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Tales of Symphonia: Lyrical Requiem

von

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Am Anfang war das Licht

„… und deswegen ist das Ergebnis dieser Gleichung x – 1y². Verstanden?“

Rotbraune Augen, die rötliche Färbung schien sich gegenüber der Braunen durchgesetzt zu haben, glitt von Zeile zu Zeile der mathematischen Aufgabe bis sie schlussendlich am Ergebnis haften blieben.

„Ähm, na ja.“

Peinlich berührt kratzte das Mädchen sich am Kopf. Sie sollte schon die Wahrheit sagen, richtig? Ihr Freund und Klassenkamerad, seines Zeichens Elf und der Magie bewandt, hatte immerhin versucht, das Problem auf verständliche Weise zu erklären und zu lösen.

Versucht, wohlgemerkt.

„Ly~ra!“

Genius, besagter Elf, drängte auf eine Antwort. Obgleich er auch einfach nur auf sein Gefühl hätte hören brauchen. Die dritte Person im Raum, ein Mädchen mit langen blonden Haaren, konnte sich das Kichern nicht verkneifen.

„Schon gut, schon gut. Ich habe es nicht verstanden.“, gab Lyra schlussendlich geschlagen zu. Mathematik zählte einfach nicht zu ihren Stärken. Genauso wenig wie die meisten anderen Schulfächer.

Genius seufzte. Er hätte es erwarten sollen. Er hätte es einfach erwarten sollen. „Selbst Collet lacht wieder über dich.“, murmelte er und zauberte mit seinen Worten einen bestürzten, wenngleich auch wütenden Ausdruck auf Lyras Gesicht.
 

„Kinder.“ Ein zartes Klopfen war an der Zimmertür zu vernehmen, ehe die Hausherrin das Zimmer der Jugendlichen betrat.

„Sensei!“ Die Mädchen erhoben sich aus ihren Sitzen und verbeugten sich.

Refill Sage.

Sie war die Professorin der Kinder in Iselia und zugleich auch Genius ältere Schwester. Dementsprechend entpuppte sie sich auch als Elf. Ihr Spezialgebiet umfasst Heil- und Lichtmagie.

„Es wird schon langsam dunkel.“ In den meisten Situationen war Refill eine überaus ruhige und besonnene Person, solang eine gewisse Grenze nicht überschritten wurde. Ihr sanftes Lächeln unterstrich diese Beschreibung perfekt.

„Lyra, bringst du bitte Collet nach Hause?“

„Natürlich, Sensei.“

Im Grunde hätte Refill die Bitte nicht extra aussprechen müssen. War es doch Alltag für das Mädchen, ihre Freundin Collet innerhalb des Dorfes zu eskortieren. Nicht, dass eine Gefahr im verschlafenen und vom Iselia Wald verstecktem Dorf auf Collet warten würde. So war es ganz und gar nicht. Jedoch genoss sie einen besonderen Status, der weit über die Grenzen des Dorfes hinausging.

Sie war die Auserwählte von Sylvarant.
 

Vor langer Zeit existierte ein gigantischer Baum, der die Quelle allen Manas war.

Ein Krieg brachte dem Baum den Tod: er vertrocknete und starb.

Das Leben eines Helden wurde an seine Stelle gesetzt.

In ihrer Trauer über den Verlust zog sich die Göttin in den Himmel zurück.

Die Göttin befahl den Engeln:

„Ihr müsst mich aufwecken, sollte ich schlafen, denn sonst wird die Welt zerstört.“

Die Engel brachten die Auserwählte zur Erde, die sich zum Turm begab, der den Himmel berührte.

Und dies war der Beginn der Welterneuerung.
 

So in etwa lautete die Legende dieser Welt. Jene Legende, die sich um Collet drehte.

Sie war die Auserwählte der jetzigen Generation – und mehr denn je sehnten sich die Menschen aller Länder nach der Auserwählten. Leid herrschte auf jedem Fleckchen der Welt, hervorgerufen von den Desians – eine Gruppe von Halbelfen, die in ihren Farmen Menschen quälten und für sich arbeiten ließen. Hinzu kam das immer geringer werdende Mana und die überaus schlechten Ernten in den letzten Jahren.
 

