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Das Dornröschen

Thema Schlaf
von

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Dornröschen
 

Ihre Bauchdecke hob und senkte sich wieder. Manchmal regelmäßig, manchmal unregelmäßig schnell, aber Hauptsache war, dass sie überhaupt atmete. Die letzten Monate hatten ihr ganz schön zugesetzt und auch jetzt sah man ihr immer noch die Anstrengung an, obwohl sie schon seit einigen Wochen schlief. Das Bett schien viel zu groß für sie zu sein. Sie wirkte verloren, klein und gebrechlich. Ihr Gesicht wirkte immer noch blass, es hatte in der ganzen Zeit keine Farbe bekommen, nicht einmal ein bisschen; keine rosa farbigen Wangen und auch ihre Lippen schienen eher bläulich zu sein. Die Haare langen wild auf dem Kopfkissen, sie wurden schon seit Tagen nicht mehr gebürstet, geschweige denn gewaschen. Das sah ihr nicht ähnlich so mit ihren Haaren umzugehen, die sie sonst immer sehr pflegte. Sie sagte immer, dass ihre Haare einen Teil ihres Ichs ausmachten, dass sie ihr Selbstbewusstsein gaben. Ihre Hände lagen ruhig auf ihrem Bauch und hoben und senkten sich im Rhythmus ihres Atems. Die Augen waren immer noch geschlossen und bewegten sich von Zeit zu Zeit, was es jedoch bedeutete, konnte er nicht sagen.

Diese Schläuche die aus ihrer Nase herauskamen und diese Maschinen an die sie angeschlossen war, zerstörten das Bild eines schlafenden Mädchens. Vielleicht schlief sie auf eine Art und Weise, die niemand verstand, aber wer sollte das schon genau wissen? Er nahm wieder einmal mehr ihre Hand und hielt sie einfach nur fest und drückte sie an seine Stirn und versuchte die Tränen zu unterdrücken, was ihm jedoch in diesem Moment nicht gelang und ihm Tränen über sein Gesicht rollten. Er weinte leise, sie sollte ihn nicht hören, wenn sie das überhaupt konnte. Eigentlich wusste er gar nicht, ob sie ihn überhaupt wahrnahm, was er tat und sagte. Es war als ob man mit einer Puppe sprechen würde, die einen ansah, aber niemals in der Lage sein würde einem zu antworten. Leere und Hilflosigkeit waren die Gefühle, die ihn,seitdem sie hier lag, überwältigten. Er konnte nur zusehen und nichts tun.
 

Er ist wieder da, er ist immer da.....ich kann ihn hören..... aber nur hören, nicht riechen..... nicht fühlen.......ich höre jedes einzelne Wort, das du sagst....... ich kann dir nicht antworten und ich weiß nicht warum......mir scheint es als wäre ich gefangen....nein ich schlafe.....ja das kommt dem Ganzen näher....ich schlafe und höre dennoch alles....aber wieso kann ich nicht erwachen?.....warum nur nicht?.....ich will nicht dass er weiterhin traurig ist und will ihn wieder fröhlich reden hören.....nein nicht nur reden auch sehen.....fühlen....riechen....ich will bei ihm sein.....ihn in die Arme nehmen.....bitte weck mich auf....weck mich auf!
 

Ihre Augen begannen sich schnell hin und her zu bewegen, was geschah da mit ihr? War es etwas lebensbedrohendes? Er fragte sich welche Ironie seine Fragen mit sich brachten, sie war lebensbedrohend krank, sonst würde sie hier nicht liegen. Aber dennoch stellte er sich die Fragen, als ob er sein Gewissen damit beruhigen wollte. Draußen begann es dunkel zu werden und der Wind wehte stärker als zuvor. Die bunten Blätter der Bäume tanzten im Wind und es sah so aus, als ob es ihnen gefallen würde. Er stand auf und ging zum Fenster und starrte in die anbrechende Dunkelheit. In der Scheibe betrachtete er sein Spiegelbild und er fragte sich, ob das alles so richtig war, was hier geschah. Als man die Diagnose feststellte, war es scheinbar schon zu spät. Dieser Hirntumor drückte auf ihr Gehirn, dass es anfangs nur Kopfschmerzen waren und sich später dann zu Schwindel und Atem- und Bewusstseinsstörungen entwickelten. Das Ende vom Lied war das Koma, in dem sie sich immer noch befand und niemand konnte ihm genau sagen, ob sie jemals wieder aus diesem Schlaf erwachen würde.
 

