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Autumn Storm

alter Titel: "Together we can brave the Storm"
von

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Rain symphony

Hi,
 

ich habe es endlich geschafft, das nächste Kapitel reinzustellen. Viel Spaß beim Lesen.
 

An alle, die die Geschichte schon vorher gelesen haben, bitte wundert euch nicht über den neuen Titel.

Beim Schreiben der Kapitel habe ich bemerkt, dass alles viel umfangreicher wird, als ich ursprünglich gedacht hatte. Deshalb habe ich mich entschieden, meine Ideen in zwei Geschichten unterzubringen. Der Titel „Together we can brave the storm“ und der bisherige Prolog gehören jedoch zum zweiten Teil und mussten daher geändert werden.
 

P.S.: Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Ich hoffe, das Warten hat sich gelohnt.

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Rain Symphony
 

„Eric, Tyler! Seit still und setzt euch endlich hin. Ich würde gern anfangen.“

Immer noch vor sich hin feixend nahmen die Zwei ihre Plätze ein. Unsere beiden Kindsköpfe waren heute anscheinend ganz besonders gut gelaunt. Ich warf ihnen einen letzten, warnenden Blick zu, bevor ich mich an den Rest der Redaktion wandte:

„Also dann … Willkommen im neuen Schuljahr! Es freut mich, euch alle wieder bei der ‚RainGazette’ begrüßen zu dürfen.“

„Hast du etwa gedacht, dass einer von uns es wagen würde, heute nicht zu kommen, Boss? Dafür lieben wir unsere fahrbaren Untersätze viel zu sehr.“

Tyler brach über seinen eigenen Witz in schallendes Gelächter aus, in welches Eric sofort einstimmte. Ich rollte genervt mit den Augen – zum einen wegen dieser dämlichen „Boss“-Anrede, die ich wohl nie wieder loswerden würde, zum anderen wegen einer Erwartung, die sich nicht erfüllt hatte. Hatte ich tatsächlich geglaubt, dass die beiden über den Sommer reifer werden könnten?

Angela lächelte mich an und schüttelte den Kopf. Sie hatte wahrscheinlich das Gleiche gehofft. Dexter sah mich ebenfalls an. Sein Gesicht spiegelte einen Ausdruck von Unverständnis und Ärgernis wider. Ich konnte mir ungefähr vorstellen, was er gerade dachte.

Dexter Marlow war ein Genie, zumindest wenn es um Mathe und Computer ging. Ich bezweifelte, dass er seine Nachmittage mit etwas anderem als diesen beiden Dingen verbrachte. Für ihn war jedes unserer Redaktionstreffen verlorene Zeit, die er notgedrungen absitzen musste. Doch wenn Tyler und Eric wieder einmal in ihrem Element waren, fühlte sich Dexter wahrscheinlich geradewegs in seine Kindergartenzeit zurück versetzt. Dabei konnten wir froh sein, dass er bei uns mitmachte.

Sein erstes Jahr auf der High School hatte er in der Informatik – AG verbracht, aber laut seinen Worten waren deren Mitglieder die größten Stümper, die er je vor einem PC erlebt hatte.

Bei der „RainGazette“ war er für die Rätselseite und die Witze zuständig. Ich ließ ihm weitestgehend freie Hand. Er hatte ein gutes Gespür für Humor und seine Selbstkreierten Denksportaufgaben waren wirkliche Kopfnüsse. Jeden Monat hatte er eine besonders schwere dabei – doch bis jetzt hatte diese spezielle Herausforderung noch keiner gelöst. Ich wusste, dass ihm das Entwerfen von solchen Fragen einen Heidenspaß machte, ebenso wie die Tatsache, ungeschlagen zu sein. Dies war auch der Grund, warum er der Schülerzeitung bis heute treu geblieben war.

Ich gab Dexter mit einem Zeichen zu verstehen, dass ich das Problem regeln würde und wandte mich an die beiden Störenfriede.

„Wirklich witzig, Tyler. Ich muss schon sagen, ihr zwei seit heute geradezu euphorisch drauf. Was ist passiert – haben eure Mütter euch endlich erlaubt, euch selbst anzuziehen.“

Für einen kurzen Moment funkelten Erics Augen mich beleidigt an, bevor er schelmisch grinsend auf meine Frage einging:

„Keine Chance, Boss! Nicht einmal dein Sarkasmus kann uns heute den Tag verderben.“

„Und was ist so besonders an diesem Tag?“, hakte ich nach. Es war nicht so, dass es mich brennend interessierte, aber ich wusste, dass die beiden sonst nie Ruhe geben würden. Wie nicht anders zu erwarten schoss Tyler sofort los:

„Was an diesem Tag so besonders ist? Ganz einfach – wir sind endlich keine Freshmen mehr. Ab diesem Jahr sind wir nicht mehr die Kleinen. Mit der zehnten Klasse beginnt an der High School ein neuer Lebensabschnitt. Ab jetzt werden wir akzeptiert als dass, was wir sind – Männer!“

„Ja, und nun gibt es einen ganzen Jahrgang voll jüngerer Mädchen, die schwärmend zu uns hoch sehen werden“, stimmte Eric Tylers Worten zu.

Angela unterdrückte mehr schlecht als recht ein Kichern. Dexter sah unsere zwei Jüngsten verständnislos an – er würde sie wohl nie verstehen – bevor er sich wieder seinen Rätseln zuwandte. Ich grinste die beiden an und sagte:

„Gut gebrüllt, ihr Löwenbabys! Ihr habt Recht, dies ist ein wirklicher Tag zum Feiern. Ich hoffe, ihr geht eure ersten Artikel mit genauso viel Elan und einer ebenso treffenden Wortwahl an wie eure Rede gerade.“

Dann sprach ich zu allen:

„Womit wir wieder beim Thema wären – die ‚RainGazette’. Unsere erste Ausgabe erscheint am fünften Oktober. Bis dahin haben wir noch eine Menge zu tun. Dexter, wie steht es um die ‚Humor und mehr’ – Seite?“

„Du kennst mich doch“, antwortete der Angesprochene mit einem Schulterzucken – seine Lieblingsgeste überhaupt, „ich hab die Seiten für die nächsten fünf Ausgaben schon fertig. Sicher, dass ich nicht gehen kann?“

Ich sah in bedauernd an.

„Tut mir leid! Du weist, dass die Anwesenheit Pflicht ist. Wenn ein Lehrer mitbekommt, dass du nicht da bist, bekommen wir beide Ärger. Aber du kannst ja noch weiter vorarbeiten. Dann haben wir auch für die Zeitungen im nächsten Jahr genügend Rätsel auf Vorrat. Du wirst nach deinem Abschluss eh schwer zu ersetzten sein.“

Er lächelte geschmeichelt. Ich hatte mein Ziel also nicht verfehlt. Zum einen besserte das seine Laune schlagartig, zum anderen würde die „RainGazette“ ohne seine Mitarbeit wirklich ein wenig farbloser werden.

„Tyler, wie weit bist du mit deinen Eröffnungsartikeln?“, fragte ich unseren Sportreporter.

„Ich werde in den nächsten Tagen jeder Mannschaft einen Besuch bei den Trainings abstatten und mich nach den neuen Mitgliedern erkundigen, gegebenenfalls ein paar Informationen über diese mit einfließen lassen. Im September werden noch keine Wettkämpfe stattfinden, deshalb schreibe ich über Vorjahreserfolge und angestrebte Ziele in dieser Saison.“

Tyler antwortete immer noch enthusiastisch, aber wesentlich pflichtbewusster. Wenn es um Sport ging, war er in seinem Element. Ich kannte keinen anderen, der sich in den verschiedenen Disziplinen so gut auskannte wie er. Es gab wahrscheinlich keine körperliche Betätigung auf diesem Planeten, von der er nicht zumindest schon gehört hatte. Es war wirklich schade, dass er all dies nur in der Theorie erleben konnte. Durch sein starkes Asthma waren größere Anstrengungen für ihn tabu.

Anfangs hatte ihn diese Erkenntnis ganz schön zugesetzt, doch die Arbeit bei der Schülerzeitung hatte ihm bei der Bewältigung dieser Hürde geholfen. Durch seine ergreifende, mitreisende und faire Berichterstattung und seine witzige Art war er bei den Sportlern so beliebt, dass er ein gern gesehener Gast war. So konnte Tyler seinen Idolen immer nah sein.

„An deinen Vorbereitungen gibt’s nichts auszusetzen“, sagte ich. „Willst du dieses Jahr auch deine Artikelreihe über den weltweiten Sport fortführen?“

Ohne nachzudenken antwortete er:

„Hatte ich eigentlich vor. Ich bin aber noch am überlegen, mit was ich anfangen will.“

Gut, das wäre geklärt. Kamen wir zu meinem Problemkind.

„Nun, Eric, hast du schon an irgendetwas gearbeitet?“

„Du kennst mich doch“, antwortete dieser mit schuldbewusster Miene.

Leider war das wahr. Erics Artikel kamen immer ganz zum Schluss – eigentlich meistens sogar noch nach Redaktionsschluss. Er begründete dies damit, dass die Film- und Musikbranche zu schnelllebig sei und dass er unmöglich schon einen Monat vorher anfangen könnte zu schreiben. Ich war jedoch der Meinung, dass er einfach nur ein fauler Hund war, der sich viel zu leicht von anderen Dingen ablenken ließ. Wenn er nicht Tylers bester Freund wäre, hätte ich ihn wahrscheinlich schon längst rausgeschmissen – oder auch nicht.

„Ideen hast du aber hoffentlich schon gesammelt, oder?“, fragte ich leicht gereizt.

