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Andys Jugendsünden I

von

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Abschied

Es war eine Woche vor den Sommerferien.

Frau Anigris erzählte ihrer 10. gerade etwas über die Präsidentschaftswahlen in Amerika, als es zwei Mal an der Türe klopfte und Fräulein Minkis ins Zimmer trat.

„Tobias? Die Rektorin möchte Sie einen Moment sprechen.“, meinte sie spitz. Hatte wieder ihr unnahbares Gesicht aufgesetzt.

Tobs seufzte leise auf. Spielte mit seinem Kugelschreiber herum. „Wieso?“, fragte er gelangweilt. Er hatte überhaupt keine Lust zu dieser alten, dennoch agilen Frau zu gehen. Schon gar nicht weil sie Englisch hatten. Sein absolutes Lieblingsfach. Auch wenn ihn die Wahlen nicht unbedingt interessierten.

Sie ließ sich nicht beirren. „Das wird Sie Ihnen früh genug sagen. Kommen Sie bitte.“

„Na super.“, knurrte er.

„Ich warte oben auf dich.“, flüsterte Andy.

„Okay.“, nuschelte er entnervt, packte seine Sachen zusammen und folgte der Frau zum Büro von Frau Misleuf. Klingelte munter vor sich hin. Mittlerweile war sogar an seiner Tasche Glöckchen und Schellen angebracht worden. Ach, er liebte es einfach.

„Frau Rektorin, der junge Mann ist hier.“, meinte sie als die beiden eintraten.

„Ah, ja. Setzten Sie sich doch bitte.“, bot sie ihm höflich an und Tobs gehorchte ohne Widerrede.
 

Es war halb zwei, als Tobs miesepetrig in den Kollegstufenraum gestapft kam. Er gab Andy einen flüchtigen Kuss und ließ sich mit einem lauten Plumpsen neben ihm nieder. Schloss die Augen und seufzte tief auf.

„Was wollte sie denn von dir? Hat ja eine Ewigkeit gedauert.“, fragte der Schwarzhaarige verblüfft und legte seine Lateinsachen zur Seite. Blickte seinen Freund mit hochgezogenen Augenbrauen an.

Tobs schüttelte für einen Moment den Kopf. „Sie hat mir, ich sag jetzt mal einen Vorschlag gemacht.“

„Der wäre?“

„Aufgrund meines Berufsziels hat sie es arrangieren können, dass ich nächstes Jahr nach England fliegen kann.“, meinte er und klang dabei nicht sonderlich erfreut. Er war vollkommen zwiegespalten.

Andy sah etwas bestürzt aus. „Wie lange?“ Irgendwie konnte er das ja nicht so ganz glauben.

„Das ganze nächste Jahr bis zu den Sommerferien.“, murmelte er halblaut. Auf der einen Seite freute er sich auf die Reise, allein deshalb, weil er das für seinen späteren Beruf sicherlich gut gebrauchen konnte, aber auf der anderen Seite, war er traurig darüber, Andy ein volles Jahr lang nicht zu sehen.

„Das ist nicht dein Ernst?“, fragte Andy leise mit heiserer Stimme.

„Doch mein voller Ernst.“, nickte Tobs und fuhr sich zerstreut durch die Haare.

„Das können die doch nicht machen.“ Ein enttäuschter Unterton machte sich in seiner Stimme breit.

„Wie man sieht schon.“, zuckte er die Schultern.

„Wann fliegst du?“ wollte der Schwarzhaarige betrübt wissen.

„Kurz vor Schulbeginn des nächsten Jahres. Ich glaub zwei Tage davor.“, zuckte Tobs die Schultern und lehnte sich an seinen Freund. „Weist du, das ist echt voll bescheuert. Es ist schon klasse dass ich da hin darf, aber auf der anderen Seite total besch… issen. Ich mein ein Jahr nichts als telefonieren oder Briefe schreiben…“, seufzte er.

„Was ist mit Briefchen schreiben?“ Krissy war gerade ins Zimmer gekommen und setzte sich den beiden gegenüber. Grinste für einen Moment. Briefchen schreiben und das in dem Alter? Das hatte sie in der fünften gemacht aber jetz? Nein, aus dem Alter waren sie eindeutig raus.

„Nicht so wichtig.“, winkte Tobs ab.

„Nicht so wichtig? Ich frag mich, was dir dann überhaupt noch wichtig ist.“, brummte Andy und schlang seine Arme um seinen Freund.

„Was ist denn mit euch los?“

„Der junge Mann hier zu meiner rechten, fliegt für ein Jahr nach England.“, murrte er ungehalten. Er fand es auch nicht sehr toll, dass sie sich für ein Jahr nicht sahen, aber er freute sich ein bisschen, dass Tobs seinem Beruf so einen Schritt näher gekommen war.

Krissy schlug die Hände zusammen. Sah die beiden strahlend an. „Echt? Ist doch klasse! Oder nicht?“ Sie hob eine Augenbraue. Die beiden Männer sahen nämlich nicht unbedingt glücklich aus.

„Kann man sehen wie man will.“, nuschelte Tobs.

„Ach komm, so wie ich euch kenne, bekommt ihr das auch noch auf die Reihe. Na ja, ich hau ab, muss noch was erledigen. Macht’s gut Jungs.“, verabschiedete sie sich fröhlich und verschwand.

„Sie hat irgendwo Recht. Das bekommen wir schon irgendwie gebacken, hoff ich jedenfalls.“, meinte Andy nickend und fing sich einen traurigen Blick seines Freundes.

„Hoff ich auch, aber so sicher bin ich mir nicht. Wir werden sehen. Genießen wir die Zeit…“, seufzte Tobs und küsste seinen Freund sanft.

„Ich wüsst auch schon wie.“, grinste er matt.

„Joa, ich auch.“

„Isar, was meinst du?“, fragte Andy. Es war brütend heiß draußen und somit die beste Gelegenheit, sich an einen schönen kühlen See zu setzten, allerdings war hier in München keiner zur Verfügung. Und bis nach Unterföhring wollte er nun auch nicht fahren. Zudem war das Wasser des Feringasees mittlerweile dermaßen verdreckt, dass man noch nicht einmal am Ufer mehr auf den Grund blicken konnte. Ähnlich wie der Olympiasee, und die Füße im Wasser baumeln zu lassen.

„Hm… warum nicht.“ Tobs nichte nur leicht. Er hatte zwar nicht die Lust, aber ein wenig Ablenkung würde ihm nicht schaden.

Die beiden standen auf, stopften flott ein Handtuch in ihre Rucksäcke und marschierten los.
 

Der Stammplatz an der Isar war keine 15 Minuten von dem Internat entfernt. Es waren eine Menge Leute dort. Kinder spielten im seichten Wasser, wo die Ströhmung nicht so stark war, die Eltern saßen daneben und wurden mit Sand beworfen. Es war ein netter Anblick, wie kleine Babys mit Windeln immer wieder aufquiekten, als sie ihre Mutter in das angenehm kühle Nass plumpsen ließen und wieder heraushoben.

Dafür, dass so viel los war, konnte man behaupten, dass es ziemlich ruhig war. Die meisten Jugendlichen waren noch in der Schule und das, fand Andy, war auch gut so. Die beiden ließen sich unter einer großen Weide nieder.

„Ach, ihr seid auch hier?“ Krissy beugte sich von hinten über Andy und lächelte ihn an.

„Ich hab gedacht du müsstest noch was erledigen?“, fragte Tobs und setzte sich auf.

„Tja, das ist schon passiert. Hach, bald sind Ferien… ist das geil.“, seufzte sie. „Wir dürfen euch Gesellschaft leisten, ja?“ fragte sie.