Er erinnerte sich daran, dass sie das Märchen von Dornröschen so gerne hatte und er ihr dieses als Kind oft vorgelesen hatte. Sie wollte auch immer in einen tiefen Schlaf fallen und von einem Prinzen wach geküsst werden. Immer wieder musste er ihr diese Geschichte vorlesen und ihr versprechen, dass irgendwann auch für sie ein Prinz kommen würde, der sie wach küsst. Manchmal verkleidete sie sich als Dornröschen und er musste ihren Prinzen spielen, immer und immer wieder. Er strich ihr immer über die Haare und küsste sie auf die Stirn und das Dornröschen erwachte. Diese Vorstellung erschien ihm auf einmal so makaber, aber er konnte in diesem Moment nicht anders und versuchte sich etwas schönes zu erinnern, was ihr so viel Freude bereitet hatte. Nun lag sie hier als Dornröschen, nur ohne Rosen, ohne ein schönes Kleid, nur krank und schwach. Ihre Haare hatten ihren Glanz verloren und auch ihr Lächeln verschwand mit der Zeit und er glaubte, dass es auch nie wieder zurückkehren würde, selbst wenn sie wieder wach werden sollte. Es kam ihm so vor, als ob er in einen Schlaf gefallen wäre und dieser Traum, in dem er sich befand, davon abhielt wach zu werden und ihn in dieser Welt, die er nicht wollte, gewaltsam festhielt. Wenn dies ein Traum war, dann war es der schrecklichste Traum, den er je geträumt hatte. Er sah sich im Zimmer um. Die Wände waren in diesem schrecklichen Krankenhaus weiß gestrichen, ebenso die Decke. Das Einzige was die Wand zierte war ein Kreuz, ein einfaches Holzkreuz, was vermutlich schon seit Jahrzehnten dort hin, zumindest schien es ihm so. Ihm fiel ein Bild auf, welches über dem Bett hing. Es zeigte eine Blumenwiese in einer Sommernacht. Aus irgendeinem Grund fesselte ihn das Bild so sehr, dass er sich nur mit Mühe von ihm losreißen konnte. Je länger er darüber nachdachte, warum dieses Bild eine so magische Anziehungskraft auf ihn ausübte, desto mehr vergaß er wo er sich eigentlich befand. Seine Gedanken kreisten um dieses Bild, in diesem war etwas so vertrautes, etwas was er schon seit Jahren kannte, jedoch konnte er nicht sagen was es war. Dann hört er ein Geräusch, es war seine Schwester, die wohl etwas träumte und sich dabei in dem Krankenbett drehte. Er sah wie sie ihren Kopf immer wieder hin und her warf und dabei immer wieder irgendwelche Laute von sich gab. Scheinbar störte irgendetwas ihren bis dahin ruhigen Schlaf, jedoch konnte er nicht ausmachen was es war. Er überlegte ob er daran Schuld war, dass er nicht bei ihr gesessen hatte und ihre Hand hielt. Dies holte er nach und sofort sie griff nach seiner Hand, als ob sie gesehen hätte, dass er sich wieder zu ihr setzte und ihre Hand halten wollte. Auf einmal wurde ihre Atmung ruhiger und ihre Laute verstummten. Sie war eingeschlafen und auch ihn übermannte der Schlaf und so legte er den Kopf auf seine Arme, die immer noch auf dem Krankenbett ruhten.
 

