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Blut an meinen Händen

Was bleibt, wenn nichts mehr da ist?
von

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Schmerz

Prolog - Schmerz
 

Jeder kann meinen Fehler sehen

Es ist nicht schwer

Jeder kann sagen, dass sie über all diesem stehen

Es nimmt mir meine Schmerzen
 

Aus: „Schmerz“ von Jimmy Eat World
 

Schmerz. Sein ganzer Körper wurde davon erschüttert. Wie Tausende kleine Nadeln, die auf seine Haut einstachen. War das gut? War das schlecht? Er wusste es nicht. Er kannte kein Gut und Böse.

„Heh, du widerliche kleine Kröte, schrei doch noch mal!“ drang eine raue Stimme an sein Ohr. Und er tat ihm den Gefallen. Er schrie. Er schrie sich die Seele aus dem Leib, möglichst laut, so wie der Dämon es am liebsten hatte. Er schrie und weinte, die Tränen liefen nur so über sein Gesicht. Das hatten sie besonders gern, wenn er weinte. Dämonen hatten nämlich keine Tränen und erfreuten sich an dieser Schwäche. Er aber hatte Tränen, denn er war nur ein halber Dämon. Er hatte schmutziges Blut, war schwach und wertlos. Zu nichts zu gebrauchen. Das sagten sie ihm oft genug.

Der Youkai über ihm lachte. Noch einmal stieß er mit seinem Schwert auf ihn ein. Das Schreien fiel ihm jetzt leichter, er brauchte nicht einmal dazu aufgefordert werden. Und es wirkte. Der Dämon hielt inne, lachte erneut. Lachen, gleich kein Schmerz. Das war gut. Er wimmerte. Das war auch immer gern gehört. Schreinen, Weinen und Wimmern, das hörten die Dämonen so gern. Es war der einzige Grund, warum sie ihn überhaupt am Leben ließen: Um sich an ihm erfreuen zu können.

Hier, im dunkelsten Keller unter der Ruine. Sie war nur ein altes Gemäuer, in dem die Youkai ihr Lager aufgeschlagen hatten. Sie besaßen ein Dutzend solcher Verstecke. Am Schönsten war es, wenn sie weiterzogen. Dann kam immer ein Dämon um seine Wunden zu heilen, damit er noch durchhielt. Er bekam dann sogar etwas zu Essen! Das Wunderbarste war, wenn er dann raus durfte. Natürlich gefesselt und geknebelt, aber er konnte dennoch die herrliche Natur sehen, die Gerüche tief einatmen... Es war so schön. Wenn die Dämonen ihn rücklings auf einen ihrer hellen Vögel warfen, und mit ihm durch die Luft ritten... Dann liebte er sie, die Dämonen. Dafür war er bereit, diese langen Tage der Folterung zu ertragen.

Doch plötzlich war da ein anderer Schrei. Ein Schrei, der nicht aus seinem Munde kam. Von oben.

Oben? Der Halbdämon lugte zu seinem Folterknecht, der den Blick ebenfalls mit gerunzelter Stirn abgewandt hatte. Dem ersten, warnenden Schrei folgte ein zweiter, doch diesmal war es ein Schmerzenschrei. Hatten die Dämonen einen neuen Gefangenen? Manchmal hatten sie einen. Er war dann immer glücklich, weil sie ihn dann weniger folterten. Die Gefangenen waren aber meistens andere Dämonen, die unter großem Trara einen Fluchtversuch starteten, welcher entweder gelang oder sie starben dabei. Manche brachten sich auch einfach selber um. Ab und zu holten sie auch einen Mensch hier her, aber die waren nicht so lange haltbar und starben so schnell. Deshalb mochten sie ihn von allen ihren Opfern am meisten, das hatte einer der Youkai mal zu ihm gesagt. Er versuchte sich nicht zu wehren, starb aber auch nicht. Bei diesen Worten hatte sein junges Herz schneller geschlagen. „Hasst ihr mich denn nicht?“ hatte er gefragt und der Dämon hatte lachend geantwortet: „Hassen? Aber nein! Du bist doch unser bestes Stück! Du magst verseuchtes Blut in dir haben, aber du bereitest uns Freude. Warum sollten wir dich hassen?“ Da war er ganz glücklich gewesen. Schon immer hatte er sich gewünscht, zu irgendetwas gut zu sein und da hatte er erkannt, dass sein Zweck darin bestand, den Dämonen Freude zu bereiten. Es tat ihm weh, gut, aber es war eine Aufgabe und er würde sie schon erfüllen.

„Heh du Bastard, Glück für dich. Da oben scheint was los zu sein, wir machen morgen weiter.“ sagte der Dämon grimmig und wandte sich ab. Der Hanyou beobachtete wie er die Tür sorgfältig hinter sich schloss und horchte auf seine Schritte, welche sich langsam entfernten. Fast war er enttäuscht, das er schon ging.

Die Schreie waren lauter geworden, man hörte jetzt auch andere Kampfgeräusche. Wurde etwa das Lager angegriffen? War das jetzt gut oder schlecht für ihn? Gut, vielleicht wurde einer der wenigen Dämonen die sie noch hier hatten befreit, dann würden sie ihm wieder mehr Beachtung schenken, ihm andererseits aber auch mehr weh tun... Sie wären dann wütend und er konnte ihnen helfen ihre Aggressionen abzubauen. Auch wenn es schmerzen würde... Aber es könnte auch schlecht sein. Was, wenn die Dämonen den Feind verfolgten, und ihn hier ganz allein zurück ließen? Davor hatte er die allermeiste Angst.

Vorsichtig bewegte er die Arme und die Ketten mit denen er an die Mauer gefesselt war, rasselten laut. Hoffentlich ließen sie ihn nicht zurück. Er war doch ihr bestes Stück!

Plötzlich wurde die Decke erschüttert, ein lauter Knall ertönte und etliche Steine fielen herunter. Der Halbdämon versuchte sich so klein wie möglich zu machen und den tödlichen Geschossen zu entgehen. Einige Minuten später war alles vorbei und das Dröhnen in seinen Ohren hatte aufgehört.

Der Hanyou bewegte sich vorsichtig und schob einige Steine zur Seite. Mit Erschrecken stellte er fest, dass seine Ketten nicht mehr an der – nun eingestürzten – Mauer hingen. Wenn die Dämonen nun dächten, er hätte sich befreien wollen...! Er war doch immer so brav gewesen...

Doch dann glitt sein Blick nach oben und sein Herz machte einen freudigen Hüpfer, als er den klaren Sternenhimmel sah. Wie wunderschön! Vorsichtig kletterte er aus dem Loch heraus, schob immer mal wieder einen großen Stein zur Seite. Er wusste, es war falsch, er durfte noch nicht raus. Aber seine Sehnsucht nach dem weiten Himmel war zu groß. Das lag in seiner Natur, er konnte nicht anders. Er war zur Hälfte ein Lichtdämon, ein Hikari no Youkai. Er sehnte sich nach dem Himmel, wo das Licht zu hause war. Das Eingesperrtsein selbst war für ihn eine Folter gewesen und die einzige, die ihm nicht berechtigt erschienen war. Wenn niemand sah wie er da unten verrottete, wie konnte es dann jemandem Freude bereiten?

Der Hanyou sah sich um. Die Ebene war weitgehend leer, nur ein paar Kleider lagen auf der Erde. Er wusste, was dies bedeutete. Lichtdämonen lösten sich nach ihrem Tode in normales Licht auf. Nicht wie sonst, wo sie zu gleißender Helligkeit wurden und so schnell an einem vorbei rauschten das man sie gar nicht erkennen konnte. Nein, sie leuchteten nur einmal kurz auf, dann waren sie weg und es blieb nur ihre Kleidung zurück. Da waren keine Leichen und kein Blut. Er war der Einzige von ihnen, der Blut besaß, weil er zur Hälfte ein Mensch war. Ihr bestes Stück...

Irgendjemand hatte sie alle getötet. Andernfalls hätte man ihre zu dämonischem Licht verwandelten Gestalten da draußen am Nachthimmel leuchten sehen. So bewegten sie sich immer wenn es schnell gehen musste. Mit Lichtgeschwindigkeit. Er konnte das nicht, deshalb hatte einer der Dämonen immer einen Vogel aus Licht beschworen und ihn drauf geworfen, wenn sie weiter gezogen waren. Der Vogel hatte keinen richtigen Körper, man lag darauf wie auf ganz weichen Wolken. Es war ein herrliches Gefühl aber er wusste, könnten sie die Oberfläche rauer machen, würden sie das tun. Extra für ihn. Einmal hatte er gefragt, ob er auch so einen Vogel zaubern könnte. Sie hatten bejaht und ihm sogar gesagt, wie das ginge, aber er war ja gefesselt und im dunklen Keller ging das sowieso nicht. Als er das gesagt hatte, hatten sie nur wieder gelacht. Dennoch war es einer der schönsten Momente seines Lebens gewesen, sie so lachen zu hören, selbst unter freiem Himmel zu schweben...

Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, einen solchen Vogel herauf zu beschwören, überlegte es sich dann aber anders. In der Nacht ging das sicher viel schwerer. Ein kluger Schachzug vom Feind, die Hikari no Youkai zu einer solchen Tageszeit zu überfallen, wo ihre Kraft nicht ganz so groß war.

Dem Hanyou fiel auf einmal eine Gestalt in der Nähe auf. Da lebte noch einer! Unwilkülich fragte er sich, ob es wohl sein Vater war. Nicht das er den wirklich kennen würde. Er war der Anführer der Lichtdämonen und ließ sich nur selten bei ihm blicken. Aber manchmal erzählten ihm die Dämonen etwas von ihm. Auch wenn sie nur herunter kamen um ihn zu schlagen, die Zeit die er jetzt schon bei ihnen war, war so lang, das selbst den grobschnäutzigen Youkai ab und zu eine kleine Freundlichkeit heraus rutschte.

Doch der Mann, der da einsam auf dem zertrümmertem Platz stand, war nicht sein Vater. Er war nicht einmal ein Lichtdämon, das erkannte er sofort. Dieser Mann hatte nämlich pechschwarze Haare und die Youkai des Stammes zu dem er gehörte – wenn auch nur zur Hälfte - hatten alle sehr helle Haare, meist weiß oder blond. Auch seine Haare waren weiß – sofern sein Blut es nicht rot färbte - die Haut blass und die Augen von einem hellen türkis-grün. Dieser Mann jedoch sah ganz anders aus. Folglich musste der Fremde der Angreifer sein, der alle getötet hatte. Tatsächlich erkannte er zu seinen Füßen ein Bündel Kleider, so edel das es sicher seinem Vater, dem Anführer gehört hatte. Dieser Mann hatte seinen Vater getötet.

War das gut, oder schlecht für ihn? Mit den Dämonen war seine einzige Aufgabe gegangen und auch wenn einige überlebt haben sollten, würden sie ihn sicher nicht mehr mitnehmen. Es war ein sehr kleiner Clan und Überlebende würden sich einem anderen anschließen. Sie müssten sich unterordnen und durften sicher keinen eigenen Gefangenen halten, schon gar nicht den Sohn ihres toten Anführers. Er war völlig allein...

Ein unvorsichtiges Geräusch seinerseits bewegte den Fremden dazu, sich umzudrehen. Langsam kam er näher.

„Wer bist du?“ fragte der Hanyou ruhig. Die Lichtdämonen hätten es lieber gehabt wenn er ängstlich gewimmert hätte, aber er wusste ja nicht was die Vorlieben dieses Mannes waren. Also blieb er ruhig, möglichst ausdruckslos.

„Ich bin der Auslöscher deines Clans.“ sagte der Fremde drohend.

Der Halbdämon überlegte rasch und überschlug seine Möglichkeiten. Seine Vermutung hatte sich bestätigt, in Ordnung. Aber der Andere redete mit ihm, griff ihn nicht an. Hielt ihn vielleicht nicht für ein Bedrohung. Dann war er doch auch für ihn nicht gefährlich, oder?

„Danke.“ sagte er so ruhig und furchtlos wie eben schon.

„Danke? Wofür? Hast du denn keine Angst?“ Wieder überlegte er, sollte er ja oder nein antworten?

„Doch, ich habe Angst. Ihr seid sicher sehr stark, wenn ihr den ganzen Clan auslöschen konntet. Aber sie haben mir immer weh getan, deswegen möchte ich mich bei euch bedanken.“ erwiderte er.

„Kind“, sagte der Fremde und seine roten Augen verengten sich zu Schlitzen, „Du bist ein Hanyou. Wenn dir die Dämonen weh getan haben, warum gehst du dann nicht zu den Menschen?“

„Die Menschen haben mir auch weh getan. Die waren sogar noch schlimmer.“ antwortete er ehrlich.

„Schlimmer als Dämonen? Das musst du mir erklären.“ Er klang tatsächlich ehrlich interessiert und das überraschte den Hanyou.

„Sie haben mich gehasst. Gehasst und gefürchtet. Es war eine andere Art von Schmerz, die sie mir zugefügt haben. Ich lebte in einem Dorf, aber ich war dennoch ausgeschlossen. Sie haben immer gesagt, ein Kind sollte von seinen Eltern geliebt werden, aber mein Vater hat sich nie um mich gekümmert und meine Mutter hat mich verabscheut.“ Der kleine Halbdämon verstand nicht, warum sich seine Eltern nicht leiden konnten, doch der schwarzhaarige Mann begriff, dass diese Frau wohl das Opfer einer Vergewaltigung geworden war. Pech, nannte man das wohl, war man zur falschen Zeit am falschen Ort.

„Sie haben mehrmals versucht mich zu töten, aber ich war zu schnell und bin immer wieder weggelaufen. Einmal haben sie sogar einen Dämonenjäger geholt und ich hab ihn aus Versehen getötet und da haben sie mich noch viel weniger gemocht...“ Er hatte es wirklich nicht mit Absicht gemacht! Er war doch immer brav gewesen!

Tränen stiegen ihm in die Augen. Weinen war immer gut.

„Die Hikari no Youkai haben regelmäßig das Dorf überfallen und ausgeplündert, aber dann kam eine Miko und hat ihnen einen magischen Schrein gebaut, der einen Bannkreis gemacht hat. Die Youkai kamen nicht mehr rein. Dann bin ich einmal in den Wald gegangen und hab einen von ihnen getroffen, das war mein Vater. Und er sagte mir, wie wertlos ich sei und das meine Existens nur ein Unfall war. Aber er sagte auch, er könnte mir eine Aufgabe geben und befahl mir den Schrein zu zerstören, dann dürfte ich bei ihnen bleiben. Ich hab das gemacht, ich kam durch den Bannkreis denn der war ja nur für Dämonen. Ich hab den Schrein kaputt gemacht, die Dämonen kamen rein und töteten alle, auch meine Mutter, und zerstörten das ganze Dorf. So bin ich zu den Youkai gekommen. Aber die hatten dann keinen Auftrag mehr für mich, weil ich zu schwach war. Dabei war es so schön gewesen, endlich einen Wert zu haben... Sie haben mich dann immer gefoltert, zu ihrem Vergnügen, und ich war froh ihnen wenigstens Freude bereiten zu können. Aber einen Zweck erfüllte ich doch nicht richtig.“ Er beendete seine Lebensgeschichte und wagte es aufzuschauen um die Reaktion des Fremden zu sehen. Zu seiner Überraschung lächelte dieser.

„Was du sagst ist wahr, Dämonen werden einen Halbdämonen immer verachten und die Menschen ihn immer fürchten. Das kann man nicht ändern. Wenn sie doch einmal freundlich zu dir sind dann nur, weil sie etwas von dir wollen. In dieser Welt gibt es keinen Ausweg aus diesem Schema.“ erklärte der Rotäugigie.

Der kleine Hanyou sah ihn schief an. „Ich weiß.“ Das brauchte er ihm nicht zu sagen!

„Die einzigen Wesen die dich nicht quälen werden sind Halbdämonen, wie du einer bist. - Wie ich einer bin.“ fuhr der Erwachsene unbeirrt fort.

„Ihr seid auch ein Hanyou?“ fragte er erstaunt.

„Ja, jedoch besitze ich die volle Stärke eines Dämons, bin sogar stärker als diese. Wie du vielleicht bemerkt hast.“ Er stieß mit dem Fuß gegen das Kleiderbündel.

„Die einzige Möglichkeit wenigstens akzeptiert zu werden, ist Macht. Deswegen habe ich diesen Clan angegriffen, ich wollte die Dämonen und damit ihre Fähigkeiten absorbieren. Leider ist mir zu spät aufgefallen, dass sie sich nach ihrem Tod in Licht auflösen und mir ihre kostbaren Fähigkeiten deswegen unzugänglich sind.“ erklärte er.

Dem jungen Halbdämon kam auf einmal ein wunderbarer Einfall, nicht wissend, dass der Fremde gerade dies mit seinen Worten hatte bezwecken wollen: „Ich könnte doch für euch arbeiten! Zwar bin ich kein ganzer Lichtdämon, aber ich habe doch einige ihrer Fähigkeiten. Oh bitte, lasst mich mit euch kommen! Ich werde auch ganz brav sein und alles tun was ihr sagt, auch wenn es ganz doll weh tut!“ schwor er und fühlte dabei erstmals so etwas Ähnliches wie Begeisterung.

„Das wäre natürlich eine Möglichkeit... Aber es wäre gefährlich, denn ich habe viele Feinde. Und du bist noch ein Kind.“ warf der Andere ein.

„Ich bin viel stärker als andere Kinder. Außerdem bin ich ein Hanyou, ihr könnt mir vertrauen.“ Er würde sein Leben dafür geben nur endlich wieder eine Aufgabe zu haben, einen Sinn für sein Dasein. Dieser Halbdämon konnte ihn ihm geben, auch wenn er etwas zwielichtig aussah.

„Woher soll ich wissen, dass du es dir nicht anders überlegst und zu meinen Feinden überläufst, wenn sie dir mit falschen Zungen liebliche Worte ins Ohr flüstern?“

„Ich werde auf niemanden als auf euch hören! Vielleicht kann ich euch nicht viel nützen, aber ich werde mein Bestes geben um euch zu helfen, Meister!“ antwortete der Kleine.

„Nun gut, dann werde ich dich mitnehmen. Wie ist dein Name?“ fragte der Schwarzhaarige.

Verblüfft sah der Hanyou ihn an. „Name? Ich habe keinen... Ich habe nie einen gebraucht. Ich dachte, Halbdämonen dürften keinen haben?“

„Jeder hat das Recht auf einen Namen. Ich werde dir einen geben.“ Wieder schlug sein Herz schneller als sein Meister ihm die Hand auf den Kopf legte und sagte: „Ab heute wirst du Tesaki heißen.“

Mit großen Augen sah der Neuernannte den Erwachsenen an. Er hatte einen Namen! Das war das schönste Geschenk was er ihm hätte geben können, eine Identität! Es war wunderbar, es war fabelhaft, es - Es befreite ihn aus seiner ewigwährenden Seelenqual.

Der Fremde drehte sich um und bedeutete ihm, ihm ihm zu folgen. Überglücklich kam der kleine Junge zu ihm, seine Füße machten ein lautes Geräusch auf der kahlen Erde. Mit wild schlagendem Herzen fragte Tesaki sich, ob dieser Mann ihn wohl leiden konnte. Er jedenfalls mochte ihn sehr!

Zögernd glitt sein Blick zu der Hand des Erwachsenen, hielt inne, dann streckte er langsam seine eigene Hand aus und umfasste die seine. Er hatte oft gesehen wie Leute die sich mochten das taten, Eltern und Kinder, Freunde oder Verliebte. Er wusste nicht ob das bei Meister und Diener auch so war, aber sein Gefühl riet es ihm.

Der Schwarzhaarige sah einmal kurz überrascht auf ihn herunter, doch dann legte sich ein zufriedener Schleier über seine roten Augen und seine Mundwinkel zuckten kurz, als wolle er sich ein ehrliches Lächeln verkneifen. Tesaki jedoch tat es nicht, er strahlte ihn geradezu an und freute sich einfach, nicht zurückgewiesen worden zu sein.

„Wie ist eigentlich euer Name?“ fragte er nach einiger Zeit.

Es folgte ein kurzes Schweigen und der Hanyou fürchtete schon ihn verletzt oder beleidigt zu haben, doch dann bekam er doch noch eine Antwort:

„Mein Name... ist Naraku.“

Fehler

1. Erstes Kapitel - Fehler
 

Mit dem Schicksal gehadert

und alle Welt verflucht.

Im Meer aus Selbstmitleid ertränkt

und so mein Heil gesucht.

Zweifelsmarterpfeile, quer durch Herz und Hirn.

Verbissen gegen angekämpft

so gut es eben ging.
 

Aus: „Geweint vor Glück“ von PUR
 

Der Tag, an dem alles anfing, begann vollkommen normal. Die Sonne kletterte über den Horizont, die Vögel begannen ihre ersten Frühlingslieder an diesem Morgen zu singen und die Schatten der Nacht verschwanden. Alles war wie immer, das Wasser in den Flüssen floss träge dahin, der Wind rauschte in den Bäumen und die Menschen in den Dörfern gingen ihrer Arbeit nach.
 

Das einzig Ungewöhnliche war wohl die kleine, scheinbar bunt zusammen gemischte Gruppe, die weit abseits der menschlichen Behausungen ihr Lager gerade abbrach. Anführer dieser kleinen Truppe war ein junger Mann, fast noch ein Jugendlicher, der seinen Kameraden harsche Befehle zurief. Seine Haare waren schneeweiß und standen somit in einem starken Kontrast mit dem blutroten Gewand das er trug. Der Stoff war aus Feuerrattenhaar gemacht und schützte somit besser als jede Rüstung. Das Schwert jedoch, das an seiner Seite hing, sah nicht besonders gefährlich aus, es war alt und rostig. Damit wirkte er nicht wirklich wie ein Krieger. Erst recht nicht, wenn man sich die niedlichen Hundeöhrchen auf seinem Kopf etwas näher betrachtete. Nun gut, ein Krieger war er wohl tatsächlich nicht, da sein Kampfstil im Grunde nur auf Draufschlagen beruhte. Dennoch konnte er ein gefährlicher Gegner sein, denn anders als die meisten seiner Begleiter, war er ein Halbdämon.
 

"Inu Yasha, du kannst uns ruhig mal helfen, statt immer nur Befehle zu brüllen!", rief ein junges Stimmchen ärgerlich. Sie gehörte einem Fuchsdämon, der den Hanyou gerade böse anfunkelte.

"Keh!", machte dieser nur als Antwort und drehte sich beleidigt weg. Normalerweise hätte er dem Kind wohl eine Beule verpasst, doch dieses hatte sich schon vorsorglich in die Nähe eines schwarzhaarigen Mädchens gebracht, von dem es wusste, dass Inu Yasha es dort nicht behelligen würde. Dieses Mädchen hieß Kagome und war gerade damit beschäftigt, all die Naschereien die sie am Abend zuvor gegessen hatten, wieder in ihrem Rucksack zu verstauen. Ihre Kleidung war für diese Zeit sehr seltsam, denn sie trug eine grün-weiße Schuluniform - und das im fünfzehntem Jahrhundert. Neben ihr lagen ein Köcher voller Pfeile und ein Bogen, doch das war nicht der Grund, warum der Hanyou im Moment darauf verzichtete den Fuchsdämon zu verprügeln, der bei ihr Schutz gesucht hatte. Viel mehr war die Bannkette, die um seinen Hals lag, daran Schuld, mit deren Hilfe Kagome ihn nur durch ein kleines Wörtchen das mit 'O' anfing, zu Boden schicken konnte.
 