„Ja, natürlich! Die Filme habe ich schon zusammengestellt – es sei denn, es ändert sich noch mal was an den Veröffentlichungsterminen. Niemanden interessieren im Oktober die Streifen, die erst im November in die Kinos kommen. Bei den CD – Neuerscheinungen bin ich noch am recherchieren. Und in der Rubrik ‚Starportrait’ werde ich vermutlich eine Sängerin vorstellen, welche genau steht aber noch nicht ganz fest.“

Ich atmete kurz durch und sagte dann:

„Hört sich so an, als hättest du alles ganz toll geplant. Ich hoffe, an der Umsetzung hapert es nicht wieder. Dieses Jahr gibt es nämlich keinen Neuling – Bonus mehr. Wenn deine Artikel nicht rechtzeitig da sind, kommen sie nicht in die Zeitung, verstanden?“

Eric stimmte mir beflissentlich zu. Na, wir werden es ja Ende September sehen, ob er lernfähig war. Ich blickte auf die letzte in unserer Runde. Angela nickte mir zu und begann zu sprechen:

„Die Fotos von gestern werde ich im Laufe der Woche entwickeln. Dann können wir entscheiden, welche wir in die Story einbringen wollen. Ich werde Tyler zu den Treffen mit den Sportlern begleiten und dort diverse Schnappschüsse schießen. Außerdem würde ich dieses Jahr gerne eine Bilderreihe von den schönsten Plätzen der Olympic-Halbinsel in die Ausgaben einbauen. Nachdem wir dass in den letzten zwei Jahren schon von der Schule und von Forks gemacht haben, fand ich das ganz passend.“

Die letzten Worte galten nicht mir. Sie hatte mich über ihre Idee schon informiert und ich hatte sie abgesegnet. Doch auch, wenn ich die Chefredakteurin war, hatte ich keine Alleingewalt. Jeder wurde über mögliche Artikel in der Zeitung informiert und gegebenenfalls stimmten wir über brisante Themen ab.

Angelas Vorschlag stieß wie erwartet auf keinen Widerstand. Es hätte mich auch gewundert. Damit waren alle Artikel abgeklärt – bis auf meinen. Mir schwirrten schon einige Ideen durch den Kopf, aber wirklich manifestiert hatte sich davon noch keine. Anscheinend sah man mir meine Gedanken an der Nasenspitze an.

„Falls du noch keinen Aufhänger für deine Kolumne hast“, sagte Tyler, „dann wüsste ich schon was.“

Fragend sah ich ihn an und er fuhr fort:

„Schreib doch einfach darüber, wie man neuen Schülern den ersten Tag an einer High School so richtig schön vermiesen kann – inklusive ‚Delle in Blankpoliertem Auto’, versteht sich.“

Feixend stieß er Eric in die Rippen, der ebenfalls ein Grinsen auf den Lippen hatte. Ich wusste, dass Tyler dies nur als Witz gesehen hatte und mich aufziehen wollte, doch ich fand die Idee gar nicht mal so schlecht. In diesen Artikel könnte ich all die Dinge unterbringen, die ich am gestrigen Tag so gehasst hatte. Diese Aussicht gefiel mir.

Natürlich müsste ich mich dann auch wieder mit den Neuen selbst beschäftigen. Bei diesen Überlegungen spürte ich Unmut in mir aufsteigen. Schnell verscheute ich die Cullens aus meinem Kopf. Ich wollte jetzt einfach nicht an sie denken. Deshalb antwortete ich Tyler:

„Ich bin von diesem Vorschlag durchaus angetan. Mal sehen, was sich daraus machen lässt.“

Tyler und Eric sahen mich fragend an. Anscheinend hielten sie meine Reaktion für einen Scherz. Schelmisch lächelte ich sie an. Sollten sie sich darüber nur noch ein wenig den Kopf zerbrechen.

„Neben der Kolumne würde ich ab diesem Jahr auch gerne die Rubrik ‚Buchtipp’ einführen. Gestaltung und Inhalt übernehme ich, es kommt auf euch also keine Extraarbeit zu.“

Nach zustimmendem Kopfnicken fuhr ich mit meinen Ausführungen fort:

„Des Weiteren werde ich vorerst die Berichterstattungen zu den Veranstaltungen übernehmen. Ich hoffe jedoch, dass wir in den nächsten Wochen einen Ersatz für Sondra finden und somit die Lücke, die sie nach ihrem Abschluss hinterlassen hat, schnell wieder geschlossen wird.“

„Letztes Jahr habt ihr ja auch zwei überaus talentierte Neuzugänge begrüßen dürfen“, kommentierte Tyler meine Worte. „Hat sich denn schon jemand gemeldet?“

Angela schüttelte nur den Kopf. Bei ihr hatte sich also keiner beworben – bei mir dagegen schon.

„Nun, ich habe heute nur eine einzige Schreibprobe bekommen – meine Worte gestern waren vielleicht doch ein wenig zu abschreckend gewesen.“

Angela nickte zustimmend. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich Eric und Taylor gegenseitig angrinsten. Die beiden brachte heute wirklich alles zum schmunzeln. Dexter zuckte nur mit den Schultern. Schnell sprach ich weiter:

„Andererseits brauchen wir höchstes zwei neue Redakteure und je weniger sich melden, desto Wenigeren müssen wir absagen.“

Angela unterbrach mich:

„Wenn du aber jeden verkraulst, der Interesse hat, könnten uns einige Talente durch die Lappen gehen und wir müssen am Ende auf weniger gute Schreiber zurückgreifen.“

Ich hatte mich schon den ganzen Tag gefragt, wann ihre Standpauke bezüglich meiner Präsentation kommen würde – und da hatten wir sie, schön verpackt in freundliche Worte. Angela würde nie laut oder offenkundig tadelnd werden. Nein, sie hatte so eine Art, einen ein schlechtes Gewissen zu machen, damit man sich selbst für seinen Fehler in den Hintern biss. Diese Begabung hatte sie bestimmt von ihrem Vater geerbt. Doch diesmal hatte sie bei mir keinen Erfolg.

„Ich glaube nicht, dass die Kleine, von der ich die Schreibprobe habe, zu wenig Talent besitzt, Ang. Ich habe mir ihren Aufsatz bereits durchgelesen. Außerdem ist sie sehr engagiert. Sie sagte mir, dass sie schon immer bei der ‚RainGazette’ mitarbeiten wollte und dass es ihr nichts ausmachen würde, nur Dienstbotengänge erledigen zu müssen. Sie sagte, es wäre ihr eine Ehre, uns mit Getränken und neuen Stiften zu versorgen.“

„Und wer ist dieser kleine Engel?“, fragte Eric deutlich interessiert.

„Kate Denali, Tanyas jüngere Schwester.“

„Kennst du sie näher?“, wollte nun Tyler wissen. Die beiden versuchten doch nicht etwa, aus der Schulerzeitung eine Datebörse zu machen? Kerle in diesem Alter waren einfach unmöglich. Sie erinnerten mich zurzeit stark an Jake. Trotzdem antwortete ich:

„Nur flüchtig. Da die Denalies nicht in Forks wohnen, hab ich sie nur hin und wieder gesehen. Tanya ist ja schließlich Roses beste Freundin und nicht meine. Sie war ein- zweimal auf einer Party, die meine Tante organisiert hatte, doch wirklich miteinander zu tun hatten wir nicht. Doch wenn euch Kate so brennend interessiert, dann können wir sie gern nächste Woche zu einer Schnupperredaktionssitzung einladen. Ich habe euch ihre Schreibprobe kopiert, ihr könnt sie also in Ruhe zu Hause anschauen.

Ich muss euch aber gestehen, dass ich ihr eigentlich schon so gut wie grünes Licht gegeben habe. Ich meine, selbst wenn ihr sie nicht als talentiert genug betrachtet, so wollte sie es unbedingt – und einen Laufburschen kann man doch immer gebrauchen, nicht?“

Angela sah mich entsetzt an. Sie hatte meine Frage anscheinend für bahre Münze genommen.

„Du kannst dem Mädchen doch keine falschen Hoffnungen machen. Sie wird schwer enttäuscht sein, wenn sie nicht schreiben darf.“

„Beruhige dich, Ang! Les dir ihren Artikel durch. Ich bin sicher, du findest auch, dass ich nicht zu voreilig war. Ihr Stil ist gradlinig und offen, wenn auch noch etwas ungeschliffen. Aber sie ist erst vierzehn – die kleinen Unebenheiten bügeln sich mit der Zeit schon raus. Sie hat eine freundliche Art und keine Angst, auf Menschen zuzugehen. Mit ihrem einnehmenden Wesen fände ich sie geradezu ideal für die Interviews und die Veranstaltungsberichte.

Doch entscheidet selbst.“

Ich teilte die Zettel aus und sah noch einmal in die Runde.

„Gibt es noch etwas, was ihr besprechen wollt?“ fragte ich gewohnheitsgemäß.

Eric nickte eifrig.

„Wir müssen noch über unseren diesjährigen Campingausflug sprechen“, sagte er.

Stirnrunzeln sah ich ihn an.

„Hat das nicht bis nächste Woche Zeit, der September ist ja noch lang?“

„Ja, eigentlich schon“, druckste Eric rum, „aber Tyler und ich dachten, dass es doch toll wäre, wenn wir schon nächstes Wochenende fahren würden. Schließlich hast du am Sonntag Geburtstag und letztes Jahr hatte es ja nicht an diesem Tag geklappt.“

Verwundert blickte ich von einem zum anderen. Letztes Jahr war ihr Plan aufgrund eines angekündigten Sturms nicht aufgegangen, aber für die nächste Woche stand nur schönstes Wanderwetter ins Haus. Dieses Mal würde ich also nicht drum rum kommen.

„Also gut, wenn es euch eine Freude macht? Ich rede mit Jake, ob er es so kurzfristig einrichten kann. Alles weiter besprechen wir dann am Donnerstag.“

Es war ein Wunder, dass die Eric und Tyler nicht in Jubeltänze verfielen, so erfreut wirkten sie. Die beiden hatten irgendwas vor. Ich befürchtete, meine Zustimmung noch zu bereuen. Hilfe suchend sah ich zu Angela, die nur lächelnd mit den Schultern zuckte. Sie war also auch eingeweiht. Das hätte ich mir eigentlich denken können müssen.

