Killing Loneliness
Pünktlich melde ich mich zurück!
Gibt nicht viel zu sagen, außer, dass dieses Kapitel hier irgendwie unterschwellig dramatisch ist, wie ich finde.
Jetzt mal ein bisschen Off-Topic: Ich habe jetzt einen eigenen Blog!
Wer an meinem persönlichen Alltag, Make-Up-Tipps, Pseudo-Wissenschaftlichem und natürlich Buchrezensionen und Literatur im allgemeinen interessiert ist, der wird dort vielleicht ein paar Zeilen lesen wollen. Ist natürlich alles noch im Aufbau und wird stetig erweitert. Wie man das mit Blogs halt so macht.
http://aliceleech.blogspot.com/
Lied zum Kapitel, bzw zum Part von Hizumi und Saga, wäre folgendes:
Ein Teil von mir - Die Toten Hosen
http://www.youtube.com/watch?v=jxjJUEc6GSA
enjoy ♥
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Universität der Bildenden Künste, 19.28 Uhr ...
Das alles übertönende Stimmengewirr wurde langsam leiser. Nach und nach erhoben sich die Studenten von ihren Plätzen, rafften hastig die Aufzeichnungen zusammen und verließen den Hörsaal. Einige machten ihren Weg am Pult vorbei, um die fertigen Hausarbeiten abzugeben.
Auf dem dunklen Holztisch hatte sich bereits ein beachtlicher Stapel verschiedenfarbiger Mappen gebildet. Hizumi gab sich Mühe, jedem der vorbei eilenden Menschen einen freundlichen Blick zu schenken und war heilfroh, als der letzte Ordner auf seinem Tisch landete und jemand die Tür zum Hörsaal hinter sich schloss.
Hizumi knackte mit den Fingerknöcheln und ließ sich mit einem lauten Seufzen gegen die Rückenlehne seines Stuhles sinken. Er warf einen kurzen Blick auf die große Wanduhr über der Tafel. Es war bereits halb acht. Bis er hier fertig war würde es draußen stockfinster sein. Der Vampir gönnte sich noch einen kurzen Moment der inneren Einkehr, bevor er begann die Hausarbeiten alphabetisch zu ordnen und sie schließlich in seine Umhängetasche stopfte.
Dann verließ er den Raum.
Auf dem Gang traf er zwei Kollegen. Obwohl die beiden freundlich grüßten, wusste Hizumi, dass er zum Gesprächsthema werden würde, sobald er außer Sichtweite war.
Die meisten Dozenten und Professoren tuschelten hinterrücks über ihn, das war kein Geheimnis. Die Gründe dafür waren verschieden und variierten meist mit dem Alter der Lehrkörper.
Wirklich geheuer war der junge Kunstdozent, der sich nie in der Lehrerkantine blicken ließ und auch sonst den Kontakt zu Menschen scheute, allerdings keinem. Nicht einmal den Studenten.
Hizumi durchquerte das Foyer. Schon hier konnte man die Herbstkälte, die durch die schlecht isolierte Eingangstür von draußen herein kroch, deutlich spüren. Als Hizumi endlich das Außengelände erreichte, kondensierte sein Atem, kaum dass er die Lippen verlassen hatte, zu kleinen Dunstwolken. Wie erwartet herrschte hier draußen bereits tiefe Nacht.
Hizumi ging an einer Reihe angeketteter Fahrräder vorbei in Richtung U-Bahn Station. In der letzten Nacht hatte er kaum Schlaf gefunden, dementsprechend groß war nun der Wunsch nach einem warmen Bett. Die Korrekturen konnten auch noch bis morgen warten.
Gerade als Hizumi um die Ecke biegen wollte, spürte er eine seltsame Anwesenheit.
Jemand beobachtete ihn.
Er verlangsamte seine Schritte und blieb schließlich stehen. Dann drehte er sich um und konnte tatsächlich einige Meter entfernt eine Gestalt ausmachen. Ganz offensichtlich hatte dieser Jemand vorgehabt ihm zu folgen. Hizumi kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung etwas erkennen zu können. Doch der Fremde nahm ihm diese Anstrengung ab und kam geradewegs auf ihn zu. Schließlich verstand Hizumi, um wen es sich bei diesem nächtlichen Verfolger handelte.
„Was tust du denn hier?“, fragte er und schaute sich verstohlen um.