„Wer ist ´wir´?“, wollte Andy wissen und genau in dem Augenblick tauchten zwei weitere Mädchen hinter ihr auf.

Es waren Annika - welche mit ihren kurzen roten Haaren, dem runden Gesicht, dem muskulösen Körperbau eher männlich aussah – und Emilie, welche mit ihren üppigen Rundungen kaum in ihre Hose passte. „Sicher…“, nickte Andy.

„Wer kommt mit ins Wasser?“, fragte Krissy mit leuchtenden Augen in die Runde.

„Wir“, meldeten sich die Neuankömmlinge.

„Du kommst auch mit…“, entschied die junge Frau für Andy und zog ihn an den Händen auf die Füße.

„Ich will aber nicht.“, nörgelte er. „Ach komm… lasst mich in ruhe!“

„Ach was, eine Abkühlung wird dir nicht schaden.“, grinste Tobs und gab seinem Freund einen kleinen Schubs.

„Wer muss da reden?“ Er streckte ihm die Zunge raus und blieb hartnäckig stehen, doch die drei Mädels zogen ihn mit aller Gewalt mit.

„Späääter.“, kicherte Tobs.

„Lasst mich lohoos…“, wehrte sich der junge Mann und tatsächlich, sie ließen ihn los, doch genau das war die Gelegenheit für Andys Freund. Er stand auf und rannte leise zu dem Schwarzhaarigen und ehe er sich versah, schlang Tobs ihm die Arme um die Hüften und da er noch so viel Anlauf hatte, stürzten die beiden unsanft ins Wasser.

„Sooo, das hätten wir auch.“, lachte Krissy, als sie Andys bedröpeltes Gesicht sah.

„Pff… ihr seid doch echt…“ Er unterbrach sich und beäugte seinen Freund, welcher grinsend vor ihm aufgetaucht war.

„Was sind wir?“, fragte er lächelnd und schlang seine Arme um das Genick des Schwarzhaarigen.

„Gemein.“, meinte er beleidigt und drehte seinen Kopf demonstrierend zur Seite.

„Ach komm…“

„Ja… da siehste mal…“ Andy fing an zu kichern. „Ihr seid echt blöd.“

„Hach, ja. Ich glaub das hat abgefärbt.“, nickte er.

„Hei, sei froh dass ich dir gestern nicht doch noch die Haare gefärbt hab.“, meinte Andy empört.

„Hm… ja. Ich glaube das wäre eben schlecht ausgegangen.“, zwinkerte er.

„Tz…“ Andy schüttelte den Kopf, wand sich aus Tobs Umarmung und watete aus dem Wasser.

„Spielverderber!“, rief er ihm hinterher.
 

Bibbernd legte sich der Schwarzhaarige auf sein Handtuch, schloss die Augen und döste weg. Fünfzehnminuten später wachte er auf, da jemand seinen Rücken mit Wasser betröpfelte.

„Tobs geh weg.“, murmelte er, doch sein Freund grinste nur gemein und ließ sich geradewegs auf Andys Rücken sinken. „Du bist eiskaaalt!“, rief er und versuchte sich zu wehren.

„Ja eben. Und du schön warm.“, schnurrte er.

„Hei, sucht euch ein Bett.“, lachte Krissy auf und fläzte sich auf ihr eigenes Handtuch. Seufzte wohlig auf. Setzte ihre Sonnenbrille auf die Nase und streckte alle Viere von sich um sich von der Sonne trocknen zu lassen..

„Neidisch was?“, zwinkerte Andy.

„Na ja. Kommt drauf an auf wen.“, meinte Emilie und die drei Frauen brachen in lautes Gelächter aus.

„Tjapp, ich glaub nur, dass ihr sie euch aus dem Kopf streichen könnt.“, meinte Krissy weise.

„Jaa, würde ich sagen.“, nickte Tobs zustimmend und drückte seinem Freund einen Kuss auf.

„Hmh…“, stimmte Andy zu, welcher mittlerweile auf dem Rücken lag. Sein Schatz hatte einen Arm über seinen Bauch gelegt und döste vor sich hin.
 

Es wurde noch ein lustiger und angenehmer Nachmittag.

„Hey, wir hauen wieder ab.“, meinte Krissy um halb sechs und packte ihre Sachen zusammen.

„Hm, jaa… macht nur.“ Andy gähnte herzhaft und grinste verschlafen.

„Wann kommt ihr?“, fragte Annika.

„Tja, kommt drauf an was wir machen.“, zwinkerte Tobs und malte kleine Zeichen auf Andys Schlüsselbeine.

„Du Sau.“, schüttelte Emilie den Kopf.

„Mal schaun… keine Ahnung. Später jedenfalls.“, entgegnete der Schwarzhaarige.

„Na dann viel Spaß noch.“, lächelte Krissy und die drei Frauen zogen von dannen.

„Werden wir haben, oder?“, flüsterte Tobs. Andy schmunzelte nur und küsste seinen Freund.

„Also ja.“, kicherte er.
 

Viele Leute waren nicht mehr hier, denn sie mussten wohl schnell nach Hause, um Abendessen zu kochen. Doch auf Essen, hatten die beiden keine Lust. Sie wollten die restliche Zeit, die sie noch zusammen verbringen konnten, genießen und so gut es ging nutzen. Andy konnte sich nicht damit anfreunden, dass Tobs wegflog.

„Kommst du noch mal mit ins Wasser?“, fragte dieser und erhob sich.

„Weil du ´s bist.“, lächelte der Schwarzhaarige, welcher zugleich auf die Beine gezogen wurde.

Er fröstelte einen Moment, als ihn das kühle Wasser berührte, doch nach einiger Zeit verging es wieder. Mit geschlossenen Augen ließ er sich auf dem Wasser treiben, bis Tobs ihn aus Spaß an den Beinen zog und er beinahe untergegangen wäre.

„Depp.“, grummelte er.

„Aber ein süßer…“ Tobs legte den Kopf schief und blickte seinen Freund aus Dackelaugen an.

„Hm, das müsst ich mir überlegen.“, meinte Andy hart. Er fing sich einen bösen Blick und fand sich keine Sekunde später in einem berauschenden Kuss wieder. „Ich glaub, wenn das immer so ausartet, werde ich’s mir noch länger überlegen.“, kicherte er, als ihre Lippen voneinander abließen.

„Pff…“, schüttelte Tobs den Kopf. Er zog den Schwarzhaarigen in eine innige Umarmung und küsste dessen Brust. „Gehen wir dann? Es wird, finde ich, langsam kalt.“, murmelte der junge Mann und sah in Andys Gesicht.

Er hatte die Augen geschlossen. Er sah entspannt aus. Widerwillig blickte er Tobs an. Es war ein so liebevoller Blick, wie der junge Mann ihn noch nie zuvor bei Andy gesehen hatte. Er wirkte traurig. Betrübt. Als würde ihm eine schwere Last auf den Schultern liegen. „Hm… lass uns gehen.“, nickte er langsam. Sie wateten aus dem kühlen Nass, packten ihre Sachen zusammen und machten sich auf den Weg zurück zum Internat.
 

Andy saß auf dem Fensterbrett in ihrem Zimmer, als Tobs frisch geduscht vor ihm auftauchte. Er blickte ihn einen Moment an.

„Ist da draußen etwas Interessantes?“, fragte er interessiert und stützte sich mit den Ellenbogen auf dem kalten Marmor ab.

„Hm? Nicht wirklich. Nur ein paar kleine Kinder, welche sich, wie es den Anschein hat, ziemlich in den Haaren liegen.“, zuckte der Schwarzhaarige die Schultern.