Der einzige, der ebenso unwissend wirkte wie ich war Dexter. Da er an unserem Ausflug aber eh nicht teilnehmen würde, störte ihn das wahrscheinlich nicht weiter.

Ich sah auf die Uhr. Es wurde Zeit, dass ich die Redaktionssitzung für heute beendete. Ich musste Elphie noch abholen, bevor ich auf Arbeit ging. Ohne Auto würde dies eine Weile dauern.

Also unterbrach ich die stille Kommunikation zwischen Angela, Tyler und Eric und gab ihnen das Zeichen zum Aufbruch. Als alle aus dem Raum gegangen waren, schloss ich hinter mir ab und verließ zusammen mit den anderen das Gebäude der „Forks Daily News“.

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Die Tür hinter uns fiel scheppernd ins Schloss.

Wir befanden uns bei NEWTONS, einem Fachgeschäft für Sport-, Freizeit- und Campingartikel. Mike hatte uns den Laden seiner Eltern empfohlen, da Emmett einige Teile seiner Footballausrüstung erneuern musste.

Ja, mein Bruder war nun offiziell ein Mitglied der FHS – SPARTANS. Das Probetraining war wie erwartet reine Formsache gewesen. Weder Coach Clapp noch einer der Spieler hatte daran gezweifelt, dass Emmett einen Gewinn für das Team darstellen würde.

Ich selbst hatte mich ebenfalls für eine AG entschieden – ich war der Schwimmmannschaft beigetreten. Ich hatte mich einiger Maßen talentiert angestellt und Coach Carsen hatte mir vorgeschlagen, bei den Langstreckenschwimmern einzusteigen. Die richtige Kondition hatte ich dafür – es war tatsächlich nur eine Frage der Ausdauer. Außerdem hatte diese Teildisziplin wesentlich weniger Wettkämpfe im Vergleich zu den kurzen Strecken. Ich würde also noch genügend Zeit für die Schule und meine Hobbys haben.

Meine Geschwister und ich sahen uns im Geschäft um. Außer den bis zur Decke voll gestopften Regalen, den mit Bällen überfüllten Körben und den dicht behangenen Kleiderständern war nichts und vor allem niemand zu sehen. Der Laden wirkte wie ausgestorben. Dabei musste der Krach, welchen die Tür beim Schließen veranstaltet hatte, doch irgendjemand aufgefallen sein? Abgesehen davon war direkt neben dem Eingang die Theke mit der Kasse. In Chicago hätte kein Verkäufer sein Geld derartig unbedarft stehen gelassen. Jeder Dieb hätte sich riesig über eine solche Chance gefreut. Aber vielleicht gab es solche Langfinger in Forks nicht? Ich musste mich wirklich daran gewöhnen, dass wir jetzt in einer kleinen Stadt lebten.

Plötzlich hörte ich Schritte neben uns. Ein schwarzgrauer, einem Wolf erschreckend ähnlich sehender Hund kam Schwanz wedelnd auf uns zugelaufen. Auf Alices Gesicht breitete sich Strahlen aus. Langsam sank sie in die Hocke, den Blick unverwandt auf das Tier gerichtet.

„Du bist aber ein hübscher Kerl!“, sagte sie sanft.

Ich musste lächeln. Es gab bestimmt nicht viele Personen, die diesen Vierbeiner beim ersten Anblick als „hübsch“ bezeichnet hätten. Seine rechte Gesichtshälfte war von einer Narbe gezeichnet, die auch das Auge in Mitleidenschaft gezogen hatte. Es sah getrübt und starr aus – wahrscheinlich war es blind. Das entsprechende Ohr kippte zur Seite weg und war deutlich kürzer als das andere, der Rand wirkte ausgefranst.

Der Hund betrachtete meine Schwester kurz. Dann setzte er sich hin und stupste sie auffordernd mit der Nase an. Ohne die geringste Angst zu zeigen oder sich an seinen Entstellungen zu stören, tätschelte Alice dem Tier liebevoll den Kopf und kraulte es hinter dem Ohr. Als sie über den Hals stich, blieb sie an seinem Halsband hängen. Es war aus Leder- und Stoffbändern gefertigt, die ineinander verschlungen waren. Kleine Holzperlen waren in das Flechtwerk eingearbeitet worden. Auf einem daran befestigten, flachen Kieselstein stand ein einzelnes Wort.

Auch Alice hatte dies entdeckt.

„Dein Name ist also Elphie. Es freut mich, dich kennen zu lernen. Ich bin Alice.“

Sie streckte der Hündin ihre Hand entgegen und diese hob tatsächlich ihre Pfote und legte sie hinein. Emmett prustete los.

„Sieht aus, als hättest du eine Freundin gefunden, Floh. Da müssen wohl jetzt nicht mehr Edward oder ich mit dir shoppen gehen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sie die gleichen Läden bevorzugt wie du.“

Alice sah ihn entrüstet an.

„Das ist nicht witzig, Emmett“, sagte sie in einem tadelnden Tonfall. „Diese arme Kleine denkt noch, du lachst über sie. Sie hat es bestimmt so schon nicht leicht.“

Mitleidvoll sah sie der Hündin in die Augen. Mein Bruder beruhigte sich wieder und setzte eine entschuldigende Miene auf.

„Da hast du vermutlich Recht. Mit dem Namen ist sie aber auch gestraft. Mal ehrlich, wie eine Elphie – Elfe sieht sie nicht gerade aus?“

„Ihr vollständiger Name ist Elphaba und ich finde, der passt perfekt zu ihr.“

Wir sahen alle drei – um genau zu sein alle vier – auf. Die Hündin erhob sich und lief schnurstracks auf die Regalreihen zu. Dort, die Hände mit Kartons beladen, stand Isabella. Sie trug einen grünen Kittel mit brauner Aufschrift – anscheinend arbeitete sie hier. Verärgert funkelte sie uns entgegen, doch dieser Blick galt ausnahmsweise nicht mir. Ich hörte, wie Emmett sich räusperte. Doch noch bevor er etwas sagen konnte, ergriff Alice das Wort.

„Elphaba? Wie bei ‚Wicked’, dem Musical?“

Isabella sah ein wenig überrascht zu meiner Schwester und nickte kurz. Letzter setzte eine wissende Miene auf und fuhr fort:

„Ah, verstehe! Elphaba, die vermeintlich böse Hexe des Ostens, wird von allen nur auf ihr Aussehen reduziert. Die Leute sehen nur ihre grüne Hautfarbe und erkennen nicht, was für ein fantastischer Mansch sie ist. So ist es bei deinem Hund sicher auch – ich nehme einfach mal an, dass sie dein Hund ist. Alle bemerken ihre Narben, aber nicht ihren tollen Charakter – so wie mein idiotischer Bruder.“

Alice warf Emmett einen vorwurfsvollen Blick zu, worauf hin dieser ein verlegenes „Tut mir leid, hab’s nicht so gemeint!“ über die Lippen brachte. Isabella ging auf die Entschuldigung nicht ein. Sie betrachtete meine Schwester – ein verblüffter Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Ich konnte es ihr nicht verübeln – ich selbst erkannte Alice kaum wider.

Das war nicht das schüchterne Mädchen, das Fremden gegenüber kein Wort herausbrachte. So aufgeschlossen war sie sonst nur im Kreis der Familie, wenn sie sich absolut sicher fühlte. Hierher – in eine Umgebung, die ihr nicht vertraut war – passte dieses Verhalten nicht. Ich überlegte, ob dies etwas mit der Hündin zu tun haben könnte. Alice war schon immer tierlieb gewesen. Doch wenn ich genauer darüber nachdachte, war sie schon den ganzen Tag so unbeschwert gewesen – zumindest, wenn Isabella in ihrer Nähe gewesen war. Konnte es sein, dass Alice sie mochte? So sehr, dass sie bereit war, sich ihr zu öffnen? Sie kannte sie doch kaum. Ich konnte mich nicht erinnern, dass meine Schwester jemals vorher so schnell Zutrauen bei einem fremden Menschen gefasst hatte. Sie musste in diesem Mädchen irgendetwas sehen, was ich nicht erkannte. Für mich war sie nur eine sture, viel zu sehr von sich selbst überzeugte Person, welche mich in den Wahnsinn trieb, seit ich sie zum ersten Mal gesehen hatte. Und ich war nicht der Meinung, dass sie die Person war, der Alice sich anvertrauen sollte. Ich wollte nicht, dass sie schon wieder verletzt wurde. Ich musste unbedingt mit meiner Schwester reden.

Während ich noch in meinen Gedanken versunken war, entspannten sich Isabellas Gesichtszüge und sie lächelte mild. Dann wandte sie sich an Emmett:

„Ist schon gut, wir beide sind solche Bemerkungen gewohnt, nicht wahr, Große?“

Sie stellte die Kartons ab und beugte sich über Elphie, um ihr die Brust zu kraulen. Sie konnte also auch verzeihen – zumindest, wenn ich es nicht war, der darum bat. Interessant!

„Und ja, sie ist mein Hund.“

Sie sah wieder nach oben. Das Lächeln hatte sich auf ihrem gesamten Gesicht ausgebreitet und auch ihre braunen Augen erreicht. Ihr Blick war warm und liebevoll. Ich ertappte mich dabei, wie ich fand, dass ihr das ungemein gut stand. Schnell zwang ich mich wieder, an etwas Neutrales zu denken, immerhin vermied sie es auch, mich anzusehen. Gegenseitiges Ignorieren – wir sollten es beide nicht vergessen.