"Shippou-chan hat aber Recht, Inu Yasha. Du hilfst nie beim Aufräumen!", mischte sich nun eine zweite Frau ein. Auch ihre Haare waren schwarz, doch sie war durchaus landesüblich in einen Kimono gekleidet. Dennoch störte der riesigen Knochenbumerang auf ihrem Rücken das Bild einer harmlosen Frau und ließ ihren Beruf erraten - Dämonenjägerin.

"Ich brauch nicht beim Aufräumen helfen, den Dreck habt ihr doch alle gemacht!", brummte Inu Yasha beleidigt.
 

"Nun beruhigt euch doch alle wieder mal", versuchte ein junger Mann in Mönchskutte den aufkommenden Streit zu schlichten. Er war gerade damit beschäftigt die Feuerstelle ordentlich zu zuschütten, doch es war gut möglich, dass er sich nur gebückt hatte um besser an Sangos Hinterteil heran zu kommen.
 

Ein lautes Klatschgeräusch verriet, dass sich die Youkaijägerin auch ohne ihre Waffe zu verteidigen wusste.

"Warum bist du denn nur so angespannt heute, Inu Yasha?", fragte Kagome seufzend.

"Ach, er hat wahrscheinlich einfach nur schlechte Laune", meinte Miroku achselzuckend und rieb sich die schmerzende Wange.
 

Sofort war der freche Fuchsdämon zur Stelle, sprang auf den Kopf des Halbdämons hinauf und sagte: "Genau, dem Hund ist nur eine Laus über die Leber gelaufen!"

Nun jedoch, wo der Youkai nicht mehr bei Kagome saß und diese praktischerweise auch noch dadurch abgelenkt war, dass die Dämonenkatze Kirara an ihrem Bogen nagte, konnte Shippou sich nicht gegen die heranrasende Faust wehren und einen Moment später hatte er auch schon eine prächtige Beule auf dem Kopf.
 

„Inu Yasha!“, sagte Kagome wütend. Der Angesprochene zog den Kopf ein.

„So kann das nicht weiter gehen!“, meinte sie ärgerlich.

„Genau! Kagome-chan hat Recht, dein Verhalten ist unmöglich!“, stimmte ihr Sango zu.

Die Augen des Halbdämons fingen wütend zu glitzern an.

„Gut“, sagte er dann gefährlich ruhig, „Wenn ich euch allen auf die Nerven gehe, kann ich ja gehen!“
 

Mit diesen Worten drehte er seinen Freunden demonstrativ den Rücken zu und verließ die Lichtung.

Die Menschen starrten ihm mit offenem Mund hinterher.

„Inu Yasha!“, rief Miroku empört. Dass er so überreagieren würde, hätten sie doch niemals gedacht!

„Inu Yasha!“, schrie jetzt auch Kagome, ließ ihre Arbeit liegen und rannte ihm hinterher.

„Ich werde ihn schon wieder zur Vernunft bringen. Macht ihr ruhig weiter!“, beruhigte sie ihre Freunde. Die Menschen nickten.
 

Das Neuzeitmädchen rief noch viele Male den Namen des Hanyous, doch erst nach einer knappen halben Stunde, in der sie schon recht nah am Verzweifeln war, fand sie endlich den Gesuchten. Inu Yasha saß auf einem dicken Ast eines weit verzweigten Baumes und starrte Löcher in die Luft.

„Inu Yasha...“, murmelte Kagome, doch er sah nicht zu ihr herab.

„Inu Yasha! Komm runter!“, versuchte sie es erneut. „Hör doch endlich auf zu schmollen.“

Jetzt endlich wandte er sich ihr zu, doch sein Blick war noch immer wütend.

„Lass mich endlich in Ruhe!“, forderte er.
 

Nun wurde auch Kagome zornig.

„Osuwari.“, sagte sie einfach.

Der Halbdämon gab einen erstickten Laut von sich, bevor er mit dem Kopf voran vom Baum kippte.

„Kagome!“, knurrte er, nun noch wütender.

„Wenn du nicht von allein herunter kommst...“ Sie drehte sich um und setzte sich unter den Baum. Ihr Zorn war verraucht. „Was war heute früh nur los mit dir?“ Sie klopfte auffordernd neben sich und tatsächlich ließ sich der Hanyou nach einigem Zögern neben ihr nieder.
 

„Also, was ist? Warum findest du dich nicht in der Gruppe zurecht?“, fragte sie.

„Weil... Ach, das ist nicht so einfach...“, murmelte der Weißhaarige.

„Ich bin ganz Ohr.“, versicherte sie ihm.

„Ich glaube... Also, ich denke, es ist der Dämon in mir...“, antwortete er zaghaft. Auch seine Wut schien verraucht.
 

Kagome erschrak. „Aber... Aber Tessaiga soll doch dein Dämonenblut...“ Bestürzt sah sie auf das Schwert an seiner Seite.

„Das meine ich doch gar nicht! Ich merke es schon, seit wir überhaupt zusammen reisen. Dieses... Gruppenklima, es sagt mir einfach nicht zu. Die... Stellung der einzelnen Mitglieder, sie ist nicht klar!“, versuchte er zu erklären.

„Stellung der einzelnen Mitglieder?!,“ wiederholte Kagome entsetzt. Das hörte sich ja nach Diktatur an!
 

„Du verstehst das nicht...“, seufzte Inu Yasha.

„Dann erklär es mir! Was meinst du mit: Stellung der einzelnen Mitglieder?! Seit wann denkst du so?“

„Ich denke schon so, seit ich leben kann! Ich bin halt zur Hälfte ein Hund... Nur damit kann ich es mir erklären. Hunde leben in einem Rudel, bei ihnen gibt es immer eine klare Rangordnung. Bei uns ist das überhaupt nicht so...“, erklärte er.
 

„Willst du jetzt auf Alphahund machen, oder was?!“ Dafür erntete sie einen vernichtenden Blick.

„Sieh es doch mal von meiner Seite! Ich bin doch derjenige, der die ganze Gruppe anführt! Es ist halt so, du kannst nicht bestreiten, dass ich der Stärkste bin.“ Sie war überrascht, wie sachlich das klang. Das war keine Angeberei. „Eigentlich müsste ich das Oberhaupt unserer Gruppe sein, ja! Aber niemand hier respektiert mich.“

„Sollen wir dich jetzt alle mit -sama ansprechen, so wie Myouga-jiji, oder was?“, meinte die Schwarzhaarige leicht pikiert.

„Nein... Ich meine nur, guck dir Shippou an! Zu niemanden ist er so rotzfrech wie zu mir!“, knurrte er.
 

Kagome stieß einen lauten Seufzer aus, der aus der Tiefe ihrer Seele zu kommen schien. Kurz herrschte Schweigen.

„Weißt du, ich kann das Verhalten der Anderen nicht ändern. Allerdings... Vielleicht gibt es doch etwas, was ich für dich tun kann.“, meinte sie und Traurigkeit schwang in ihrer Stimme mit.

Der Hanyou hob kritisch eine Augenbraue. „Und das wäre?“

„Mach die Augen zu und lass dich überraschen.“
 

Der Hanyou runzelte die Stirn. „Wozu soll das denn gut sein?!“

„Mach einfach mal.“, bat das Mädchen.

„Wenn's denn sein muss...“ Er schloss die Augen.

Kurz hörte er etwas wie ein leises Klimpern, eine sanfte Berührung, doch dann sagte Kagome auch schon: „Kannst wieder aufmachen.“

Verdutzt tat der Weißhaarige wie geheißen. Was sollte das? Sie hatte doch gar nichts gemacht. Kurz witterte er möglichst unauffällig und widerstand gerade noch dem Drang sich suchend umzusehen. Wollte Kagome ihn auf den Arm nehmen?!

„Na? Besser?“, fragte die Schwarzhaarige.
 

Nun wandte er eben dieser seine volle Aufmerksamkeit zu und wollte gerade etwas sehr Rüdes sagen, weil sie es wagte, ihn so herein zulegen, da fiel sein Blick auf das, was sie in der Hand hielt. Es war die Bannkette.

Die tausend Mal von ihm verfluchte Bannkette die dafür sorgte, das Kagome ihn mit diesem 'Osuwari' den Boden küssen ließ. Die Kette, welche die alte Kaede – diese vermaledeite Hexe – damals um seinen Hals geworfen hatte und mit der er gezwungen war, mit Kagome zusammenzuarbeiten – was er inzwischen durchaus freiwillig tat. Die Kette, die ihn ständig vor seinen Freunden blamierte... Sie war weg.
 

„Ka...Kagome...“, brachte er nur stotternd heraus.

Kagome lächelte. Ein etwas trauriges Lächeln, aber ein ehrliches. Inu Yasha wurde warm ms Herz.

„D...Danke...“, stotterte er und wollte damit alles ausdrücken, was er im Moment empfand. Es hörte sich plump und ungenügend in seinen Ohren an, angesichts des großen Vertrauensbeweises den Kagome ihm hier entgegen brachte, aber sie schien ihn auch so zu verstehen.

„Ist schon gut. Ich hoffe nur... Ich hoffe nur du wirst trotzdem bei uns bleiben. Auch wenn du hiermit nicht mehr an uns gebunden bist.“, flüsterte sie und der Halbdämon konnte nicht umhin zu bemerken, dass sie beinahe 'mich' statt 'uns' gesagt hätte.

„Natürlich werde ich das nicht! Ich werde immer bei dir und den anderen bleiben, ich werde dich immer beschützen!“, versprach er.
 

Ein verdächtiges Schimmern in Kagomes Augen verriet ihre Gefühle. „Wirklich?“

Inu Yasha, der es auf den Tod nicht ausstehen konnte wenn Frauen seinetwegen weinten – zumal er absolut nicht verstand warum sie gerade jetzt damit anfing – stand abrupt auf.

„Na klar werd ich das! Ohne mich würdet ihr doch sonst nichts auf die Reihe kriegen!“

Sein Ziel hatte er damit sofort erreicht, Kagome schien nicht im Mindesten mehr traurig: „Wie bitte?! Was soll denn das schon wieder heißen? Osuwari!“, rief sie aus.
 

Inu Yasha machte vor Schreck einen Satz in die Luft, als er das verhasste Wort hörte. Er kniff die Augen zusammen, fest überzeugt davon, das gleich der Boden auf ihn zurasen würde.

Aber der Schmerz blieb aus.

Ein Lachen ertönte. „Scheint so, als hätte dieser Spruch selbst jetzt noch Auswirkungen auf dich!“, meinte Kagome grinsend.

„Kagome, du...“ Mit einer Mischung aus Ärger und Erleichterung funkelte er das Mädchen aus der Neuzeit an.

„Na komm schon, du Alphahund! Lass uns zu den Anderen zurückgehen!“, schlug Kagome noch immer lachend vor.
 

Inu Yasha erstarrte, aber dann lächelte auch er. „Ja, ich will Shippous dummes Gesicht sehen...“, murmelte er. Dann drehte er ihr demonstrativ den Rücken zu und ging in die Hocke, damit sie auf seinen Rücken klettern konnte. So würden sie den Weg schneller hinter sich haben.

In Kagome jedoch rangen gemischte Gefühlen miteinander, während sie die Einladung annahm. Einerseits freute sie sich natürlich, dass ihr Hanyou so glücklich war. Andererseits konnte sie nicht umhin Zweifel an seinem Versprechen zu haben.
 

Diese Bannkette war wie ein starkes Seil gewesen, das sie miteinander verbunden hatte. Ihr Herz, welches Inu Yasha so sehr liebte, hatte sich an diese Verbindung geklammert. Würde er jetzt, wo er diesen Zwang los war, wieder öfter zu Kikyou gehen oder sie gar bald ganz verlassen? Würde er auf Kleinere und Schwächere losgehen? Ohne das sie etwas dagegen tun konnte? Er hatte schon jetzt mit Shippou so etwas angedeutet. Sicher, sie hatte immer gewusst das Inu Yasha diese Kette belastete und dass sie ihm mit ihrem 'Osuwari' den eigentlich wohlverdienten Respekt stahl.
 

Dennoch konnte sie nicht verhindern, dass sich leise Zweifel in ihr Herz stahlen. Sie konnte jetzt nichts anderes tun, als Inu Yasha zu vertrauen... Das war leicht gesagt. Natürlich liebte sie ihn und dazu gehörte freilich auch Vertrauen. Aber es war ein Unterschied ob sie darauf vertraute, dass Inu Yasha sie ihm Kampf beschützen würde oder ob sie darauf vertraute, dass er nicht zu Kikyou ging. Und gerade letztere Art von Vertrauen schwankte in letzter Zeit immer mehr.

Kagome sah auf Inu Yashas Rücken vor ihr, während sie zum Lager zurückkehrten. Dann wanderte ihr Blick hinab zu ihren Hände, in denen sie die Perlenkette hielt. Fest drückte sie ihre Faust zusammen.

Ob sie wohl... die richtige Entscheidung getroffen hatte?
 

Am nächsten Tag schon war Inu Yashas schlechte Laune wie weggeblasen. Sie waren schnell wieder bei Sango und Miroku angekommen, welche ziemlich überrascht über Kagomes Großmut gewesen waren. Shippou war schlimmer denn je drangsaliert worden, aber nach ein paar Stunden und einigen Beschimpfungen von Kagome, war ihm das auch langweilig geworden. Nun saß der Hanyou friedlich mit den anderen zusammen am Lagerfeuer und schlang den Ramen hinunter, den Kagome zum Mittagessen zubereitet hatte.
 

„Hey, Inu Yasha, iss doch nicht immer so viel! Du bist doch ein halber Dämon, kannst du uns nicht ein wenig mehr übrig lassen?“, meinte Sango gerade.

„Keh! Ich bin doch derjenige der euch alle beschützt, also steht mir ja wohl auch das meiste Essen zu!“, protestierte selbiger.

„Jetzt wo die Bannkette weg ist spuckst du große Töne, was? Aber wenn du nicht aufpasst, dann wirst du ganz dick und fett!“, sagte Shippou voraus, als sich der Hanyou nun auch die Kartoffelchips schnappte.
 

„Zieht Inu Arm und Beine ein, kann er eine Kugel sein.“, sagte Miroku verschmitzt.

„Ja, und zieht er noch die Ellenbogen ein, kann er noch viel schneller sein.“, fügte Sango hinzu.

„Keh! Verscherzt es euch bloß nicht mir, ihr seit auf mich angewiesen. Ihr solltet lieber tun was ich sage“, meinte Inu Yasha beleidigt.

„Oh, großer Inu Yasha-sama, was befiehlst du uns denn?“, fragte Kagome sarkastisch.

„Ich befehle, dass ihr sofort alle das Lager abbrecht!“, kam die Antwort promt.

„Ach, und warum sollten wir das tun, weiser Anführer?“, Die Skepsis stand seinen Freunden deutlich ins Gesicht geschrieben.

„Ganz einfach: Weil Naraku kommt. Oder einer seiner Abkömmlinge... Sein Geruch ist schon recht nah.“
 

Kagome sprang auf „Warum hast du uns das denn nicht gleich gesagt, Inu Yasha?!“, fauchte sie.

„Hab ich doch! Ich hab es eben erst wahrgenommen.“, verteidigte sich der Angesprochene.

„Na schön, wenn das so ist sollten wir uns tatsächlich beeilen.“, schlichtete Miroku die aufkommende Diskussion und griff sich ein paar leere Ramenbecher, um sie in Kagomes Rucksack zu stecken.

„Ja, finde ich auch. Helft mal alle mit!“, forderte sie Sango auf, während sie mit dem Fuß das Feuer austrat.

Inu Yasha war der Einzige, der nicht mithalf.
 

Zehn Minuten später waren sie alle kampfbereit. Die Dämonenjägerin saß mit Shippou und Miroku zusammen auf der Youkaikatze Kirara und Inu Yasha hatte Kagome auf den Rücken genommen. Sie wollten Naraku so schnell wie möglich begegnen, um ihn endlich aus der Welt zu schaffen. Allerdings war es ungewöhnlich, das ihr Erzfeind seinen Geruch so offen ausströmen ließ. Damit stieg die Wahrscheinlichkeit, dass das Ganze eine Falle war, zumal auch Kagome keinen Juwelensplitter fühlte. Doch selbst wenn dem so war, so musste sich in dieser Richtung doch mindestens ein Abkömmling befinden und der konnte ihnen bestimmt sagen, wo sie Naraku finden würden.
 

„Dieser Geruch... Er ist seltsam.“, meinte der Halbdämon unvermittelt und Kirara stimmte ihm mit einem lauten Fauchen zu.

„Wieso? Was ist komisch?“, fragte das schwarzhaarige Mädchen aus der Neuzeit und beugte ich etwas zu Inu Yasha herab.

„Es riecht nach Erde... Nein, Lehm. Oder so ähnlich.“, antwortete Inu Yasha.

„Ja, jetzt wo du es sagst, kann ich es auch riechen.“, sagte der kleine Fuchsdämon.

„Wo ist der Dämon?“, fragte Sango und hob entschlossen ihren Bumerang.

„Wir sind gleich da... Dort drüben! In dem Busch!“, Inu Yasha nickte zu einem Gestrüpp hinüber und die Dämonenjägerin warf ihre Waffe in die angegebene Richtung um den Youkai heraus zu scheuchen.
 

Die kleine Truppe blieb stehen und wartete gespannt auf den Anblick ihres Feindes, während Sango den Riesenknochen wieder auffing, welcher wieder zu ihr zurückkehrte.

Dann endlich legte sich der Staub...

„Nein...“

„Das ist doch-“

„Ich habe noch nie etwas so Unmenschliches gesehen...!“
 

Hinter der Baumgruppe kam ein kleines, weißhaariges Mädchen zum Vorschein, welches einen weißen Spiegel in den blassen Händen hielt. Und hinter ihr erschien eine Kreatur, wie sie abnormaler nicht hätte sein können. Es war ein plumpes Gebilde von widerlicher, brauner Farbe, dessen Konturen ständig zu verschwimmen schienen. Es hatte zwei Arme, zwei Beine und einen Kopf, aber da hörte die Ähnlichkeit mit einem Menschen auch schon auf.
 

Inu Yashas Nase hatte sich nicht geirrt, das Wesens sah aus, als ob ein äußerst unbegabter Künstler es aus zu weichem Lehm geformt hätte, die Arbeit jedoch nach der Hälfte schon wieder aufgegeben hatte. Zudem schien das Ding zu lange in der Sonne gestanden zu haben, denn was vielleicht irgendwann einmal hätte als Haut bezeichnet werden können, war nun eine geschmolzene, verschrumpelte Masse. Am Schlimmsten aber war die Stelle, wo sich hätte das Gesicht befinden müssen. Anstelle der Augen hatte das Wesen nur zwei aufgequollene Einbuchtungen und der Mund bestand aus einem unförmigem Riss quer über den Schädel. Eine Nase war schlichtweg nicht zu erkennen.
 

„Ich hab keine Ahnung was Naraku da erschaffen hat, aber wir sollten es schnellst möglich vernichten.“, meinte die Dämonenjägerin schaudernd.

„Da hast du ganz Recht!“, stimmte ihr der Hanyou lauthals zu und startete auch sogleich einen Angriff. Er zog Tessaiga, stieß einen wilden Kampfschrei aus und stürmte auf das Wesen zu. Zur gleichen Zeit warf Sango erneut ihren Bumerang, sie jedoch zielte auf Kanna. Es musste schließlich einen Weg geben warum dieses Mädchen dabei war, vielleicht kontrollierte sie die andere Kreatur ja auch.
 

Dann geschahen mehrere Dinge auf einmal. Die Waffe der Youkaijägerin, welche sich im Flug so schnell drehte, dass man sie nur noch als weißlichen Blitz erkennen konnte, prallte mit einem hässlichen Knirschen gegen Kannas Spiegel und wurde zurückgestoßen. Inu Yasha jedoch hatte mehr Erfolg.
 

„Ich habe zwar keinen blassen Schimmer, was das für ein Teil ist“, sagte er als er wieder auf der Erde landete, „aber jetzt ist es jedenfalls hinüber.“

Tatsächlich, Tessaiga war durch den Lehm wie durch Butter geschnitten und das seltsame Wesen lag nun als undefinierbarer, matschiger Haufen zusammengesunken auf dem Boden.

„Nein“, murmelte Kagome leise, “das ging zu einfach und Kanna hat ich auch kein Stück bewegt.

„Stimmt, für eine von Narakus Kreaturen war die zu schwach.“, pflichtete ihr Miroku bei.
 

Der Hanyou runzelte die Stirn und sah wieder nach vorn. So bekam er gerade noch mit, wie Kanna mit furchterregender Langsamkeit den Arm hob und auf Inu Yasha zeigte. Dieser ging sofort wieder in Kampfstellung und biss die Zähne in Erwartung eines erneuten Angriffs aufeinander. Auch Kagome machte sich bereit, sie legte einen ihrer Pfeile an die Sehne, spannte den Bogen und zielte auf Kanna. Als sie das weißhaarige, harmlos aussehende Mädchen nämlich zum ersten Mal getroffen hatten, hatte sich heraus gestellt, das nur ihre läuternde Energie gegen ihren Seelenspiegel wirksam war. Alle anderen Attacken wurden reflektiert und auf den Angreifer zurück geschleudert.
 

„Kanna!“, rief Kagome laut und zielte auf sie,“Noch kannst du verschwinden. Nimm dieses Was-auch-immer mit dir und sag uns wo Naraku ist und wir werden dich verschonen!“

Ein widerwertiges, platschendes Geräusch drang an ihr Ohr, doch das Mädchen aus der Neuzeit beachtete es nicht.
 

„Verschonen?“, ertönte plötzlich eine raue, kehlige Stimme, die klang als käme sie aus einem tiefen, verstopftem Schacht. „Ihr sprecht... von verschonen?“

Kagome fuhr zusammen mit dem Rest der Gruppe herum. Der Haufen feuchten Lehms schien von einer unsichtbaren Macht in die Höhe gesogen zu werden, richtete sich auf, zerfloss und setzte sich schon im nächsten Moment wieder zusammen. Die feuchte Erde tropfte in dicken Fladen herunter und kroch spinnengleich sofort wieder nach oben. Bald schon konnte man die entfernt menschenähnliche Silhouette erkennen.
 

„Keh! Wenn regenerieren alles ist was du drauf hast, werde ich dich mit meinem Kaze no Kizu einfach wegblasen. Hör also lieber auf Kagome und lass es nicht auf einen Kampf ankommen!“, meinte Inu Yasha, vollkommen von sich selbst überzeugt. Doch das Wesen verwandelte sich weiter, lange, wulstige, graubraune Strähnen aus Lehm flossen an ihm herunter und der Stand seiner Beine wurde sicherer.
 

„Kagome-sama!“, rief Miroku um ihr zu bedeuten, doch endlich zu schießen. Doch die Schwarzhaarge war wie gelähmt und konnte ihre Augen nicht von dem Wesen nehmen, von dessen Anblick sie fasziniert und abgestoßen zugleich war. Und dann begann das Geschöpf seine Farbe zu ändern. Der Großteil seines Körpers nahm eine blutrote Färbung an, während der Lehm, der an seinem Rücken herab geflossen war, immer heller wurde. Die Wandlung ging nun viel schneller vonstatten, die Gesichtszüge wurden immer feiner und menschlicher.
 