„Hey, alles okay?“, wollte er wissen, denn es war, seit sie zusammen waren, selten passiert, dass Andy deprimiert da saß und wie apathisch vor sich hin starrte.

„Nee…“, grummelte Andy und rutschte von seinem Platz. „Gar nichts is okay.“, schüttelte der junge Mann den Kopf, während er seinen Freund an sich zog.

„Wieso?“ Tobs hörte sich besorgt an und legte Andy seine Arme um die Hüften.

„Ich will nicht dass du gehst.“, seufzte er traurig und bettete seinen Kopf auf dessen Schulter. „Das kannst du nicht machen…“

„Es wird nicht anders gehen.“, verneinte Tobs betrübt.

„Warum nicht?“

„Weil es, ich sag jetzt mal, schon alles ausgemacht ist. Ich kann keinen Rückzieher machen. Andy, das ist meine Chance…“

„Ich weis… aber ich kann mich nicht damit anfreunden.“, außerte sich der Schwarzhaarige. „Tut mir leid.“, entschuldigte sich Andy, ließ seinen Freund los und legte sich schwermütig auf sein Bett.

„Hey, wir haben noch gut zwei Monate. Lass sie uns genießen und das Beste daraus machen. Wie wär’s?“, schlug Tobs kraftlos lächelnd vor, setzte sich neben ihn aufs Bett und strich seinem Schatz gedankenverloren durch die Haare.

„Versuchen wir’s.“, nickte Andy, zog Tobs zu sich hinunter und küsste ihn sacht. Er umarmte seinen Freund und sie blieben lange Zeit einfach so liegen. Ohne ein Wort zu sprechen. Ohne eine weitere zärtliche Berührung auszutauschen.
 

Es war ein angenehmes Gefühl, in Tobs beschützenden Armen etwas Ruhe zu finden. Er strahlte eine, für Andy ungewohnte, Wärme aus. Es war eine wohltuende Wärme. Sie schenkte ihm Geborgenheit und brachte ihm inneren Frieden. Er liebte dieses Gefühl, welches er noch nie so intensiv empfunden hatte. Wie liebte er es, mit seinem Freund hier zu liegen. Es war einfach, er wusste nicht wie er es beschreiben sollte…

Toll? – Das war nicht das richtige Wort.

Perfekt? – Das war es auch nicht.

Unglaublich? – Vielleicht war es das.

Wunderbar? – Mehr als nur das.

Ihm fehlten jegliche Worte, um das, was er fühlte, zu beschreiben. Wenn er seinen Gefühlszustand zeichnen müsste, wäre es wohl ein Bild mit zarten rosenähnlichen Farben. Sie beide würden in einem Meer von Rosenblättern liegen.

Wie im Paradies.

Doch, wie konnte er es das Paradies nennen, wenn er nicht einmal wusste, wie es dort wirklich war? Wie konnte er über etwas sprechen, von dem er überhaupt nicht wusste, ob es ein solches gab?

Er vermochte es nicht zu erklären. Vielleicht stellte er sich so das Paradies vor?

So war es wohl. Mit Tobs an seiner Seite in eine andere Seinsweise hinüber zu gleiten. Das war es wohl…

Andy begriff nicht, warum seine Augen plötzlich unangenehm anfingen zu brennen. Sie taten weh. Und er wusste was es bedeutete. Er weinte. Seit langer Zeit wieder eine Träne. Doch nicht welche des Schamgefühls, der Traurigkeit, der Hoffnungslosigkeit, sondern des Glückes. Wegen dem Glück, dass er hier, neben seinem Schatz liegen konnte. Ihn in seinen Armen halten konnte und diese unbeschreibliche Wärme spüren durfte.

Unzählige salzige Diamanten rannen ihm über die Wangen. Er wollte sie aufhalten, doch es gelang ihm nicht.

Tobs sah ihn mit seinen smaragdgrünen Augen an. Sie durchbohrten ihn regelrecht. Aber es war nicht unangenehm. Es fühlte sich an, als würde er direkt in sein Herz hineinsehen. Was würde er finden? Eine undurchdringliche Dunkelheit, welche drohte, ihn von innen heraus zu zerstören?

Nein. Mit Sicherheit nicht.

Er würde ein vor Glück überquellendes, nach ihm schreiendes Etwas finden, welches sich nach ihm verzehrte. Seine Arme nach ihm ausstreckte um ihn einzufangen, damit er nie mehr gehen würde.

Tobs lächelte Andy an, flüsterte ihm etwas Unverständliches ins Ohr und strich ihm seine Tränen von den Wangen.

„Du wirst mich nicht verlassen, oder?“, wisperte der Schwarzhaarige.

„Niemals.“, schüttelte er den Kopf, denn er wusste, was er meinte. Er würde ihn für dieses eine Jahr verlassen. Aber niemals, würde er aus seinem Herzen verschwinden. Niemals würde er diese Innigkeit verlassen. Er würde sich nie in seinem Leben von seinem Schatz trennen. Wenn es einer von ihm verlangen würde, brächte er sich eher um, als diesem Verlangen nachzugehen.

Diese wunderbare Zeit wollte er nicht vermissen müssen.

„Ich werde immer bei dir sein, mein Schatz.“, hauchte Tobs zurück und küsste Andy zärtlich.

„Versprochen?“ Andy wollte ihn nicht verlieren. Nie mehr!

„Versprochen.“, lächelte Tobs nickend. Sein Freund erwiderte das Lächeln und schloss entspannt die Augen. Sein Atem ging regelmäßig. Der junge Mann kuschelte sich noch weiter an seinen Freund und war ein paar Minuten später eingeschlafen.
 

Die restlichen Wochen vergingen, so kam es den beiden vor, als wären die Uhren vorgestellt worden. Kaum war es Anfang der Ferien, war die Hälfte schon wieder verflogen.

Die zwei Turteltauben verbrachten die meiste Zeit an dem nahe gelegenen See. Manchmal saßen sie auch unter dem Kirschbaum, welcher mit seiner Blütenpracht protzte. Oder, sie lagen ihn ihrem Zimmer, machten alle möglichen, unanständigen Sachen, oder fläzten schweigend auf Andys Bett herum. Es war eine innige, traurige und ziemlich melancholische, restliche Zeit, welche sie zusammen verbrachten.

Andy wollte einfach nicht, dass sein Geliebter fort ging. Allein der Gedanke daran, ließen ihn Tränen in die Augen treten. Er wollte es immer noch nicht wirklich wahrhaben, doch ihm blieb nichts anderes übrig, als „adieu“ zu sagen.

Tobs ziehen zu lassen.

Es war ja nicht für immer. Doch für eine lange, sogar unheimlich lange Zeit, welche er wohl nur mit Müh und Not überstehen würde.

Er konnte nichts anderes machen, als sehnsüchtig auf ihn zu warten. Darauf zu warten, dass er ihn wieder in seine Arme schließen konnte.
 

Die letzte Nacht vor Tobs Abreise war die schlimmste, die sie zusammen je erlebt hatten. Andy lag unter seiner Decke auf dem Bett und wollte nichts mehr hören und sehen. Doch ihm blieb nichts anderes übrig, denn sein Freund kam leise in ihr Zimmer getrappelt, zog dem jungen Mann die Zudecke weg und grinste ihn an.

„Du bist fies.“, grummelte er.

„Jaa… das ist wahr.“, schnurrte Tobs ihm ins Ohr. Andy blickte ihn etwas gequält an, streckte seine Arme aus und schloss seinen Schatz in eine wohlig, warme Umarmung.

„Du erdrückst mich.“, machte Tobs sich heiser bemerkbar.