Alice ging – ermuntert durch Isabellas Lächeln – auf sie zu und begann erneut, Elphie zu streicheln. Dabei sagte sie:

„Sie ist wirklich hübsch! Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal einen solchen Hund gesehen zu haben. Was ist das für eine Rasse?“

„Irgendwas gemixtes, aber man sagte mir, dass sie wohl ihrer Mutter sehr ähnlich sehen würde. Diese war ein reinrassiger Eurasier – das ist eine relativ junge Art, die hauptsächlich in Europa verbreitet ist. Von dort hatte ihr Besitzer sie auch mitgebracht. Er wollte anscheinend ganz groß ins Zuchtgeschäft einsteigen. Doch seine Hündin lief ihm weg und ließ sich mit der erstbesten Promenadenmischung ein, die ihren Weg kreuzte. Das Ergebnis waren fünf kleine Fellknäule, die allesamt im Tierheim landeten.“

Alice´ Gesicht verzog sich zu einer verärgerten Maske. Mit deutlichem Groll in der Stimme sagte sie:

„Oh, wie gemein! Die armen Babys können doch nichts dafür, wenn dieser Idiot nicht auf sein Tier aufpassen kann. Was wurde aus der Hündin?“

Isabella zuckte mit den Schultern.

„Das wussten die Mitarbeiter im Zwinger nicht. Sie hatten sie nur kurz gesehen, als der Mann die Welpen gebracht hatte. Ich glaube aber nicht, dass er ein besonders schlechter Mensch gewesen ist. Immerhin hat er die Kleinen nicht getötet oder ausgesetzt und er hat sie auch erst weggegeben, als sie alt genug waren, um von der Mutter getrennt zu werden. Der Hündin geht es bestimmt gut.“

Alice nickte beschwichtigt und streichelte Elphaba wieder über den Kopf. Ihr Blick blieb auf den Narben hängen. Zögert begann sie zu sprechen:

„Darf ich fragen, … nun ja, … ?“

„Du willst wissen, was mit ihrem Gesicht passiert ist?“, hakte Isabella nach.

„Du musst es nicht erzählen. Ich wollte nicht neugierig oder unhöflich sein.“

Isabella schüttelte leicht den Kopf und sah gedankenverloren meine Schwester an, die sich erneut neben Elphie gehockt hatte.

„Nein, kein Problem. Es ist verständlich, dass du es wissen möchtest. Ich warne dich aber, es ist keine schöne Geschichte. Ein älterer Hund hat sie und zwei ihrer Geschwister angefallen, kurz nachdem sie ins Tierheim gekommen waren. Die drei hatten ihn wohl mit ihrem Rumgetobe irgendwie gestört. Es muss alles sehr schnell gegangen sein. Als die Menschen dazukamen, hatte er schon wieder von den Welpen abgelassen. Sie konnten nur Elphie retten – die anderen beiden haben es nicht geschafft.“

Ich sah, wie sich Alice´ Augen mit Tränen füllten. Sie kuschelte sich an die Hündin und vergrub ihr Gesicht in ihrem Fell. Ich wollte zu ihr gehen und sie trösten, doch Isabella war schneller. Beruhigend legte sie ihr eine Hand auf die Schulter und sagte:

„Sei deswegen nicht traurig. Das ist jetzt schon drei Jahre her. Solche Dinge passieren und wir können sie leider nicht ändern. Freu dich lieber darüber, dass Elphie überlebt hat. Und was die Narben angeht – die stören uns nicht. Schließlich hätten wir uns ohne sie nie kennen gelernt. Nicht wahr, Große!“

Bei dieser liebevollen Anrede sprang Elphie auf – wobei Alice unsanft zur Seite gestoßen wurde – und tänzelte Schwanz wedelnd um Isabella herum. Plötzlich hatte diese zwei riesige Pfoten auf den Schultern und einen nassen Hundekuss mitten auf die Wange. Lachend schob sie den aufgeregten Hund von sich runter und reichte meiner Schwester die Hand, damit diese aufstehen konnte. Letztere hatte schon wieder ein kleines Lächeln auf den Lippen, als sie fragte:

„Ihr habt euch durch ihre Narben kennen gelernt?“

Seit wann war meine Schwester derartig neugierig? Isabella schien dieser Wissensdurst jedoch nicht weiter zu stören, denn sie antwortete ohne Umschweife:

„Nun, indirekt schon. Mein Dad hatte zwei Tage nach dem Angriff zufällig bei einem Tierarzt in Port Angeles zu tun. Dort war Elphie operiert worden. Der Doktor erzählte meinen Vater, dass ihre Chancen auf Vermittlung mit einem entstellten Gesicht nahezu bei null lägen – Menschen können so was von oberflächlich sein. Meinen Dad rührte diese Geschichte so sehr, dass wir zwei Wochen später zum Tierheim fuhren, um sie abzuholen.“

„Dein Dad ist echt klasse!“, gab Alice euphorisch von sich.

„Ja, dass ist er. Meistens, jedenfalls.“

Isabella lächelte kurz in sich hinein, bevor sie ihren Blick von meiner Schwester abwendete und in Emmetts und meine Richtung schaute.

„Nun, ihr seid doch bestimmt nicht hergekommen, um euch Storys über Elphie anzuhören? Wie kann ich euch helfen?“

Emmett hatte so gespannt zugehört, dass ihn die Frage ein wenig überrumpelte. Er räusperte sich kurz, bevor er antworten konnte:

„Ich brauche einige Dinge für meine Footballausrüstung. Die Gesichtsmaske meines Helmes ist beschädigt und meine Schulterpolster haben auch schon bessere Zeiten gesehen.“

„Na, dann kommt mal mit!“

Isabella drehte sich um und bedeutete uns, ihr zu folgen. Wir gingen tiefer in den Laden hinein, vorbei an Regalen mit den unterschiedlichsten Sportutensilien. Anscheinend waren die Freizeit- und Campingartikel auf der anderen Seite des Geschäfts aufgebaut.

„Du bist also das neue Mitglied bei den SPARTANS? Glückwunsch! Ich wette, Mike ist vor Freude fast geplatzt Schließlich hat er jetzt endlich einen neuen Fullback. Ich nehme doch an, dass du auf dieser Position spielen wirst?“

Überrascht sah ich auf. Dass Isabella vorhin höflich Alices Fragen beantwortet hatte, war eine Sache. Doch dass sie meinen Bruder freundlich und von sich aus ansprach, ließ mich stutzten. Schon wieder reagierte sie völlig anders, als ich es erwartet hätte.

Emmett nickte anerkennend.

„Ganz genau!“, sagte er begeistert. „Du kennst dich anscheinend aus. Gehst du zu den Spielen?“

Isabella lachte auf, bevor sie antwortete:

„Nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Aber mein Dad liebt alles, was Sport zu tun hat – zumindest im Fernsehen. Ich kann mich nicht entsinnen, dass er jemals was anderes geschaut hat. Da bekommt man in siebzehn Jahren so einiges mit.

Außerdem lese ich alle Artikel für die ‚RainGazette’ Korrektur und Tyler, unser Sportredakteur, ist wirklich begabt. Wenn er einen Bericht über einen Wettkampf schreibt, hast du das Gefühl, dabei gewesen zu sein.“

Während sie sprach, betraten wir einen großen Raum, der voller unausgepackter Kartons und eingewickelter Ware stand. Dies war mit großer Wahrscheinlichkeit das Lager. Isabella sah uns entschuldigend an.

„So, da wären wir. Leider haben die anderen Spieler am Wochenende unseren ganzen Vorrat an Schulterpolstern und Helmzubehör aufgekauft. Die Lieferung mit der Nachbestellung ist zwar heute Morgen gekommen, ich habe mich aber noch nicht bis zu den Footballutensilien durchgearbeitet. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass sie in den Kisten dort hinten sind.“

Sie schlängelte sich zwischen den Waren hindurch und öffnete eine der Boxen, die an der Wand standen. Triumphierend holte sie die gewünschten Sachen hervor und blickte Emmett auffordernd an.

„Komm rüber, dann kannst du selbst schauen, was du genau brauchst und welche Größe du benötigst.“

Mein Bruder ging zu ihr und gemeinsam begutachteten sie den Inhalt der Kartons. Alice stand neben mir und tätschelte geistesabwesend Elphies Kopf, der zwischen unseren Oberschenkeln ruhte. Plötzlich spürte ich etwas Nasses an meinem Bein und sah nach unten. Die Hündin blickte mich mit ihrem gesunden, bernsteinfarbenen Auge an. Unwillkürlich hob ich meine Hand und kraulte sie hinterm Ohr. Dies schien ihr zu gefallen, denn sie begann, genüsslich vor sich hin zu grummeln. Meine Schwester kicherte leise und flüsterte mir zu:

„Sie scheint dich zu mögen.“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Sie scheint jeden zu mögen“, erwiderte ich betont gleichgültig.

Alice schüttelte den Kopf, immer noch lächelnd.

„Ich glaube nicht, dass es daran liegt. Emmett ist von ihr nämlich noch nicht zum Streicheln aufgefordert worden.“

„Emmett hat sie ja auch beleidigt!“

„Damit hat es bestimmt nichts zu tun und das weißt du auch. Nein, sie mag dich. Hunde haben eben ein untrügliches Gespür für Menschen, die ihnen gut tun.“

Mit diesen Worten wandte sich meine Schwester von mir ab und ließ mich mit der Hündin allein. Diese machte gar keine Anstalten, sich vom Platz zu bewegen, weder Alice hinterher noch ihrem Frauchen entgegen. Im Gegenteil – Elphie lehnte sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen mein Bein und hob ihre Vorderpfote. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was sie wollte.

„Sie möchte am Brustbein gekrault werden. Das findet sie richtig klasse. Ich würde dir ja zeigen, wie, aber von mir lässt sie sich nicht gerne anfassen. Sie kann mich irgendwie nicht leiden.“

Ich sah auf und blickte in Mikes grinsendes Gesicht. Elphie blickte ebenfalls nach oben, stand auf und lief zu Isabella.

„Ich sag ´s doch, sie kann mich nicht leiden.“

Mike zuckte mit den Schultern, bevor er weiter sprach:

„Habt ihr alles bekommen, was ihr wolltet? Es wäre echt ein Jammer, wenn Emmett nicht sofort ins Training einsteigen könnte.“

Ich deutete in die Richtung, in der Elphie verschwunden war. Mein Bruder stand neben einer der Kisten und probierte gerade ein paar Schulterposter an.