„Ihr wollt uns verschonen?“, wiederholte das Wesen, „Wir werden niemanden entkommen lassen und wenn ihr beim Kämpfen auch noch Skrupel habt, dann seid ihr jetzt schon tot.“

Spätestens als Kagome die dreieckigen Hundeohren auf dem schneeweißen Haarschopf sah, erkannte sie Narakus Plan.
 

„Keh! Glaubst du etwa, eine so billige Kopie wie du könnte uns etwas anhaben?!“, sagte Inu Yasha verächtlich. Kagome spürte einen dumpfen Schmerz in ihrer Brust und es dauerte einen Moment bis sie erkannte, wie sehr sie diese Worte an Kikyou erinnerten.

„Inu Yasha!“, rief Miroku auf einmal erschrocken.
 

„Was?!“, keifte Inu Yasha und der Mönch bedeutete ihm, nach vorn zu schauen. Und da sah auch der Halbdämon, was gemeint war: Der Doppelgänger den Kanna aus dem Lehm erschaffen hatte, unterschied sich in zwei Merkmalen von dem Original: Das Gute war, das er kein Schwert besaß. Die Dämonenwaffe Tessaiga war wohl doch noch etwas zu mächtig für Narakus Abkömmling. Das Schlechte jedoch war-
 

„Oh Kami steh uns bei!“, keuchte Sango und wich zurück. Dieser Doppelgänger brauchte überhaupt keine Waffe.

Auch Kagome hatte die feinen Unterschiede jetzt entdeckt. Die blutroten Augen mit den blaugrünen Pupillen, die magentafarbenen Streifen auf seinen Wangen und die spitzen Krallen die um einiges länger waren als Inu Yashas. Genau so sah der Hanyou aus, wenn sein Dämonenblut ihn übernahm. Im Gegensatz zu ihm schien sich diese Kreatur jedoch völlig unter Kontrolle zu haben. Sein Blick war nicht wild und blutrünstig, sondern viel mehr kalt und verächtlich.

Schuld

2.Zweites Kapitel - Schuld
 

Will kein Mitleid

Ist Vergangenheit

Wie kam es nur soweit

Gegenwart ist da

Realität nehm ich wahr

Es tut so weh

Okay versuche nicht zu weinen

Interessieren tut es keinen
 

Aus: „Immer wieder“ von Laura Schneider
 


 

„Sie sind deine Feinde, Inu Yasha. Du musste sie töten, sonst töten sie dich.“, sagte Kanna mit ihrer ruhigen, unschuldigen Stimme. Es blieb kein Zweifel daran, welchen der beiden Inu Yashas sie meinte.

„Das brauchst du mir nicht zu sagen. Niemand wird diese Lichtung lebend verlassen, aber weil du es warst, die mich erweckt hat, werde ich gnädig sein und dich als letztes vernichten.“, knurrte die Kreatur und ging in Kampfstellung.
 

„Keh! Wenn du dich da mal nicht irrst!“, sagte der echte Inu Yasha, hob Tessaiga und machte sich zum Angriff bereit. Mit einem lauten Kampfschrei stürmte er auf seinen Gegner zu, der ihm ebenfalls entgegen kam.
 

Doch der Andere war schneller, er duckte sich unter dem riesigen Schwert hinweg und schrammte mit seinen Krallen an Inu Yashas Bauch vorbei. Eine Sekunde später rollte er sich ab und blieb geduckt auf allen Vieren einige Meter weiter weg hocken, um die Wirkung seiner Attacke zu begutachten. Diese erfolgte auch sogleich als der Getroffene nun vor Schmerz aufschrie, auf die Knie sank und seine Hand auf die Wunde presste. Eine verräterische, rote Flüssigkeit quoll zwischen seinen Fingern hervor.
 

„Inu Yasha!“. hallte Kagomes Ruf über die Lichtung

„Komm ja nicht näher!“. rief der Hanyou ihr zu, während er den riesigen Stoßzahn als Stütze missbrauchend, wieder auf die Füße kam.

„Aber du bist verletzt!“. protestierte das Mädchen.
 

„Das ist doch nur ein Kratzer, ich kann sehr viel mehr aushalten.“, versuchte er sie zu beruhigen, doch sein schmerzverzerrtes Gesicht sprach eine andere Sprache.

Der Doppelgänger grinste, hob seinen Klaue und leckte genüsslich das Blut davon ab, ohne jedoch die Augen von seinem Feind abzuwenden. Es wirkte provozierend.
 

„Du Mistkerl, dich schlitz ich auf! Wenn ich mit dir fertig bin wird nicht einmal mehr Naraku alle deine Einzelteile zusammensuchen können!“, prophezeite ihm Inu Yasha düster.

Der Angesprochene antwortete mit einem weiteren Angriff. Er sprang kraftvoll ab und holte mit den Klauen aus, um ihm den Kopf abzuschlagen.

Der Halbdämon hob gerade noch rechtzeitig Tessaiga und mit einem dumpfen Geräusch prallten die Krallen seines Gegners auf die Klinge, welche er wie einen Schutzschild vor sich hielt. Sekunden verharrten sie so, Inu Yasha in die Defensive gedrängt und der Feind wie zu Stein erstarrt.
 

Dann sprang die Kreatur wieder zurück, brachte Abstand zwischen sie und beobachtete sein weiteres Verhalten. Inu Yasha war jetzt stinksauer und hob gerade erneut seine Waffe um ein Kaze no Kizu auf den Feind loszulassen, da musste er feststellen, dass dieser sich schon gar nicht mehr vor ihm befand. Hastig drehte er sich um und konnte sich so gerade noch zur Seite werfen. Messerscharfe Krallen zischten über seinen Kopf hinweg. Der Typ war einfach zu schnell!
 

„Oh nein. Das ist nicht gut...“, murmelte Miroku.

„Wir müssen ihm helfen! Wir müssen Inu Yasha helfen!“, rief Kagome hysterisch.

„Ja, das stimmt wohl, Kagome-chan. Aber wenn wir uns hier einmischen werden wir nur selbst verwundet oder verletzen aus Versehen den echten Inu Yasha.“, gab Sango zu bedenken.

Nun meldete sich Shippou zu Wort: „Vielleicht wird das Ding ja wieder zu Lehm, wenn wir Kanna besiegen?“
 

„Das könnte durchaus sein, aber ich bezweifle es. Der falsche Inu Yasha hat gesagt, dass er auch sie töten will, aber davon schien sie nicht beeindruckt. Wahrscheinlich besitzt sie tatsächlich keine Gefühle.

Es weist jedenfalls darauf hin, dass dieses Wesen nur aufs Töten aus ist. Sobald wir erledigt sind, wird Naraku es sicher zerstören wollen. Das scheint die einzige Möglichkeit zu sein, diese Kreatur auszuschalten.“, erklärte der Mönch.
 

„Trotzdem, sie ist auf Narakus Seite und wenn wir sie davon abhalten dieser Gestalt weitere Befehle zu geben, haben wir wenigstens etwas zu tun! Außerdem glaube ich, dass Kanna für die schnelle Regeneration verantwortlich ist. Wenn Inu Yasha den Doppelgänger zerschlagen kann und dieser einfach wieder aufersteht, werden wir nie gewinnen können.“, meinte Sango und nach kurzem Zögern stimmten ihr die Anderen zu.
 

Inu Yasha hatte derweil ganz andere Probleme. Sein Doppelgänger war schlicht und einfach schneller als er und befand sich nie länger als drei Sekunden an einer Stelle. Schon zwei Mal hatte er versucht, sein Kaze no Kizu anzuwenden, aber anscheinend konnte sein Gegner die Wunde des Windes ebenso gut erschnüffeln wie er und wich ständig aus.
 

„Du Bastard, bleib endlich stehen und kämpfe richtig!“, fuhr der Hanyou sein Gegenüber an und hieb wutentbrannt auf ihn ein. Sein Schwert zielte auf dessen linke Seite, doch da er damit rechnete, dass sein Feind ausweichen würde, drehte er Tessaigas Klinge im letzten Moment und drückte es nach oben, um ihm die gebogene Seite gegen die Brust zu stoßen. Sein Plan ging nur halb auf. Der Andere hatte zwar nicht mit dieser Finte gerechnet, ließ sich aber geistesgegenwärtig zu Boden fallen. Ein winziges Bisschen zu spät.
 

Tessaigas Klinge war abgerutscht, traf ihn so nicht tödlich, schaffte es aber dennoch ihm den linken Arm abzuschlagen. Triumphierend sah der Hanyou auf seinen dämonischen Doppelgänger, welcher schlitternd zurückwich und sich den blutenden Stumpf hielt. Doch seine Freude war von kurzer Dauer, denn nun trat etwas Wildes, Unberechenbares in die Augen seines Abbildes.
 

Seine Klauen gruben sich in das Fleisch, welches die grausam anzusehende Wunde freigelegt hatte. Dann zog er sie wieder heraus, das Blut tropfte an seiner Hand herunter und während er erneut ausholte drang ein fast tierischer, von Schmerzen gekennzeichneter Schrei über seine Lippen:

„Hijinkessou!“
 

Der Rest der Gruppe kämpfte derweil mit Kanna. Sie bewegten sich unbewusst immer weiter von Inu Yasha weg und konnten ihn schon bald nicht mehr sehen, aber niemand machte sich ernsthafte Sorgen. Kagome schoss – kräftig von Shippou angefeuert – stetig Pfeile auf sie, doch Inu Yashas Kampf lenkte sie zu sehr ab, als das sie hätte treffen können. So kam was kommen musste: Irgendwann ging ihr die Munition aus.
 

Also starteten Sango und Miroku einen Doppelangriff: Der Mönch stürmte von der Seite her auf Kanna zu und holte mit seinem Stab zum Schlag aus. Gleichzeitig flog Sango auf Kirara über ihre Köpfe hinweg und warf ihren Hiraikotsu in genau dem Augenblick, in dem Kanna ihren Spiegel abwandte um ihn als Schutzschild gegen den Buddhisten zu verwenden.
 

Kurz knisterten bläuliche Blitze um den Metallstab, dann wurde er samt dem Menschen davon geschleudert. Kanna verschwendete jedoch keine Zeit damit, nach irgendwelchen Wunden des Mönches zu sehen, sondern drehte sich sofort um. Gerade noch rechtzeitig um den riesigen Knochen zurückzustoßen, den die Dämonenjägerin geworfen hatte.
 

Inu Yasha spürte unvorstellbaren Schmerz als Tausende, rasiermesserscharfe Klingen aus verdorbenem Blut durch das Feuerrattenhaar drangen, welches nicht dafür geschaffen war einer Attacke standzuhalten, die doch eigentlich nur dessen Träger benutzte. Aber diese Fälschung seiner selbst schien sämtliche Eigenschaften des Hanyous bei seiner Erschaffung kopiert zu haben.
 

Inu Yasha hockte auf dem Boden, beide Kämpfer atmeten schwer. Der Halbdämon hob sein Schwert im selben Moment, in dem die Kreatur auf ihn zusprintete. Dann geschahen viele Dinge in rascher Folge:

Der Doppelgänger kam mit wilden Augen auf Inu Yasha zugestürmt, welcher Tessaiga mit letzter Kraft hoch über dem Kopf hielt. Durch die so entstandene Lücke in seiner Deckung hatte der außer Kontrolle geratene Dämon die Möglichkeit, seine krallenbewehrte Hand in einer Mischung aus einem Fausthieb und der Attacke Sankontessou, direkt durch Inu Yashas Magen zu rammen – welche er natürlich auch ausschöpfte.
 

Inu Yasha stieß einen erstickten Schrei aus, den wegen des allgemeinen Kampflärms jedoch niemand hören konnte. Nur eine Sekunde später jedoch raste Tessaiga auf den Angreifer herunter und spaltete sein bösartiges Gesicht in zwei Hälften. Der Getroffene schaute kurz überrascht, seine Augen weiteten sich, dann zerflossen seine Gesichtszüge und die Kreatur wurde wieder zu dem, was sie einst war: ein schmutziger Haufen Lehm.
 

Trotz der schweren Verletzungen des Halbdämons hätte sich jetzt vielleicht noch alles zum guten wenden können. Wäre nicht in genau diesem Moment der riesige Knochenbumerang herbei geflogen, den Kanna kurz zuvor mit ihrem Spiegel zurückgestoßen hatte. Er traf den Hanyou mit voller Wucht in den Rücken und schleuderte ihn einige Meter weit weg. Ein Schwall Blut quoll aus seinem Mund heraus.

Das Verheerende jedoch war, das der Halbdämon bei dem Sturz Tessaiga verloren hatte.
 

Die Schmerzen verschwanden augenblicklich. Inu Yasha spürte überhaupt nichts mehr. Er konnte sich an nichts mehr erinnern, nicht einmal an seinen eigenen Namen. Alles was in der Leere seines Herzens noch blieb, war das Gefühl des Bedroht-Werdens. Er hatte Feinde. Sie waren nah. Sie wollten ihn töten.
 

Seine Sinne funktionierten nicht mehr. Er hatte nicht die Kraft zu kämpfen. Aber wenn er es nicht tat würde er zu Grunde gehen, das wusste er. Sie oder er. Jemand musste sterben.

Und so rief Inu Yasha unbewusst, ja unwissend, die Macht zur Hilfe, die tief in seinem Inneren schlummerte. Er weckte sie auf, trank von ihrer Kraft, ließ sich überschwemmen und übernehmen. Bald füllte ihn die bösartige Energie vollständig aus. Er konnte sie nicht kontrollieren, aber das machte ja nichts. Es war eine zerstörerische Kraft, die Tod und Verderben bringen würde. Die Leben auslöschen würde. Aber das machte ja nichts. Es waren ja nur die Leben seiner Feinde...

Und In Yashas Augen färbten sich blutrot.
 

Sango, Miroku, Shippou, Kirara und Kagome wussten nichts von Inu Yashas Verwandlung. Der Kampf mit Kanna hatte sie außer Sichtweite getrieben und ohnehin hatten sie gerade andere Sorgen. Diese bestanden nämlich in der schieren Unmöglichkeit, den weißhaarigen Abkömmling zu verletzen. Sango hatte ihre stärkste Waffe verloren und Kagome hatte keine Munition mehr. All ihre Pfeile lagen hinter Kanna und waren somit außer Reichweite. Shippous Irrlicht hätte nicht einmal etwas ausrichten können, wenn seine Reichweite genügen würde um das Mädchen zu treffen. Der Einzige der also noch voll kampffähig war, war Miroku. Das versuchte er den Mädchen auch gerade klar zu machen:
 

„Ich muss es öffnen, mir bleibt keine andere Wahl! Nur so können wir sie vernichten!“

„Aber sie ist ein Abkömmling von Naraku, die Saimyosho sind bestimmt schon in der Nähe und wenn du sie in dein Windloch saugst, wirst du an dem Gift sterben!“, versuchte Shippou ihn von seinem Vorhaben abzubringen.

„Genau, Miroku-sama, ihr-“ Sango brach urplötzlich ab, gab ein röchelndes Geräusch von sich und griff sich an die Brust.

„Sango-chan, was ist los mit dir?!“, fragte Kagome entsetzt.

„Ich... Es ist so.... kalt-“ Sie hustete heftig. Das schwarzhaarige Mädchen sah hilfesuchend zu dem Mönch, dessen Miene auf einmal wie versteinert wirkte.
 

„Das macht sie.“, sagte er bedeutungsschwer und sie begriff. Kanna hatte die Fähigkeit, mit ihrem Spiegel die Seelen der Menschen einzufangen. Schon jetzt leuchtete etwas neblig-weißes knapp vor der Brust der Dämonenjägerin, fast wie ein neugeborenes Tier, das sich verzweifelt gegen einen unsichtbaren Sog wehrte und doch gewaltsam aus dem für ihn bestimmten Körper gezerrt wurde. Mirokus Miene wurde noch verschlossener und er stellte sich demonstrativ mit ausgestreckten Armen vor die Frau die er liebte, eine Hand am Rosenkranz. Er musste es schnell erledigen, denn wenn Sangos Seele erst im Spiegel war, konnte er Kanna nicht einsaugen ohne diese zu verschonen.
 

„Miroku-sama...“, murmelte Kagome, hielt ihn allerdings nicht auf, sondern hielt ihre zitternde Freundin weiterhin im Arm. Kirara, die sich zurückverwandelt hatte, stieß traurig mit ihrer feuchten Nase gegen die Hand ihrer Freundin.

„Schon gut, Kagome-sama. Mir passiert schon nichts.“ Und dann entfernte er mit einem Ruck den Rosenkranz.
 

„KAZAANA!“
 

Ein dunkler Strom entstand, trockene Blätter und abgebrochene Zweige wirbelten in der Luft und verschwanden dann in dem Loch in der Hand des Buddhisten. Teile des Erdreichs und kleinere Bäume brachen heraus und immer mehr Pflanzen konnten sich nicht mehr am Boden halten. Dann ertönte es, das unheilverkündene Summen.
 

Ein Schwarm gelb-schwarzer Hölleninsekten stob aus eine nahen Gebüsch und flog direkt auf das, für sie tödliche Windloch zu. Shippou schrie auf und verkroch sich hinter Kagome. Doch Miroku blieb standhaft, wich nicht zurück und schloss auch das Kazaana nicht. Kannas Haare flatterten im Wind und obwohl sie sich mit ihren kleinen Füßen in den Boden stemmte, rückte sie stetig näher.
 

Dann verschwand das erste Insekt in der Hand des Mönches und mit ihm kam fast augenblicklich der Schmerz. Das Gift begann sofort seine unheilvolle Wirkung zu entfalten und breitete sich wie Säure von seinem Arm über den ganzen Körper aus. Der Mann keuchte, machte aber immer noch keine Anstalten, zurückzuweichen.
 

„Miroku-sama... Hört auf!“, brachte Sango erstickt hervor. Das weiße Etwas kroch stetig in ihren Körper zurück und sie schaffte es, ihren Oberkörper aufzurichten.

„Ich... Ich habe sie gleich!“, stieß der Mönch hervor und tatsächlich: Mit einem guten Dutzend Saimyosho zusammen flog nun Kanna auf sie zu, das Gesicht selbst im Tod noch so ausdruckslos wie eh und je. Dann war sie verschwunden und eine neue, vom Gift verursachte Welle des Schmerzes erschütterte Mirokus Körper. Keuchend brach er zusammen, nachdem er mit letzter Kraft den Rosenkranz um seine Hand gelegt hatte.
 

„Miroku-sama!“, rief die Dämonenjägerin, deren Seele nun wieder vollständig in sie zurückgekehrt war.

„Miroku... Sag doch was!“, flüsterte Kagome.

„Ihr müsst... Inu Yasha helfen!“, murmelte er erstickt und öffnete noch einmal schwach die Augen.

„Inu Yasha! Aber-“ Das Mädchen aus der Neuzeit sah verzweifelt auf den Verletzten herab.

„Geh ruhig, Kagome-chan.“, meinte Sango. „Ich kümmere mich um Miroku-sama.“

Kagome nickte erleichtert und brachte sogar ein schwaches Lächeln zustande.

„Ich komme mit dir und werde dich beschützen!“, sagte der kleine Fuchsdämon und sprang auf ihre Schulter.

Die Miko wandte sich von den beiden Menschen ab und suchte ihre Pfeile zusammen, ehe sie sich auf die Suche nach Inu Yasha machte.
 

Selbiger hatte es inzwischen aufgegeben mit sich selbst zu kämpfen und hatte sich seinem Dämonenblut vollkommen ergeben. Außer Kontrolle geraten suchte er nur noch nach lebendigen Wesen, die er töten konnte. So traf er recht schnell auf Kagome.

Das Mädchen hielt ihn im ersten Moment für das Wesen, das Kanna erschaffen hatte, ebenso wie Shippou, welcher sich mit einem spitzen Schrei im Gebüsch verkroch. Schließlich hatte er auch Tessaiga nicht. Aus diesem Grund zückte sie auch sofort einen Pfeil und genau das war der Fehler:
 

Inu Yasha sah nicht mehr Kagome, das Mädchen aus der Neuzeit, mit deren Hilfe er die Juwelensplitter sammeln sollte, die immer an seiner Seite kämpfte, eine Verbündete, eine Freundin. Er sah einen Feind, der mit der Waffe auf ihn zielte. Und er erinnerte sich entfernt an eine ähnliche Situation, an Verrat, Enttäuschung... Er wusste, das dies schlecht war. Diese Person bereitete ihm Schmerzen. Sie wollte ihn angreifen. Ihn töten. Sie musste vernichtet werden.

Kagome stieß einen spitzen Schrei aus, als das Ungeheuer direkt auf sie zusprang und warf sich zur Seite, die Hände über dem Kopf gefaltet, ohne allerdings den Bogen loszulassen.

„Kagome!“, rief Shippou aufgeregt und ängstlich, wagte sich jedoch nicht aus seinem Versteck heraus.
 

„Wo ist Inu Yasha? Er muss doch hier irgendwo sein! Inu Yasha, hilf mir!“, schrie die Schwarzhaarige verwirrt. Der vermeintliche Doppelgänger war mit solcher Kraft auf sie zugesprungen, das er über ihren Kopf hinweg geflogen war. Kagome richtete sich auf und legte noch einmal einen Pfeil an die Sehne. Hoffentlich würde dieses Biest lange genug stehen bleiben, damit sie richtig zielen konnte. Dann jedoch riss sie plötzlich die Augen auf. Hinter der von Kanna erschaffenen Kreatur konnte sie Tessaiga, weit außer Reichweite, erkennen! Nur wenige Meter befand sich eine Lehmpfütze auf der Erde.
 

Wie in Zeitlupe wanderte Kagomes Blick am Schaft des Pfeils an ihrer Sehne entlang zu dem wilden Geschöpf, das in geringer Entfernung angriffsbereit auf dem Boden hockte. Und urplötzlich erkannte sie, dass dies keineswegs eine aus Lehm geformte Figur war, sondern ein schwer verletzter, vermutlich zu Tode erschöpfter Inu Yasha.
 

Der Hanyou fuhr seine Krallen aus und ließ die Fingerknöchel bedrohlich knacken.

„Kagome, lauf weg!“, schrie Shippou, doch sie hörte ihn nicht einmal.

„Inu Yasha... Inu Yasha, ich bin es! Erkennst du mich denn nicht?“, fragte Kagome und spürte, wie ihre Augen angesichts dieses bemitleidenswerten Schattens ihres Freundes feucht wurden.

„Kagome, du musst weglaufen, schnell!“, schrie Shippou erneut, am ganzen Leib zitternd. „Er wird dich sonst umbringen!“
 

Doch Kagome beachtete ihn nicht, sie ließ ihren Bogen fallen und trat einen Schritt nach vorn.

„Nein, Inu Yasha könnte mir nie etwas antun!“, sagte sie überzeugt.

„Aber das ist nicht mehr Inu Yasha!“, rief ihr der Fuchsdämon zu.
 

Fast wie um seine Worte zu bestätigen, sprang Inu Yasha erneut auf, holte mit seinen Klauen aus und wollte Kagome ganz offensichtlich zerfleischen. Da erkannte auch sie die Wahrheit. Während sich ihre Hände in die Falten ihres Rockes gruben wurde ihr klar, dass dies nicht Inu Yasha sein konnte. Inu Yasha, der Hanyou, würde ihr nie etwas zuleide tun. Aber Inu Yasha der Youkai... er würde es tun.
 