Mana war für die Menschen auf Sylvarant fast noch wichtiger als Wasser. Jene Kraft wurde nicht nur für Zauber, sondern für das Leben selbst benötigt. Ohne Mana könnten keine Pflanzen gedeihen und kein Lebewesen auf längere Zeit überleben. Es war die Luft allen Seins. Nun war es sicherlich mehr als verständlich, dass alle Hoffnung der Menschen auf Collet, die mithilfe des Rituals der Welterneuerung zu einem wahren Engel aufsteigen und das Mana regenerieren würde.

All diese Verantwortung haftete auf den Schultern des Mädchens, die…

„Kyaa~a!“

Bums

Klirr

…sich so gar nicht wie eine Auserwählte verhielt.

„Oh, nein!“

Es war wieder passiert. Collets tollpatschige Seite kam zum Vorschein. Sie stolperte über ein imaginär vorhandenes Hindernis und brachte mit sich eine überaus alte Urne zu Fall. Der Wert dieses antiken Stückes… nun ja. Er vermag im Auge des Betrachters zu liegen. Genauer gesagt im Auge der Betrachterin.

„Äh… Collet, Lyra. Ich bringe euch zur Tür.“

Genius vergeudete keine Sekunde und drängte die Mädchen aus der Räumlichkeit. Es sollte kein Moment zu früh gewesen sein.

„Neiii~hii~heiiin!“

Refills entsetzter Schrei verursachte bei allen Hörern eine Gänsehaut.
 

„Morgen ist es also soweit, eh?“

Morgen, an Collets sechzehnten Geburtstag, würde das Orakel von Cruxis erscheinen und das Mädchen als Auserwählte anerkennen.

Die Reise der Welterneuerung begann mit jenem Moment.

„Ah…“ Collets Blick wandte gen Himmel. Gezeichnet von der untergehenden Sonne erstrahlte dieser in Feuerrot.

„Wir werden die Reise gemeinsam durchstehen.“ Lyra ergriff die Hand ihrer Freundin. „Und gemeinsam unsere Ziele erreichen.“

Für den Hauch einer Sekunde vereiste Collets Gesichtsausdruck. Jener Moment, kürzer als ein Wimpernschlag, blieb für Lyra unbemerkt.

„Ja!“ Collet entgegnete ein warmes Lächeln. „Die Welt wird erneuert… und unsere Suche wird erfolgreich sein!“

„Ah…“ Lyra schloss ihre Augen während ein melancholisches Lächeln auf ihren Lippen verweilte. Die Suche.

„Magst du nicht mit uns Abendessen, Lyra?“

„Oh?“ Überrascht vom abrupten Themenwechsel seitens des jüngeren Mädchens musste die Angesprochene einige Sekunden nachdenken. Mehrmals die Woche fand sie sich als Gast der Familie Brunel wieder. Auch dieses Mal würde sie die freundliche Einladung gerne entgegennehmen, wäre da nicht noch eine Kleinigkeit.

„Ähm… weißt du…“ Oh, das Mädchen hatte schon wieder etwas vergessen. Schande über sie.

„Du bist heute mit dem Kochen dran, richtig?“ Und schon wurde sie von Collet entlarvt.

„Hehe, genau.“ Seufzen. Sie konnte unmöglich bei den Brunels zu Abend essen und ohne jegliche Speisen nach Hause kommen.

„Ich bitte Großmutter einfach, dass sie für dich und Dirk-san etwas einpackt.“

„Wirklich? Danke, Collet. Du rettest mich!“

Freudestrahlend warf sich Lyra um den Hals ihrer Freundin. Beide Mädchen kicherten und alberten den Rest des Weges herum, bis sie vor Collets Haustür standen. Lyra folgte ihr ins Haus und begrüßte höflich Collets Großmutter Phaidra. Sie gehörte zu den ranghöchsten Priestern des Tempel von Martel. Jener Tempel, nördlich gelegen von Iselia auf heiligem Boden, wo die Welterneuerung offiziell beginnen wird. Der Ort, wo das ersehnte Orakel erscheinen wird.

„Ich danke Ihnen, Phaidra-san.“ Bedankend verbeugte sich Lyra und nahm das Päckchen gefüllt mit Essen entgegen.
 

Es dauerte nicht lange, da hatte Lyra das Wachtor des südlichen Ausgangs erreicht. Vielsagende Blicke wurden dem Mädchen von den freiwilligen Dorfwachen zugeworfen. Sie konnte sich schon denken, warum.