Im Umkreis von hundert Metern war keine Menschenseele zu sehen.
„Ich musste dich sehen. Es gibt Dinge, die ich dir noch sagen will.“
Hizumi seufzte tief und bemühte sich, wenigstens äußerlich die Fassung zu wahren.
„Karyu bringt dich um wenn er erfährt, dass du mir hinterher läufst.“
„Ich laufe dir nicht hinterher. Ich hab auf dich gewartet.“, verteidigte sich Saga und fügte ein leises „Und Karyu geht mir am Arsch vorbei.“ hinzu, das Hizumi gepflegt ignorierte.
„Also gut. Dann lass uns ein Stück gehen.“
Schweigend verließen die beiden Untoten den Campus. Hizumi hielt den Blick starr auf die Straße gesenkt und zählte die Betonplatten unter seinen Füßen. Nach quälenden Minuten der Stille erreichten sie eine schmucklose Fußgängerbrücke. Saga blieb stehen und sah hinunter auf die unzähligen Autos, die unter ihm über einer grell erleuchtete Hauptstraße fuhren.
Er konnte hören wie Hizumi neben ihm zum Stehen kam.
„Hat Karyu noch irgendwas zu dir gesagt?“
Zugegeben eine recht klägliche Einleitung für ein Gespräch dieser Wichtigkeit. Trotzdem wusste Saga nicht, wie er es hätte besser machen können.
„Nichts was er mir nicht schon vorher tausendfach gepredigt hätte.“, antwortete Hizumi mit einem schiefen Lächeln. Er trat einen Schritt vor und sah hinunter auf die Straße. Saga kam nicht umhin einen Blick auf Hizumis Handgelenke zu werfen.
„Aber an diesem Abend war ich ohnehin nicht aufnahmefähig. Das kam alles ein bisschen zu plötzlich. Ich denke du weißt was ich meine.“
Saga nickte langsam und wandte den Blick zum Horizont, wo das nächtliche Lichtermeer gegen die Dunkelheit des Nachthimmels ankämpfte.
„Und heute ist es weniger überraschend für dich?“
„Um ehrlich zu sein wäre ich eher überrascht gewesen, wenn du mich nicht nochmal hättest treffen wollen. Du bist und bleibst nun mal ein sturer Idiot. Ich hab mich damit abgefunden.“, sagte Hizumi. Saga konnte im Licht der Straßenlaterne erkennen, dass er lächelte. Der Größere war sich ziemlich sicher, dass das ruhige Auftreten seines Ex-Freundes nichts weiter als eine ausgeklügelte Fassade war.
„Jetzt spucks schon aus, Saga. Was willst du?“, fragte Hizumi schließlich ruhig und ohne Saga eines Blicks zu würdigen.
„Ich-“ Er räusperte sich umständlich. „Ich will wissen, ob du mir verzeihen kannst.“
Hizumi fixierte stirnrunzelnd eine der vielen Straßenlaternen. Mit dem antworten ließ er sich Zeit.
„Wenn du es genau wissen willst, habe ich dir längst verziehen.“
Saga traute seinen Ohren nicht. Gerade als er eine ungläubige Bemerkung in den Raum werfen wollte, fuhr Hizumi fort. „Ich habe dich nie deswegen verurteilt, das müsstest du eigentlich wissen. Ich weiß wie schlimm so ein Kontrollverlust ist, ich habe in solchen Situationen schon viel schrecklichere Dinge getan.“ Er wandte sich ab und ließ den Kopf hängen. Der andere zog kurz in Erwägung, tröstend die Hand auf Hizumis Schulter zu legen, entschied sich dann aber dagegen. Körperkontakt jeglicher Art war momentan einfach nicht angebracht.
„Mein einziges Problem ist, dass-“ Er brach ab und wischte sich mit der Hand übers Gesicht.
„Dass du Angst vor mir hast?“, beendete Saga den unfertigen Satz in leicht fragendem Tonfall.
Ein stummes Nicken war die Antwort.
Obwohl Saga mit nichts anderem gerechnet hatte, spürte er, wie sich ein schmerzhafter Knoten in seiner Magengegend festsetzte.
„Ok.“, brachte er tonlos hervor. „Das ist verständlich.“
Endlich hob Hizumi den Kopf und wandte sich Saga zu.