„Tschuldige.“, nuschelte sein Freund, während er ihn mit sich in die Horizontale zog. „Wann geht dein Flieger morgen?“

„Um 11 glaube ich. Aber lass uns jetzt nicht drüber reden, okay?“, bat er.

„Okay.“ Andy küsste ihn flüchtig und blickte aus trüben Augen auf seinen Schatz.

„Schau mich nicht so an…“ Tobs war etwas unwohl.
 

Sie verloren sich in unendlichen Küssen. Sie stachelten die Leidenschaft derer immer weiter an und als sie fast vor der Schmelze standen, stürzten sie sich wie zwei wilde Tiere aufeinander. Doch sie waren nicht grob, sondern berührten sich wie mit Samtpfoten einer kleinen Babykatze. Wie mit Federn strichen sie über den Körper des anderen. Wie ein Windhauch fegten ihre Küsse über sie hinweg.

Sie waren gefangen in einer Welt. In ihrer Welt. Dort gab es Worte wie Hass, Grausamkeit oder Schmerzen nicht. Sie existierten ganz einfach nicht. Und das würde auch für immer so bleiben.

Mit einem stummen Lächeln auf den Lippen schliefen sie ein. Doch innerlich sah es in den beiden völlig anders aus. Es herrschte ein bedrückendes Zwielicht in ihnen. Weder fröhlich, noch zutiefst traurig. Allerdings nahm dieses Gefühl einen großen Teil ihrer Seelen und Herzen ein.

Machen, konnten sie nichts dagegen. Außer diese letzte Nacht zu genießen, sie in vollen Zügen auszukosten. Was die beiden auch getan hatten.

Es würde wohl das letzte Mal sein, dass sie so zusammen lagen. Das letzte Mal für ein ganzes Jahr.
 

Und dann war es auch schon soweit.

Zwei Tage vor Beginn des neuen Schuljahres hieß es dann: Abschied nehmen.

„Hast du alles?“, fragte Andy betrübt. Er war schon die ganze Woche übel gelaunt und ziemlich schlecht auf andere zu sprechen. Doch diese Wut, hatte sich langsam in Traurigkeit und Besorgnis verwandelt.

„Hmh… glaub schon.“, nickte Tobs. Es klopfte an der Türe.

„Tobias? Ihr Taxi ist da.“, meinte Fräulein Minkis. Sie sah etwas komisch aus. Ihre Gesichtszüge waren weich und nicht mehr so hart. Sie strahlte nicht mehr die übliche Strenge aus.

„Ja, danke.“, murmelte der junge Mann leise. Er warf sich seinen Mantel über, schulterte seine große Reisetasche und ging, einen Arm um seinen Freund gelegt, aus dem Zimmer.

„Tobs! Warte mal!“ rief ihm eine bekannte Stimme hinterher. Krissy kam außer Atem vor ihm zum stehen und schlang ihm urplötzlich die Arme um den Hals. „Komm bald wieder, okay?“

„Man wird sehen.“, lächelte er matt und tätschelte ihr etwas unsicher den Kopf.

„Bevor ich’s vergesse. Das ist von uns drei Mädels. Ein kleines Abschiedsgeschenk.“, meinte die junge Frau und hielt ihm einen großen Karton hin. „Erst aufmachen wenn du dort bist.“, zwinkerte sie.

„Danke. Machs gut.“, winkte er ihr zu.
 

Sie gingen weiter.

Die beiden Männer sprachen nicht viel auf dem Weg in den Hof hinaus.

Der gelbe Taxibus wartete direkt vor dem Eingang auf das Gelände und der Fahrer stand vor dem geöffneten Kofferraum.

„Tobs“ Es war das erste Mal, dass Fräulein Minkis ihn so nannte, „Machen Sies gut. Und kommen Sie gesund zurück.“, lächelte sie und tatsächlich… eine einzelne Träne glitzerte in ihren Augen. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter, nickte ihm zu und verschwand wieder im Gebäude.

„Ich will dich nicht gehen lassen.“, nuschelte Andy und schlang seinem Freund die Arme um den Körper. „Ich würde dich am liebsten irgendwo anketten.“

„Hey, die Zeit vergeht schneller als du denkst.“, versuchte Tobs ihn zu beruhigen, doch man hörte, dass ihm der Abschied nicht leichter als seinem Freund fiel. Seine Stimmlage verriet ihn. Er glaubte selbst nicht an seine Worte. Ein Jahr waren viele Monate, Wochen und Tage. Tage, in denen sie sich nicht sehen konnten. Das Handy und Briefpapier war das einzige, was die Verbindung zu ihnen aufrechterhalten würde.

Auch Tobs nahm den Schwarzhaarigen nun in die Arme. Er hatte jetzt schon das Gefühl, es keine zwei Tage auszuhalten. Das unangenehme Drücken in seiner Brust wurde schlimmer und der Klos in seinem Hals immer größer. Sagen konnte er nichts mehr. Und langsam traten ihm Tränen in die Augen.

Andy, der sonst so gut wie nie weinte, konnte die seinigen nun auch nicht mehr im Zaum halten. Die salzigen Perlen, welche ihm unablässig über die Wangen rannen, waren nicht zu bändigen. Er hob seinen Kopf und blickte Tobs traurig in die Augen. Sie waren leicht rötlich und seine Lippen bebten. Der junge Mann konnte nicht mehr. Er nahm das Gesicht seines Freundes in seine Hände, betrachtete ihn noch ein einziges Mal und senkte seine Lippen auf die seines Schatzes.

Es war ein so fordernder, und doch so zärtlicher zugleich sanfter und unglaublich leidenschaftlicher Kuss, dass er fast zusammen brach. Die Vorstellung schmerzte ihn so unendlich, dass sein Herz drohte zu zerspringen.

Sie ließen zögerlich voneinander ab. Tobs lächelte matt und doch traten ihm immer mehr Tränen aus seinen hellgrünen Smaragden.

„Ich hab’s dir noch nie gesagt aber“ Andy hielt kurz inne um sich zu sammeln. „Aber ich liebe dich über alles.“, schluchzte er und küsste seinen Freund auf die Stirn.

„Du hättest es nicht sagen brauchen. Das wusste ich schon.“, flüsterte Tobs. „Ich liebe dich auch, mein Schatz.“, hauchte er ihm ins Ohr.

„Gott, bitte geh nicht.“, flehte er. Seine Stimme zitterte so stark wie er selbst. „Bitte…“

„Ich kann nicht anders…“ Tobs Worte gingen in einem spitzten Quieken unter.

„Ähm, Ich möchte Sie ja nicht unterbrechen, aber wenn Sie Ihren Flug rechtzeitig bekommen wollen, müssen wir jetzt los.“, machte sich der Taxifahrer bemerkbar.

Der junge Mann sah ihn aus verheulten Augen an. „Versteh schon.“, nickte er. „Ich hab noch was für dich.“, meinte Tobs und hielt ihm ein kleines, graues Häschen hin.

„Wieso?“

„Damit du mich nicht vergisst.“, wisperte er ihm ins Ohr.

„Ich könnt dich nie vergessen.“, schluckte Andy hart. Ihm fiel etwas auf. Über dem linken Ohr, des Stofftieres, war etwas darübergestülpt worden. Es blinkte ihn fröhlich an. Der junge Mann besah es sich genauer und er erkannte einen silbernen Ring. „Darf ich den tragen?“, fragte er leise.