„Noishe…“

Ihr Haustier, für alle war Noishe trotz seiner grünen Fellfarbe und außergewöhnlichen Größe ein Hund, hatte seit längerer Zeit bei den Toren Iselias auf Lyra gewartet und ein mulmiges Gefühl bei den Wachmännern verursacht. Niemanden von ihnen war Noishe geheuer. Im Gegenteil. Sie bezeichneten ihn sogar als Monster.

„Komm. Lass uns nach Hause gehen, Noishe!“

Freudestrahlend wedelte Noishe mit seinem Schwanz. Nach Hause bedeutete für ihn nämlich auch gefüttert werden! Sein eigentlicher Hauptgrund, warum er auf Lyra gewartet hatte. Und zum Glück konnte er diesen gut für sich behalten.
 

Wauu…

Ängstlich winselte Noishe, als er und Lyra den Iselia Wald betraten.

„Noishe…“ Ungläubig stemmte das Mädchen ihre Hände gegen ihre Hüften. Es gab kein einziges Monster im gesamten Wald das größer war als ihr Haustier. Und dennoch fürchtete sich Noishe vor jedem, absolut jedem Monster.

„Noi-“

Weiter kam Lyra nicht. Wo einst Noishe an ihrer Seite stand, sah sie nur mehr eine Staubwolke.

„Jedes Mal dasselbe…“, brummte sie und ging alleine den Weg hinein in den Wald. Im Gedanken wunderte sie sich dennoch aufs Neue, wie ihr Hund es dann bloß schaffte, zum Haus zu gelangen. Irgendwo musste er doch durch den Wald laufen, oder?
 

Das regelmäßige Geräusch von Lyras Schritten verstummte, als sie an einer kleinen Kreuzung ankam. Ihr Blick wandte sich nach links.

Die Iselia Menschenfarm.

Der Bürgermeister von Iselia hatte mit den hiesigen Desians einen Nichtangriffspakt geschlossen. Zum Schutze der Auserwählten, wie er offiziell verkündete. Niemand konnte sich vorstellen warum, doch die Desians willigten ein. Natürlich stellten sie eine Bedingung: Niemand aus dem Dorf darf der Farm zu Nahe kommen. Würde sich dennoch jemand finden lassen und Ärger verursachen, wird der Pakt als ungültig erkannt und Iselia wäre Geschichte.

„Diese Desians…“

Lyra ballte ihre Hände zu Fäusten. Zum Teil konnte sie die Vorsichtsmaßnahme des Bürgermeisters verstehen, aber dafür so viele Menschen leiden lassen? Einfach die Augen verschließen und so tun, als würde nichts passieren?

Nein. Sie hatte nicht das Recht, diese Fragen zu stellen. Immerhin befolgte das Mädchen auch nur brav die Anweisungen – die des Bürgermeisters und ihres Ziehvaters, Dirk. Niemals dürfte sie sich von einem Desian sehen lassen, hatte er ihr immer gesagt. Es wäre zu ihrer eigenen Sicherheit.

„!“

Lyra hörte Stimmen. Zwei Desians befanden sich gerade auf Patrouille und kamen auf sie zu.

<Wuah, nichts wie weg!>

Wenn sie Glück hatte, würde sie davonkommen. Wenn sie bloß…

„Stehen bleiben!“

„Verdammt…“

Augenblicklich hielt sie an. Jetzt hieß es den Schaden so gut wie möglich zu vermindern. Sie zwang sich zu einem Lächeln und drehte sich zu den Halbelfen um.

„J-ja, meine Herren?“

Ihr lag es gar nicht, jetzt und hier freundlich mit diesen… Tyrannen zu reden.

„Was hast du hier zu suchen, minderwertiges Wesen?“

Minderwertiges Wesen, genau. Desians sahen die Menschen wie Dreck an. Nur sie, die Desians, waren natürlich überragender. Eine Rasse, die weit über den Menschen stand.

Meinten sie zumindest.
 

„Morgen wird endlich das Orakel erscheinen, Marble-san.“

Ein kleiner Junge hatte sich clever an Desians und Überwachungskameras vorbei schleichen können und stand nun – getrennt durch einen Zaun – einer älteren Dame gegenüber. Die Jahre, die die Frau schon in der Menschenfarm verbringen mussten, zeigten sich in ihrem Gesicht wider. Und obwohl – oder gerade weil – sie die Strapazen in der Farm über sich ergehen lassen musste, behielt Marble immer ein warmes und aufrichtiges Lächeln. Jenes Lächeln, das sie nun ihrem kleinen Besucher schenkte.