Panik ergriff Besitz von ihr. Sie würde sterben! Grauenvolle, rote Augen, die sie hasserfüllt ansahen. Sie konnte ihn nicht aufhalten. Tessaiga lag zu weit entfernt... Dann plötzlich kam ihr ein Gedanke und sie schrie laut:

„OSUWARI!“
 

Dann kam der Schmerz. Unvorstellbarer, zerreißender Schmerz und das Gefühl von warmen Blut, das über ihre Haut lief. Keuchend und schwach brach sie zusammen und landete rücklings auf der Erde. Ein kleiner Gegenstand fiel ihr dabei aus der Rocktasche, aufgefädelte Perlen breiteten sich auf dem Boden aus und stießen gegen ihre Hand. Ach ja... Der Rosenkranz. Inu Yasha hatte sie nicht hören können.
 

Eine plötzliche Schwäche und Müdigkeit ergriff sie. Dunkelheit vor ihren aufgerissenen Augen.

Ein letzter, bedauernder Gedanke noch, bevor sie das Leben verließ: Sie hatte Inu Yasha nie gesagt, was sie für ihn empfand.

Es war doch eine schlechte Idee gewesen, ihm die Bannkette abzunehmen.
 

Es herrschte kurz eine beinahe heilige Ruhe. Inu Yasha stand nur da, rührte sich nicht. Doch dann, wie aus dem Nichts, ertönte ein leises Summen. Einige der Saimyosho hatten überlebt und einer von ihnen kam nun heran. Der Hanyou, noch immer in seiner Raserei, schlug nach dem vermeintlichen neuen Angreifern, aber das Insekt wich aus. Als es wieder in die Luft stieg, umklammerten seine sechs Beine ein kleines, gläsernes Behältnis, in dessen Inneren etwas Violettes schimmerte.
 

Inu Yashas Bewusstsein war trüb und grau. Er spürte nichts, schwebte in völliger Dunkelheit. Von den letzten Minuten hatte er nichts mitbekommen, er befand sich in einem Schlaf, aus dem ihn kein Geräusch zu wecken vermochte, sei es auch noch so laut. Der Geruch jedoch konnte es.

Es war ein süßlicher, etwas metallischer Duft.
 

Ein feiner Hauch, eine undefinierbare Substanz... Es dauerte etwa eine Minute, in der das Monster, das in ihm steckte, sich bereits nach weiteren Opfern umsah und Shippou bedrohlich fixierte, bis er den Geruch als Blut identifiziert hatte. Gut, das hier Blut war, war ja eigentlich logisch. Es war nicht sein Blut, also musste es das seines Feindes sein. Aber etwas sagte ihm, dass dies nicht stimmte. Das Bild einer ganz bestimmten, erst nur verschwommen zu sehenden Person drängte sich ihm auf und diese Person war nicht sein Feind. Lange, schwarze Haare kamen ihm in den Sinn, ein bekanntes Gesicht... Kagome!
 

Ganz plötzlich war es da, das Erkennen, die Gewissheit. Was er wahrnahm, war Kagomes Geruch. Der Geruch von ihrem Blut.

Sie war verletzt! Jemand hatte ihr weh getan! Er musste ihr helfen!
 

Langsam, Stück für Stück wich die rote Farbe aus Inu Yashas Augen und sein Blick klärte sich. Kaum war er wieder bei Bewusstsein, da drängte der Schmerz von allen Seiten auf ihn ein. Die Wunde an seinem Bauch schien ihn förmlich zerreißen zu wollen, von den vielen Schnitten des Hinjinkessou ganz zu schweigen. Die Schmerzen ließen ihn blindlings zurücktaumeln, doch er unterdrückte seine dämonische Energie so gut er konnte. Verwirrt strich sein Blick umher, blieb einen Moment auf der Lehmpfütze ruhen, wanderte dann jedoch weiter.
 

Und dann sah er sie. Große, rote Lachen aus Blut. Mit Kagomes Geruch dran. Schreckensbleich drehte er ich im Kreis, bis er den Körper am Boden entdeckte. Schwarzes Haar, auf der Erde ausgebreitet. Schneeweiße Hände auf dunklem Untergrund. Rehbraue Augen, entsetzt aufgerissen. Ihre weiße Kleidung, mit Blut besprenkelt.
 

Dann kehrte das Gefühl wieder in seine Beine zurück und er stürzte zu ihr.

„Kagome!“, rief er und ließ sich neben ihr fallen, „Kagome, wach auf!“

Hilfesuchend sah er sich um, doch es waren weder Freund noch Feind zu sehen. Verzweifelt sah der Hanyou auf seine Kagome hinunter. Wie konnte er ihr nur helfen!? Wieder fiel sein Blick auf ihre aufgerissenen Augen und eine schreckliche Ahnung machte sich in ihm breit. Wenn Kagome ohnmächtig wäre – was naheliegend war, da sie sich nicht rührte – warum waren dann ihre Augen nicht geschlossen? Ihr Blick, so glasig und stumpf, machte ihm Angst.
 

Plötzlich spürte er einen Schmerz am Hals. Nicht vergleichbar mit seinen anderen Wunden, aber doch spürbar. Er fasste hinter sich und war überrascht und erfreut zugleich als er feststellte, dass der Übeltäter Shippou war, der sich in seinem Hals verbissen hatte.

„Shippou, was-“
 

„Inu Yasha, du blöder Idiot!“, wurde er von dem Fuchsdämon unterbrochen. Ihm liefen die Tränen in Strömen über das Gesicht und er hämmerte mit seinen kleinen Fäusten wie von Sinnen auf den noch immer unter Schock stehenden Halbdämon ein. „Du bist so doof, Inu Yasha, warum hast du das gemacht!?“
 

Nun wurde der Hanyou doch wütend. „Ich hab jetzt keine Zeit für dich! Verdammt, Shippou, wir müssen Kagome helfen!“

Unwirsch setzte er den kleinen Dämon ab, doch dieser richtete sich sofort wieder auf und sah ihn zornig an:
 

„Du kannst ihr nicht mehr helfen, sie ist tot! Tot ist sie! Du hast sie umgebracht!“

Stille.

Shippou selbst hielt den Atem an. Inu Yasha saß völlig starr da und nur das Rauschen des Windes in den Bäumen störte die Ruhe.

„Was... - Was hast du gesagt!?“, brachte der Halbdämon mühsam hervor. Sein Blick spiegelte reines Entsetzen wider als er den Youkai beiseite stieß, das leblose Mädchen an den Schultern packte und heftig schüttelte.
 

„Kagome!“, rief er, und immer wieder: „Kagome! KAGOME!!!“ Aus lauter Verzweiflung verpasste er ihr sogar eine Ohrfeige, doch die eine, unbestreitbare Tatsache wurde immer deutlicher: Kagome war tot. Und nicht Naraku war daran Schuld, nicht Kanna, nicht das Lehmmonster. Er selbst hatte ihr das Leben genommen. Er wusste es sicher, in dem Moment, in dem er völlig schockiert auf seine Hände hinab blickte, von denen noch frisches Blut tropfte. Kagomes Blut.
 

„Kagome... Was habe ich getan? Bei Kami, was habe ich nur getan?!“, flüsterte er erstickt, während seine Augen von seinen eigenen, rotgefärbten Krallen zu der Wunde in Kagomes Brust wanderten, an der man deutlich erkennen konnte, dass es unmenschliche Klauen gewesen waren, die ihr Fleisch zerfetzt hatten. Neben ihrer bleichen, fast kindlichen Hand lag der Rosenkranz.
 

„Kagome...“ Seine Finger griffen fast wie von selbst nach der Bannkette. ganz vorsichtig, als wäre sie das Kostbarste was er je besessen hatte, streifte er sie sich über.
 

„Kagome... Es tut mir Leid! Es tut mir so Leid!“ Er fühlte sich plötzlich schwach, klein und unbedeutend. Tränen der Verzweiflung, der Schuld und der Trauer liefen über sein Gesicht.

„Bitte verzeih mir...“

Hoffnung

3. Drittes Kapitel – Hoffnung
 

Du gibst den Wind meinen Namen.

Gibst meiner Zukunft ein Gesicht.

Gibst meiner Sehnsucht ein zu Hause.

Und meiner Hoffnung neues Licht.
 

Aus: „Wahre Engel“ von Matthias Reim
 


 

„Geht es, Miroku-sama?“ fragte Sango besorgt.

„Ja, wir müssen nur – Ah! Da ist Shippou!“

Die Dämonenjägerin sah auf und auch sie entdeckte den kleinen Fuchsdämon, der stolpernd auf sie zugerannt kam. Der Mönch löste sich von der Frau welche ihn bis hier her gestützt hatte und ließ sich zu Boden gleiten. Noch immer schwächte ihn das Gift und er war dankbar für jede Pause.

„Shippou-chan, was ist denn los?“ fragte Sango, als der vollkommen aufgelöste Fuchs sie erreicht hatte.

„Inu Yasha... ist – und dann... und er hat...!“ Er brachte kein einziges verständliches Wort heraus, was einerseits an der Verwirrung und dem Schock, andererseits aber auch an dem unaufhörlichem Schluchzen liegen mochte, welches seinen kleinen Körper immer wieder in heftigen Stößen erschütterte.

„Das hört sich nicht gut an.“ stellte Miroku besorgt fest.

„Wir sollten nach Kagome-chan und Inu Yasha sehen. Schafft ihr das, Miroku-sama?“ fragte Sango zaghaft.

„Natürlich. Wir müssen-“ Doch dann stockte er und starrte geradeaus. „Kagome-sama!“

Die Dämonenjägerin fuhr herum. „Inu Yasha! Wir gut, es ist nichts passiert!“ sagte sie erleichtert, doch Shippous erneutes Aufheulen ließ sie stutzen.

„Es ist doch nichts passiert, oder?“ fragte sie, währen sie dem Hanyou entgegen rannte. Er trug das Mädchen auf seinen Armen. Blut tropfte herunter.

„Was... ist mit Kanna? Geht es euch... gut?“ fragte Inu Yasha stockend. Sein Gesicht war merkwürdig leer.

„Uns geht es gut, Kanna ist tot. Miroku hat zwar etwas von dem Gift aufgesogen, aber er wird wieder auf die Beine kommen.“ erwiderte Sango. Inu Yasha der normalerweise sofort über Miroku hergezogen wäre weil der nicht aufgepasst hatte und die Saimyosho eingesogen hatte, nickte nur knapp.

„Und was ist mit dem Lehmmonster?“ fragte die Braunhaarige weiter. Sie scheute ihn nach Kagome zu fragen. Blut tropfte von einer großen Wunde in ihrer Brust und auch Inu Yasha war schwer verletzt.

„Tot.“ sagte er leise und es schien, als sei er den Tränen nah. Er legte Kagome auf den Boden. „Alle tot...“

Sango riss die Augen auf und ließ sich neben dem Mädchen zu Boden fallen. „Nein...“ Sie suchte den Puls an ihrem Hals, legte den Kopf auf ihre Brust um nach dem Herzschlag zu hören, doch da war nichts. Kein Atem. Kein Leben.

„Ist sie...?“ sagte Miroku leise.

„Ja... Wir können ihr nicht mehr helfen. Das Lehmmonster hat sie...“ Sie brach erstickt ab und schluckte die aufkommenden Tränen hinunter.

„Nein, es war nicht das Lehmmonster.“ sagte Inu Yasha, so leise, das man es kaum hören konnte. „Ich war es...“

Shippou stieß erneut einen Schluchzer aus. Miroku und Sango starrten ihren Freund nur entgeistert an. Was redete er da?

„Du... Warum gibst du dir die Schuld daran?“ meinte der Mönch.

Inu Yasha schüttelte den Kopf. „Ich geben mir nicht die Schuld daran. Ich habe sie... getötet... zerrissen... Mit meinen eigenen Händen...“ Er betrachtete seine rotgefärbten Klauen. Blut tropfte davon.

„Inu Yasha wurde wieder so komisch. Er hat Tessaiga verloren und dann-“ Wieder brach der Fuchsdämon in Tränen aus. “Inu Yasha, du bist so doooohooof!“

„Du hast dich... Verwandelt und hast Kagome...?“ Sango konnte es nicht fassen. Inu Yasha hatte sie getötet! Einfach so! Nicht einmal Naraku hatte es geschafft, aber...!

„Inu Yasha!“ rief Miroku und stand taumelnd auf. Der Weißhaarige wich zurück, doch er fasste ihn an den Schultern und schüttelte ihn kräftig.

„Inu Yasha, du bist nicht Schuld! Hast du das verstanden!? Du konntest nichts dafür! Du warst es nicht, der sie getötet hat!“ redete er eindringlich auf ihn ein. „Du bist nicht Schuld. Wir geben dir keine Schuld und Kagome würde es auch nicht, verstanden!?“

Doch der Halbdämon schüttelte nur traurig den Kopf. „Sie hat mir die Bannkette abgenommen. Ich habe mich beklagt und sie hat sie mir abgenommen... Hätte sie das nicht getan, hätte sie mich aufhalten können...“

„Das konnte doch keiner ahnen!“ pflichtete Sango dem Mönch bei.

„Nein, ich hätte es ahnen müssen... Es ist doch schon einmal vorgekommen, dass sie mich in meiner Raserei nur durch die Kette aufhalten konnte. Ich hätte sie auch gar nicht erst mit auf diese Suche nach den Juwelensplittern nehmen dürfen, sie gehört doch in eine ganz andere Welt! Es war alles umsonst, ihre Splitter sind weg und sie selbst ist tot!“ widersprach Inu Yasha. Sein Gesicht hatte einen merkwürdig leeren Ausdruck bekommen.

„Aber... was willst du denn jetzt machen, Inu Yasha?“ fragte Sango und deutlich hörte man ihre Angst vor der Antwort heraus.

„Ich... Ich werde zu Sesshoumaru gehen.“ antwortete er schließlich.

Die beiden Menschen starrten ihn an.

„Wie bitte!?“ riefen sie gleichzeitig.

„Bei euch kann ich nicht bleiben. Wenn ich mich noch einmal verwandle, seid ihr alle in großer Gefahr. Ich will euch nicht auch noch verlieren! Außerdem hat Sesshoumaru Tensaiga, er.... Das Schwert ist Kagomes letzte Hoffnung.“ erklärte er mit merkwürdig erstickter Stimme.

„Inu Yasha...“ seufzte Miroku leise und traurig.

„Aber Sesshoumaru wird Kagome niemals wiederbeleben!“ rief Shippou und brach erneut in Tränen aus.

Inu Yasha senkte den Kopf. „Wenn er es nicht tut, mache ich es eben.“

„Wie stellst du dir das vor? Dein Halbbruder wird dir Tensaiga nicht geben. Willst du es ihm etwa stehlen?“ fragte der Mönch ungläubig.

„Wenn das der einzige Weg ist...“ murmelte er niedergeschlagen.

„Das ist doch glatter Selbstmord!“ rief Sango empört.

„Aber ich muss es doch wenigstens versuchen!“ erwiderte der Hanyou verzweifelt, „Das bin ich Kagome schuldig.“

Miroku schwieg bekümmert. Eigentlich war es gut, dass Inu Yasha noch eine Aufgabe gefunden hatte, die seinem Leben einen Sinn zu geben schien. Doch Sango hatte Recht, sein Vorhaben konnte unmöglich von Erfolg gekrönt sein. Er hätte ohnehin nur einen, vielleicht zwei Tage Zeit, bevor Kagomes Leiche... Nein, daran wollte er nicht denken.

„Wir werden Kagome mit Kirara zu Kaede bringen.“ sagte die Dämonenjägerin, welche ähnliche Gedanken gehegt hatte. „Wenn du in drei Tagen noch nicht zurück bist, werden wir sie begraben.“

Inu Yasha zuckte bei ihren Worten zusammen, nickte dann jedoch geschlagen. Es war für alle klar, dass es in nur drei Tagen unmöglich wäre, Sesshoumaru zu finden, Tensaiga zu holen und es unbeschadet hierher zu bringen, ganz zu schweigen von der Tatsache, es dann auch benutzen zu können. Aber es war eine Hoffnung, ein verzweifelte, verschwindend geringe Hoffnung, aber genug, das sich Inu Yasha daran klammern konnte.

„Dann... macht's gut und... Passt auf euch auf, ja?“ flüsterte er leise, fast flehend.

„Natürlich, Inu Yasha. Wir geben auf uns Acht.“ beruhigte ihn Miroku und brachte ein schwaches Lächeln zustande.

Der Hanyou nickte bekümmert. „Auf... Auf Wiedersehen dann...“ meinte er etwas unbeholfen und wandte sich ab. Als er schon fast im Wald verschwunden war, rief Sango noch einmal:

„Ach, und Inu Yasha!“ Der Angesprochene drehte sich sofort um und sah zu ihnen zurück. „Mach keine Dummheiten, ja?“ rief ihm die Dämonenjägerin zu.

Fast etwas enttäuscht brachte der Weißhaarige nur ein schnödes „Ja...“ heraus. Für alle war deutlich, wie ungern er sie in diesem Moment verließ. Natürlich machte er sich Sorgen, seinen Freunden in seiner dämonischen Gestalt Schaden zuzuführen, sollte er sich wieder während eines Kampfes nicht unter Kontrolle haben. Auch die Hoffnung auf Tensaiga trieb ihn voran, aber im Grunde seines Herzens fiel es ihm schwer, die beiden einzigen Menschen zu verlassen, die in dieser Welt noch zu ihm hielten. Sollte er jetzt wieder allein sein, wie all die Jahrzehnte zuvor? Fast alle Menschen, die nett zu ihm gewesen waren, hatten früh den Tod gefunden. Vielleicht wäre es besser wenn er gar nicht zu Sango und Miroku zurückkehrte, gelänge es ihm nicht Tensaiga zu beschaffen...
 

~Tesaki~
 

Durch die langen und dunklen Gänge des riesigen, vollkommen leeren Schlosses setzte ein kleiner Junge einen Schritt vor den anderen. In der rechten Hand trug er einen Kerzenständer der ihm ein schales Licht schenkte, aber es war ihm genug. Er war an finstere Kerker gewohnt, die nie einen Strahl des Sonnenlichtes erblickten und somit abgehärtet. Seine Augen waren besser als die eines manchen Lichtdämons, von denen er abstammte.

Der Name des Jungen war Tesaki. Drei Monate war es jetzt her, dass er die Hikari no Youkai verlassen und sich einem andere Halbdämon angeschlossen hatte, der weithin auch als Naraku bekannt war. Tesaki war stolz, einem so berühmten Herrn dienen zu dürfen. Es erging ihm gut hier, besser, als es ihm jemals zuvor ergangen war. Er durfte hinaus, wann immer er wollte, solange er innerhalb des Bannkreises blieb, den sein Meister zu ihrer aller Schutz geschaffen hatte. Außer ihm selbst und seinem Herrn wohnten manchmal noch ein paar andere hier. Das waren Naraku-samas Töchter und Söhne. Aber als er ihn einmal nach der Mutter gefragt hatte, meinte er, sie wären Abspaltungen von ihm selbst und nicht richtig geboren worden. Außerdem waren es Dämonen und vielleicht war das auch der Grund, warum seine eigene Tochter, Kagura-san, ihn nicht leiden konnte. Aber die Dämonin war zu allen unhöflich, auch zu ihrer Schwester Kanna-chan. Naraku-sama hatte ihm erklärt, das er beide nicht besonders hoch achtete. Sie waren ebenfalls eher Diener als Familienangehörige, Körperteile seiner selbst, die angefangen hatten eigenständig zu denken. Sie waren Werkzeuge, nichts weiter. Manchmal musste er böse mit ihnen sein, damit sie besser funktionierten. Man musste sie lenken und zurechtstutzen, Tesaki konnte das akzeptieren, nie wäre es ihm eingefallen, den anderen Halbdämon zu kritisieren. Naraku-sama wollte auch nur sich selbst schützen und ein glückliches Leben führen, wie es jeder wollte. Dafür suchte er nach einem magischem Juwel, welches jedoch zersplittert war, auch wenn er einen Großteil schon eingesammelt hatte. Tesaki bewunderte ihn für das hochgesteckte Ziel, sich einen Ruf aufzubauen, mit dem ihm kein Dämon mehr freiwillig zu nahe kommen würde, denn das war denkbar schwer für einen Hanyou. Er selbst hätte nie gedacht, dass dies möglich gewesen wäre.

Aber Naraku-sama hatte auch Feinde. Er beantwortete dem Jungen bereitwillig fast alle Fragen die er stellte und so hatte er erfahren, dass die Miko, die er hatte töten müssen um an das Juwel zu kommen, einen Verehrer gehabt hatte, der sie nun rächen wollte. Dieser war ebenfalls ein Hanyou und Naraku-sama hätte ihn gern auf seiner Seite gehabt, denn er war sehr stark. Doch statt mit ihnen die Welt zu einem besseren Ort zu machen, auf dem Halbdämonen nicht mehr wie Abschaum behandelt wurden, hatte er sich gegen sie gestellt und ihr Kampf währte schon zu lag, als das man ihn noch hätte abbrechen können. Sein Meister war sogar bereit gewesen, diesen unverschämten Kerl, der ihn schon oft beleidigt hatte, zu verschonen und sich zurückzuziehen, doch das war diesem nicht genug. Er wollte einzig und allein den Tod seines Herrn und das empörte Tesaki so sehr, dass er vorschlug, Inu Yasha selbst in den Tod zu treiben.

„Du bist dazu noch nicht in der Lage, Tesaki.“ hatte er daraufhin geantwortet, „Er würde dich gnadenlos töten, allein, weil du etwas mit mir zu tun hast.“

Doch Tesaki, der Naraku-sama ansonsten nicht besonders nützlich war und dies tief bedauerte, sah doch jeden Tag wie Kagura-san ausflog und das Schloss verteidigte, ihre Feinde aufspürte und beobachtete. Schließlich hatte ihm Naraku-sama einige alte Schriftrollen gegeben.

„Dies sind Beschreibungen der Kampffertigkeiten von Lichtdämonen und wie man sie ausführt. Ich möchte, dass du sie dir durchliest und ausprobierst, was du davon ebenfalls kannst.“ hatte er erklärt und Tesaki hatte die Schriftstücke mit leuchtenden Augen entgegengenommen. Unglücklicherweise konnte er jedoch nicht lesen, aber Naraku-sama hatte in seiner unendlichen Güte einen menschlichen Lehrer für ihn besorgt, der zwar fürchterliche Angst vor ihnen allen hatte, ihm aber das Lesen und Schreiben beibrachte. Tesaki lernte mit Feuereifer, um seinen Meister nicht zu enttäuschen und schließlich kannte er den Inhalt aller Schriftrollen auswendig. Der Lehrer verschwand dann irgendwohin, bestimmt hatte ihn sein Herr wieder zu seiner Familie gebracht, oder er hatte ihn getötet, damit er die Position des Schlosses nicht verriet. Wirklich darüber nachdenken tat der kleine Junge nicht, er war viel zu sehr damit beschäftigt, die Sachen aus den Rollen auszuprobieren. Am liebsten trainierte er mit Kohaku-kun zusammen, einem Menschenjungen, der ebenfalls seinem Herrn diente. Er war nicht besonders temperamentvoll, genauso wenig wie Kanna-chan, aber das machte ihm nichts aus. Kohaku übte weiter mit ihm das Lesen und schon bald stöberte er in vielen alten Magiebüchern herum, die die miesepetrige Kagura-san auf Naraku-samas Befehl hin heranschaffte. Überhaupt war der Herr sehr an seiner Ausbildung interessiert, wie die Youkai einmal bemerkte.