„Ich bitte dich sogar drum.“, nickte Tobs. „Ich muss dann…“

„Warte“ Andy drückte ihm ein weißes Kuvert in die Hände. „Mach es erst auf, wenn du im Flieger sitzt, okay?“

„Okay. Ich ruf dich an, versprochen.“ Diesmal gelang ihm ein herzliches Lächeln. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und gab seinem Freund einen Kuss auf die Wange.

„Ist gut.“, nickte der Schwarzhaarige, versuchte zu lächeln, doch es gelang ihm nicht.

„Ciao Süßer.“ Er warf ihm einen Handkuss zu und stieg in das große Fahrzeug.

„Ciao.“, flüsterte Andy und wartete, bis das Auto um die nächste Ecke gebogen war. Ihm war kalt, obwohl die warme Sommersonne direkt auf ihn herabschien. Er fühlte sich leer. Vollkommen leer. Er hatte das Gefühl, als wäre alles Glück aus ihm gewichen. Seine Tränen waren noch immer nicht versiegt. Sie rannen ihm immer noch langsam über die Wangen. Sein Gesicht muss wohl schon recht schwarz von der Schminke sein, doch das war ihm schnurze. Und auch, dass ihn die Menschen, welche an ihm vorbeigingen, komisch musterten und mit dem Finger auf ihn zeigten. War es denn so schlimm, dass er den, den er am meisten liebte, küsste? War es denn so schlimm, dass er ihn in den Arm genommen hatte? War es denn so schlimm, dass er weinte?

Er hatte in dem Moment, in dem Tobs in das Auto gestiegen war, sein halbes Leben verloren. Sie waren nicht lagen zusammen und doch war Tobs das Wichtigste in seinem Leben. Man hatte es ihm für bestimmte Zeit genommen. Andy kam sich auf eine komische weise tot vor. Seine Lebensfreude, welche sein Schatz ihm gab, war wie weggeblasen. Wie, als hätte man sie ihm aus dem Leib gerissen, wie ein Neugeborenes, welches aus dem schützenden Mutterleib gezerrt wird.
 

Langsam blickte er in den Sommerhimmel. Er war azurblau.

Es war derselbe Tag, an dem sie sich damals kennen gelernt hatten. Der Himmel war an diesem Nachmittag auch so klar gewesen. Die Vögel hatten munter gezwitschert und der Wind hatte sich einen angenehm kühlen Weg durch die Baumwipfel gebahnt.

Andy nahm den Ring von dem kleinen Häschen und steckte ihn sich an den linken Ringfinger. Es sah wie ein Verlobungsring aus. Vielleicht würde es einmal so weit kommen? Der junge Mann wollte nicht weiter darüber nachdenken. Fast schon schleichend machte er sich auf den Weg in sein kühles Zimmer.

Alles darin erinnerte ihn an Tobs und seine gemeinsame Zeit. Selbst sein Bett roch nach ihm. Nach seinem unverkennbaren Duft, welchen er nie verraten bekommen hatte. Er ließ sich bäuchlings auf sein Bett fallen und schaltete seine Musik an. Er schloss die Augen und war ein paar Minuten später eingedöst.
 

//Zur gleichen Zeit bei Tobs im Flugzeug//
 

Die Maschine war schon eine halbe Stunde in der Luft. Tobs hatte noch immer nicht den Mut aufbringen könne in das Kuvert zu blicken. Doch seine Neugier konnte er nun nicht mehr länger unterdrücken, so öffnete er die Lasche und fand darin zwei zusammengefaltete Blätter. Es war ein Brief, welcher in etwas krakeligen Lettern handgeschrieben war.
 

Hi mein Schatz,
 

Jetzt wirst Du wohl in Deinem Flieger sitzen und Dir denken, warum ich Dir das nicht selbst sage. Du weist, dass ich kein Meister in Reden halten bin und ich währe wahrscheinlich weinend in Deinen Armen zusammengebrochen. Das wollte ich Dir einfach ersparen.
 

Weist Du, damals, als ich erfahren hatte, dass ich einen Zimmergenossen bekommen würde, hatte ich mir vorgenommen, denjenigen raus zu ekeln, falls es ein weiteres, arrogantes Arsch gewesen wäre. Doch so war es nicht. Zum Glück.

Als ich Dich dann angeblickt hatte, ist mein Herz in die Höhe gesprungen. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, jemals einen Gleichgesinnten in dem Internat anzutreffen, doch da warst Du. Ein Lichtblick in einer fast undurchdringlichen Dunkelheit.

Ich hätte nicht gedacht, dass wir jemals beste Freunde werden würden, doch dann ist sogar noch viel mehr daraus geworden. Eine wundervolle Beziehung, wie sie sich wohl jeder wünschen würde. Du warst der erste Mensch, dem ich wirklich vertraut habe und es immer noch tue. Du hast mich verändert. Durch Dich hatte ich die Lust am Leben wieder entdeckt. Und als wir, durch einen doch ziemlich komischen Zufall, zusammen gekommen sind, wusste ich, wenn auch erst nach einiger Zeit, dass ich meinen Lebensinhalt gefunden hatte.

Ich wüsste nicht, was ich ohne Dich machen sollte. Wo ich jetzt sein würde. Wahrscheinlich würde ich noch immer in meinem Zimmer sitzen, Strafarbeiten schreiben, Musik hören und meine restliche Zeit damit verbringen, über die Leute nach zu denken, die mir in meiner Vergangenheit am meisten wehgetan haben.

Ich liebe Dich über alles, mein Schatz.

Komm gut an und vergiss mich nicht, wenn Du dort bist.
 

In Liebe

Andy
 

Tobs starrte ungläubig auf den Brief. Stumme Tränen rannen ihm übers Gesicht. So etwas hatte er noch nicht zu hören bzw. zu lesen bekommen. Er war Andys Leben? Sein Ein und Alles? Das konnte er sich irgendwie nicht vorstellen. Noch nie, hatte er solch, Sentimentalitäten von seinem Freund gehört. Sah es so wirklich in ihm aus?

Ja, er hatte ihm gesagt, dass er ihn lieben würde, er glaubte es ihm auch, aber sein Leben? Der Gedanke daran, dass Andy in seinem Zimmer saß und sich wohl die Augen aus dem Kopf heulte, machte ihn krank. Es zerriss ihm das Herz in der Brust. Er hatte nie gedacht, dass er so starke Gefühle für ihn hegte. Sie hatten unglaublichen Sex, das stimmte, und man hatte es ihm angesehen, dass er es genoss aber… Ihm war nie aufgefallen, wie viel er Andy wirklich bedeutete, was zudem auf Gegenseitigkeit beruhte. Nie in seinem Leben hätte er das gedacht. Auch nie geglaubt, etwas Derartiges zu sich sagen hören, auch wenn er es nur gelesen hatte, waren es trotzdem die Worte seines Freundes.

Urplötzlich wurde er aus seinen Gedanken gerissen.

„Bist du okay?“, fragte ihn der etwas ältere Herr zu seiner rechten, auf Englisch.

„Ja, alles in Ordnung.“, nickte Tobs matt lächelnd und blickte aus dem kleinen, rechteckigen Fenster. Die Wolkendecke zog rasch an ihnen vorbei. Wie gerne, würde er jetzt mit Andy unten im Hof sitzen. Einfach nur dort unter dem Kirschbaum sitzen und an nichts denken. Sich um nichts Sorgen machen. Sich nicht den Kopf wegen irgendetwas zerbrechen.

Er fragte sich, wie es ihm wohl gehen würde. Was würde er im Moment machen? Liegt er auf seinem Bett? Oder fläzte er in der Sonne?

Wie gerne würde er es wissen. Nur das musste warten bis er angekommen war. Und das, würde noch gut eineinhalb Stunden dauern. Stunden, in einem stickigen Flugzeug, neben einem alten Herrn sitzen, welcher unangenehm nach Fisch und Alkohol roch.