„Was hast du erwartet?“
„Nichts anderes eigentlich.“, murmelte Saga und kratzte sich am Hinterkopf. Ein Seufzen verließ seine Lippen und er stieß ein freudloses Lachen aus. „Erwartet hab ich nichts anderes, erhofft schon.“ Er starrte auf seine Finger, die bereits taub vor Kälte waren und sich verkrampft um das Brückengeländer krallten. Im Nacken spürte er Hizumis durchdringenden Blick.
„Du möchtest, dass ich dir eine zweite Chance gebe, kann das sein?“
Volltreffer, schoss es Saga durch den Kopf. Im gleichen Moment überlegte er bereits, wie er sich nun am besten verhalten sollte.
„So direkt würde ich das jetzt nicht sagen. Ich meine, ich weiß ja, dass das Unsinn ist. Ich dachte nur, dass wir vielleicht-“
Unterkühlte Fingerspitzen legten sich sanft auf Sagas Lippen und hinderten ihn daran weiter zu sprechen. Hizumi sah ihm zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs direkt in die Augen.
Er ließ die Hand sinken.
„Ich weiß was du dachtest. Ich kann deine Gedanken lesen, schon vergessen?“
Beschämt senkte Saga den Blick.
„Ich würde Lügen wenn ich sagen würde, dass ich nicht auch schon darüber nachgedacht hätte.“, fuhr Hizumi fort „Tatsache ist, dass es Zeiten gab, in denen ich mir nichts mehr gewünscht habe, als dich mit offenen Armen zurück zu nehmen.“
Er blickte auf seine Hände.
„Aber ich weiß nicht, ob ich das kann.“
Mit jedem gesprochenen Wort verlor seine Stimme an Lautstärke. Saga konnte deutlich sehen, wie sehr sein Gegenüber gerade mit sich kämpfte.
„Am liebsten würde ich sofort ja sagen. Aber das bisschen Verstand, das ich noch habe, sagt mir, dass das ein Fehler wäre.“
„Ok. Schon verstanden.“
Saga bemühte sich, nicht allzu viel maßlose Enttäuschung nach außen dringen zu lassen.
„Es tut mir Leid.“, murmelte Hizumi leise. Doch daraufhin schüttelte der andere nur den Kopf.
„Dir brauch gar nichts Leid zu tun. Du hast nichts falsch gemacht.“
Diese Meinung schien Hizumi nicht zu teilen, denn er betrachtete nur weiterhin seine Schuhe. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper und er schlang die Arme um Sagas Brust.
Überrascht taumelte der einen Schritt zurück, legte aber trotzdem seinerseits die Arme um den Kleineren. Hizumis Nähe verursachte eine wahre Emotionslawine in Sagas Innerem.
„Vielleicht könnten wir uns trotzdem noch ab und zu sehen?“, wisperte Hizumi gegen Sagas rechte Schulter. „Als Freunde oder so.“
Diese Bitte sorgte dafür, dass sich ein trauriges Lächeln auf Sagas Gesicht schlich.
Er hoffte inständig, dass Hizumi es nicht bemerken würde.
„Alles klar. Dann also Freunde.“, sagte er ruhig. Gleichzeitig schloss er die Augen und drückte Hizumi etwas fester an sich. Wenigstens für diesen kurzen Moment wollte er vergessen, dass der Mann, für den er durch die Hölle gegangen war, ab jetzt nicht mehr für ihn sein würde, als ein Freund.
Die Wahrheit konnte noch ein paar Sekunden warten...
Moskau (Golowinski), 00.36 Uhr ...
Schritte hallten durch die menschenleeren Gassen. Eine abgemagerte Katze schoss erschrocken zwischen zwei Mülltonnen, als ein Mann um die Ecke bog und gehetzt über seine Schulter blickte.
Der Mann schien mittleren Alters zu sein, er war hochgewachsen und spindeldürr. Seine Gliedmaßen erinnerten an die eines mit blasser Haut überzogenen Skelettes. Ein Büschel dünner schwarzer Haare hing ihm in fettigen Strähnen in die Stirn.
Atemlos lauschte er in die Dunkelheit.
Hier, im Schutze der riesigen Industriegebäude, fühlte er sich sicher.
Er gönnte sich einen Moment Ruhe und ging nun in gemäßigtem Schritt die löchrige Straße entlang. Die Katze fauchte, als er ihr Versteck passierte und drückte sich näher an die Blechtonnen.