„Wir sind noch beim Kaufen, wie du siehst“, klärte ich Mike auf.

Dieser folgte meiner Armbewegung und nickte.

„Verstehe! Ist wohl noch nicht alles ausgepackt, was? Tja, ohne mich läuft eben nichts!“

Dann wandte er sich an Isabella, die gerade die Helme vor Emmett ausbreitete.

„Tut mir leid, dass ich zu spät bin, Bella.“

Isabella schaute nur kurz auf, bevor sie sich wieder den Kopfschutzen widmete. Trotzdem antwortete sie:

„Mach dir darüber keinen Kopf. Es ist nicht das erste Mal und wird bestimmt auch nicht das letzte Mal sein, dass du nicht pünktlich kommst. Doch da ich nach Stunden bezahlt werde, ist mir das relativ egal. Wenn du nicht da bist, habe ich eben länger zu tun. Du solltest jetzt aber vor in den Laden gehen, falls noch andere Kunden kommen. Dein Vater ist nämlich kurz zur Bank gefahren.“

Mike nickte wieder und verschwand dann nach vorn in den Laden. Es dauerte jedoch nicht lange und die Tür öffnete sich erneut. Ein Mann mittleren Alters erschien im Lager und sah überrascht in die Runde.

„Isabella, was ist denn hier los? Wer sind diese Jugendlichen?“, fragte er in leicht gereiztem Ton.

Die Angesprochene sah auf und lächelte entschuldigend.

„Das sind neue Schüler an der Forks High, Mr. Newton. Sie brauchen einiges für ihre Sportausrüstung. Da ich mit dem Auspacken noch nicht fertig war, habe ich sie einfach mit nach hinten genommen. Das war doch Okay, oder?“

Mikes Vater wirkte verwirrt.

„Ihr seit mit dem Auspacken noch nicht fertig? Die Lieferung war heute doch gar nicht so groß. Eigentlich hätte die Ware schon längst verräumt sein müssen.“

Er hielt kurz inne und Erkenntnis machte sich auf seinem Gesicht breit, bevor er weiter sprach:

„Natürlich! Mein unzuverlässiger Sohn ist gerade erst hier aufgetaucht, stimmt ´s? Aber er wird gleich nach hinten kommen und dir helfen, dafür sorge ich schon. Ich bringe nur noch die Papiere ins Büro und gehe dann selbst nach vorn an die Theke.“

Damit verschwand er in einer Tür seitlich von mir, nur um kurze Zeit später wieder aufzutauchen und in den Laden zu gehen.

In der Zwischenzeit hatte Emmett seine Sachen zusammen. Er bedankte sich bei Isabella, die ihn zum Abschied angrinste. Dann winkte sie Alice zu und widmete sich wieder dem Auspacken der Waren. Ich bekam nicht einmal mehr einen eisigen Blick. Irgendwie störte mich diese Tatsache.

Gemeinsam mit meinen Geschwistern ging ich zurück in das Geschäft. Auf halben Weg kam uns Mike entgegen. Er schien deutlich schlechter gelaunt als noch vor ein paar Minuten. Er lief an uns vorbei, ohne uns noch einmal zu beachten. Das Gespräch mit seinem Vater war anscheinend nicht nach seinem Geschmack verlaufen.

Mr. Newton wartete schon hinter der Kasse auf uns. Während Emmett seine neuen Ausrüstungsteile bezahlte, gingen Alice und ich schon einmal zum Auto.

Plötzlich ertönte hinter uns ein ohrenbetäubender Lärm. Ich drehte mich um und blickte direkt auf das rostige Ungetüm, mit welchem mein Wagen gestern unfreiwillig Bekanntschaft gemacht hatte. Am Steuer saß ein Junge, der deutlich jünger als ich zu sein schien. Ich bezweifelte, dass er schon einen Führerschein hatte. Sein Profil, die dunklen Haare und seine Hautfarbe ließen darauf schließen, dass er aus dem nahe gelegenen Reservat an der Westküste stammte.

Als er ausstieg, fiel mir seine Größe ins Auge. Trotz seines Alters hatte er meine Körperhöhe schon beinahe erreicht. Nicht mehr lange und er würde mich überragen. Er ging um den Van herum und öffnete gerade die hinteren Flügeltüren, als der Eingang des Ladens geöffnet wurde.

Emmett verließ das Geschäft, dicht gefolgt von Isabella und Elphie. Letztere sprintete über den Parkplatz, direkt auf den Fremden zu und sprang ihn freudig an. Der Junge ging lachend in die Knie und kraulte der Hündin die Ohren.

„Hallo, Große! Na, wie geht ´s?“

Wie zur Antwort bellte Elphie kurz auf. Alice neben mir kicherte leise. Sie hatte wirklich einen Narren an dem Tier gefressen.

Mittlerweile war Isabella bei ihrem Auto angekommen. Der Junge erhob sich, legte seinen Arm um ihre Schulter und führte sie zur Motorhaube. Freudestrahlend deutete er auf die Scheinwerfer.

„Wie versprochen präsentiere ich dir deinen nagelneuen Wagen – oder zumindest deinen Wagen mit funktionierenden Lichtern. Die Beulen aus dem Blech hab ich so gut es ging ausgebügelt. Wir sollten demnächst aber vielleicht doch etwas Geld in eine Dose neue Farbe investieren. Alles in allem sieht dein Van nämlich ganz schön mitgenommen aus.“

Er hatte also ihr Auto repariert. Isabella boxte ihm freundschaftlich in die Seite, bevor sie auf seinen Kommentar einging:

„Hey, mach meinen Wagen nicht nieder! Wenn jemand an meiner Rostlaube herummeckern darf, dann ich. … Sag mal, habe ich rechts jetzt einen roten Blinker?“

Der Junge kratzte sich verlegen am Kopf, bevor er antwortete:

„Es gab leider keinen anderen auf dem Schrottplatz. Aber es ist ja vorn, da wird schon keiner denken, dass es sich ums Rücklicht handelt. Und außerdem – solltest du nicht lieber dankbar sein, anstatt an meiner Arbeit rumzunörgeln?“

„Entschuldigung, du hast ja Recht. Ich danke dir, Jacob. Und mein Wagen dankt dir natürlich auch.“

Lächelnd stellte sie sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

Dieser Anblick versetzte mir ein dumpfes Gefühl, welches ich mir nicht erklären konnte. Doch noch bevor ich darüber nachdenken konnte, vernahm ich die Stimme meines Bruders neben mir:

„Ist das nicht das Moped, das ich heute Morgen beinahe über den Haufen gefahren hätte?“

Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Emmett mittlerweile bei Alice und mir angekommen war. Ich folgte seinem Blick in das Innere des Vans. Dort stand tatsächlich ein Klappergestell, welches dem Gefährt von heute morgen verdächtig ähnlich sah. Wieso wunderte mich das nicht? Ich nickte kurz, bevor ich meinem Bruder antwortete:

„Sieht so aus!“

Und wieder öffnete sich die Ladentür. Mike kam auf den Parkplatz und schaute zu Isabella und ihren Begleiter. Grüßend hob er die Hand.

„Hi Jake, lange nicht gesehen!“

Der Angesprochene erwiderte den Gruß deutlich unterkühlt. Die besten Freunde waren sie nicht, soviel stand fest. Der Grund dafür war mit Sicherheit Isabella, an die sich Mike jetzt wandte:

„Bella, du solltest wieder rein kommen! Mein Vater sucht dich.“

Isabella sah ihn mit angehobenen Augenbrauen an.

„Wirklich? Das wundert mich. Immerhin habe ich deinem Dad Bescheid gesagt, dass ich Pause mache und er war einverstanden.“

Dieser Jake sah aus, als wenn er sich ein Lachen verkneifen musste. Mike hingegen lief rot an, bevor er etwas erwiderte:

„Oh, da habe ich ihn wohl falsch verstanden.“

Für einen kurzen Moment tat mir der Quaterback leid. Dieses Fettnäpfchen hatte er voll erwischt. Ich wusste nicht, was er sich von derartigen Aktionen erhoffte, denn es war offensichtlich, dass Isabella an ihm nicht interessiert war – selbst, wenn man die Tatsache übersah, dass sie einen Freund hatte.

Und wieder dachte ich mehr über sie nach, als ich sollte. Es hatte mich nicht zu kümmern, mit wem sie was machte. Ich müsste doch froh sein, wenn sie mich ignorierte. Wieso frustrierte mich diese Tatsache derartig? Ihre Nähe tat meinem Verstand eindeutig nicht gut. Es war höchste Zeit, nach Hause zu fahren.

Ich öffnete die Tür zur Beifahrerseite und gab den anderen beiden ein Zeichen zum Aufbruch.
 

Die Heimfahrt verlief ebenso ruhig wie gestern. Hin und wieder versuchte Emmett, die angespannte Situation mit einem Witz aufzulockern, doch dies wollte nicht so recht klappen. Zum einen war seine eigene Stimmung immer noch nicht ganz aus der Tiefe wieder nach oben gekrochen. So weit ich wusste, hatte er Rosalie heute den ganzen Tag ignoriert – anscheinend eine Lieblingsbeschäftigung an dieser Schule. Ich hatte aber das Gefühl, dass er damit mehr sich selbst gequält hatte als sie.

Zum anderen hatte ich Alice immer noch keine Erklärung für mein Verhalten in Geschichte gegeben. Ihre ungestellten Fragen lagen geradezu greifbar in der Luft und ließen ein anderes Gespräch einfach nicht zu.

Nach ungefähr dreißig Minuten erreichten wir unser neues Zuhause. Es lag etwas außerhalb von Forks direkt am Sol Duc River. Die Einfahrt war links und rechts von Wald gesäumt und so lang, dass man den Eindruck gewinnen konnte, das Anwesen läge auf einer Lichtung inmitten von Bäumen.

