am vergangenen Nachmittag geschenkt hatte. Er konnte es sich selbst nicht recht erklären, weshalb er noch immer derartig berührt von diesem Geschenk war.

„Warum?“, so fragte er sich still in seinem Inneren: „Warum sollte mich diese fremde Frau eigentlich mögen? Das ergibt alles keinen Sinn, oder etwa vielleicht... doch irgendwie?“

Er sah Marti erneut mit tiefem Blick an und seufzte. Diese Situation war selbst ihm, der sonst stets für nahezu alles eine logische Erklärung parat hatte, einfach zu viel.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2010-06-25T22:27:40+00:00 26.06.2010 00:27
hey,

mensch, das war ja ein langes Kapitel, ... nicht das ich etwas dagegen hätte! :)
Ja, habe es jetzt durchgelesen, obwohl ich gerade absolut keine Zeit für FFs hab- leider. Aber ich war ja gespannt wie die story weitergeht.

Du hast die Stimmung der Geschichte mal wieder optimal rübergebracht
und alles tadellos beschrieben. Dieses Kapitel hat dazu beigetragen, dass meine Abneigung sich gegen Marti verstärkt hat =)
Ihre Persönlichkeit hat sich ziemlich verändert seitdem sie das Death note hat. Das hast du schön rübergebracht.

Ich weiß ja nicht, ob die Szene bei der Polizei wirklich
realistisch ist, aber sie hört sich nicht so an.
Ich glaube nicht, dass ein Polizist nicht weiß, dass er einen
Verdächtigen gleich damit konfrontiert, dass er verdächtigt wird,
zumindest nicht in solch einem Fall. Und auch, dass sie angeschossen
wurde, war vielleicht ein wenig übertrieben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Polizist auf jedem schießt, der unbewaffnet ist
und keine Gefahr darstellt.Aber das sind nur Mutmaßungen meinerseits.

Und soweit ich weiß, kann man mit dem Death note eine Person nicht töten, wenn dadurch auch andere Menschen umkommen. Sprich, wenn sie nur
diese bestimmten Polizisten töten will, dann kann sie das nur, wenn
durch die Tötungsweise keine anderen Menschen zu Schaden kommen.

Ansonsten habe ich eigentlich nichts zu meckern. Du schreibst toll.
Ach, eine Kleinigkeit fällt mir doch noch ein.
Wenn du direkte Rede benutzt, musst du dahinter ein Komma setzen.

Bsp: "Ich hasse dich" , schrie sie aus vollem Leibe.

Das wars jetzt aber wirklich =)

Bis zum nächsten Kapitel.

LG



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