Wenn er nur daran dachte, diese Kombination zu sich zu nehmen, wurde ihm speiübel. Oder es lag daran, dass ihm der Flug nicht sonderlich gut bekam. Die Gründe lagen erstens ein paar hundert Kilometer unter ihm und in seinem Bauch. Er hätte den Kaffee nicht trinken dürfen… Er las sich den Brief abermals durch. Der Gedanke an Andy schmerzte.

Es tat unglaublich weh. In seinem Herzen war ein riesen Loch, welches wohl noch eine lange Zeit dort sein würde. Eine Leere, welche er noch nie zuvor verspürt hatte, machte sich in ihm breit. Erst jetzt bemerkte Tobs, wie viel Andy ihm bedeutete. Wie hatte er doch geschrieben? Er wäre sein Leben, sein ein und alles? Es traf auch auf ihn zu… der junge Mann fühlte genauso.

Er verstand nicht, warum die Erkenntnis immer erst so spät aus seinem Innern hervortrat. Es versteckte sich, wie ein kleines Kind, welches mit seinen Freunden verstecken spielte. Tobs würde es seinem Freund am liebsten ins Gesicht sagen, was er führ ihn empfand. Es war mehr als nur Liebe. Es war eine Liebe, welche er noch nie jemandem entgegengebracht hatte. Eine Liebe, welche für die ganze Welt reichen würde. Dieses Gefühl nahm seinen gesamten Körper ein und erfüllte seine Seele und sein Herz mit einer unendlichen Glücklichkeit, welche, so hoffte er, niemals verblassen würde.

Mit einem leisen Seufzer schloss er seine, von den Tränen brennenden, Augen. In seinem Kopf stiegen wieder all die wunderschönen Bilder auf, welche sich im laufe der letzten Jahre gebildet hatten. Wie er Andy kennen gelernt hatte, wie sie lachend auf dem Boden lagen, sich vor Marco und Arim geküsst hatten, wie sie vor Frau Misleuf saßen und ihr erzählten, was in der Dusche passiert war und die unzählbaren Nächte, welche sie zusammen im Bett lagen. Ausgelaugt und schwer atmend.

Nur das, würde er für ein ganzes Jahr nicht mehr erleben…

Tobs war müde und kurz nachdem er seine Sehkörper geschlossen hatte, war er eingedämmert.
 

Völlig entspannt lag Andy auf seinem Bett, als er urplötzlich aus seinem Halbschlaf gerissen wurde. Fräulein Minkis trat in das Zimmer ein.

„Andy, kommen Sie bitte mit.“, verlangte sie. Ihre Strenge spiegelte sich in jeder ihrer Silben wider. Von der sanften Art, welche sie bei Tobs Abschied gezeigt hatte, war nichts mehr zu hören.

„Hm, warum?“, fragte der junge Mann müde und setzte sich auf.

„Stehen Sie auf und kommen Sie mit.“ Sie tippte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden.

„Wenns denn sein muss.“, grummelte Andy und folgte der Ruhestörerin aus dem Zimmer direkt zum Büro der Rektorin. Er fragte sich wirklich, was die Dame jetzt schon wieder von ihm wollte.

„Setzen Sie sich bitte.“, bat Frau Misleuf den Schwarzhaarigen, welcher ohne ein weiteres Wort platz nahm.

„Was ist schon wieder los? Wird ja langsam zur Gewohnheit.“, meinte Andy mürrisch, obwohl ihm die Rektorin gar nichts getan hatte. Seit Tobs weg war, war er unglaublich mies gelaunt und schlecht auf andere Leute zu sprechen. Wie früher eben.

„Gewohnheit würde ich das nicht nennen.“, lächelte sie.

„Was wollen Sie jetzt von mir?“

„Ach, ja. Ich vergaß“ Sie faltete ihre Hände auf dem blank polierten Tisch, „Nun, wir haben erfahren, dass wir einen Neuzugang bekommen werden, welcher heute Abend ankommen wird…“ Andy unterbrach sie sofort.

„Und was hat das mit mir zu tun?“

„Nun, er wird für nächstes Jahr bei Ihnen einziehen.“, eröffnete sie ihm und schlug ihm mit dieser Nachricht genauso hart ins Gesicht wie damals, als Tobs zu ihm gekommen war.

„Nein…“ Andy schüttelte energisch den Kopf. „Das können Sie nicht ernst meinen.“

„Doch, das ist unsere Absicht.“, bejahte die Rektorin.

„Das können Sie mir nicht antun“ Seine Lippen zitterten und er umklammerte das kleine Häschen in seinen Händen schon krampfhaft. „Tobs ist noch keine zwei Stunden weg und dann kommen Sie mit so was an! Geht’s Ihnen eigentlich noch ganz gut!“, fuhr er hoch. Er war außer sich. Das kann sie einfach nicht machen! Nein… lasse ich nicht auf mir sitzen! Niemals!

„Beruhigen Sie sich doch.“

„Ich soll mich beruhigen!? Sie verlangen wirklich, dass ich mich beruhige?!“ Andy klang hysterisch und seine sonst so tiefe Stimme überschlug sich vor Wut. So sauer war er seit Monaten nicht mehr gewesen.

„Lassen Sie mich doch erklären…“, versuchte die alte Dame ihn zu besänftigen, doch sie machte es dadurch nur noch schlimmer.

„Erklärungen… ich hab es satt! Sie treffen Entscheidungen hinter meinem Rücken, obwohl sie mich am meisten angehen! Ich versteh Sie nicht…“ Andy schüttelte den Kopf und Tränen glitzerten in seinen Augen.

„Andy, wäre Tobias nicht weggegangen, würde es nicht so sein, wie es im Moment ist. Denn dann wäre kein Platz mehr gewesen. Wir haben, wie Tobias Ihnen wohl erzählt hat, kurz vor den Ferien erst erfahren, dass das mit der Schule in England klappt und der junge Mann stand auf der Warteliste. Wir konnten also nicht anders als ihn aufnehmen.“, erklärte sie und musterte den Schwarzhaarigen traurig.

„Hätten Sie ihn dann nicht schon einquartieren können, als Marco und Arim geflogen sind?“, fragte er deprimiert. Seine Wangen waren genässt. Seine Finger umklammerten das Häschen immer weiter.

„Damals standen auch schon Schüler auf der Liste, es wäre in diesem Sinn auf das Gleich herausgekommen.“ Die Direktorin blickte Andy durchdringend an. Er saß da und starrte mit glasigen Augen auf einen Punkt über ihrem Kopf. Er knetete das kleine Häschen fast zu tode, wäre es lebendig gewesen. „Ich verspreche Ihnen, dass er ausziehen wird, sobald Tobias wieder hier ist. Früher wird es wegen Platzmangel nicht gehen.“

„Versprochen?“, fragte er mit heiserer und Tränen erstickter Stimme, während er die Frau flehend ansah.

„Versprochen.“ Frau Misleuf nickte und lächelte aufmunternd. „Versuchen Sie mit ihm auszukommen.“

„Einverstanden… ich werd’s versuchen.“, meinte Andy zögerlich und erhob sich zitternd.

„Machen Sie’s gut.“, verabschiedete sie sich.

„Hmm…“, murmelte der junge Man, ging zurück in sein Zimmer und legte sich wieder in sein Bett.
 

Es brodelte noch gefährlich an der Oberfläche.