Das Haus selbst war von den Vorbesitzern vor weniger als zwanzig Jahren gebaut worden, machte von Stil aber eher den Eindruck, etliche Jahre älter zu sein. Es bestand vollkommen aus rotem und grauem Backstein. Die Türen und Fensterrahmen waren weiträumig und aus Ebenholz gefertigt. Die kleine Vorderveranda wurde von vier Säulen umrandet, welche einen großzügigen Balkon über der Eingangstür stützten. Das dunkelgrüne Dach bestand aus vielen, verschiedengroßen Erkern und Giebeln, welche den Räumen in der zweiten Etage interessante Deckenformen verliehen. An der Hinterseite befand sich ein Wintergarten, der sich in eine riesige Terrasse öffnete. Von dieser kam man in einen wild-romantischen Garten, der sich bis zum Fluss erstreckte.

Alles in allem passte dieses Anwesen perfekt zu uns. Die märchenhafte Anmut des Gebäudes war wie geschaffen für Esmes Sammlung von antiken Möbeln. Carlisles Bücher und Gemälde hatten ebenfalls schon ihre Plätze gefunden. Die Ruhe und Abgeschiedenheit würden Emmett gut tun und Alice, die selbst in Chicago immer ein Naturmensch gewesen war, hatte beinahe Luftsprünge gemacht, als sie das Grundstück gesehen hatte. Ja, meiner Familie würde es hier gut gehen und das war alles, was zählte.

Emmett parkte in der großen Garage. Wir stiegen aus und gingen zum Haus. Esme arbeitete im Wintergarten. Solange ihr Atelier im Obergeschoss noch nicht fertig war, hatte sie ihre Staffelei hier unten aufgestellt. Sie sagte, der Blick auf den Fluss inspiriere sie. Ich war gespannt, ob sie mit ihren Kunstutensilien jemals in ihr Arbeitszimmer ziehen würde, wenn sie sich hier unten erstmal eingerichtet hatte.

Als wir herein kamen, drehte sie sich lächelnd zu uns um und sagte:

„Hallo, Kinder. Ich hoffe, ihr hattet einen schönen Tag. In der Küche steht ein leckerer Eintopf. Die neue Haushälterin hat ihn zubereitet. Er schmeckt wirklich exquisit, ich habe zusammen mit Carlisle gegessen, bevor er wieder ins Krankenhaus musste. Wenn Mrs. Dawson sich weiter so hervorragend zeigt, werde ich sie fest anstellen. So eine Seele von Mensch findet man nicht sehr oft.“

Und damit widmete sie sich wieder ihrem Gemälde. Wenn Esme in ihre Kunst vertieft war, wurde sie nicht gern gestört. Sie nannte das dann immer ihre Nachmittage mit ihrer Muse. Wir ließen ihr diese Freiräume, schließlich war es ihr Beruf. Ihre Werke schmückten Ausstellungen und Galerien auf der ganzen Welt.

Ich hatte eigentlich keinen richtigen Hunger, folgte den anderen aber in die Küche. Emmett war gerade dabei, sich einen vollen Teller zu genehmigen, als das Telefon klingelte. Wie von der Tarantel gestochen sprang er auf und rannte beinahe Alice um, die noch am Herd stand. Dann nahm er ab. Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich. Anscheinend handelte es sich nicht um den gewünschten Gesprächspartner. Während er sich unterhielt, setzte ich mich mit einer kleineren Portion Suppe zu meiner Schwester an den Tisch und begann zu essen. Nach ein paar „Jas“ und „Vielleichts“ verabschiedete mein Bruder sich und legte miesepetrig dreinblickend wieder auf.

„Also, dieser Mike geht mir jetzt schon auf die Nerven“, maulte er vor sich hin. „Das Training ist noch keine zwei Stunden vorbei und er ruft schon an, um über neue Spielzüge zu beratschlagen. Wenn das das ganze Jahr so weitergeht, na Prost Mahlzeit!“

Schmunzelnd ging ich auf seine Worte ein:

„Du bist doch nur sauer, weil du jemanden anderen erwartet hattest. Die Aktion mit dem Ignorieren hat wohl nicht ganz so gut geklappt, wie du gehofft hattest?“

„Dafür klappt das bei dir ja umso besser!“

Emmett funkelte mich verärgert an, bevor er weiter sprach:

„Je mehr Isabella dich ignoriert, desto weniger kannst du deine Augen von ihr lassen.“

Ich verschluckte mich beinahe an einer Nudel und bekam einen Hustenanfall. Alice schlug mir kräftig auf den Rücken, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Wütend sah ich Emmett an.

„Du weißt doch gar nicht, von was du da sprichst.“

Ich bemerkte selbst, dass meine Stimme einen bedrohlichen Ton angenommen hatte, war aber zu sauer, um diesen abzustellen.

„Ich habe nur aus einem Grund nach ihr Ausschau gehalten“, fuhr ich fort. „Ich wollte die Sache von gestern klären. Doch da sie sich als ein unkommunikativer und äußerst überheblicher Mensch entpuppt hat, hat sich dass auch erledigt. Isabella Swan ist mir völlig egal.“

„Nun, solange du weißt, von was du sprichst, ist es ja gut!“

Mit diesen Worten stand Emmett auf, nahm seinen Teller und verschwand aus der Küche. Was sollte dieser Spruch nun wieder? Natürlich wusste ich, von was ich sprach.

Neben mir stand Alice ebenfalls von ihrem Platz auf. Ich sah zu ihr und blickte direkt in zwei blitzende, graue Augen. Sie war ebenfalls aufgebracht. Was hatte ich getan? Fragend schaute ich sie an. Was darauf folgte war eine Schimpftirade, wie ich sie von ihr wohl noch nie gehört hatte:

„Wie kannst du nur so etwas Gemeines über Isabella sagen? Seit gestern benimmst du dich wie ein ungehobelter Mistkerl. Du legst eine Arroganz und einen Stolz an den Tag – davon wird einem ja schlecht. Ich erkenne dich kaum wieder. So überheblich hast du dich anderen gegenüber noch nie benommen. Gut, du bist immer noch verärgert wegen der Geschichte mit deinem Auto. Das ist aber noch lange kein Grund, Isabella derartig schlecht zu machen. Sie ist der netteste Mensch, den ich außerhalb unserer Familie jemals kennen gelernt habe. Du kennst sie doch kaum!“

Ein Schluchzer ließ ihren kleinen Körper erbeben. Langsam ging ich auf sie zu und nahm sie in die Arme. Ich ging in ruhigem Ton auf ihre Vorwürfe ein, denn ich wollte nicht, dass sie sich noch mehr aufregte:

„Es tut mir leid, wenn ich dich mit meinem Benehmen gekränkt habe. Es war nur ein sehr anstrengender Tag und auch ich bin nicht perfekt. Es ist richtig, ich habe mich nicht immer korrekt verhalten, doch ich wollte dich bestimmt nicht verletzen, das weißt du.

Und was Isabella angeht. Du kennst sie doch auch nicht. Es stimmt, wir hatten einen schlechten Start. Aber glaube mir, die Stunde Biologie, die wir gemeinsam hatten, hat mein Bild von ihr nur bestätigt. Sie ist nicht die Richtige, um deine Freundin zu sein. Ich will nicht, dass sie dir wehtut!“

Schnell wie der Blitz wand sich Alice aus meinen Armen. Mit einem trotzigen Blick sah sie mich an, bevor sie erwiderte:

„Sie wird mir nicht wehtun, dass spüre ich. Ich weiß, dass ich ihr vertrauen kann, dass habe ich von Anfang an gewusst.“ Ihre Stimme überschlug sich beinahe. „Ich weiß nicht, was für Probleme du mit ihr hast und warum dein Biologiekurs so schrecklich war, aber in Mathe wäre ich ohne sie gestorben.

Ich saß bereits auf meinen Platz, als sie rein kam und sich an den Tisch hinter mir setzte. Auf einmal kam Jessicas Freundin herein und ging schnurstracks auf mich zu, ein zufriedenes Lächeln im Gesicht. Als sie mich fragte, ob neben mir noch frei wäre, konnte ich Nichts anderes sagen als ‚Ja’. Sofort belegte sie mich mit irgendwelchen Geschichten über die Cheerleader, während ich immer weiter auf meinem Stuhl zusammensank. Ich wusste, dass würde ein schreckliches Semester werden. Doch plötzlich stand Isabella neben mir und fragte mich, warum ich mich an die falsche Bank gesetzt hatte, immerhin hätte sie mir bei sich hinten etwas frei gehalten.

Sie hat mir heute das Leben gerettet. Also tu mir den Gefallen und versuche, etwas netter von ihr zu denken.“

Ihre Augen füllten sich mich Tränen. Ich musste schlucken. Ich hatte sie mit meinen Worten tatsächlich unbewusst verletzt. Auch wenn Alice Ausführungen sehr melodramatisch waren, so verstand ich doch, was sie mir damit sagen wollte. Sie mochte Isabella wirklich und ich konnte dies nicht mehr ändern.

Tief in meinem Inneren wusste ich, dass ich dies auch nicht wollte. Ich gönnte meiner Schwester von ganzem Herzen eine Freundin, die für sie da war. Und wenn die Geschichte stimmte, so hatte sich Isabella ihr gegenüber als eine solche erwiesen. Egal, welche Probleme ich mit ihr hatte, bei meiner Schwester war sie anscheinend ein anderer Mensch. Diese Tatsache musste ich akzeptieren.

Ich ging auf Alice zu und nahm sie erneut in meine Arme. Leise flüsterte ich ihr ins Ohr:

„Es tut mir leid!“

„Das hoffe ich!“, schluchzte sie an meiner Schulter. Als sie sich beruhigt hatte, setzten wir uns wieder hin und aßen schweigend zu Ende.
 

Ich arbeitete gerade an meinen Hausaufgaben, als es an meiner Zimmertür klopfte. Ich hob den Kopf und bad den Besucher herein.