Plötzlich fuhr der Mann herum. Obwohl noch immer eine nahezu gespenstische Stille herrschte, wusste er, dass seine Verfolger dicht hinter ihm waren. Er konnte sie deutlich spüren.
Sofort begann er zu rennen.
Vollkommen plan- und ziellos bog er um die Ecke am Ende der schmalen Straße, nur, um sich am Eingang zu einer zweiten, genauso düsteren und einsamen, Gasse wieder zu finden.
In dieser verdammten Stadt sah alles gleich aus!
Ohne nachzudenken folgte er der Straße. Aus der Ferne drangen Stimmen an sein Ohr. Wenn er sich nicht beeilte würden sie ihn bald eingeholt haben. Reflexartig ließ er die Hand zur Innentasche seiner grauen Bomberjacke gleiten. Die harten Metallkanten der HK P8 drückten sich durch den dünnen Stoff. Im Magazin befanden sich neun versilberte Patronen. Nur für den Fall.
Er bog um die nächste Ecke und lief bis zum Ende der Gasse. Zu spät bemerkte er, dass ihm etwas den Weg versperrte. Ein drei Meter hoher Metallzaun ragte vor ihm in den Nachthimmel.
„Scheiße.“, zischte er und sah sich noch einmal um. Die Stimmen kamen näher.
Lief er den gleichen Weg zurück, würden sie ihn entdecken. So blieb nur die Flucht nach vorn.
Der Mann nahm Anlauf und sprang mit nach vorn gestreckten Händen an die Gitterstäbe. Seine Finger verfehlten das obere Ende der Absperrung um mindestens zehn Zentimeter. Er versuchte es erneut. Tatsächlich bekam er die richtige Stange zu fassen, doch das Metall war nass und bevor er reagieren konnte, griff seine Hand nur noch Luft. Mit einem leisen Schrei fiel der Waffenhändler mit dem Rücken zuerst auf den harten Betonboden. Der Aufprall presste ihm die Luft aus den Lungen und nahm ihm für einige Sekunden alle Orientierung. Er blinzelte hilflos, in der Hoffnung, so den schwarzen Schleier, der sich über seine Netzhaut gelegt zu haben schien, verschwinden lassen zu können. Sein Kopf dröhnte.
Gerade als die Umgebung wieder klarer wurde, spürte er kaltes Metall an seiner Schläfe. Er schnappte nach Luft.
„Aufstehen.“, sagte eine ihm unbekannte Stimme barsch.
Er richtete sich auf. Sein Körper quittierte diese Aktion mit einem stechenden Schmerz.
„Und jetzt da ans Gitter. Hände über den Kopf.“
Mit zittrigen Knien wankte er ans Ende der Gasse und hob die schmerzenden Arme über den Kopf. In seinem Kopf arbeitete es.
„Umdrehen.“
Er gehorchte und sah seinem Verfolger zum ersten Mal ins Gesicht. Er war nicht überrascht, als er erkannte, dass es sich um eine Frau handelte. Ihre Stimme hatte sie verraten.
Nun stand sie in gebührenden Sicherheitsabstand vor ihm und hielt die Waffe auf seine Brust gerichtet. Er zweifelte nicht daran, dass sie im Umgang mit Mordwerkzeugen jeder Art sehr geübt war. Immerhin gehörte auch sie dem Elite Suchtrupp an, der ihm bereits seit einigen Tagen auf den Fersen war.
„Ich werde dich jetzt abtasten. Eine falsche Bewegung und diese Kugel hier steckt in deinem Schädel.“ Sie spannte den Abzug, um ihre Worte zu unterstreichen und kam näher. Als sie in Reichweite stand, ließ sie die Waffe sinken und begann mit der linken Hand die abgetragene Jacke ihres Opfers abzutasten. Yuuto nutzte die Gelegenheit und rammte ihr blitzschnell den Ellbogen auf den Kehlkopf. Damit hatte die junge Soldatin nicht gerechnet.
Sie taumelte hustend einen halben Meter rückwärts. Mit ihrer rechten Hand umfasste sie die Handfeuerwaffe, ihre linke presste sie an den Hals. Yuuto machte einen Satz zur Seite und drängte sich an seiner Verfolgerin vorbei. Ein gezielter Schuss in den Fuß beendete diesen Fluchtversuch jedoch vorzeitig.