Er fühlte sich gemein hintergangen und ausgenutzt. Andy verstand einfach nicht, warum sie ihn nicht nach seiner Meinung gefragt hatten. Aber nach Frau Misleufs Schilderung, hätte es wohl auch nichts daran geändert, dass er bald Babysitter spielen musste. Abfinden konnte er sich damit noch nicht, allerdings müsste er es wohl bald. Irgendwie würde er das schon hinbekommen. Er hoffte es jedenfalls.
 

Ausgelaugt und deprimiert schloss er abermals seine Augen und wachte erst wieder auf, als es einige Zeit später laut an der Türe klopfte.

Andy hatte keine Lust den Neuen zu sehen, so blieb er liegen und tat so, as würde er schlafen. Das kleine Häschen hatte er immer noch in seiner rechten Hand.

„Nun, Andy, stehen Sie auf.“, fauchte Fräulein Minkis.

Seine Reaktion blieb aus.

„Jetzt stehen Sie schon auf.“

„Nerven Sie mich nich…“, knurrte Andy. Das Gemecker dieser Frau konnte er langsam nicht mehr ertragen.

„Seien Sie nicht so unhöflich, das schickt sich nicht.“

„Ob sich das schickt oder nicht, geht mir ziemlich am Arsch vorbei.“, zischte er zornig und erhob sich von seinem Nachtlager.

„Nun reicht es aber…“, empörte sie sich und tat einen Schritt zur Seite. „Entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten.“, schleimte die Frau, als ein hochgewachsener, schlanker junger Mann in das Zimmer eintrat.

„Ach, schon okay.“ Er machte eine wegwerfende Geste. Er blickte Andy aus misstrauischen Augen an und zuckte merklich zusammen, als er erkannte, dass der Schwarzhaarige ihn aus seinen Lapislazuli böse anstarrte. Die verschmierte Schminke ließ ihn noch unheimlicher wirken. Er sah aus, als würde er sich jeden Moment auf ihn stürzen und ihn zerfetzen.

„Komm rein und mach die Tür zu.“, knurrte er mürrisch und setzte sich auf sein Bett.

„Ähm, ja. Natürlich.“, stotterte er. Fräulein Minkis blieb noch einen Moment an Ort und Stelle und verschwand dann auf dem Gang. „Wie geht’s?“, fragte der Neuzugang um ein Gespräch anzufangen.

„Beschissen.“, antwortete Andy wahrheitsgemäß, ließ sich rücklings in die Kissen sinken.

„Darf man fragen warum?“

„Fragen immer, aber ob du eine Antwort bekommst ist eine andere Frage.“ Das Grinsen ins Andys Gesicht ähnelte stark dem eines Verrückten.

„Willst du es erzählen?“

„Erstens, geht es dich nichts an, zweitens, würdest du es wahrscheinlich eh nicht verstehen und drittens kannst du nicht von mir verlangen, von heute auf morgen Vertrauen zu dir zu fassen.“, grummelte er.

„Ja, natürlich. Aber warum denkst du, dass ich das nicht verstehen würde?“

„Tjapp, weil du nicht weist, wie es in mir aussieht. Du weist nicht, was ich das nächste Jahr durchmachen werde! Du weist, gar nichts…“, zischte er.

„Ich weis es tatsächlich nicht, aber du könntest doch versuchen es mir zu erklären, oder?“, schlug er vor, während er seine Klamotten aus seinem Koffer holte.

„Ich könnte, ja. Aber ich will nicht.“ Andy dachte gar nicht daran, ihm sein Herz zu offenbaren.

„Wie du meinst. Ich will dich nicht länger löchern. Aber deinen Namen, den darf ich erfahren, oder?“

„Andy.“, murrte er.

„Marcel, freut mich.“, meinte der Neue fröhlich und reichte ihm seine Hand. „Hier ist es irgendwie ein bisschen leise. Ist das deine Anlage?“

Der Schwarzhaarige blickte argwöhnisch auf die Hand. Sah wieder in dieses runde, lächelnde Gesicht und schluckte angewiedert eine Bemerkung hinunter, die ihm auf der Zunge lag. „Ja… ist meine Anlage.“, nickte der Schwarzhaarige.

„Hast du was dagegen, wenn ich Musik anmache?“

„Mach was du willst.“, zuckte er die Schultern, holte seinen Walkman aus einer Schublade, nahm seinen Block zur Hand und fing an etwas aufzuschreiben. Er hatte nicht geringste Lust, sich das komische Gedudel anzuhören, was dieser Marcel in die Stereoanlage gelegt hatte.

Andy beäugte Marcel unauffällig. Er war gut einen halben Kopf größer als er und hatte ein ziemlich breites Kreuz für einen knapp 17-jährigen. Seine dunkelblonden Haare fielen ihm leicht ins Gesicht. Ein sehr hübsches, fand Andy. Die Kleidung, passte nicht so recht zu ihm. Er trug ein weises Hemd und eine beige Hose mit Bügelfalte.

Der Schwarzhaarige hatte das Gefühl, an einen Adeligen geraten zu sein. Warum sonst sollte er sich so herausgeputzt haben? Ihm wurde schlecht.

Der junge Mann erschrak sich zu Tode, als Marcel ihn an der Schulter rüttelte. Erst jetzt bemerkte er, wie unglaubliche, hellblaue Augen er hatte.

„Was denn?“, fragte Andy aufgelöst und entfernte einen Stöpsel aus seinem Ohr.

„Dein Handy.“, meinte er nur.

Der Schwarzhaarige sah ihn noch einen Moment lang an und grabschte dann sofort nach dem Telefon. „Joa?“, meldete er sich.

„Andy? Ich bin’s Tobs.“ Drang die tiefe Stimme seines Freundes von der anderen Seite.

„Oh mein Gott, warum hast du dich nicht schon früher gemeldet?“, warf er ihm vor. „Flug gut überstanden, ja?“

„Sorry, ich bin gerade erst angekommen. Dieses blöde Gepäckband wollte meine Tasche einfach nicht ausspucken. Der Flug, erinnere mich bloß nicht daran. Dieser Typ neben mir, so ein alter Knacker, hat so eklig nach Fisch und Alkohol gestunken, dass mir alle fünf Minuten fast die Galle hochgekommen ist.“, meinte er angeekelt. „Mensch, auf dem Flughafen kennt man sich ja überhaupt nicht mehr aus. Ist ein richtiges Labyrinth.“, murmelte er leise.

„Wo genau bist du jetzt eigentlich?“, wollte Andy wissen. Er war überglücklich, dass Tobs anrief. Länger ohne eine Nachricht von ihm, hätte er wohl nicht mehr ausgehalten.

„Ich bin in London, Heathrow.“, lachte er. „Hei, stell dir vor, ich werd hier grad mit einer Limousine abgeholt.“

„Eine Stretch?“

„Nöö.“, entgegnete Tobs enttäuscht. Der junge Mann hörte eine Autotüre knallen und einen Motor aufheulen. „Hei, ich hab den Brief gelesen. Warum hast du mir das nicht selbst gesagt?“ flüsterte er. Seine Stimme hörte sich leicht erstickt an.

Andy setzte sich auf die Fensterbank und starrte aus dem Fenster. Es war immer noch ein strahlender Sommertag. Am Himmel war keine einzige Wolke zu sehen.

„Hab ich doch geschrieben. Ich wäre heulend zusammengebrochen.“, meinte er hohl.

„Und ich bin’s…“

„Nein. Oh man, das wollte ich nicht. Tut mir leid.“, entschuldigte sich der junge Mann und die Erinnerung daran, dass Tobs wegen ihm weinte, ließen in ihm unangenehme Schuldgefühle aufsteigen. Schon wieder füllten sich seine Augen mit Tränen.