Die warmen Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster und schienen ihm ins Gesicht. Sie wärmten seine Wange und ein wenig Licht fiel in seine Augen. Er blinzelte und wachte langsam auf. Seine Hand ruhte noch immer in der Hand seiner Schwester, dabei hätte er schwören können, dass er ihre Hand gehalten hatte. Er zog seine Hand langsam aus ihrer heraus und begab sich hinaus in den kleinen Park, der zum Krankenhaus gehörte. Die Blätter waren bunt, in allen Farben, die sie haben können. Ein leichter Wind wehte und die Blätter tanzten im Wind. Er setzte sich auf eine Bank und blickte auf den Baum und sah den Blättern zu, die langsam auf den Boden fielen. In den letzten Tagen hatte er so oft hier gesessen und nachgedacht, so oft hatte er zum Baum gesehen, der mit der Zeit immer bunter wurde. Von den grünen Blättern, die er am Anfang noch trug, war nichts mehr übrig geblieben und es würde nicht all zu lange dauern und der Baum würde keine Blätter mehr tragen. Jeder Tag war gleich, er kam zum Krankenbett und sah sie dort liegen, schlief dann bei ihr ein und ging morgens in den Park hinaus, um ein paar Stunden..... Minuten an der Luft zu sein. Jedoch war heute etwas anders, als sonst. Vielleicht nahm er es auch nur dieses mal war. Der Wind müsste doch leise Töne in der Krone des Baumes pfeifen, aber er hörte nichts, nicht einmal einen Vogel, nichts. Es war so ruhig, als ob keine Geräusche jemals existiert hätten. Wie konnte das sein?, fragte er sich. Er saß noch ein paar Minuten dort und dachte darüber nach, aber ein anderer Gedanke drängte sich wieder in den Vordergrund. Dieses Bild, er musste herausfinden, was dieses Bild an sich hatte und so stieg er die Treppenstufen wieder nach oben in den dritten Stock und betrat das Zimmer seiner Schwester. Als er das Zimmer betrat, blieb er wie angewurzelt stehen. Seine Schwester lag nicht mehr in ihrem Bett, sie war gar nicht in diesem Raum. Das Bett war leer und es schien ihm, als ob dort nie jemand gelegen hätte. Er war nicht in der Lage irgendetwas zu denken und setzte sich auf den Stuhl, auf dem er die ganze Nacht verbracht hatte, nur um ihre Hand zu halten. Dann fiel sein Blick wieder auf das Bild, er trat heran und nahm es von der Wand um es sich besser ansehen zu können. Plötzlich stockte ihm der Atem und er warf das Bild gegen die Wand. Das Glas des Rahmens zersplitterte und legte das Bild völlig frei. Erschrocken über seine Tat ging er zu den Scherben und hob das Bild auf. Dieses Bild konnte nicht echt sein, dachte er sich immer wieder. Jemand erlaubte sich einen Scherz mit ihm, doch auch als er länger darauf starrte, es veränderte sich nicht. In dieser Blumenwiese saß ein Mädchen, mit einem großen Hut und sie pflückte Blumen zu einem großen Strauß. Noch einmal betrachtete er sich das Gesicht des Mädchens und er wurde kreide bleich. Dieses Mädchen auf dem Bild, war seine kleine Schwester. Was um alles in der Welt tat sie dort und woher kam dieses Bild, er konnte sich nicht daran erinnern, dass er sie jemals auf einer solchen Wiese gesehen hatte, mit diesem Kleid und diesem Hut. Dann auf einmal hörte er wie aus dem Nichts etwas, was ihm vertraut war. Eine Stimme, die zu ihm sprach. Sie rief nach ihm. Er erkannte diese Stimme, es war die liebliche Stimme seiner Schwester, die zu ihm sprach. Ihm wurde schwer ums Herz und so legte er sich auf ihr Krankenbett und vergrub seinen Kopf ins Kissen. Tränen liefen ihm übers Gesicht. Plötzlich spürte er eine Berührung, ganz sanft an seiner Stirn und er vernahm die Stimme, die an sein Ohr drang und ihm sagte: "Es wird Zeit aufzuwachen aus deinem Schlaf Dornröschen!“



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