Der Vampir stieß einen heiseren Schrei aus und ging zu Boden. Blut durchtränkte sein linkes Hosenbein.
„Bleib liegen oder ich schieß dir das Hirn weg, Arschloch!“, keifte sie, bevor ein Hustenanfall ihr den Atem nahm. Noch immer fuchtelte sie mit der Waffe vor Yuutos Nase herum. Diesmal allerdings etwas unbeherrschter. Yuuto spürte, wie Hysterie in ihm aufstieg.
Mit einem Mal begriff er was zu tun war.
Es war so einfach.
Ein Grinsen verzerrte sein bleiches Gesicht und er sah der Frau über sich herausfordernd in die hellbraunen Augen.
„Es gibt da was, das du nicht verstanden hast, mein Mädchen.“, sagte er so deutlich wie möglich. Sein Grinsen wurde breiter, als er bemerkte, dass dieser Satz die Soldatin irritiert hatte. „Du bist nicht befugt mich zu töten. Sie wollen mich lebend.“
„Oh, bilde dir das mal nicht ein.“
„Er will mich lebend. Er will Antworten, weil er Schiss hat, verstehst du. “ Ein dumpfes Lachen entkam Yuutos brennender Kehle. „Und er wird jedem Einzelnen von euch den Arsch aufreißen, wenn er die nicht bekommt.“
„Das ist vollkommener Unsinn!“
„Wirklich? Na, dann hast du ja nichts zu befürchten.“
Mit diesen Worten griff Yuuto in seine Jacke und zog seine Waffe. Die Soldatin rief etwas, doch der Vampir ignorierte es. Er öffnete den Mund. Die Stimme der Frau überschlug sich, als Yuutos Lippen sich um das kalte Metall legten.
Offensichtlich hatte ich doch recht, dachte er zufrieden.
Dann drückte er ab.
Nächster Morgen, Karyus Wohnung, ca 08.00 Uhr ...
Karyu saß auf dem Badewannenrand und föhnte sich die Haare. Es war definitiv zu früh.
Mit sinkender Laune dachte er an die Krisensitzung des Ältestenrats, die in einer Stunde stattfinden sollte. Missmutig zupfte der Blonde an seinen Haaren herum, als ein Klingeln seine Aufmerksamkeit forderte.
Karyu schaltete den Föhn ab und sah stirnrunzelnd zur Badezimmertür. Wieder ertönte das rappelnde Geräusch. Da war eindeutig wer an der Haustür.
„Herrgott nochmal.“ Fluchend grapschte Karyu nach seiner Jeans. Wer auch immer da an der Tür war, er musste ihm bei aller Liebe nicht in Boxershorts gegenübertreten. Der ungebetene Besucher klingelte jetzt Sturm.
„Ja verdammt! Ich komm ja schon!“, blaffte Karyu ungehalten, während er versuchte, sich im Gehen die Hosen anzuziehen. Er riss die Haustür auf und stellte fest, dass es sich nicht um einen, sondern gleich um zwei Störenfriede handelte. Zwei dezent gekleidete Männer, ungefähr Anfang dreißig, standen im Hausflur und starrten ihn an.
Karyu starrte zurück.
Einer der beiden hob die Augenbrauen, der andere lief rot an und zählte die Bodenfliesen.
Karyu, etwas überrascht über die Reaktion der beiden, sah an sich hinunter. Vor lauter Hektik hatte er vergessen seinen Hosenknopf zu schließen. Das Oberteil hing noch über der Badewanne. Ohne den Blick von den beiden Männern im Flur zu nehmen, schloss er seine Hose. Dann verschränkte er die Arme und hob gelassen die rechte Augenbraue.
„Gibt's ein Problem?“, fragte er trocken.
Der vordere der beiden Männer nickte. Der hintere starrte noch immer traumatisiert auf den Fußboden.
„Dann raus damit, ich hab nicht den ganzen scheiß Tag Zeit.“, fauchte Karyu und durchbohrte die beiden mit seinem Blick. Der Größere der beiden, er musste derjenige gewesen sein, der auf den Klingelknopf gedrückt hatte, räusperte sich vernehmlich.