„Ich danke dir, Ge-“

„Stehen bleiben!“

Marble wurde unterbrochen. Geschockt blickte sich der Junge um. Obwohl der Aufschrei der Desians so laut war, befand sich die Patrouille am Ende des Weges.

„Bring dich lieber in Sicherheit.“ Marble wollte kein Risiko eingehen und den Jungen unnötig in Gefahr laufen lassen.

„Ich werde morgen wieder kommen. Gleich nach dem Orakel!“, versprach er und huschte ins Gebüsch. Keine Sekunden später konnte Marble kein einziges Rascheln mehr vernehmen.

„Pass auf dich auf, Genius.“
 

„Ich bin auf dem Weg nach Hause, verehrte Desians.“

Lyra verschränkte ihre Arme und blickte mit erhobenen Augenbraun zu ihren Gegenübern. Sie musste sich sehr zusammenreißen, um den Desians gegenüber nicht abwertend zu wirken.

… und verdammt. Zu gerne würde sie ihr arrogantes Verhalten zurechtweisen!

„Hier im Wald?“

Wenn Lyra könnte, hätte sie sich nun auf die Stirn geschlagen. Nein, natürlich auf Tethe’Alla, dem Mond!

„Ja. Ich bin die… Ich wohne bei dem Zwerg namens Dirk. Um nach Hause zu kommen, muss ich den Iselia Wald durchqueren.“

Die Erklärung klang logisch und auch einleuchtend. Hinzu kam, dass sie der Wahrheit entsprach. Das war den Desians klar, auch wenn es ihnen nicht gefiel.

„Was ist hier los?!“

Augenblicklich schreckten die beiden Halbelfen zusammen und wandten sich binnen Sekunden zu der vierten Person, die das Szenarium betreten hatte.

„Forcystus-sama!“

Ah. Anscheinend der Anführer des Haufens.

„Dieses Mädchen durchquerte den Wald und ha-“

„IST auf dem Weg nach Hause.“, beendete Lyra den Satz. Genervt verdrehte sie ihre Augen. Wer weiß was diese Fußsoldaten von Desians erzählt hätten, wenn sie nicht eingegriffen hätte.

„Hm.“ Forcystus begutachtete skeptisch das Menschenmädchen. „Mir gefällt dein Verhalten nicht.“

Trotz seines drohenden Untertons brach Lyra den Blickkontakt nicht ab. Sie würde standhaft bleiben, egal was auf sie zukam.

„Doch für heute müssen wir dich leider gehen lassen. Ihr beiden!“

Und wieder zuckten sie zusammen. Welch Angst in ihrem Gesicht zu erkennen war! Schadenfroh musste Lyra grinsen.

„Es scheint, dass wieder jemand unbefugtes das Grundstück betreten hat. Überwacht die Umgebung, sofort!“

„Jawohl Sir!“
 

„Oyaji, ich bin wieder da.“

Das Haus von ihr und Dirk war nur spärlich beleuchtet. Einzige Lichtquelle kam von einem weit entfernten Zimmer. Regelmäßiges Hämmern erklang. Dirk arbeitete immer noch.

Lyra stellte das Essen am einzig vorhandenen Tisch im Wohnbereich ab und nahm etwas für sich und Noishe mit.

„Oyaji, ich bin wieder weg.“

Noishes Stall war direkt ans Haus angebaut. Überall lag Heu verstreut, worauf der Hund Nacht für Nacht schlief.

Wau, wau!

Hungrig kam er Lyra entgegen gesprungen. Oh, wie lang er darauf gewartet hatte!

„Ja, ja. Du kleiner Feigling.“

Entschuldigend winselte Noishe und blickte sein Frauchen mit bettelnden Augen an. Natürlich konnte sie nicht standhaft bleiben.

„Argh, du Nervensäge!“ Lachend wuselte Lyra sein Fell und aß gemeinsam mit ihren Hund zu Abend.
 

Bald wurde es komplett finster. Einzig die Sterne erstrahlten am Firmament. Es war an der Zeit, den heutigen Tag dem Rücken zu kehren und in einem erholsamen Schlaf auf das Morgen zu hoffen.
 

Doch bevor die Sonne über Sylvarant wieder aufgehen sollte, erhellte ein anderes Licht den Nachthimmel.
 

Ein Licht, dessen Zentrum der Tempel von Martel war.



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