Esme betrat den Raum. Sie lächelte mich an und setzte sich auf mein Bett.

„Ich muss mit dir reden, Edward.“

Ich legte meinen Stift zur Seite und wandte mich ihr zu. Ihre Kleidung und die Hände waren über und über mit Farbe beschmiert. Sie war am Nachmittag anscheinend sehr kreativ gewesen.

„Ich habe heute durch Zufall eine alte Freundin wieder getroffen“, antwortete sie auf meinen fragenden Ausdruck hin. „Wir hatten zusammen in Paris studiert, an der Kunstakademie. Ich wusste gar nicht, dass sie in Forks lebt. Zumindest hat sie mich und meine Familie am Sonntag zu einer Gartenparty eingeladen und ich habe zugesagt. Wir kennen hier doch keinen. Da ist so eine kleine Feierlichkeit vielleicht genau das Richtige, um unter die Leute zu kommen. Ich hoffe, du gehst mit?“

Jetzt war sie es, die abwartend dreinblickte. Sie wusste, dass ich solche Veranstaltungen eigentlich nicht mochte, schon gar nicht, wenn man niemanden kannte. Doch es war ihr wichtig und deshalb nickte ich zustimmend. Sie strahlte mich an, machte aber keine Anstalten, zu gehen. Sie hatte noch etwas auf dem Herzen.

„Warum bist du eigentlich hier, Mom?“

Sie atmete kurz durch, bevor sie mir antwortete:

„Ich habe mitbekommen, dass Alice und du euch gestritten haben. Und auch Emmett schien irgendwie verärgert. Ich weiß, dass der Umzug für euch Kinder nicht leicht war. Weg aus eurer gewohnten Umgebung, hinein in ein völlig neues Leben. Doch für dich war der gestrige Tag besonders schwer – und damit meine ich nicht diese dumme Geschichte mit deinem Auto. Wenn du reden willst, wenn dir irgendetwas auf dem Herzen liegt, du kannst mir alles sagen. Das weißt du, Liebling?“

Zärtlich lächelt sie mich an.

„Natürlich weiß ich das“, erwiderte ich.

Sie atmete erneut kurz durch und sprach weiter:

„Wenn das alles hier für dich zu viel wird, dann können wir auch eine andere Möglichkeit finden. In deine alte Schule in Chicago ist auch ein Internat integriert. Ich weiß, dass du Alice und Emmett beistehen willst und dass du alles für deine Familie geben würdest, aber du solltest auch an dich denken. Ich sehe doch, wie du dich seit gestern quälst.“

Ihre Stimme zitterte leicht. Die Vorstellung, ich könnte zurück wollen, behagte ihr ganz und gar nicht. Sie vermisste mich ja schon, wenn ich nur für ein paar Tage nicht da war.

Ich stand auf, setzte mich neben sie und nahm sie beruhigend in die Arme.

„Mom, ich will doch gar nicht weg!“

Als ich dies sagte, spürte ich, dass es der Wahrheit entsprach. So sehr die letzten 48 Stunden auch meine Nerven strapaziert hatten, verlassen wollte ich Forks auf gar keinen Fall. Ich befürchtete, dass dieser Wunsch nicht nur mit meiner Familie zu tun hatte.

„Du hast Recht!“, sprach ich weiter. „Die ersten zwei Tage sind nicht optimal verlaufen, aber das wird schon noch. Wenn ich mich erst einmal eingelebt habe, werde ich auch wieder der Alte sein, versprochen.“

„Das freut mich!“, sagte sie. Dann gab sie mir einen Kuss auf die Stirn und stand lächelnd auf.

„Und vergiss nicht! Ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst.“

Leise schloss sie die Tür hinter sich.

Ich versuchte, mich wieder auf meine Aufgaben zu konzentrieren, doch das wollte mir nicht mehr gelingen. Ohne es verhindern zu können, gingen mir die Ereignisse der letzten Tage durch den Kopf. Ich musste mich ablenken.

Ich verließ mein Zimmer und lief nach unten in den Wintergarten. Dort, in einer Nische auf der rechten Seite stand mein Flügel und wartete auf mich. Ich setzte mich und begann wahllos mir bekannte Stücke zu spielen. Dafür brauchte ich keine Noten.

Meine ersten Klavierstunden hatte ich mit fünf Jahren gehabt, das erste Lied komponierte ich mit acht. Einige meiner Lehrer hatten hin und wieder das Wort „Wunderkind“ benutzt, doch mir hatte dieser Ausdruck nie gefallen. Ich war zweifelsohne begabt, doch ich hatte nie mit der Absicht gespielt, ganze Opernhäuser zu füllen und Konzertreisen zu bestreiten – meine Familie hatte mich glücklicherweise auch zu keiner Zeit dazu gedrängt. Ich machte Musik aus Leidenschaft und aus Freude. Es entspannte und beruhigte mich, die Saiten zum Klingen zu bringen. Ich wollte später einmal mit meinen Kompositionen Geld verdienen, doch ich hatte keine Ambitionen, berühmt zu werden.

Während ich spielte, fing es an zu regnen. Der Himmel hatte sich verdunkelt und verlieh der Umgebung einen mystischen Glanz. Ich bemerkte, dass dieser Raum wirklich etwas Inspirierendes an sich hatte. Ohne große Mühe sponnen sich die Noten in meinem Kopf zu Zeilen zusammen. Die Ruhe und Abgeschiedenheit dieses Hauses würden meinen Kompositionen wahrscheinlich gut tun.

Forks gefiel mir immer besser.

______________________________________________________________________________
 

Es hatte angefangen zu regnen.

Elphie sah mich vorwurfsvoll an. Als wenn ich den Himmel abschalten könnte? Sie mochte es überhaupt nicht, während eines Spazierganges durchnässt zu werden. Ein leichter Niederschlag machte ihr nichts aus, doch solch ein Platzregen gefiel ihr ganz und gar nicht. Und da ich mit ihr nach draußen gegangen war, machte sie mich für ihre Misere verantwortlich.

Lächelnd streichelte ich ihr über den feuchten Kopf. Sie schüttelte sich ausgiebig und verschwand dann zwischen den Bäumen, dorthin, wo es noch ein wenig trockener zu sein schien. Schon nach kurzer Zeit konnte ich sie nicht mehr sehen, doch ich brauchte mir keine Sorgen zu machen. Ich wusste, dass sie immer in Hörweite bleiben würde.

Also stellte ich meinen iPod ein wenig leiser und ging weiter. So allein mit Elphie hier im Wald, konnte ich nicht verhindern, dass meine Gedanken wieder zu den Cullens abschweiften. Den ganzen Tag hatte ich versucht, ihnen aus dem Weg zu gehen, doch dies war völlig unmöglich gewesen. Egal, was ich gemacht hatte – sie waren da gewesen. Man wurde sie einfach nicht los.

Natürlich hatte ich das ungeheure Glück, dass seine Göttlichkeit in meinem Jahrgang war. Und wie nicht anders zu erwarten, tauchte er auch noch in einigen meiner Fächer auf. Wieso konnte er nicht strohdoof sein und in die leichten Kurse gehen?

Doch das Schicksal meinte es besonders grausam mit mir – und in diesem Fall wurde Fortuna vertreten durch Mr. Banner.

Ich hatte gedacht, mich müsste der Schlag treffen, als ich bemerkte, dass gerade Edward Cullen mein Biopartner für das Semester sein sollte. Wir mussten uns also zusammenraufen – zumindest für diese eine Stunde am Tag. Wir waren fast erwachsen, das sollten wir doch wohl irgendwie hinbekommen. Die restliche Zeit hatte ich vor, ihn eiskalt zu ignorieren und er hatte sich meinen Vorschlag anscheinend auch zu Herzen genommen, wie der Geschichtskurs gezeigt hatte. Ich war mir sicher, dass mir mein Vorhaben nicht schwer fallen würde.

Bei seinen Geschwistern sah die Sache schon anders aus – und daran war ich ganz allein schuld.

Von Emmett hatte ich mich viel zu schnell um den Finger wickeln lassen. Seine entwaffnende Fröhlichkeit und seine offene Art hatten mich eiskalt erwischt. Selbst in dem Moment, in dem ich eigentlich hätte sauer sein sollen, hatte ich ihm nicht böse sein können. Die Ehrlichkeit seiner Augen hatte mich weich werden lassen. Ich konnte nicht anders – ich musste ihn einfach mögen.

Er hatte ein Gespür dafür, andere zum Lachen zu bringen. Während wir seine Ausrüstung zusammengesucht hatten, hatte er einen Witz nach dem anderen zum Besten gegeben. Wenn wir Dexter nicht hätten – ich hätte ihm glatt einen Posten bei der „RainGazette“ angeboten.

Bei Alice hingegen wusste ich selbst nicht genau, was eigentlich in mich gefahren war. Ich war nicht der Typ, der sich aufopfernd der schüchternen, neuen Schüler annahm – und schüchtern war sie ohne Zweifel. Immer, wenn sie mit ihrem Bruder zusammen war, versteckte sie sich halb hinter ihm, damit er sie vor der Welt beschützen konnte. War sie einmal allein, spiegelte ihre ganze Haltung die pure Unsicherheit wider und ihr Blick glich dem eines scheuen Rehs.

Und doch war es der Ausdruck ihrer Augen gewesen, der mich dazu veranlasst hatte, ihr in Mathe beizustehen, denn immer, wenn sie mich gesehen hatte, hatte sich eben dieser Blick für einen kurzen Moment in ein Leuchten verwandelt. Es war, als wenn sie sich gefreut hätte, mich zu sehen, obwohl wir uns gar nicht kannten. Sie schenkte mir auf eine subtile Art ihr Vertrauen und ich wollte dies auf gar keinen Fall missbrauchen. Wie verrückt war das denn?