„Kann man nichts dran ändern. Ich hätte nicht gedacht, dass es so in dir aussieht.“

„Jetzt weist du’s. Du musst mir die Adresse von dir geben. Ich weis ja nicht wo du dort wohnst.“, bat Andy seinen Freund.

„Sicher mach ich. Aber später, weil ich grad auf der Autobahn bin. Aber jetzt sag, wie geht’s dir?“

„Wies mir geht? Das fragst du auch noch? Mir geht’s hundsmiserabel. Und jetzt frag bloß nicht warum…“

„Warum?“, kicherte Tobs leise.

„Was denkst du? Die paar Stunden ohne dich und ich komm mir vor wie ein ausgesetzter Hund.“, grummelte er. Seine Tränen konnte er nun nicht mehr unterdrücken.

„Echt jetzt?“

„Ja was denkst du denn?“, schluchzte er. „Scheiße…“, fluchte er auf.

„Hey, hör auf. Sonst fang ich auch noch an.“ Und tatsächlich hörte er ein leises Seufzen vom anderen Ende.

„Und außerdem“ Andy erhob sich und ging auf den Gang hinaus. „Du wirst es nicht glauben. Du bist keinen Tag weg, schon hockt jemand anderes auf deinem Bett.“

„Nein, wirklich? Sonst geht’s denen schon noch gut.“

„Hab ich auch gesagt.“ Der Schwarzhaarige erzählte seinem Freund die ganze Geschichte in allen Einzelheiten. Nach einer halben Stunde tat ihm sein Ohr langsam weh.

„Süßer, ich bin jetzt angekommen. Muss dann leider aufhören.“

„Okay…“, nuschelte Andy, ging in sein Zimmer und setzte sich wieder auf sein Bett.

„Ich vermiss dich.“, murmelte Tobs.

„Ich dich auch…“

„Hey, du packst das schon.“, versicherte er. „Ich liebe Dich.“

„Hm… ich liebe dich auch, mein Schatz. Machs gut und hey, du rufst an, ja?“

„Versprochen, Süßer. Mach’s gut.“

„Ja, mach’s gut.“ Er legte auf. Mit einem schweren Seufzen fiel er zur Seite. „So ein Scheiß.“, nuschelte er und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Seine Hände waren ganz schwarz. Müde richtete er sich auf, packte sein Duschzeug und verschwand im Bad. Er wusch sich die Schminke aus dem Gesicht. Wie immer nach dem Duschen, kam er nur mit Shorts bekleidet in sein Zimmer.

„Was denn?“, fauchte Andy, als er bemerkte, dass er von Marcel eindringlich beobachtet wurde.

„Wie“ Er wurden aus seine Gedanken gerissen.

„Was du so guckst? Noch nie einen halb nackten Mann gesehen…“ Er schüttelte den Kopf.

„Schon einige, aber noch keine so attraktiven.“, schmunzelte er.

„Wie schmeichelnd. Gewöhn dich dran.“, meinte Andy mürrisch und zog einen feinen Kajalstrich nach dem anderen.

„Schminkst du dich immer?“, fragte Marcel neugierig und legte den Kopf schief.

„Jupp. Wieso?“ Er drehte sich um, schlüpfte in den Rock mit den Glöckchen am Bund und warf sich ein Lackshirt über.

„Nur so. Darf ich ehrlich sein?“

„Immer doch.“, nickte Andy und bettete seinen Block auf seine angewinkelten Beine.

„Ich hab noch nie einen Mann gesehen, der einen Rock trägt. Aber ehrlich, steht dir.“, lächelte er anerkennend.

„Danke.“, grinste der Schwarzhaarige, doch das Herumgeschleime ging ihm langsam auf den Zeiger. Er hoffte, dass sich das bald einstellen würde.

„Sitzt du immer in dem Zimmer, oder machst du auch mal etwas anderes?“, wollte Marcel wissen. Seine Augen durchbohrten ihn direkt.

„Na ja. Meistens sitz ich unten in dem Schatten des Kirschbaums, oder, so wie vor ein paar Wochen, bin ich an der Isar. Ist keine 15 Minuten von hier entfernt.“, erzählte Andy. „Oder ich lieg… Egal vergiss es.“

„Kannst du mir den Platz mal zeigen? Und du liegst wo?“, hakte er nach.

„Oder ich liege mit jemandem im Bett und habe meinen Spaß. Aber der wird jetzt wohl erst mal ausbleiben.“, nuschelte der junge Mann. „Klar, kann ich ihn dir zeigen. Aber nicht mehr heute.“, nickte er zustimmend.

„Klar, kein Problem. Wieso wird der Spaß ausbleiben? Ist Schluss?“

„Schluss? Nein, nur diese Person wird bis nächstes Jahr nur über Handy und Briefe erreichbar sein.“ Meinte er traurig und blickte aus dem Fenster.

„Habt ihr eine Fernbeziehung?“

„Nein. Er hat früher mit mir hier gewohnt. Ach was erzähl ich dir das eigentlich…“, winkte er ab.

„Deswegen bist du nicht so gut drauf, oder?“, vermutete Marcel.

„Tja, wärst du wahrscheinlich auch.“

„Oh ja. Ich kenn das Gefühl nur zu gut.“, nickte sein Zimmergenosse mitfühlend. „Hey, wenn dir was auf der Seele liegt, ich hör dir gerne zu.“, bot er an.

„Passt schon. Komm gut allein zurecht.“ Die Mauer um ihn herum wurde wieder verstärkt, nachdem sie fast zerfallen war. So schnell konnte er sich ihm nicht anvertrauen. Das hatte er noch nie gut gekonnt. Nur bei Tobs, sie waren sofort auf derselben Wellenlänge gewesen. Doch Marcel konnte sich nicht in ihn einfühlen. Er hatte es im Gefühl, dass er etwas Derartiges noch nicht erlebt hatte. Das konnte er nicht glauben.

„Wie du meinst. Das Angebot steht.“
 

Der erste Schultag verlief wie jedes Jahr. Sie bekamen ihre Stundenpläne und schrieben sich die Materialien auf, welche sie bei der einzelnen Lehrerkraft benötigten. Marcel klabete an seinem Rockzipfel wie ein kleines Kind und folgte Andy so gut wie überall dorthin, wo er auch hinging. Außer auf die Toilette und wenn er Duschen ging. Zu seinem Pech hatte er sich auch im Unterricht neben ihn gesetzt. Er hatte keine freie Minute mehr.

Selbst wenn Tobs und er telefonierten hörte der Neuankömmling zu. Er ging dem Schwarzhaarigen tierisch auf die Nerven, doch er wurde ihn einfach nicht los. Er müsste sich schon etwas einfallen lassen, um wenigstens ein paar freie Minuten zu haben. Doch was sollte er tun? Ihm einfach sagen er solle ihn gefälligst in Ruhe lassen? Das kam ihm zu unhöflich vor, obwol er in seiner Gegenwart bisher auch nicht sonderlich nett gewesen war. Nervenaufreibender würde es werden, würde er einfach abwarten, bis Marcel sich ein paar Jungs aus seiner Klasse geschnappt und mit ihnen Freundschaft geschlossen hatte. Nur ob das nicht zu lange dauern würde? Er entschied sich für die längere Variante und wappnete sich schon einmal mit Baldrian, um nicht völlig aus der Haut zu fahren, sollte der reiche Schnösel ihm zu sehr auf den Geist gehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ChinX
2009-09-01T22:52:07+00:00 02.09.2009 00:52
echt schade das tobs jetz nach england ist...-aber toll wie du schreibst ~schnuff~ ich finde die romanze von den beiden echt süß..~schnief~...*0*....bitte schreib weiter!


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