Dann hatte er seinen ersten Plan ausgearbeitet, um etwas Praktisches zu tun. Von Kagura-san hatte er alles wissenswertes über Inu Yasha und seine Begleiter herausgefunden, besonders die Miko an dessen Seite – wenn sie auch nicht besonders intelligent war – hielt sein Meister für gefährlich. Er hatte Naraku-sama seinen Plan vorgetragen, in der ein komplizierter Zauber für die Erschaffung einer Kreatur, einem Golem nicht unähnlich, die Hauptrolle spielte. Sein Meister war erfreut über seine Eigeninitiative gewesen und hatte ihm das Kommando über einige der Saimyosho gegeben die er zur Spionage einsetzte.

Nun waren diese Spione zurückgekehrt und hatten ihm von dem Ausgang des Kampfes erzählt. Der kleine Hanyou zitterte vor Aufregung und vor Angst, als er sich auf den Weg zu den Gemächern des Herrn machte. Sie hatten Verluste erlitten, schwere Verluste. Die arme Kanna-chan hatte ihr Leben verloren und das war seine Schuld. Fast war die Youkai so etwas wie eine Freundin für ihn geworden, denn mit ihr konnte er sich stundenlang in schweigerner Zweisamkeit mit einer Sache beschäftigen, und sei es auch so ermüdend und langweilig wie seine täglichen Übungen.

Würde Naraku-sama sehr böse sein, das sowohl sein Golem, als auch Kanna-chan vernichtet worden waren? Immerhin war es sein erster, indirekter Einsatz gewesen. Zaghaft ließ sich Tesaki vor der dünnen Tür aus undurchsichtigem Papier nieder, die seinen Meister vor allen Blicken beschützte. Der Junge wusste, er würde bemerkt werden.

„Komm herein, Tesaki.“ kam auch gleich die Betätigung und so schob er die Tür auf. Der schwarzhaarige Halbdämon saß im Schneidersitz vor dem Fenster und sah ihm entgegen. Mit einer Handbewegung bedeutete er dem Jungen, sich zu ihm zu setzen. Er gehorchte.

„Nun, Tesaki? Hast du etwas erreichen können?“ fragte er.

Der junge Hanyou verbeugte sich tief und berührte mit der Stirn den Boden: Solche Ehrerbietung hatte Naraku-sama von ihm am liebsten, hatte er herausgefunden. Und es war weitaus schmerzloser als die Folterungen der Dämonen.

„Naraku-sama, es tut mir aufrichtig Leid. Mein Golem wurde zerstört.“ gestand er.

Das Stirnrunzeln des Anderen konnte er nicht sehen, da er sich noch immer verbeugte. „Hattest du nicht gesagt, er könnte die Gestalt Inu Yashas annehmen, wäre stärker und schneller als er? Könne sich ständig regenerieren?“

„Vergebt mir, Herr, das ist richtig. Jedoch konnte das Schwert Tessaiga nicht kopiert werden. Dies hatte ich jedoch einberechnet. Wie geplant hat Kanna die menschlichen Begleiter des Halbdämons fortgelockt aber bedauerlicherweise... wurde sie getötet.“ sagte er leise.

Ein Seufzen war zu hören. „Ich hätte mir denken können, dass du noch nicht so weit bist. Du hast rein gar nichts erreicht?“

„Meister, der Mönch hat, als er Kanna angriff, sehr viele Saimyosho eingesaugt und ist jetzt vermutlich sehr geschwächt. Inu Yasha wurde so schwer verwundet, dass er sich in einen Dämon verwandelte und in seiner Raserei tötete er das Menschenmädchen.“ berichtete Tesaki und hoffte, dass dieser kleine Triumph Naraku-samas Strafe nicht allzu groß ausfallen lassen würde.

Der Schwarzhaarige machte eine Bewegung, als wolle er sich erheben, blieb dann jedoch sitzen. Er wagte einen Blick zu ihm und bemerkte, wie seine Mundwinkel unwillig zuckten, als beherrsche er nur mühsam seine Gefühle.

„Welches Menschenmädchen?“ hauchte er. „Die Dämonenjägerin?“

„Nein, Herr, die junge Miko. Einem Saimyosho gelang es außerdem, ihre Splitter zu holen.“ antwortete er und streckte die Hand aus, auf der drei Splitter lagen. War das schlecht?

Der Schwarzhaarige stieß den Atem aus und lehnte sich fast entspannt zurück, nachdem er die kostbaren Splitter angenommen hatte.

„Tesaki, das ist die beste Nachricht seit langem.“ meinte er und schloss kurz die Augen.

„Mein Herr...?“ machte er verständnislos, wagte nicht direkt zu fragen.

„Diese Miko hat mir viele Scherereien bereitet, sie ist die Wiedergeburt einer äußerst mächtigen Priesterin. Wenn es Inu Yasha war, der sie getötet hat, werden ihn jetzt wohl viele Schuldgefühle zusätzlich schwächen. Kanna ist somit nicht umsonst gestorben – Das hast du gut gemacht, Tesaki. Auch die Splitter sind ein großer Gewinn. Wenn du weiterhin so gut bist, werde ich dir eine Belohnung zuteil werden lassen.“ sagte der Hanyou.

Tesakis Augen weiteten sich. Gut gemacht! Sein Meister hatte ihn doch tatsächlich gelobt! Er war doch zu etwas nütze, er hatte seine Aufgabe gut erledigt! Er sollte sogar eine Belohnung erhalten! Oh, hoffentlich bekam er bald wieder einen Auftrag, und dann würde er besser Acht geben.

„Naraku-sama, wenn ihr erlaubt... Es wäre gut, würdet ihr sofort erneut handeln. Die beiden Menschen sind allein und der Mönch ist geschwächt. Sie sind verletzlich und können vernichtet werden.“ schlug er vor.

Der Halbdämon sah ihn nachdenklich an. „Willst du deinen Triumph nicht auskosten? Warum so eilig?“ Tesaki wusste nicht, dass dies eine Testfrage war und so antwortete er offen:

„Wenn ihr es wünscht, könnt ihr die Waffen selbstverständlich eine Weile ruhen lassen. Oder aber ihr richtet euer Augenmerk auf eure übrigen Feinde. Kohaku erzählte mir von einem mächtigen Inuyoukai, der euch auf den Fersen sei und einem Wolfsdämon, der euch ebenfalls sucht.“ Es war aber deutlich herauszuhören, wie gern er an Inu Yashas Gruppe weitergemacht hätte.

„Nein, die beiden sind gut, aber sie werden mich nicht finden, wenn ich es nicht will. Jetzt, wo Kanna weg ist, werde ich mir erst etwas anderes überlegen müssen, um sie zu besiegen. Doch die Gelegenheit auch Inu Yasha los zu werden ist zu groß – Ich werde hiermit dir die Verantwortung für ihre Beseitigung übertragen. Zwar bin ich nicht der Meinung, dass mir die Menschen gefährlich werden könnten, aber wenn sie weg sind hat Inu Yasha selbst keinen Bezug zur Welt mehr.“ sagte sein Meister nachdenklich. „Aber schicke vorerst nur meine Untertanen und deine magischen Kreaturen, bis du stark genug bist, um selbst zu kämpfen. Diese Beschwörungen, die du mir neulich vorgeführt hast... Mit ihnen wirst du sehr bald auch selbst Aufträge außerhalb des Bannkreises erledigen können.“

Tesaki verbeugte sich erneut. „Ich danke euch vielmals, Naraku-sama.“ Solch eine Ehre! Als der junge Hanyou den Raum verließ, verspürte er erstmals in seinem Leben echten, unbezwingbaren Stolz. Er würde seine Aufgabe gut erledigen, er würde seinen Meister nicht enttäuschen!
 

~Naraku~
 

Naraku ließ sich zurücksinken und genoss den Augenblick. Es schien eine Glückssträhne angefangen zu haben! Es war eine gute Entscheidung gewesen, den Kleinen mitzunehmen. Ein Untergebener, der ihm freiwillig folgte! Nun, er war schwach, sicher, aber dafür von überwältigender Intelligenz. In nur zwei Monaten hatte er Lesen und Schreiben gelernt, Kohaku begann bereits auf seinen Befehl hin, ihn im Waffenkampf zu unterrichten. Der kleine Hanyou verschlang ein Buch nach dem Anderen und wurde immer klüger. Naraku brauchte sich keine Sorgen zu machen, dass er sich irgendwann gegen ihn wandte, so sehr, wie er von ihm vergöttert wurde. Und immerhin, nun war er tatsächlich die Wiedergeburt dieser vermaledeiten Kikyou los. Wer wusste schon, was ihr Tod noch für Folge hätte. Tesaki würde ihm auf jeden Fall viel Arbeit abnehmen können. Er würde als Halbdämon nie alle Fähigkeiten der Lichtdämonen haben, doch er würde hart an sich arbeiten. Es gab da einige Attacken, gegen die selbst solch starke Youkai wie Sesshoumaru oder Kouga nicht bestehen konnten. Wenn er ihm einen Juwelensplitter gab, würde er schon bald in der Lage sein sie einzusetzen. Eine wahrlich starke Waffe, die er da gefunden hatte... Wenn der Kleine für jeden besiegten Feind nur einen seiner Abkömmlinge in den Tod schickte, war ihm das nur Recht. Kannas Spiegel war durch Kagomes Pfeile schon immer wirkungslos gewesen, auch wenn er sie jetzt gut hätte gebrauchen können. Kagura war ohnehin nur noch bei ihm, weil er ihr Herz in seiner Hand hielt und wenn Tesaki die Dämonenjägern erledigte, brauchte er auch Kohaku nicht mehr. Einzeln waren diese Menschen und sicher auch Inu Yasha zu schwach, um für ihn ernsthaft ein Gegner zu sein. Doch zusammen bereiteten sie ihm echte Probleme. Tesaki jedoch ging mit Strategie vor, er trennte die Kameraden und tötete sie einzeln, um die Stärksten sowohl körperlich als auch moralisch zu schwächen. Taktik, ja, vielleicht war es das, was ihm immer gefehlt hatte. Das langzeitige Vorausplanen, die Berechnung... Bisher hatte er einfach jede Gelegenheit ergriffen die sich ihm geboten hatte, seine Pläne hatten nie eine größere Zeitspanne als wenige Tage umfasst. Andererseits, hatte Tesaki möglicherweise einfach nur Glück gehabt? Soweit er wusste war es nicht geplant gewesen, dass Inu Yasha Kagome tötete, wenn es auch eine glückliche Fügung war. Ohnehin, warum hatte sich der Rest überhaupt getrennt? Das sollte er doch noch einmal etwas näher untersuchen...
 

~Kagura~
 

„Kagura-san!“

Oh, wie sie diese Stimme hasste! Sie konnte einfach nicht verstehen, warum Naraku diesen Rotzlöffel bei sich behielt. Er behandelte ihn ja, als wäre er sein Sohn! Aber wen wunderte es schon, der Kleine vergötterte den Mistkerl ja auch. Wenn er nur nicht dauernd zu ihr gerannt käme, als sei sie seine Ersatzmutter!

Aber dummerweise hatte seine letzte Mission ja Erfolg gehabt. Es widerte die Windherrscherin an, wie wenig Naraku Kannas Tod ausmachte, aber wenn man es von seiner Seite aus sah, war Tesaki wohl doch ein überraschend guter Fang. Kagura wusste genau, dass Inu Yasha immer alles Erdenkliche tat um seine Kagome zu schützen. Sie von ihm selbst ermorden zu lassen, war hinterhältig, durchtrieben, einfach böse... Oh wie gern würde sie sich von all dem hier losreißen!

„Kagura-san!“ rief der Hanyou wieder, jetzt war er bei ihr angekommen. Sie tat, als wäre er nicht da.

„Kagura-san, ich habe einen Auftrag für dich!“ meinte Tesaki begeistert.

Die Schwarzhaarige sah ihn halb ungläubig, halb verächtlich an. „DU hast einen Auftrag für mich!?“

„Ja“, erwiderte er mit Stolz, sodass sie einen Würgreiz unterdrücken musste, „Naraku-sama hat mir nämlich das Kommando für die Jagt auf Inu Yasha und seine Begleiter übergeben, toll, nicht?“

„Jagt? Es sind doch wohl eher wir, die hier gejagt werden. Außerdem, glaubst du wirklich, ich würde von dir Befehle entgegennehmen!?“ Mit Kohaku war es ja schon schlimm genug, der war wenigstens ebenfalls unfreiwillig hier. Was fand ihr Erschaffer nur an all den kleinen Jungs!?

„Aber ich bin nicht stark genug um gegen sie anzutreten, ich brauche deine Hilfe! Die Menschen von Inu Yasha sind jetzt allen, Beeilung ist angesagt!“ drängte er.

„Ich soll also hin und sie umbringen, oder was!?“ motzte Kagura.

„Wenn der Mönch sein Windloch trotz der Saimyosho einsetzt, hat der Angreifer ein Problem. Aber du beherrschst den Wind und hast damit bessere Chancen als irgendeine Kreatur, die ich auf die Schnelle heraufbeschwören könnte.“ erklärte er.

Kagura rümpfte kurz die Nase. „Du weißt aber, dass dich das zum Mörder macht?“ fragte sie. Es konnte nichts schaden, diesem Bengel die Saat des Verrats ins Herz zu pflanzen. Vielleicht wäre er nützlich, würde er sich mit ihr gegen Naraku stellen.

„Mörder? Was meinst du damit?“ fragte Tesaki verwundert.

„Naja, das mit Kagome war doch, soweit ich informiert bin, ein Unfall. Wenn du mir jetzt den Befehl gibst diese Menschen zu töten und ich tue es nach deinem Plan, bist du genauso ein Mörder wie ich. Noch ist deine Seele unbefleckt.“ Und wenn Inu Yasha sich, am Boden zerstört, von Naraku umbringen ließ, wäre kaum noch jemand da um den Hanyou selbst zu töten.

„Hm, sag mal, ist Naraku-sama dann nicht auch ein Mörder?“ fragte Tesaki nachdenklich.

„Ja, genau das ist er!“ sagte Kagura nachdrücklich, froh über ihren kleinen Triumph. Doch der Kleine zerstörte umgehend all ihre Hoffnungen:

„Das ist ja toll! Mörder müssen stark sein, damit sie töten können. Und ich muss stark sein, damit ich Naraku-sama dienen kann! Ich kann also auch stark werden, ohne das ich direkt kämpfe, das ist gut!“ Fröhlich klatschte der Junge in die Hände.

„Moment mal! Morden ist eigentlich etwas Schlechtes, weißt du! Diese Dämonenjägerin ist zum Beispiel Kohakus Schwester. Naraku hat ihn gefangen genommen und kontrolliert ihn mittels des Juwels, um ihr so zu schaden.“ erzählte sie ihm.

„Ehrlich? Dann versucht also auch Naraku-sama stark zu werden, ohne direkt zu kämpfen? Von ihm kann ich wirklich noch eine Menge lernen...“ meinte Tesaki ehrfurchtsvoll.

Oh Kami, dachte sich Kagura, Wo nimmt der Junge nur diese Weltfremdheit her!? Jedes Wort das sie sagte, drehte er ihr im Mund um und verwendete es zu Narakus Gunsten. Natürlich konnte sie auch nicht direkt etwas Schlechtes über ihren Erschaffer sagen, war doch da immer die Gefahr das sie belauscht wurden. Aber der Kleine konnte ja Gut überhaupt nicht von Böse unterscheiden. Er war so naiv und gleichzeitig doch ein Genie... Aber wie sollte er es auch anders wissen? Ihren Wissens nach hatte er sein halbes Leben im Kerker verbracht und bekam erst jetzt wirklich einen Eindruck von der Welt – den Eindruck, den Naraku ihm vermittelte. Wirklich schade, vielleicht hätte aus dem Bengel noch was werden können...

Kampf

4.Viertes Kapitel - Kampf
 

Wieso werden wir geboren?

Weil es nichts schöneres gibt, als ein Kind lachen zu sehen?

Wieso hat man Freunde?

Weil keiner alleine sein will?

Wieso unterscheiden wir zwischen gut und schlecht?

Ist das Instinkt?

Wieso müssen wir sterben?

Weil Gott es so will?
 

Wofür müssen wir kämpfen?
 

Für ein Kind, das lachen will.

Für einen Freund, der nicht alleine sein soll.

Für das Gute in uns.

Doch gegen denn Tod lässt es sich nicht kämpfen,

Denn den KAMPF hat noch keiner gewonnen.
 

Aus: „Der Kampf“ von Unbekannt
 


 

Die Sonne ging unter. Ganz langsam senkte sich der helle Feuerball dem Horizont entgegen. Die Wolken bekamen einen Hauch von Rosa, man konnte die letzten warmen Strahlen auf dem Gesicht spüren. Doch plötzlich verdunkelte ein ungeheurer Schatten die Sonne. Formlose Konturen zeichneten sich vor den Wolken ab, wie ein Schwarm Vögel. Doch es waren keine Vögel. Es waren Dämonen. Ein riesiger Zug niederer Youkai bahnte sich seinen Weg über den Abendhimmel.

An seiner Spitze flog eine junge, schwarzhaarige Frau in traditionellen Kimono,auf einer schneeweißen Feder. In der Hand hielt sie einen zusammengeklappten Fächer, mit dem sie sich nachdenklich gegen die Lippen tippte. Ihre blutroten Pupillen und die spitzen Ohren verrieten, dass sie ebenso wenig menschlich war wie die Monster, die sie anführte.

Kagura überlegte schon seit ihrem Aufbruch aus Narakus Schloss, wie sie sich aus ihrer misslichen Lage befreien könnte. Tesaki, dieser kleine Bastard, hatte ohne Zweifel etwas im Kopf. Die Windherrscherin hatte die Dämonen erst viele Meilen vom Hauptquartier entfernt rufen dürfen und musste jetzt einen Umweg nehmen, um zu ihrer Beute, Inu Yashas Anhang zu kommen. So hatte der junge Stratege ausgeschlossen, dass man ihre Spur – und vor allem die der Dämonen – zu Naraku zurückverfolgt werden konnte. Schon einmal hatten sie einen ähnlichen Angriff gestartet, auch wenn der schwarzhaarige Hanyou damals persönlich anwesend war. Damals hatte Inu Yasha Kaguras Dämonen mit seinem Kaze no Kizu pulverisiert, sodass selbst ihr Totentanz die Leichen nicht mehr hatte zusammenfügen können. Doch weder dieser Halbdämon noch Kagome würden dem Mönch und der Dämonenjägerin dieses Mal zur Seite stehen. Sie waren auf sich allein gestellt – und sie würden verlieren. Wenn sie keine Hilfe bekommen würden, waren sie jetzt schon so gut wie verloren. Tesaki hatte Kagura auch eingeschärft, das Vorhaben auf der Stelle abzubrechen, sollte unerwartete Verstärkung auftauchen. Aber auch so war sich die Dämonin sicher, dass die beiden Menschen ihr nichts entgegenzusetzen hatten. Waren sie erst einmal aus dem Weg, würde Inu Yasha früher oder später in grenzenlose Trauer und Verzweiflung stürzen. Sie müssten ihn lediglich eine Zeit lang überwachen um den Augenblick abzupassen, an dem er besonders verletzlich war. So lautete Tesakis teuflischer Plan.

Und hier stutze Kaguras Gedankengang. Sie wollte nicht, dass Inu Yashas Ermordung gelang. Nach Beseitigung seiner Truppe würde sich Tesaki sicher Kouga widmen, um das Juwel der vier Seelen zu vervollständigen. Mit dieser Macht und einem guten Plan, könnten sich die beiden Halbdämonen vielleicht sogar Sesshoumarus entledigen. Narakus endgültiger Sieg über alle seine Feinde bedeutete für Kagura jedoch extrem schlechte Karten. Nicht nur das nemand mehr da wäre um den Hanyou zu töten, sodass sie ihr her und damit ihre Freiheit und Unabhängigkeit zurückerlangte. Nein, wenn der Schwarzhaarige keine Feinde mehr hatte, würde er sich doch als erstes seiner aufmüpfigsten Untertanin widmen.

Dennoch, würde sie Tesakis und damit Narakus eindeutigen Befehl missachten, wäre ihre ohnehin schon kurze Lebensspanne fast augenblicklich zu Ende. Die Saimyosho, die den dämonischen Zug begleiteten, hatten sicher nicht nur die Aufgabe den Mönch zu vergiften, sondern auch sie zu überwachen. Sie hatte keine Wahl... Hoffentlich würde der Tod seiner Freunde Inu Yasha in seinem Bestreben Naraku zu töten weiter anspornen, anstatt ihn zu schwächen.

Die Dämonen hinter ihr wurden unruhig, wahrscheinlich witterten sie ihre Beute. Kagura sah nach unten. Ein kleines Menschendorf schmiegte sich dort an die Flanke eines kleinen Wäldchens, auf dessen anderer Seite sich ein Fluss entlang schlängelte. Genau zu diesem Fluss strebten de Dämonen hin. Kagura ließ ihren Fächer aufklappen. Das Spiel konnte beginnen.
 

~Sango&Miroku~
 

„Was meint ihr, Miroku-sama, wird Inu Yasha es schaffen, an Tensaiga zu kommen?“ fragte Sango besorgt, während sie sich hinunter zum Wasser kniete.

„Ich weiß es nicht...“ gestand der Mönch und reichte ihr einen Tonkrug, den sie im Fluss auffüllte. „Seine Chancen stehen nicht gut, das wissen wir alle. Er hat höchstens noch zwei Tage Zeit, was schon allein kaum ausreicht um Sesshoumaru zu finden. Andererseits handelt es sich um Kagome... Und du weißt, wie viel sie ihm bedeutet.“

„Er schafft es bestimmt nicht!“ schluchzte Shippou laut, er ich neben der Dämonenjägerin fallen gelassen hatte. Kirara mautze traurig.

Sango seufzte tief. „Kaede will ihren Körper in einem speziellen Kräuterbad behandeln.“ Deswegen holten sie Wasser. Auch wenn sie froh waren, dem Dorf kurz entkommen zu sein, um etwas Zeit für sich zu haben.

„Das mag ihm noch einen, vielleicht zwei Tage verschaffen, aber das eigentliche Problem-“ Der Mönch stockte.

„Was ist los?“ Der Fuchdämon wischte sich einige Tränen aus den Augen.

„Was habt ihr, Miroku-sama?“ fragte nun auch die junge Frau und hob alarmiert den Kopf. Kirara fauchte und trat einige Schritte zurück, nur um sih einen Moment später zu verwandeln. Der Angesprochene stieß einen überraschten laut aus und ging in Kampstellung.

„Da sind Dämonen!“, keuchte er erschrocken, „Und zwar eine ganze Menge!“

„Was!?“ Sango stand sofort auf und verschüttete in ihrer Eile das Wasser. Der Krug zersprang und die Flüssigkeit sickerte in die feuchte Ufererde ein. Shippou quitschte laut auf.

„Bleib dicht bei mir, Shippou-chan!“ wie ihn Sango an und der Youkai kletterte an ihrem Kimono empor.

Hastig schnallte sie ihren Bumerang vom Rücken und verfluchte den Umstand, ihren Kampfdress nicht an zu haben. Dann waren sie auch schon über ihnen, der Schatten der Meute verdunkelte ihre Sicht. Es blieb nicht mehr genug Zeit, auf Kiraras Rücken zu springen.

„Kagura!“ riefen die beiden Menschen überrumpelt, als sie die Person auf der Feder erkannten. „Was hat das zu bedeuten!?“

Doch die Windherrscherin antwortete nicht, sondern schwang stattdessen ihren Fächer. Sofort kam Leben in die niederen Youkai hinter ihr. Wie ein einziges, riesiges Lebewesen stürzten sie auf den stummen Befehl hin auf die Erde und die beiden dort befindlichen Menschen zu.