Eigentlich sollte ich mich von ihr fern halten, denn ich spürte instinktiv, dass es mit meiner Ruhe schlagartig vorbei sein würde, wenn ich es zuließ, dass sie in mein Leben trat. Dann würde dies wahrscheinlich alles verändern. Und doch weckte ihre ganze Art den Beschützerinstinkt in mir. Ich verstand ihre Beweggründe noch nicht, dass sie verletzt wurde, wollte ich aber schon jetzt nicht.

Und so hatte ich erst in Mathe und später auch in Geschichte neben ihr gesessen. Und obwohl wir kaum ein Wort miteinander gewechselt hatten, war sie in diesen zwei Stunden irgendwie fröhlich und locker gewesen – von unserer Begegnung bei NEWTONS ganz zu schweigen. Diese kleine Elfe war mir wirklich ein Rätsel.

Ein klägliches Bellen riss mich aus meinen Gedanken. Elphie stand triefnass vor mir, ihr gesundes Ohr zur Seite geklappt und einen Mitleideregenden Ausdruck in ihrem bernsteinfarbenen Auge. Ich musste lächeln. Mein Hund war wirklich zu bedauern. Ihre neue Freundin Alice hätte sie bestimmt nicht so lange diesem abscheulichen Wetter ausgesetzt. Vielleicht war ein feuchter Hintern aber auch die gerechte Strafe für ihren Annäherungsversuch mit seiner Göttlichkeit. Mir war nämlich nicht entgangen, wie die kleine Verräterin sich im Lager an ihn geschmiegt hatte. Aber Elphaba hatte Recht! Es war wirklich Zeit, nach Hause zu gehen.
 

Als Elphie und ich zu Hause ankamen, stand das Abendessen schon auf dem Tisch. Dienstags war Charlie für unser leibliches Wohl zuständig, da ich meist nicht vor sieben Uhr abends von der Arbeit kam. Sehr schwer hatte er es bei der Vorbereitung des Mahls jedoch nicht, denn mein Vater war ein so schlechter Koch, dass es für unsere Gesundheit besser war, wenn ich montags etwas zubereitete, was für zwei Tage reichte und nur aufgewärmt werden musste.

Ich schmunzelte bei dem Gedanken. Die Küche war wahrlich nicht sein Metier. Doch sonst teilten wir uns die Arbeiten im Haus so gut es ging. Während Charlie für den Keller, den Garten und sein eigenes Zimmer verantwortlich war, kümmerte ich mich um den restlichen Haushalt, die Wäsche und das Essen. Teamwork war eben alles.

Ich trocknete Elphie schnell ab und gab ihr ihr Futter. Dann setzte ich mich zu meinem Vater an den Tisch. Das Essen verlief wie immer sehr schweigsam, denn Kommunikation war noch nie unsere Stärke gewesen. Trotzdem war das Leben mit meinem Dad unkompliziert. Er kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich meine Freiräume schätzte – eine Eigenschaft, die ich von ihm geerbt hatte – und er ließ sie mir ohne Kompromisse. Er wusste, dass er mir vertrauen konnte und ich wusste, dass er immer für mich da war. Ich liebte ihn einfach.

Nach dem Essen kümmerten wir uns gemeinsam um den Aufwasch, bevor Charlie im Wohnzimmer verschwand. Irgendeine Sportsendung lief doch immer. Ich wollte gerade in mein Zimmer gehen, als das Telefon klingelte.

„Hallo, hier Swan“, meldete ich mich.

Am anderen Ende vernahm ich die kühle Stimme meiner Tante.

„Hallo, Liebes! Wie geht es dir? Tut dein Kopf noch weh?“

„Mir geht’s gut“, versicherte ich ein wenig überrascht. Ein besorgter Anruf passte nicht zu ihr, zumal ich wusste, dass sie bereits gestern mit Charlie gesprochen hatte. Ich sollte Recht behalten.

„Es freut mich, dass es dir gut geht, aber ich habe ein Problem. Du weist ja, dass ich am Sonntag meine jährliche ‚Indian Summer’ - Party feiere?“

Wie sollte ich dies vergessen? Zum einen mochte ich Tante Liz Partys in der Regel nicht, da sie meiner Meinung nach die unmöglichsten Leute einlud. Zum anderen nervte sie uns nun schon seit zwei Monaten, damit wir den Termin nicht vergasen. Ohne eine Antwort abzuwarten fuhr sie fort:

„Ich hatte gerade einen höchst unerfreulichen Anruf. Der Partyservice hat mir abgesagt – angeblich aus familiären Gründen. Das ich nicht lache! Sie waren einfach nicht in der Lage, meine Anforderungen umzusetzen – als wenn ich für mein Geld nicht das Beste erwarten könnte. Doch es wird ihnen noch leid tun, sich mit Elisabeth Hale angelegt zu haben.“

Ich musste kurz schlucken – diesen Partyservice hatte es wahrscheinlich die längste Zeit gegeben. Ich liebte meine Tante wirklich – sie war schließlich in vielen Dingen mehr meine Mutter als Renée – aber wenn sie die eiskalte, reiche Zicke rauskehrte, konnte sie richtig fies werden. Selbst Rosalie konnte da nicht mithalten.

„Ich nehme nicht an, dass du nur angerufen hast, um mir dies zu erzählen?“ fragte ich sie.

„Nein, natürlich nicht! Ich wollte euch darüber informieren, dass sich der Tagesablauf ein wenig geändert hat. Ich habe nicht vor, einen anderen Service zu beauftragen. Noch einmal will ich nicht die ganze Veranstaltung völlig unfähigem Personal erklären. Ich habe mich also dazu entschlossen, alles selbst vorzubereiten – mit der Hilfe meiner Familie.

Die Party wird nun erst um sechs Uhr abends beginnen, so haben wir genügend Zeit. Rosalie wird dich und deinen Vater pünktlich um neun Uhr morgens abholen, damit dein Van nicht die Einfahrt blockiert. Ich erwarte euch voller Tatendrang. Es gibt viel zu tun.“

Sie hatte in ihrer Ausführung nicht eine Frage eingebaut. Sie erwartete einfach unsere uneingeschränkte Zustimmung. In für sie wichtigen Dingen akzeptierte Tante Liz nun mal keine Widerrede.

Mir war das egal – ich hatte eh nichts anderes vor. Bei Charlie war ich da nicht so sicher, doch er würde seiner Schwester wahrscheinlich auch nicht widersprechen.

Ich versicherte meiner Tante unser Kommen und verabschiedete mich von ihr. Danach berichtete ich meinem Dad vom Inhalt des Telefonates. Wie erwartet reagierte er wenig begeistert und für einen kurzen Moment dachte er daran, zurückzurufen. Doch letztendlich ergab er sich seinem Schicksal. Ich sagte ihm „Gute Nacht“ und ging dann mit Elphie in mein Zimmer.

Meine Hausaufgaben hatte ich heute Mittag schon in der Schulbücherei erledigt, bevor ich der Bibliothekarin Ms. Goodale beim Einsortieren der neuen Bücher geholfen hatte – worüber ich leider ein wenig die Zeit vergessen hatte. Da in den letzten zwei Stunden keine neuen Heimarbeiten hinzugekommen waren, hatte ich nun frei. Eigentlich wollte ich noch ein wenig an meiner Kolumne arbeiten, aber irgendwie fehlte mir dazu die richtige Make.

Also holte ich meine Gitarre, setzte mich neben Elphie aufs Bett und begann zu spielen. Sofort erfasste mich ein tiefes Gefühl der Gelassenheit. Alle Probleme des Tages fielen von mir ab. Nichts beruhigte mich so wie ein wenig Musik, egal, ob ich sie selbst erschuf oder sie nur hörte.

Das Talent zum Spielen war so ziemlich das Einzige, was ich von meiner Mutter geerbt hatte. Anfangs hatte sie mich unterrichtet, doch als die Streitigkeiten mit meinem Vater immer häufiger geworden waren, hatte sie sich dafür kaum noch Zeit genommen. Also hatte ich mir vieles selber beigebracht. Auf der Junior High hatte ich dann in der Schulband gespielt, wo mir vom verantwortlichen Lehrer noch etwas Feinschliff verpasst worden war.

Heute spielte ich ganz gut – zumindest für meinen Geschmack. Auf einer Bühne jedoch würde ich wahrscheinlich untergehen.

Während meine Hände über die Saiten glitten, blickte ich nach draußen. Ein paar aberwitzige Sonnenstrahlen brachen gerade durch die dunkle Wolkendecke. Als sie auf die Tropfen trafen, entstand ein wunderschöner Regenbogen. Lächelnd betrachtete ich dieses Naturschauspiel.

In solchen Momenten war Forks der fantastischste Ort auf der Welt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2010-04-08T22:12:50+00:00 09.04.2010 00:12
Einfach nur toll
(und das mit Elphie war wunderbar)
mach bitte bitte ganz schnell wieter

lg Crispy <3
Von:  simone123
2009-12-06T00:05:32+00:00 06.12.2009 01:05
Sehr schöne Geschichte, ich hoffe du schreibst bald weiter :)
LG
Simone
Von: abgemeldet
2009-10-23T19:50:49+00:00 23.10.2009 21:50
Elphies Geschichte ist ja echt traurig. Schön, dass es auch solche Leute gibt, die Tiere mit kleinen "Schönheitsfehlern" lieb haben! ;) Nette Idee.
Ich schätze mal, dass Bella und Alice gute Freunde werden. Auch wenn Bella sich das scheinbar noch nicht so vorstellen kann. Alice tut es definitiv gut.
Edward... Bin gespannt, wann sich das Verhältsnis zwischen den beiden etwas entspannt. Immerhin sind sie ja Partner in Bio. Da müssen sie sich ja zusammenraufen.
Schätze es dauert aber noch ne Weile, bis Edward merkt, dass Bella nicht so ein schlechter Mensch ist, wie er vielleicht denkt bzw. grübelt er ja mittlerweile schon darüber nach!
Mike ist echt nervig! Aber ich habe nichts anderes erwartet! ;)

Ich freu mich auf das nächste Kapitel.
LG


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