„Wir kommen von der Außeneinheit und sollen Ihnen etwas ausrichten.“
„Außeneinheit?!“ Karyu prustete los. „Außeneinheit! Das Jüngelchen da soll bei der Außeneinheit sein? Was macht der da? Fußböden putzen?“
Der Hintere schrumpfte unter den spottenden Worten in sich zusammen und schien nun nur noch mehr auf den Bodenbelag fixiert zu sein.
„Ähm-“
„Jaja, schon gut. Red weiter.“
„Es geht um den Verdächtigen Yuuto Takahara. Wir haben ihn gefunden.“
Als der junge Mann die Nachricht ausgesprochen hatte, blitzten Karyus Augen interessiert auf.
„Sehr schön, mein Junge!“ Euphorisch klopfte er seinem Gegenüber auf die Schulter und ignorierte gekonnt, dass der Mann, den er hier gerade „Junge“ nannte, äußerlich um einige Jahre älter war als er selbst. „Und? Bis wann haben sie die Ratte eingeflogen?“
„Er ist auf dem Weg. Es gibt allerdings einen Haken...“
Der Fremde biss sich auf die Lippe und Karyu bemerkte eine kleine Schweißperle an seiner Schläfe.
Etwas schien wohl nicht so ganz nach Plan zu laufen.
„Und der wäre?“,fragte das Clanoberhaupt mit einem einschüchternden Unterton in der Stimme.
„Er ist tot.“
Auf dem Dach des weißen Mehrfamilenhauses saßen vier Spatzen. Die possierlichen Tierchen zwitscherten um die Wette und sangen Lobeshymnen auf den neuen Tag. Eine Frau, die auf dem Bürgersteig entlang ging, blieb ergriffen stehen und lauschte andächtig den süßen Klängen. Plötzlich drang ein anderer Klang an ihr Ohr, der weniger süß, als vielmehr beängstigend war.
Der Klang kam direkt aus einem halb geöffneten Fenster aus dem zweiten Stock.
Hastig ging die Frau weiter.
Auch die Spatzen flohen verängstigt. Genau zehn Sekunden später taten es ihnen die zwei Sondereinsatzkräfte der Außeneinheit gleich.
Zur gleichen Zeit in Zeros Villa...
„Möchtest du noch eine Tasse Kaffee?“, fragte Zero vorsichtig nach.
Sein Gegenüber nickte verschlafen.
„Ja, du siehst aus, als könntest du noch einen gebrauchen.“ Der Ältere grinste unterdrückt, während er Toshiyas Tasse nahm und sie zum zweiten Mal mit dem koffeinhaltigen Getränk füllte. Dankend griff Toshiya nach der Tasse und nahm einen Schluck.
„Was ist los mit dir? Hast du schlecht geschlafen?“ Zero stützte den Ellbogen auf die Tischplatte und bettete seine rechte Wange in der Handfläche. Er musterte Toshiya mit einer Spur Besorgnis. Der zuckte auf Zeros Frage hin nur die Schultern.
„Ich weiß nicht.“, antwortete er schließlich matt. „Wirklich schlecht geschlafen hab ich nicht, wenn man davon absieht, dass ich extrem absurden und verstörenden Mist geträumt habe.“ Er fuhr sich durch die zerzausten Haare und nahm einen großen Schluck Kaffee. Erst jetzt bemerkte er, dass Zero ihn noch immer mit leicht gerunzelter Stirn anschaute.
„Ist was?“ Toshiya blinzelte verwirrt und lies die Tasse sinken.
„Hast du öfters Alpträume?“
„Ja.“, antwortete Toshiya nach einer kurzen Bedenkpause. „Ziemlich regelmäßig sogar, wenn ich ehrlich bin.“ Er rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum. Offenbar schien diese Antwort Zero ganz und gar nicht zu gefallen.
„Wie lange schon?“
„Seit ein paar Jahren. Aber wieso willst du das wissen?“
Die Antwort auf diese Frage blieb Zero ihm vorerst schuldig, denn es klopfte an der Tür. Der Brünette verdrehte die Augen und rappelte sich auf. Ihm war vollkommen klar, wer draußen vor dem Haus auf ihn wartete. Es gab nur eine Person die den Türklopfer auf solch rabiate Art und Weise betätigte.
„Karyu. Das Treffen ist erst in vierzig Minuten.“, warf Zero seinem Kollegen an den Kopf, kaum, dass er ihm geöffnet hatte. Wortlos schob Karyu sich an Zero vorbei und stampfte in die Küche, wo er sich grußlos auf einen der Stühle fallen ließ. Toshiya musterte ihn über den Rand der Kaffeetasse hinweg.