Plötzlich waren sie umringt von Leibern, unzählige Mäuler mit spitzen Zähnen schnappten nach ihnen, übergroße Augen glotzten herab, schuppenbesetzte Schlangenleiber mit Stacheln am Ende ihrer Schwänze schlugen nach ihnen und giftige Krallen schnellten auf sie zu. Beide Menschen konnten sich mehr schlecht als recht verteidigen und Shippou stand eher im Weg, als das er half. Kiraras Fänge gruben sich in das Fleisch der Dämonen. Sangos Bumerang zischte durch die Luft und köpfte gut ein Dutzend der Ungetüme. Mit dem Schwert hielt sich die Jägerin die Dämonen vom Leib, die die kurze Zeit, in der sie den großen Knochen, den sie sowohl für Angriff als auch für Verteidigung nutzte, nicht zur Hand hatte ausnutzten um sie weiter zu attacktieren. Miroku währenddessen warf mit Bannzetteln nur so um sich. Sein Stab ließ seine exorzistischen Kräfte auf die vom Bösen verpesteten Körper der Monster wirken.

Kurz hielten die beiden inne, den ersten Ansturm hatten sie überstanden.

„Kagura!“ rief Miroku nach oben, „Du verschwendest deine Zeit, Inu Yasha ist nicht hier!“ Doch auch darauf regierte die Youkai nicht. Geschickt bewegte sie ihren Fächer zwischen den Fingern, ihre Augen blickten emotionslos auf sie herab. Kein Kampfschrei, keine höhnischen Bemerkungen. Nur eine traurige Entschlossenheit.

„Miroku-sama! Die Dämonen!“ rief Sango neben ihm und der Mönch fuhr herum. Die Köpfe, die der Bumerang der Jägerin von ihren Körpern abgetrennt hatte, griffen nun gemeinsam mit ihren Gegenstücken erneut an! Das Fauchen der Youkai machte deutlich, dass diese Kreaturen sehr wohl noch kampfbereit waren.

„Kaguras Totentanz...!“ keuchte Miroku erstickt und das Entsetzen schlich sich in seine Augen. Ihre Lage war alles andere als gut. und wenn man Inu Yasha mal brauchte, war er nicht da.
 

~Tesaki~
 

„Ihr müsst das Katana höher halten, Tesaki-san!“ sagte Kohaku und zeigte ihm wie.

„Ach... Ich bleibe doch lieber bei meiner eigenen Waffe.“ erwiderte Tesaki. Der Menschenjunge, welcher ein Waffenlager geplündert hatte um dem kleinen Hanyou eine Ausrüstung zu beschaffen, hatte sich einen Blitz-Speer als Waffe ausgesucht, eine lange Klinge die wie ein Blitz geformt war und einen eisernen Griff besaß. Damit ließ sich nicht wirklich fechten, aber man konnte fast jede Art von physischem Angriff damit abblocken und selbst verheerende Wunden erzeugen. Zudem kämpfte Tesaki hauptsächlich mit Zaubersprüchen und Beschwörungen aus den Büchern und über den Speer konnte er sein Youki am besten leiten.

„Außerdem hab ich ohnehin keine Lust mehr auf diese Übungskämpfe. Wär ich doch nur mit Kagura-san mitgegangen...“ murrte der Kleine.

„Aber wollt ihr denn nicht stärker werden? Wenn ihr nicht trainiert, wird das nichts.“ erwiderte Kohaku, ohne das man an seiner Stimme hätte ablesen können, ob ihn das störte oder nicht.

„Aber ich bin doch schon fast so weit! Vielleicht könnte ich den Kampf noch nicht selbst bestreiten, aber ich würde Kagura-san so gerne helfen...“ protestierte der Junge wehleidig.

„Ihr seid der Stratege dieser Mission. Der Fädenzieher bleibt im Hintergrund um im Falle des Fehlschlagens einen neuen Plan zu entwickeln.“ erklärte der ehemalige Dämonenjäger ruhig.

„Aber das kann ich doch trotzdem! Ich werde nichts machen, nur beobachten. Dann kann ich mir viel besser ein Bild von der Lage mache!“meinte Tesaki euphorisch.

„Das kann ich nicht entscheiden.“ erwiderte Kohaku geschlagen, „Da musst du schon zu Naraku-sama gehen.“

„Ach, Naraku-sama wird sich bestimmt freuen, wenn ich ein wenig Eigeninitiative zeige. Ich habe doch die Befehlsgewalt über die Mission, richtig? Komm Kohaku-kun, lass uns hingehen, bitte!“

Kohaku überlegte, doch da er von seinem Meister nicht den ausdrücklichen Befehl erhalten hatte an Ort und Stelle zu bleiben, sprach an sich nichts gegen Tesakis Wunsch. Zudem hatte der Kleiner erst gestern eine seiner neuen Attacken perfektioniert, würde sich zu wehren wissen...

„Also schön. Naraku-sama ist im Moment nicht hier, wir können ihm mit den Saimyosho eine Nachricht schicken. Lass uns gehen.“ willigte er schließlich ein. Tesaki strahlte über sein ganzes, junges Gesicht. Er würde niemandem zur Last fallen! Er würde helfen!
 

~Miroku~
 

„Tanz des Windes!“ schallte Kaguras Ruf über die Lichtung und riesige Sicheln aus heißer Luft flogen auf die Menschen am Boden zu.

„Ah!“ schrie Sango, als sie, im letzten Moment ausweichend, von der Attacke an der Schulter getroffen wurde.

„Sango, du blutest!“ rief der kleine Fuchsdämon aufgeregt und starrte auf die rote Flüssigkeit, die ihren Arm hinunter lief.

„Es... geht schon...“ brachte die Verletzte mühsam hervor und wehrte schon den nächsten Angriff ab, indem sie ihre Waffe warf. Mühsam schwang sie sich auf den Rücken der Dämonenkatze, die ihr hilfsbereit zur Seite stand.

Miroku wollte zu ihr eilen, doch sofort stürzten sich die Youkai auf ihn, um die beiden so zu trennen.

„Tanz des Drachen!“ rief die Windherrscherin dieses Mal und und von ihrem Fächer lösten sich mehrere, meterhohe Wirbelstürme. Sangos Bumerang, welchen sie kurz zuvor ausgeworfen hatte, verfing sich darin und wurde durch die Gegend geschleudert. Die Leichen der Youkai wurden weiter zerfetzt, doch ihre toten Überreste ballten sich zusammen und stürzten weiter auf sie zu. Das machte es noch schwerer ihnen auszuweichen, denn jedes einzelne, abgetrennte Körperteil funktionierte, von Kaguras Totentanz kontrolliert, wie eine eigenständige Waffe, deren Zahl so immer weiter wuchs. Der Mönch konnte allein mit seinen Bannzetteln und dem Stab die Bestien nicht mehr aufhalten und so fasste er schließlich einen Entschluss.

„Sango! Halt dich irgendwo fest!“ Er wusste nicht, ob sein Ruf gehört worden war, dennoch griff er den Rosenkranz an seiner rechten Hand. Mit einem Ruck riss er die Kette ab und betete inständig zu Buddha, dass Sango jetzt nicht in der Nähe war.

„KAZAANA!“
 

~Inu Yasha~
 

Als Inu Yasha das erste Mal ein hauch von Sesshoumarus Geruch ereilte, wollte er seiner Nase zunächst nicht glauben. Er schämte sich sagen zu müssen, dass er den ersten Tag fast vollständig damit zugebracht hatte um Kagome zu trauern und sich selbst zu verfluchen. So war er überrascht, das das Schicksal ihm scheinbar doch eine Chance geben wollte. Sesshoumaru war in der Nähe und, bei Gott, er würde alles tun um an Tensaiga zu kommen! Natürlich war es unwahrscheinlich, dass sein Halbbruder ihn mit dem Erbstück seines Vaters gehen ließe. Vielleicht würde er ihn nun töten, damit täte er dem Hanyou vermutlich noch einen Gefallen. Wenn er Kagome nicht wiederbeleben konnte... dann wollte er selbst auch nicht m Leben bleiben. Schon Kikyou hatte er nicht beschützen können. Auch für sie hätte er diesen waghalsigen Versuch gewagt. Er wollte wiedergutmachen, was er verbrochen hatte. Er wollte eine Chance, Kagome um Verzeihung zu bitten.

Ihr Verlust war fast genauso schlimm für ihn wie die Gewissheit, das es allein seine Schuld gewesen war. Er hatte sie immer beschützt, vor allen möglichen Gefahren. Nie aber hatte er gesehen, dass er selbst die größte Gefahr darstellte.
 

„Was willst du, Inu Yasha?“ ertönte plötzlich eine Stimme und der Halbdämon fuhr herum.

Dort, hinter ihm, lässig an einen Baum gelehnt, stand sein Halbbruder Sesshoumaru. Nie war er so fröhlich gewesen, ihn zu sehen. Doch warum...?

„Du musst meine Anwesenheit gespürt haben, selbst deine mickrige Nase musste meine Position ausmachen können. Dennoch bist du in mein Revier eingedrungen, anstatt ein wenig Respekt vor deinem älteren Halbbruder zu haben und einen Umweg zu nehmen... Also, was willst du? Was ist so wichtig, dass meine Zeit es in deinen Augen wert ist, das ich sie opfere um es dir abzuschlagen?“ fragte er kühl.

Inu Yashas Miene verdüsterte sich.

„Ich will...“ Er stockte. Wenn er sagte, dass er es auf Tensaiga abgesehen hatte, würde Sesshoumaru sofort wissen was passiert war. Seinen Spott könnte er vermutlich nicht auch noch ertragen... Dennoch, was blieb ihm anderes übrg?

„Ich möchte, dass du Kagome wiederbelebst!“ Selbst überrascht von seiner Kühnheit, schloss er rasch wieder den Mund.

Sesshoumaru zeigte auf den ersten Blick überhaupt keine Reaktion, doch wenn man genau hinsah, bemerkte man wie seine rechte Augenbraue ungläubig zuckte.

„So eine bodenlose Frechheit hätte ich nicht einmal dir zugetraut! Anscheinend war ich bisher viel zu lasch mit dir. Doch das lässt sich ändern.“ Noch immer lässig stieß sich der Youkai von dem Baumstammm ab.

Inu Yasha zwinkerte. Nicht einmal eine Sekunde.

„Uuah!“ Er stolperte zurück, wie war Sesshoumaru so schnell heran gekommen!? Für eine Moment schien sein glattes Gesicht, auf dem keine einzige Regung zu sehen war, vor ihm zu schweben. Inu Yasha verlor das Gleichgewicht, doch der daraus resultierende Sturz rettete ihn vor dem sicheren Tod.

Ein Zischen ertönte, die Giftklaue des Dämons schmolz einen Teil des Erdbodens weg und der Hanyou rappelte sich entsetzt auf. Sesshoumaru war gelandet, stand unbewegt dort als wäre nichts Außergewöhnliches passiert. Grüner Dampf stieg von seinen Krallen auf.

„Wie kommt es, das du dein ach so heiß geliebtes Menschenweib verloren hast? Hat sie dich etwa verlassen und ist einem niederen Youkai zum Opfer gefallen? Oder war es wieder einer von Narakus Abkömmlingen? Weißt du, wo dieser Bastard steckt?“

Inu Yasha spürte einen schmerzhaften Stich bei diesen Worten, erinnerten sie ihn doch daran, dass keine dieser Möglichkeiten zutraf. Er war es gewesen...

Knurrend griff er nach Tessaiga.

„Wenn du Tensaiga nicht für mich einsetzen willst, werde ich es mir mit Gewalt holen!“ drohte er, doch selbst für ihn klang das nach leeren Worten.

„Als wenn so ein lächerliches Halbblut wie du dazu in der Lage wäre...“ meinte Seshoumaru abwertend. Erneut begann seine Hand zu glühen, doch diesmal waren es nur zwei seiner Finger.

„Whoa!“ rief der Halbdämon, als die Peitsche auf ihn zuschnellte. Er hatte gerade noch rechtzeitig Tessaiga ziehen können, welches er wie einen Schild vor sich hielt, doch die Wucht des Angriffs drückte ihn zurück.

„Ich habe es nie geschätzt, dass du diesen Menschenanhang mit dir herum geschleppt hast, ihn immer beschützen wolltest. Es muss doch auch dir klar sein, das du stärker als sie alle zusammen bist. Sie waren im Kampf immer deine Schwäche, denn deine Zuneigung zu ihnen macht dich verletzlich.“ sprach der Inuyoukai und erneut schnellte die Peitsche vor.

„Du kommst hier her, bist bereit alles für einen von ihnen zu riskieren, und wozu? In einem Kampf darf man sich keine Gefühle erlauben. Das du bis heute überlebt hast, grenzt an ein Wunder.“

Inu Yasha schlug die Energiepeitsche erneut mit der breiten Klinge zur Seite, nicht genug Zeit und Spielraum habend um selbst anzugreifen. Die Worte seines Halbbruders verletzen ihn. Er erinnerte sich an das Blut an seinen Klauen, Kagome, die mitten auf dem Schlachtfeld stand. Warum hatte sie sich nicht zurückgehalten? War sie etwa deswegen nicht weggelaufen, weil sie zu geschockt von seinem Angriff war? Überzeugt davon, er würde ihr nichts tun? Hatte sie sich von ihren Gefühlen verleiten lassen dazubleiben, war sie deswegen gestorben? Der Gedanke, der Dämon vor ihm könnte Recht haben, war grauenvoll.

An Sesshoumarus Hüfte hing Tensaiga.

Doch dann durchzuckte ihn ein grässlicher Schmerz. Überrascht weiteten sich seine Augen, er hatte die Attacke doch abgewehrt!

„Du bist zu abgelenkt, Inu Yasha... Ist dir deine Kagome so wenig wert?“ Die Worte waren nur geflüstert, doch er konnte sie laut und deutlich hören. Als der Weißhaarige den Kopf wand, wusste er auch wieso: Sesshoumaru war direkt neben ihm!

Glühende Striemen versengten sein Fleisch, die Peitsche hatte ihn gar nicht von vorn treffen sollen. Sie hatte sich um seinen Körper geschlungen, von hinten angegriffen, und umwickelte ihn nun fest. Er schwebte gut einen Meter in der Luft, mühelos von dem Überlegendem dort gehalten. Er biss die Zähne zusammen, nicht schreien, alles, nur nicht schreinen! Und immer mehr wurde sein Fleisch verbrannt.

„Ohne diesen Abschaum wäre es dir besser ergangen... Wann wirst du endlich zur Vernunft kommen? Werd erwachsen!“ fuhr ihn der Youkai an. Doch plötzlich stutzte dieser, er zog die grüne Fessel mit ihm näher an ich und sog die Luft ein.

„Oh, jetzt verstehe ich!“ Ein leichtes Lächeln um spielte seine Lippen und Inu Yasha ahnte Böses. „Du warst es, nicht wahr? Unter deinen Krallen klebt noch der Geruch ihres Blutes... und dein Blut...“

Mit einem mal wurde er fallengelassen, ein Keuchen entrann seiner Kehle.

„Du hast dich verwandelt und sie umgebracht. Deswegen kommst du zu mir, es sind deine Schuldgefühle, nicht wahr? Und wenn du Tensaiga nicht bekommen kannst, lässt du dich von mir töten.“ stellte Sessoumaru fest und ihm wurde übel als er merkte, dass er dazu tatsächlich bereit gewesen wäre.

„Ich werde nicht sterben, denn ich bleibe solange bei dir, bis du bereit bist mir das Schwert zu übergeben!“ sagte er und klang dabei mutiger als er sich fühlte. Doch der Angesprochene hatte sich bereits wieder abgewandt.

„Was willst du schon tun? Mir Tessaiga im Austausch anbieten?“ fragte er sarkastisch und war tatsächlich schon in der Verfassung, einfach wieder zu verschwinden.

Doch seine Worte hatten Inu Yasha stuzig gemacht. Kurz rang er mit sich, entschloss sich aber schließlich. Kagomes Leben war am wichtigsten!

„Ja!“ rief er, „Ja, wenn du mir Tensaiga überlässt, gebe ich mir mein Erbstück unseres Vaters!“

Ganz langsam, bedrohlich, fast wie in Zeitlupe drehte sich der Weißhaarige zu ihm um. Inu Yashas Entschlossenheit schwankte kurz, als er den blanken Hass, pure Mordlust in dessen goldenen Augen sah. Warum?

„Was bildest du jämmerlicher Bastard dir eigentlich ein!?“ Blitzschnell war er bei ihm, seine Klauen schlossen sich um seinen Hals und drückten ihn gegen einen Baum. Die Säure seiner Krallen verätzte seine Haut und wieder keuchte er schmerzerfüllt. Tessaiga fiel zu Boden, als er seine Hände hob um die seines Bruders von seiner Kehle zu lösen- vergebens. Er bekam keine Luft mehr.

„Wenn ich mir Tessaiga hole, so tue ich das im Kampf, sobald ich dich getötet habe! Was soll ich mit einem Schwert, das ich nicht führen kann, wenn du Missgeburt weiterhin auf der Erde wandelst?!“ zischte er gefährlich und Inu Yasha verstand. Seine Suche nach Tessaiga war für ihn ein Spiel, hatte seinen Jagtinstinkt geweckt. Nachdem er erfahren hatte, dass er es nicht anwenden konnte, war es für ihn nichts weiter als eine Trophäe gewesen, die es zu ergattern galt. Etwas, das niemand außer ihm besitzen sollte. Es freiwillig übergeben zu bekommen, es anzunehmen, wäre ein Zeichen von Feigheit gewesen. Mit seinem Angebot hatte er ihn nur noch weiter gereizt, ihn tödlich beleidigt. Nun kam er seinem Tod wohl doch noch schneller nah, als er geglaubt hatte...

Doch wider Erwarten verschwand der Hass in den Augen seines Gegenübers so schnell wie er gekommen war und zum zweiten Mal wurde er einfach fallen gelassen.

„Verschwinde. Ich lasse mich nicht für deine Selbstmordpläne missbrauchen.“ war das Einzige was er sagte.

Inu Yasha rappelte sich auf, griff sich an den schmerzenden Hals und fasste Tessaiga.

„Ich sagte doch, ich bleibe so lange hier, bis-“

Doch er wurde harsch unterbrochen: „Das tust du nicht! Du wirst dorthin zurückkehren von wo du gekommen bist. Wenn du dort ankommst ist es zu spät noch etwas für deine Freundin zu tun, doch den Rest deines Anhanges könntest du vielleicht noch retten.“

„Was... Was meinst du damit?“ fragte Inu Yasha verwirrt.

Arrogant hob der Youkai eine Augenbraue. „Hast du sie nicht bemerkt? Die Auren der Dämonen, an denen Narakus Gestank klebte? Da sie nicht hier sind, werden sie ein anderes Ziel gehabt haben. Warum, glaubst du war ich sonst in der Nähe? Ich bin ihnen gefolgt um einen Hinweis auf Narakus Aufenthaltsort zu bekommen, doch nun wird mir klar, dass dieser schmutzige Hanyou sich wohl zunächst jeden einzelnen deiner Freunde vornehmen wird. Demzufolge wird es dort wahrscheinlich keine Hinweise für mich geben...“

Doch Inu Yasha hörte ihm schon gar nicht mehr zu. Immer wieder hallte der Sinn dieser Neuigkeiten in seinem Kopf wider. Während er gegangen war um einer vagen Chance für Kagomes Leben hinterher zu jagen, die eher seinen eigenen Tod heraufbeschworen hätte, waren Sango und Miroku...

Ihm entgleisten jegliche Gesichtszüge, seine Knie begannen zu zittern. Er hatte sich von seinen Gefühlen leiten lassen... Sich ablenken lassen von seiner Trauer um Kagome... Und nun sollte das den Tod seiner Freunde bedeuten? Nein!

Ohne Sesshoumaru nur eines Blickes zu würdigen, drehte er sich auf dem Absatz um und rannte davon, rannte, so schnell ihn seine Beine trugen. Hoffentlich kam er noch rechtzeitig!
 

Währenddessen blieb der Inuyoukai zurück, ein leises Lächeln im Gesicht und fragte sich, warum er das getan hatte. Warum hatte er diesem Bastard verraten, dass seine Freunde in Gefahr waren? Um ihn zu triezen? Um ihm zu zeigen, dass er nicht in der Lage war sie zu beschützen? Zu schwach? Er hatte ungewöhnlich viel mit seinem Halbbruder geredet, hatte ihn abermals verschont. Doch der Tod wäre vermutlich eine Erlösung gewesen und die konnte er nicht gestatten. Sollte er doch weiterleiden, sollte er doch zusehen, wie auch der Rest seiner Truppe dahinschied. Vielleicht erkannte er dann endlich, dass es falsch war, sich mit Menschen einzulassen. Es hatte ihn nicht zu interessieren.

Sesshoumaru war dem Geruch der Dämonen bis zu seinem Ursprung gefolgt, doch ohne Ergebnis. Es war Kagura gewesen, die sie angeführt hatte, aber von ihr bekam man erfahrungsgemäß keine Informationen, zu sehr fürchtete sie um ihr eigenes Leben. Es brachte ihm nichts, Inu Yasha zu folgen, also tat er es nicht. Stattdessen wandte er sich nur stumm um, zurück zu Rin und Jaken, die er für die Begegnung mit dem Halbblut hinter sich gelassen hatte.

Doch er spürte etwas, es lag etwas in der Luft, ein Geschehen, das sich seiner Kontrolle entzog. Er musste vorsichtig sein, den Rat, den er Inu Yasha gegeben hatte, selbst befolgen. Sich nicht von Gefühlen leiten lassen. Doch dummerweise tat er das, seit Rin ihn begleitete, immer öfter...

Wind

Fünftes Kapitel – Wind
 

Ein schwarzes Loch in meiner Seele

Weil alles dort verloren geht

Und nur die Stille, sie wird bleiben

Und alles überleben

Bis es verloren geht
 

Aus: "Schwarz Loch" von Black Heaven
 

„Das muss das Dorf sein, von dem ich gehört habe...“ murmelte Tesaki. Zusammen mit Kohaku versteckte er sich am Waldrand und beobachtete gerade das Markttreiben der Siedlung.

„Warte, das werde ich nachprüfen.“ Der Hanyou wollte loslaufen, doch Kohaku hielt ihn am Handgelenk zurück.

„Ich glaube es ist keine gute Idee, wenn du alleine gehst.“ beschwor er ihn.

„Ach was!“, erwiderte Tesaki nur, während er sich losriss. „Du bist hier bestimmt sehr bekannt, aber ich sehe nicht besonders gefährlich aus. Außerdem hab ich ja meinen Speer dabei.“ Bei diesen Worten tippte er gegen den länglichen Griff, der hinter seinem Rücken gerade noch so zu erkennen war.

Der Halbdämon winkte noch zum Abschied, dann trat er aus dem Schatten der Bäume heraus. Er marschierte geradewegs ins Dorf hinein und missachte gekonnt die vielen Blicke, die er aufgrund seiner kurzen, weißen Haare auf sich zog. Doch er spürte das Missfallen und so setzte er ein Lächeln auf und sprach einen der Dorfbewohner an:

„Entschuldigen sie bitte, können sie mir sagen wo ich die Miko dieses Dorfes finden kann? Ich würde gern um eine Segen für eine gefahrlose Weiterreise bitten.“ Zum Glück sah er alt genug aus, um als allein reisender Mensch durchzugehen. Indem er nach einer Miko fragte, hoffte er den Verdacht auf eine dämonische Herkunft seinerseits auszumerzen und gleichzeitig beruhigte es den Anderen sicher, dass er nicht vor hatte zu bleiben. Außerdem wusste eine Dorfpriesterin oft am meisten über ungewöhnliche Vorfälle in der Nähe.

„Ihr wollt zu Kaede-sama?“, fragte der Bauer und sah tatsächlich erleichtert aus. „Ihre Hütte steht am anderen Ende des Dorfes, dort entlang!“ Er wies ihm die Richtung und Tesaki bedankte sich mit einer Verbeugung.
 

„He, Junge! Was tust du da?“ ertönte eine Stimme und Tesaki, der tat als hätte er die Alte eben erst bemerkt, sprang gespielt überrascht auf. Er hatte sich über den reglosen Körper des schwarzhaarigen Mädchens gebeugt, die in der bescheidenen Behausung auf Stroh gebettet lag.

„Oh, entschuldigen sie bitte vielmals. Ich bin auf der Durchreise und wollte fragen, ob der Weg nach Norden denn sicher sei, oder ich lieber den Wald umgehen sollte...“, erfand er rasch und ohne rot zu werden.

„Oh... Zur Zeit gibt es schon hin und wieder Dämonen im Wald, wenn sie allein reisen, sollten sie sich am Rand halten.“ erwiderte Kaede und lehnte ihren Bogen, den sie über der Schulter getragen hatte, an die Bretterwand. Auf ihrem Gesicht sah der Hanyou zwar Misstrauen, doch sie ahnte nicht im Ansatz, wem sie gegenüberstand. Das ließ ihn unwirkürlich schmunzeln.

„Vielen Dank für ihren Rat.“, sagte Tesaki und verbeugte sich erneut.

„Wurde auch dieses Mädchen“, dabei deutete er auf die tote Kagome, deren glasige Augen leblos zur Decke starrten, „von diesen Dämonen angefallen? Bitte verstehen sie mich nicht falsch, ich fragte aus reiner Neugierde.“ Obwohl er die Antwort natürlich selbst wusste.

„Hm... Nein, das war eher ein Unfall. Doch ihre Freunde sind unterwegs etwas zu besorgen, das ihr vielleicht noch helfen kann.“, meinte die Miko und ein trauriger Schleier legte sich über ihr Gesicht.

„Oh... Nun, ich möchte ihre Ruhe nicht weiter stören. Auf Wiedersehen!“, sagte Tesaki.

„Gute Reise!“, wünschte ihm Kaede noch, dann verschwand er aus der Hütte
 

Rasch zog sich der Halbdämon zum Waldrand zurück und hielt sich dort verborgen. Etwas holen, was ihr vielleicht noch helfen konnte? Was sollte das heißen? Konnte man die junge Priesterin etwa noch wiederbeleben!? Das wäre überhaupt nicht gut für ihn. Naraku-sama war doch so stolz auf ihn gewesen, als er vom Tod der Miko berichtete. Diesen Ruhm würde er sich jetzt nicht mehr nehmen lassen!

Tesaki hatte furchtbare Angst, sein Meister könnte ihn für nutzlos erklären. Er war das erste Lebewesen überhaupt gewesen, das auf Anhieb freundlich zu ihm war. Er wollte diese, ihm wichtige, Person um keinen Preis verlieren! Nie hatte er eine engere Verbundenheit zu jemanden verspürt als zu Naraku-sama, der ein Halbdämon war, genau wie er. Tesaki bewunderte ihn für seine Ziele, dafür das er sich so große Dinge traute. An seiner Seite rückten Dinge in greifbare Nähe, an die er nicht einmal in seinen kühnsten Träumen zu denken gewagt hatte. Alles schien ihm möglich. Nie war er glücklicher gewesen als bei seinem Retter, der ihm vom Joch der Hikari no Youkai befreit hatte. Diese Tat sollte nicht umsonst gewesen sein! Tesaki wollte dem Schwarzhaarigen mit all seinen Fähigkeiten zur Seite stehen, ihm beweisen, dass er sich auf ihn verlassen konnte. Wenn es jemand schaffte diese Miko ins Leben zurück zu rufen, sie, sein erstes Opfer, würde er vielleicht Naraku-samas Vertrauen verlieren und von ihm verstoßen werden. Er musste dafür sorgen, dass dieses Mädchen tot blieb!
 

~Miroku~
 

Hunderte von Dämonen stürmten auf Miroku zu, doch nicht weil sie angriffen, sondern weil sie von dem unheimlich starken Sog des Kazaanas erfasst worden waren. Ihre Leiber schienen für Bruchteile von Sekunden zusammen zu schrumpfen, bis sie vollständig in seiner Hand verschwanden. Hoch über seinem Kopf stieß Kagura einen entsetzen Schrei aus, als auch sie vom Wind erfasst wurde. Irgendwo hinter sich hörte er Sango seinen Namen rufen, doch er schloss das Loch nicht. Bis-

Ein Summen ertönte, aus dem Wald, dessen Bäume schon bedenklich schwankten, stieg ein Schwarm kleiner Gestalten auf. Mirokus Augen weiteten sich, er wollte den Arm senken, doch der Druck mit dem das Kazaana ihn selbst fast nach hinten schob, war zu stark. Die Saimyosho, Insekten der Hölle, waren pfeilschnell heran und schon verschwanden die ersten in dem schwarzen Loch.

Fast augenblicklich durchzuckte ihn ein furchtbarer Schmerz, dicht gefolgt von einer lähmenden Wirkung, die seinen Körper ergriff. Dennoch schaffte er es unter Aufbringung seiner letzten Kraft, seine zerstörerische Handfläche gen Boden zu richten und den Rosenkranz herum zu schlingen.

Sofort war der Sog verschwunden, aber die Dämonen – tot wie sie waren konnten sie keine Angst verspüren - stürzten sich, diese Schwäche ausnutzend, sofort erneut auf ihn.

Der Mönch sah sein Ende schon kommen, doch da ertönte ein lautes Zischen und die Youkai fielen in dutzende ihrer Einzelteile zerfetzt vor seine Füße. Müde hob er den Kopf und sah gerade noch Sangos Hiraikotsu, der gerade mitten in der Luft kehrt machte um zu seiner Besitzerin zurückzukehren. Mühsam richtete er sich auf, Sango und Shippou brauchten ihn! Er musste sie beschützen... Selbst wenn er das Kazaana noch einmal einsetzen musste! Er musste nur irgendwie aus dieser Meute raus, um alle mit einmal einsaugen zu können.

„Hrng!“ stieß er hervor und kam, sich auf seinen Stab stützend, keuchend wieder auf die Beine. Er durfte sich nicht ausruhen!
 

Kagura beobachtete die, ihrer Meinung nach vergeblichen Mühen des Mönches und wurde plötzlich ein wenig traurig. Doch der Tod dieser Personen war ihr Auftrag und sie würde ihn ausführen.

„Tanz des Drachens!“, rief sie laut und ließ ihre Fächer niedersausen. Ihre Attacke schuf eine Furche in die Menge der toten Youkai, irgendwo am anderen Ende der Wolke aus böser Energie kämpfte die Dämonenjägerin auf Kirara um ihr Leben. Gerade riss einer der Youkai der Dämonenkatze eine schwere Wunde. Die Katze fauchte, ihre Beine zitterten und sie verwandelte sich zurück.

Doch plötzlich stürmte Miroku vor, es war deutlich zu sehen wie sehr ihm das Gift zu schaffen machte. Aber er schaffte es, rannte den Pfad entlang den Kagura eigens mit ihrem Angriff geschaffen hatte, und kam so aus der Menge heraus.

Am Rand der Gefahr angekommen verließ ihn jedoch jede Energie und er brach auf die Knie. Die Windherrscherin verspürte fast so etwas wie Mitleid, als sie sich mit ihrer Feder sinken ließ.

Doch der Mensch hob den Kopf, seine Augen starrten ihr entschlossen und erbittert entgegen. Und obwohl die vielen Dämonen und auch Kagura selbst von einem Schwarm Saimyosho umgeben waren, hob er erneut die Hand, entfernte den Rosenkranz.

„KAZAANA!“

Kagura machte auf der Stelle kehrt, verzweifelt versuchte sie dem plötzlich aufkommenden Sog zu entkommen.

Was sollte das!? Da waren so viele Insekten, warum öffnete er dennoch das Windloch?! Das war doch Selbstmord! Aber eigentlich konnte sie sich die Frage selbst beantworten. Sie hätte ihn getötet, ganz sicher, warum sollte er nicht noch seine letzten Kräfte aufbringen?

„Tanz des Windes!“ schrie sie, schleuderte dem Mönch ihre Attacke entgegen, in der Hoffnung er würde noch einen Rückzieher machen. Aber das tat er nicht, er blieb standhaft, all die toten Dämonen die von ihrem Totentanz kontrolliert worden waren, fanden das Ende ihrer Existenz in dem schwarzen Loch des Buddhisten.

Kaguras Feder wurde wie von unsichtbaren Armen immer weiter zurückgezogen, Bäume entwurzelten, Teile des Erdreichs brachen weg... Etliche Insekten verbreiteten ihr Gift im Körper des Mannes, doch dieser blieb standhaft. Nie hatte die Youkai eine derartige Éntschlossenheit im Blick eines Menschen gesehen.

Doch nicht umsonst nannte man sie die Windherrscherin, nicht umsonst hatte Tesaki gerade sie für diesen Auftrag abgestellt. Der Mönch konnte das Kazaana nicht ewig offen lassen, schon jetzt troff Blut aus seinen Augenwinkeln. Die Geschwindigkeit mit der die Feder zum schwarzen Loch gezogen wurde, verringerte sich wieder. Kagura schwang ihren Fächer:

„Tanz des Drachens!“ Die Wirbelstürme waren kleiner als sonst, doch sie schnitten breite Pfade in das Meer der Dämonen, die sich verzweifelt dem Sog entgegen stemmten und verschafften ihr so ein größeres Sichtfeld.

Plötzlich ertönten zwei helle Schreie. Kagura sah sich um und erkannte die Dämonenjägerin mit dem Kitsune und der Youkaikatze auf der Schulter, die durch die Luft gewirbelt wurden. Mit ihrer Attacke musste sie ihnen den Halt geraubt haben – Mirokus Windloch hatten auch sie nichts entgegen zu setzten.
 

Miroku hatte die Augen zusammengekniffen, aus seinen Ohren, den Nasenlöchern und den Augen floss sein Blut, der Druck presste es aus seinem Körper hinaus, er war kurz davor zu platzen. Aber noch immer waren nicht alle Dämonen verschwunden, er musste durchhalten...

Doch da hörte er die Schreie, das war Sango!

Er zwang seine Augenlider sich zu öffnen, der Strom aus Farben und Leibern, die in dem Loch seiner Hand verschwanden, verwirrte seinen Geist. Doch dann, ganz deutlich, erkannte er in diesem Strom die Dämonenjägerin mit die beiden kleinen Youkai auf ihrer Schulter. Vor Angst weit aufgerissene Augen blickten ihm für den Bruchteil einer Sekunde entgegen. So ein kurzer Augenblick, und er fühlte nichts. Sah wie in Trance, wie die drei in seiner Hand verschwanden.

Er konnte das Loch nicht schließen. Er konnte nicht einmal seinen Arm bewegen. Er hatte das Loch zu lange geöffnet, hatte es nicht mehr unter Kontrolle. Und hatte nun eine geliebte Person getötet...

Der Schmerz des Giftes der Hölleninsekten, die Anstrengung des Kampfes, die Entschlossenheit unbedingt gewinnen zu müssen, all das war auf einmal weg. Sein Kopf fühlte sich leer an und ihm war auf einmal nach lachen zumute.

Und dann spürte er es. Ein Ziehen, ganz leicht nur. Wind.

Er kam aus dem Kazaana und Miroku wusste, was das bedeutete. Der Sog des Windloches begann sich nun auch in die entgegengesetzte Richtung auszubreiten. Es würde ihn verschlingen, ihn töten, wie es auch seinen Vater und seinen Großvater getötet hatte. Das Loch wurde immer größer, der Sog stärker.

Er würde sterben.

Und es war ihm scheißegal.
 

~Kohaku~
 

„Weg hier!“

Kohaku wurde herumgerissen und stolperte zurück.

„Tesaki-san, was soll das?“, fragte er verwirrt, und befreite sich aus seinem Griff.

„Wir müssen verschwinden, komm schon!“, rief der Weißhaarige nur und sprintete auch schon los.

Kohaku sah über die Schulter zurück zum Dorf, folgte dann jedoch dem Halbdämon.

„Was ist los!?“

„Erklär ich dir, wenn wir aus der Gefahrenzone sind!“, war die Antwort.

Also liefen sie, nahmen die Beine in die Hand und flohen. Nicht in die Richtung des Flusses, wo etliche Dämonenauren zu spüren waren und ein unheimliches Licht den Horizont dunkel färbte, sondern tiefer in den Wald hinein.

„Stopp!“, befahl der Junge und Kohaku folgte blind dem Befehl, noch immer verwirrt.

„So. Und jetzt guck mal nach hinten!“, meinte Tesaki fast stolz und sie drehten sich um.

Einen Weile passierte gar nichts, doch gerade als Kohaku fragen wollte was denn los sei, ertönte ein ohrenbetäubener Knall. Eine riesige Wolke aus Feuer und Asche stieg über dem Dorf auf und er glaubte die Hitzewelle bis zu ihnen hin zu spüren. In der pilzförmigen Wolke zuckten vereinzelte Blitze.

Doch als wäre das noch nicht genug, begann auf einmal auch links von ihnen, aus der Richtung wo der Fluss lag, ein unheimliches Glühen auszugehen. Schwarzem Licht gleich breitete es sich aus und mit einem Mal kam ein ungeheurer Wind auf. Er zerrte an Kohakus Kleidern und nur mit Mühe konnte er sein Gleichgewicht halten, indem er sich in den Windschatten eines großen Baumes rettete. Doch so schnell wie alles begonnen hatte, war es auch schon wieder vorbei.

Die Wolke löste sich auf, der Wind legte sich und Ruhe kehrte ein. Fast ehrfürchtig ließ Kohaku die Arme sinken, die er schützend vor sein Gesicht gehalten hatte.

Plötzlich war da eine Leere in ihm, als würde etwas Wichtiges fehlen. Er spürte, dass da etwas Schlechtes passiert war. Diese Energien waren zu gewaltig...

„Tesaki-san...“, sagte er leise und sah den Halbdämonen an, „Was war das?“

„Tja...“, machte Tesaki und kratzte sich nachdenklich am Kopf, „Ich hab die Hütte der alten Miko in Brandt gesetzt, da war nämlich die Leiche dieser jungen Priesterin drin. Die Miko erwähnte, man könne sie vielleicht noch wiederbeleben, deswegen habe ich ihren Körper zerstört. Aber was dieser Wind zu bedeuten hat, weiß ich nicht. Möglicherweise war das Kagura... Lass uns nachsehen!“

„Ja...“, meinte Kohaku leise. Er wusste nicht warum, doch auf einmal verspürte er Abneigung gegenüber Tesaki. „Lass uns nachsehen...“
 

Als sie den Fluss erreichten, blickten sie auf ein Schlachtfeld. Das Flussbett war zertrümmert, das Wasser breitete sich ungehindert über die Wiesen aus. Eine Lichtung gab es nicht mehr, die Erde war umgepflügt, als wären unzählige Bäume aus ihr gerissen worden. Doch das Beeindruckenste von allem war ein riesiger Krater, gut einhundert Meter im Durchmesser. Er besaß eine dunkle Aura, man konnte noch die Reste dämonischer Energie spüren. Doch nirgendwo war auch nur das kleinste Anzeichen von Leben zu sehen.

„Was... ist hier nur passiert?“, fragte Kohaku und seine Stimme zitterte.

„Nun... Naraku-sama sagte, dieser Mönch, Miroku, hätte ein schwarzes Loch in seiner Hand. Vermutlich hat er hier gegen Kagura-san gekämpft.“, sagte Tesaki.

„Aber... Wo sind sie? Wo sind alle!? Wo ist Sango!“, Sango! Warum fiel ihm gerade dieser Name ein? Der Name der Dämonenjägerin, die den Mönch ständig begleitet hatte. Sie war immer sehr seltsam gewesen, hatte ihn immer so traurig angesehen... Was war mit dieser Frau? Da war etwas, er wusste es! Aber was? Was nur?!

„Sango? Die Youkaijägerin? Sie wird vermutlich tot sein, genau wie der Rest von Inu Yashas Anhang. Der Mönch muss sie, sich selbst und auch Kagura-san eingesaugt haben... Arme Kagura-san.“, Tesaki senkte traurig den Kopf, doch Kohaku verspürte auf einmal den unbändigen Wunsch, ihm eine reinzuhauen. Wen interessierte schon Kagura!? Sango war tot! TOT!

Alle Kraft wich aus seinen Beinen und er stürzte zu Boden. Sie war tot... na und? Warum berührte ihn das so sehr? Was war mit dieser Frau?!

Bilder jagten durch seinen Kopf, schreckliche Bilder. Er selbst, wie er tötete. Männer lagen da, in ihrem eigenen Blut, tiefe Schnittwunden übersähten ihre Körper. Da war er, mit seiner Kettensichel in der Hand... Er hatte sie getötet. Doch wer waren sie? Was kümmerte es ihn? Manchmal sah er diese Bilder, in seinen Träumen. Doch was sollte es, er hatte doch schon oft in Narakus Auftrag getötet. Doch etwas war da anders... Eine Erinnerung? Eine Erinnerung aus vergangenen Tagen?

Wieder das Bild, diesmal erkannte er in dem Meer aus Leichen auch Sango. Seine Waffe steckte in ihrem Rücken, aus anklagenden, ungläubigen Augen sah sie ihn an. Und ihre Kleidung... Wie die seine. All diese Männer, sie waren Dämonenjäger. Er war ein Dämonenjäger! Er gehörte zu ihnen, er-

Schmerz.

Ein kleiner, scheinbar unbedeutender Stich. Winzige, behaarte Füße in seinem Nacken.

„Was tust du!? Lass Kohaku in Ruhe!“ Tesakis Stimme drang wie durch Watte zu ihm durch, aber es war zu spät.

Der Saimyosho hatte ihm den Splitter genommen.

Und Kohaku fiel vornüber.

„Onee-san...“ Große Schwester...
 

~Inu Yasha~
 

Inu Yashas Instinkt warnte ihn, bevor einer seiner anderen Sinne einen Reiz aufnehmen konnte. Während er durch den Wald auf das Dorf zueilte, in dem er seine Freunde zurückgelassen hatte, breitete sich ein unangenehmes Kribbeln in seinem Bauch aus und ein Gefühl der Übelkeit ergriff ihn. Er versuchte die finsteren Gedanken die Besitz von ihm ergreifen wollten, zurückzudrängen, doch so ganz klappte das nicht.

Noch schlimmer wurde es, als der Geruch von kalter Asche und verbranntem Fleisch seine Nase kitzelte. Sofort schlugen Sorgen über dem Halbdämonen zusammen. War etwa das Dorf angegriffen worden? Wenn ja, dann von wem? Feuerdämonen? Narakus Schergen? Oder einfach nur ein paar Banditen? Aber vielleicht, dachte sich Inu Yasha, sind es auch nur einige Dorfbewohner die ein großes Lagerfeuer gemacht haben und deren Essen angebrannt ist? Doch nein, ihm wurde bald klar, dass der Geruch dafür zu stark war. Etwas an der Sache stank wortwörtlich bis zum Himmel.

Soweit das noch möglich war steigerten sich seine Sorgen noch, als er den Rauch über den ersten Hütten sah. Er erhöhte sein Tempo ein letztes Mal, sprang kräftig ab und passierte die Baumgrenze, sodass das Dorf nun voll in seinem Blickfeld lag. Einige Bauern, von denen überall welche herumzulaufen schienen, wichen erschrocken vor ihm zurück. Er achtete nicht auf sie, lief weiter in die Richtung, in der Kaedes Hütte stand, welche seit jeher eine Art Treffpunkt für seine Gruppe geworden war, aufgrund der Nähe zum Knochenfressenden Brunnen. Der Brunnen, der seine Zeit mit der von Kagome verband. Kagome... Wenn es ihm nicht gelang, sie zurückzuholen, müsste er vielleicht ihre Familie sagen, dass... Nein. Nicht daran denken.

„Sango!“, rief er laut, während er von Dach zu Dach sprang, „Miroku!“ Sogar nach Shippou rief er, doch niemand antwortete.

Als er bei Kaedes Heim angekommen war, stockte er mitten im Lauf und blieb wie angewurzelt stehen. Da war keine Hütte mehr.

Unter den uralten Laubbäumen, deren äußerste Blätter noch vor sich hin schwelten, sah man nur noch einen riesigen, vom Ruß schwarz gefärbten, kahlen Brandfleck. Der Finsternis der Hölle gleich, hatte sich die Schwärze strahlenförmig ausgebreitet als wäre sie das Werk eines grausigen Teufels, der Rache an der Welt nehmen wollte und die Zeit wäre für einen Moment stehen geblieben. An den Rändern konnte man noch einige, verkohlte Holzreste erkennen, doch ansonsten deutete nichts mehr darauf hin, dass hier einmal ein Haus gestanden hatte. Die Explosion, die hier stattgefunden haben musste, hatte sogar einige der umliegenden Hütten in Brand gesetzt, welchen die eifrig umherlaufenden Menschen zu löschen versuchten.

Nur mit Mühe wandte sich Inu Yasha von diesem Bild der absoluten Vernichtung ab und packte einen der vorbeirennenden Bauern am Kragen, welcher vor Schreck seinen Wassereimer fallen ließ.

„Wo finde ich Kaede!? Sag schon, oder du wirst deines Lebens nicht mehr glücklich werden!“ Der arme Mann zitterte vor Angst, deutete dann jedoch auf ein nahes Haus, dessen Strohdach lediglich etwas angesengt war.

Inu Yasha ließ sein Opfer los und stürmte darauf zu. Er riss die Tür mit solcher Wucht auf, das sie beinahe aus den Angeln geflogen wäre. Drinnen wurde er von einer Reihe erschrockener Aufschreie begrüßt und eine Gruppe von Männern und Frauen stob auseinander. Zwischen ihnen lag eine provisorische, etwas höher gelegene Trage und darauf die alte Miko, dick in Verbände eingepackt, die doch nicht alle Verbrennungen und Prellungen ihres Körpers verbergen konnten.

„Es ist schon in Ordnung, lasst mich kurz mit ihm allein.“, sagte die Priesterin, als sie ihn erblickte.

„Aber Kaede-sama, ihr-“

„Nein, mir kann ohnehin niemand mehr helfen.“ Inu Yasha stockte bei Kaedes Worten, doch er trat näher heran, als sich die Menschen verzogen hatten.

„Kaede, was zum Teufel ist hier passiert? Wo sind meine Freunde?“, fragte er dann auch sofort.