„Was ist los?“ Zero stand, die Arme verschränkt, im Türrahmen. Karyus angespannter Mine nach zu urteilen liefen die Dinge wohl nicht wie geplant.
„Wir haben ein Problem.“, antwortete Karyu nüchtern.
„Ein großes Problem?“
„Ein verdammt großes.“
Zero setzte sich neben Toshiya und hörte schweigend zu, als Karyu ihm berichtete, welche haarsträubenden Nachrichten die Agenten der Außeneinheit ihm an diesem Morgen überbracht hatten.
„Dieses Arschloch hat sich in den Mund geschossen. War direkt tot.“, knurrte der Blonde hasserfüllt. „Ich will mir nicht vorstellen, was das für 'ne Sauerei gegeben hat.“
„Wissen wir, ob er überhaupt mit dem Orden Kontakt hatte? Wäre doch möglich, dass wir ihm zuvor gekommen sind und er noch niemandem irgendwas erzählt hat.“
„Stimmt, kann sein. Leider werden wir das nie rausfinden. Wir können schlecht zu Blakes rachsüchtigen Schoßhunden rennen und nachfragen. Damit würden wir uns verraten und sie womöglich auf dumme Gedanken bringen. Falls sie die nicht ohnehin schon haben.“ Er fuhr sich mit der Hand über das blasse Gesicht und atmete tief durch. „Yuuto war nicht dumm. Er wusste genau, dass er uns nur lebend etwas genutzt hätte. Jetzt ist die Ratte tot und keiner hier weiß, ob die Russen einen Angriff gegen uns planen. Wir sind vollkommen blind!“
Gut, dachte Zero, das sind in der Tat beschissene Nachrichten.
„Wieso glaubt ihr überhaupt, dass sie euch angreifen wollen?“, meldete Toshiya sich zaghaft zu Wort. Der durchdringend böse Blick, den Karyu ihm zuwarf, ließ ihn allerdings schnell wieder verstummen.
„Sag mal wo zur Hölle hast du dich all die Jahre aufgehalten? Am Nordpol?“
Mit dieser Frage hatte Toshiya nicht gerechnet. Eigentlich hatte er allgemein nicht mit irgendeiner Antwort gerechnet. Er räusperte sich und gab sich alle Mühe, Karyus Blick stand zu halten.
„Nein. Aber ich war, wie du dir vielleicht denken kannst, nicht wirklich oft in Gesellschaft unterwegs.“
„Das glaub ich dir gern. Sonst wüsstest du nämlich, dass hier seit einiger Zeit alle Zeichen auf Sturm stehen. Die dummen Russen haben noch immer keine neue Führungspersönlichkeit gewählt. Und jetzt denkt jeder noch so unbedeutende Wicht, er könne sich diesen Posten unter den Nagel reißen. Das ganze beschissene System bricht auseinander. Wenn das so weiter geht, dann herrscht hier bald Krieg auf der Straße. In manchen Revieren ist es schon so weit. Alle warten doch nur darauf, dass ihre Gegner eine Schwachstelle offenbaren. Und auch wir haben Schwachstellen. Besonders jetzt, wo hier alles so drunter und drüber geht.“
Toshiya hört schweigend zu und warf schließlich einen Seitenblick zu Zero. Der hatte einen reichlich finsteren Gesichtsausdruck aufgelegt. Offenbar war die Situation wirklich ernst.
„Und dass ausgerechnet du hier jetzt aufgetaucht bist, macht die Sache nicht unbedingt besser. Immerhin bist du einer der meist gesuchten Verbrecher der gesamten Unterwelt.“, fügte Karyu an Toshiya gewandt hinzu. Obwohl der Karyus Blick die meiste Zeit über stand gehalten hatte, schlug er nun die Augen nieder. Er machte keine Anstalten Karyus Aussage zu dementieren oder sich anderswie zu verteidigen. Schließlich versuchte Zero die Situation zu entschärfen.
„Wir sollten das gleich alles mit dem Rat besprechen. Die werden wahrscheinlich auch schon was mitbekommen haben. Jetzt hier am Küchentisch zu diskutieren bringt uns auch nicht weiter.“, sagte er ruhig. „Wir können sowieso nichts anderes tun als abwarten...“