Die Alte schwieg kurz, atmete einmal rasselnd ein und erwiderte dann traurig: „Es tut mir Leid, Inu Yasha. Ich sehe, du hast Tensaiga nicht bei dir, aber das spielt nun auch keine Rolle mehr.“ Die Augen des Halbdämons zuckten kurz, als er an sein Versagen erinnert wurde, doch sie sprach bereits weiter: „Es ist kein Körper mehr da, den man wiederbeleben könnte. Kagome... Sie war in meiner Hütte aufgebahrt, ich wollte sie mit einem Kräuterbad behandeln Doch als ich ankam...“ Ihre Stimme wurde immer schwächer, doch seinetwegen brauchte sie den Satz nicht zuende führen. Er konnte es sich auch so lebhaft vorstellen, wie die Explosion sie zurückschleuderte, brennenden Holzstücke sie trafen... Und mitten in dem Inferno seine Kagome, schutz- und hilflos, ihr Körper unwiderruflich verloren... Er wusste, sie war schon tot gewesen, dennoch traf ihn die Nachricht. Tensaiga war seine Hoffnung gewesen, wenn auch nur eine vage. Nun vor der kompletten Zerstörung zu stehen war so demotivierend, das die Beine unter dem Hanyou wegbrachen und er sich auf den harten Boden vor der Trage setzen musste.

Vor seinen Augen tropften sanft einige rote Perlen herunter, woraufhin er kurz den Blick hob. Der Verband an Kaedes Seite hatte sich rot gefärbt, eine Wunde – die sie sich vielleicht bei dem Sturz zugezogen hatte – musste aufgebrochen sein. Die Miko gab ein langgezogenes Stöhnen von sich und schlagartig wurde Inu Yasha bewusst, wie alt in Menschenmaßstäben sie eigentlich war. Und jetzt, mit diesen Verletzungen... Vermutlich würde er der Letzte sein, der ihre Stimme hörte.

„Wir wissen nicht, wer der Angreifer war... Eine riesige Horde Dämonen zog auf, einige Mutige wollten sich ihnen schon entgegen stellen, aber sie wollen wohl zum Fluss... Es kam ein gewaltige Wind auf...“ Sie wandte ihr runzeliges Gesicht ihm zu, in dem Auge das nicht von ihrer schwarzen Augenklappe bedeckt war, schimmerte eine Träne. „Ich habe keinen deiner Freunde seit dem gesehen.“

Inu Yashas Kopf ruckte nach oben, entsetzt starrte er sie an.

„Sango... Miroku...!?“, hauchte er, seine Hände zitterten.

Sanft schüttelte die Alte den Kopf. „Ich konnte die Seele meiner Schwester in ihrer Wiedergeburt nicht retten... Und nun habe ich auch für die Anderen nichts tun können. Verzeih mir...“ Dann schloss sich ihr Auge und ein langer, fast zufriedener Seufzer entwich ihr. Die Miko Kaede, Kikyous Schwester, hatte ihren letzten Atemzug getan.
 

Als Inu Yasha zum zweiten mal aus dem Wald stürmte, traf ihn erneut ein Schock. Seine Nase hatte ihn vor einer Unmenge von Dämonen gewarnt, doch sie alle waren bereits tot, überall lagen einzelne Leichteile. Eingenommen wurde das Gebiet jedoch von einem riesigen Krater. Das Flussufer war zerfetzt worden und Wasser begann sich darin zu sammeln. Am Rand des verlassenen Schauplatztes entdeckte Inu Yasha eine leblose Gestalt und stürmte darauf zu. Er ließ sich zu Boden fallen und drehte den Körper herum.

„Oh nein...“

Es war Kohaku, Sangos kleiner Bruder, der so lange unter Narakus Kontrolle gestanden hatte. Er war tot, leer starrten seine Augen ihn an. Langsam dämmerte es dem Hanyou, was hier geschehen sein musste und ihm wurde schlecht. Er erinnerte sich daran, wie sie Miroku einmal zu seinem Meister, Mushin-sama, gefolgt waren. Sie hatten einen Blick auf das Grab seines Vaters werfen können, welches in einem großen Krater lag. Ähnlich sah es auch hier aus. Miroku musste das Kazaana zu lange geöffnet haben. Die vielen Leichen deuteten auf Kagura mit ihrem Totentanz als Gegner hin. Auch Sango musste in den Windsog geraten sein, nur so ließ sich Kohakus Tod erklären: Er wurde nicht mehr als Geisel benötigt. Da Inu Yasha sowohl Shippous als auch Kiraras Witterung nur bis zum Rand des Kraters verfolgen konnte, musste er auch in ihrem Fall wohl vom Schlimmsten ausgehen. Damit lebte keiner seiner Freunde mehr und das offenbar auch Kagura hier den Tod gefunden hatte, tröstete ihn nicht im Mindesten.

In diesem Moment brach für ihn die Welt zusammen. Seine Knie wurden weich, er sackte zusammen, als die Informationen die seine Sinne ihm zutrugen, langsam sein Hirn erreichten und er die Bedeutung erfassen konnte.

Seine Freunde. Fort. Für immer.

Er war wieder allein.

Blut

Sechstes Kapitel – Blut
 

Das Feuer brennt die ganze Nacht,

Doch fragt sich nur für wen?

Blanke Wut und Niedertracht

Werden nie zu Ende gehn.

Früher war'n mal Freunde hier,

Du weißt noch wie es war.

In dieser Nacht wird umgebracht

Wie lange noch, sie sind schon da.
 

Aus: "Blut, Tod & Tränen" von Rasta-Knast
 


 

Die Sonne war untergegangen. Sterne funkelten am Himmel und ein blasser Sichelmond lugte hinter den Wolken hervor. Unter den Tannen eines dunklen Waldes, am Rande eines riesigen Kraters am Flussufer, hockte eine einsame Gestalt vor einem toten Körper. Weiße Haare wehten in dem Wind, der die stumm geweinten Tränen der Person fort trug. Die Hände des Halbdämonen zitterten, ebenso wie seine Beine und der Rest eines Körpers.

Tot. Sie waren alle tot. Durch seine Unfähigkeit sie zu beschützen hatte er sie umgebracht. Er, Inu Yasha, der Halbdämon dem sie so viel bedeuteten, hatte sie im Stich gelassen.

Erinnerungen durchzuckten ihn. Miroku, wie er ihn kennen gelernt hatte, ihr Kleinkrieg auf der Jagt nach den Splittern des heiligen Juwels der vier Seelen, bis er sich ihnen angeschlossen hatte. Und Sango. Durch eine Lüge Narakus war sie ihnen zunächst als Feindin gegenübergetreten, aber schnell hatte sich das Missverständinis geklärt. Sie hatte um ihre Familie, um Kohaku getrauert, den sie tot glaubte. Dann der Schock, als der Junge vor ihr gestanden hatte. Wie sie immer versucht hatten, ihn zu retten... Sango und Miroku waren Inu Yasha echte Freunde geworden, obwohl beide anfangs seine Feinde waren.

Er hatte sie nicht beschützt. Er war der Stärkste der Gruppe und hatte doch auf ganzer Linie versagt. Selbst Shippou, den kleinen Shippou, hatte es erwischt. Auch der Fuchdämon kam damals mit nicht ganz sauberen Absichten zu ihnen. Hatte ihnen die Splitter geklaut, um seinen Vater zu rächen. Das er nun, in so jungen Jahren gestorben war, war nicht gerecht. Es war einfach nicht gerecht.

Inu Yasha wusste, es wäre ihm nie von allein gelungen, so gute Freunde zu finden. Es war Kagome, der alle sofort vertrauten, die alle mochten, der alle helfen wollten. Sie war es immer gewesen, die Streitigkeiten schlichtete und die Gruppe zusammen hielt. Und kaum war sie fort, musste er Trottel sich von den Anderen trennen. Anstatt sie mitzunehmen. Anstatt dort zu bleiben. Anstatt sich vorzubereiten für Narakus nächsten Schlag. Er war so dermaßen dämlich, das er fast selbst darüber lachen musste.

Kagome... Ohne ihren Tod würden Sango, Miroku, Shippou, Kirara, Kohaku und Kaede vielleicht noch leben. Ohne ihn jedoch, würde Kagome noch leben. Man konnte es noch so schön reden, es blieb dabei: Er hatte Kagome getötet. Und damit den Tod seiner Freunde heraufbeschworen. Das Blut seiner besten Freunde klebte an seinen Händen! Er war ein Mörder, ein Verräter, ein Bastard, ein Monster, ein... ein Hanyou. Ihm war es nicht vergönnt, Glück zu erfahren. Wie hatte er nur so naiv sein können!?

Plötzlich sah er alles glasklar, seine Beine hörten auf zu zittern und eine erschreckende Leere ergriff ihn. Wie hatte er glauben können, mit seinen Nächsten zusammen glücklich sein zu können? Ein Halbdämon wie er brachte nur Zerstörung und Verderben! Wie hatte er überhaupt jemandem seine Gesellschaft zumuten können!? Schon damals, als er Kikyou kennengelernt hatte... Ihre Liebe hatte ihnen nur Schlechtes gebracht. Selbst als sie wiedergeboren wurde, wollte es das Schicksal, dass sie ihn befreite, erweckte. Oh grausames Schicksal! Es hatte ihr nichts als den Tod gebracht. All die, die ihm wichtig waren, starben ohne das er etwas dagegen tun konnte und immer war er Schuld daran. So war es immer, das mochte man drehen und wenden wie man wollte. Sein Vater, gestorben um ihn zu beschützen. Seine Mutter, von Banditen getötet aus Abscheu, weil diese einen Halbdämonen ihr Kind nannte. Seine Schuld. Alles seine Schuld.

Und er war wieder allein.
 

Irgendwann, lange nach Mitternacht, entschied sich Inu Yasha, den Schauplatz zu verlassen.

Er hatte die Nacht, soweit er nicht von Schuldgefühlen geplagt bewegungsunfähig gewesen war, damit verbracht, Kohaku zu begraben. Im Dorf seiner Ahnen wäre es vielleicht besser gewesen, doch er hatte das Gefühl, ihm seine letzte Ruhestätte neben seiner Schwester einrichten zu müssen. Und so hatte er in dem Krater vier Grabsteine aufgestellt, einen für Miroku, einen für Sango und Kirara, einen für Shippou und einen für Kohaku.

Als das vollbracht war, wusste er wieder nicht, was er tun sollte. Er befand sich in einem tranceähnlichen Zustand. Was sollte er machen? Bis auf die Splitter von Kouga hatte Naraku jetzt das gesamte Juwel zusammen. Sollte er ihn suchen, ihn töten, wie bisher? Einfach weiter machen, als wäre nichts passiert? Konnte er das überhaupt? Sicher, der Kerl war fällig, aber im Grunde hatte sich Inu Yasha das ganze Übel doch selbst zuzuschreiben. Und was, wenn es ihm gelänge, Rache für seine Freunde zu nehmen? Was sollte er dann tun? Sein Leben hatte doch dann keinen Sinn mehr. Nie wieder würde er so eine einzigartige Person wie Kagome oder Kikyou finden, die die Fähigkeit hatte sich mit so gut wie jedem anzufreunden. Niemals würde er neue Freunde finden... Aber wollte er das überhaupt? Wenn all seine Freund eohnehin zum Sterben verdammt waren? War es da nicht besser, sich aller Freundlichkeit zu entziehen?...konnte er so leben? So leben wie vor seiner Bekanntschaft mit all diesen wunderbaren Personen? Weiterleben in der Dunkelheit, nachdem er einen kurzen Blick in das Licht hatte werfen können? War dazu denn überhaupt irgendjemand in der Lage?

War es ein Verbrechen, sich Glück zu wünschen? Er wollte doch nur seinen Frieden und ein paar Leute, die ihn so akzeptierten wie er war! War das denn zu viel verlangt!? War es denn eine Sünde, zu leben!?

Verzweifelt und traurig sah Inu Yasha auf die vier Gräber herab. Sie waren kahl und schmucklos. Solch wunderbaren Personen nicht würdig, wie er fand. Die Inschrift hatte er mit seinen eigenen Krallen in die Grabsteine geritzt – und sich dabei drei Nägel abgebrochen – was sie äußerst unsauber erscheinen ließ. Schließlich beschloss er, wenigstens einige Blumen aus dem Dorf für sie zu holen und machte sich niedergeschlagen auf den Rückweg.
 

Als er im Morgengrauen dort ankam, waren die Dorfbewohner gerade mit Kaedes Beerdigung beschäftigt. Sie mussten sie über Nacht eingeäschert haben, denn es war ihre Urne, die sie in dem kleinen Loch vor dem Grabstein versenkten.

Als Inu Yasha hinter den Bäumen hervortrat, erstarrten die Leute in ihrer Arbeit. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Feindselige Blicke.

"Seid ihr der Halbdämon Inu Yasha?", fragte ein älterer Herr, der aus der Menge hervortrat.

"Wer will das wissen?", antwortete er mit einer Gegenfrage, misstrauisch geworden.

"Mein Name ist Daisuke und ich bin, nun wo Kaede-sama - möge sie in Frieden ruhen - von uns gegangen ist, hier der Dorfälteste. Bis wir eine andere Miko haben, habe ich hier das Sagen."

Eine neue Miko? Wie redete dieser alte Tattergreis denn von Kaede!?

"Inu Yasha, ich muss dich leider bitten, dieses Dorf zu verlassen.", sagte Daisuke entschlossen.

Der Hanyou runzelte die Stirn und sah auf den Menschen vor sich herab. Hinter den Hütten waren weitere Männer hervor gekommen. Sie alle blieben bei seinem Anblick mit verschränkten Armen stehen. Mütter zogen ihre Kinder hinter die Türen zurück. Rechts war ein großer, stämmiger Bursche damit beschäftigt, eine blitzblanke Heugabel zu polieren. Der Schmied des Dorfes schärfte etwas abseits der Anderen seine Messer, obwohl man mit den Klingen bereits durch Fleisch und Knochen wie durch Butter schneiden konnte und warf ihm dabei hasserfüllte Blicke zu.

"Wir haben darüber abgestimmt.", fuhr der Alte fort, sich unter Inu Yashas musternden Augen doch etwas unwohl fühlend. "Immer wenn ihr in unser Dorf kommt, passiert etwas Grauenvolles und tapfere Männer müssen ihr Leben im Kampf mit bösartigen Dämonen lassen. Wir können das nicht länger dulden. Ihr zieht das Unglück an."

Inu Yasha erstarrte und sein Magen krampfte sich zusammen. Das Unglück anziehen... Er wusste, was Daisuke da sagte war maßlos übertrieben. Wenn Feinde sie bis zu dem Dorf verfolgt hatten, waren sie stets geflohen um sich ihnen anderorts zu stellen und die Dorfbewohner nicht in Gefahr zu bringen. Mehr noch, so manchen Youkai der die Siedlung angegriffen hatte, war durch seine Hand gestorben. Und das war der Dank dafür!?

"Es tut mir Leid, aber-", setzte der Dorfälteste an, doch ein besonders fies aussehender Mann, der das Gespräch mit dem Rücken an eine Wand gelehnt belauscht hatte, unterbrach ihn:

"Verschwinde, du dreckiger Halbdämon! Wir wollen keine Dämonenbrut in unserem Dorf!"

Inu Yashas Augen verengten sich. Seine Hände ballten sich fast automatisch zu Fäusten, sodass seine scharfen Krallen sich in seine Handballen gruben. Wie oft hatte er solche Worte schon gehört? Wie oft war er schon davon gejagt worden? Er hatte aufgehört zu zählen.

Der Weißhaarige konnte die Wut und Angst der Anderen ja nachvollziehen. Dämonen waren ihre schlimmsten Feinde, töteten ihre Frauen und Kinder, Schwester und Brüder. Aber nicht alle Dämonen waren doch gleich! Sein Vater...

Inu Yashas Gedanken brachen ab, als der erste Stein ihn traf.

"Verschwinde, Hanyou!"

Daisuke versuchte die Leute zu beruhigen, sie würden alle sterben, wenn sie den Halbdämonen weiter reizten.

Inu Yahsa musste wieder an Kagome denken. Er war es, der sie getötet hatte. Wie konnte er den Menschen ihre Abneigung verübeln? Er war doch tatsächlich ein Mörder...

"Wir wollen dich hier nicht haben!"

"Scher dich in die Hölle, wo du hingehörst!"

"Verlass unser Dorf und komm nie wieder zurück!"

Daisuke hob die Arme. "Seid still, sonst hetzt er die Youkai auf uns! Wir dürfen ihn nicht verärgern!"

Verärgern? Verärgern!?

Als Daisuke sich wieder umdrehte, war Inu Yasha verschwunden.
 

~Tesaki~
 

Tesaki war verwirrt. Das er es geschafft hatte, Inu Yashas Freunde in den Tod zu treiben, war mit Sicherheit gut. Aber Kaguras Ableben war nicht nur ein überaus schlechtes Zeichen, es machte den kleinen Hanyou auch selbst sehr traurig. Er hatte die Windherrscherin nicht unbedingt gemocht, sie war immer so grimmig und er hatte das Gefühl, sie hatte ihn gegen Naraku-sama aufhetzen wollen. Aber gut, sie war halt eine Youkai und denen durfte man nicht vertrauen. Was dem Halbdämonen eher zu denken gab war die Tatsache, dass bis jetzt jeder seiner Pläne ein Opfer von Naraku-samass Untertanen gefordert hatte. Sein Meister musste ihn dafür doch sicher bestrafen?

Und dann war da noch die Sache mit Kohaku. Mit ihm hatte er sich recht gut verstanden. Er war nicht unbedingt das, was er einen Freund genannt hätte - diese Bezeichnung war ihm ja nun überhaupt nicht geläufig. Kohaku wurde von einer Art Zauber von Naraku-sama am Leben gehalten und kontrolliert, er wäre gar nicht in der Lage gewesen, den Halbdämonen zu verraten. Der Dämonenjäger war immer loyal - genau wie Tesaki. Aus diesem Grund hatte er immer eine gewisse Verbundenheit zu dem Menschen gefühlt.

Doch jetzt war Kohaku tot. Es war nicht einmal seine Schuld, nein. Naraku-sama selbst musste diesem Hölleninsekt befohlen haben, dem Jungen den Splitter zu nehmen. Naraku-sama hatte Kohaku getötet... Er konnte das nachvollziehen. Wirklich! Der Jäger war eben doch nicht ganz freiwillig bei ihnen, außerdem war er ein Mensch und die neigten bekanntlich zu Verrat. Außerdem brauchte sein Meister ja das vollständige Juwel der vier Seelen, Kohakus Tod war also unvermeidbar gewesen. Das hatte er doch auch gewusst. Er trauerte auch nicht unbedingt um seinen ehemaligen Lehrmeister. Doch der GRUND warum Kohaku gerade jetzt und nicht später sterben musste, machte Tesaki zu schaffen: Er war einfach nicht mehr nützlich gewesen. Was unnötig war, wurde aus dem Weg geräumt. Aber was war dann mit ihm selbst? Seine letzten Einsätze hatten fast ebenso viele Leben von seinen Verbündeten wie von seinen Feinden gefordert. Und Inu Yasha selbst war noch immer auf freiem Fuß. War er dann nicht schon nutzlos geworden?

Dennoch hatte Naraku-sama einige niedere Youkai geschickt um ihn abzuholen. Doch was wäre, wenn er seinen Zweck erfüllt hätte? Wenn auch Inu Yasha starb und er keine Aufgabe mehr hatte? Die alte Angst, das sein Leben keinen Sinn hatte, er eine Missgeburt sei, jemand den niemand brauchte, stieg wieder in ihm auf. Wenn sein Meister ihn verstieß, würde seine Seele zerbrechen. Da wäre ihm der Tod hundert mal lieber. Doch scheinbar hatte sein Herr noch Verwendung für ihn, denn der große, schlangenartige Dämon der ihm als Transportmittel diente, brachte ihn direkt in sein Schloss. Mit einer Mischung aus Ehrfurcht, Angst und Vorfreude fieberte er der Begegnung mit Naraku-sama entgegen. Was würde jetzt aus ihm werden?
 

~Kouga~
 

Viele, viele Meilen entfernt, weitab des Menschendorfes und dem versteckten Dorf Narakus, störte ein verzweifeltes Geschrei die Stille des Morgens.

"Kougaaaaaa! Warte doch auf uns!", hallte die kräftige Stimme eines grauhaarigen Wolfsdämons durch den Wald. Durch ebendiesen zog ein kleiner Wirbelsturm, der Blätter, Steine und abgebrochene Zweige gleichermaßen durch die Luft fliegen ließ, eine breite Schneise.

"Wo willst du denn so schnell hin?!", rief ein zweiter Youkai, der ebenfalls weit hinter dem Wirbelsturm zurückblieb.

Kouga, der Wolfsdämon von dem diese unmenschliche Eile ausging, stoppte nicht, drehte sich aber kurz um und antwortete:

"Der Köter ist in der Nähe, ich rieche die Spur von einem von Narakus Abkömmlingen, aber nichts von Kagome! Ich muss wissen, was da los ist!"

Tatsächlich quälte ihn die Sorge, etwas Schreckliches könnte passiert sein. Dieser halbe Hund wuselte doch sonst immer um seine Kagome herum, warum sollte er allein unterwegs sein?

Für den außergewöhnlich schnellen Dämon war die Entfernung zu seinem Ziel keine Hürde und schon knapp zehn Minuten später hatte er es erreicht.
 

Das Bild, das der Halbdämon bot, war geradezu erbärmlich. Wie ein Häufchen Elend saß er irgendwo am Rande des Waldes, die Beine angewinkelt und mit den Armem umklammernd wippte er vor und zurück. Seine Hände umfassten fest eine Kette aus Perlen und Zähnen, die Kouga als die Bannkette erkannte, mit deren Hilfe Kagome den Weißhaarigen zu Boden zwingen konnte.

Kouga hatte eigentlich vorgehabt, Inu Yasha mit einem deftigen Tritt in den Allerwertesten auf seine Anwesenheit aufmerksam zu machen, ließ es dann aber doch. Stattdessen trat er langsam und gut sichtbar aus seiner Deckung hervor.

Der Halbdämon sah auf, senkte den Kopf aber sofort wieder, als er ihn erkannte.

"Hey du dreimal verfluchter Köter, was sitzt du hier am Boden wie das Stück Dreck, das du bist? Und wo hast du meine zukünftige Frau, Kagome gelassen? Du solltest doch auf sie aufpassen!", meinte Kouga großspurig. Er wollte den Hanyou reizen, ihn provozieren. Rechnete ständig damit, dass der Andere aufsprang und ihm an die Gurgel ging. Nichts dergleichen geschah.

"Was ist los, hast du deine Zunge verschluckt?", fragte er eher verdutzt als bösartig.

"Du.... Du wirst Kagome nicht wiedersehen können...", brachte der Angesprochene schließlich mühsam heraus.

Nun hielt es Kouga nicht mehr aus, er sprang vor und packte Inu Yasha am Kragen, hob ihn so auf seine Augenhöhe.

"Hör zu, wenn du vor hast mich zu verarschen, dann prügele ich dich grün und blau! Also, was hast du mit meiner Braut angestellt?! Ist sie in ihre Zeit zurückgekehrt? Oder was?" Das war jedenfalls der einzige Grund den er sich denken konnte, wenn Inu Yasha sie ihm nicht mir Gewalt vorenthalten wollte - wozu der Halbdämon schlichtweg nicht in der Lage gewesen wäre.

Normalerweise wäre Kouga vielleicht nicht so unhöflich gewesen und wäre die Sache ruhiger angegangen, aber er sorgte sich wirklich um sein Mädchen und es war ja auch niemand da der ihn zurechtweisen konnte - warum sich also Kagomes Haustier gegenüber zurückhalten?

"Nein, ist sie nicht. Und jetzt lass mich los, du Flohfänger!", murrte der Weißhaarige, machte jedoch keine Anstalten seiner Aufforderung durch Taten Stärke zu verleihen. In die Augen sah er ihm auch nicht. Da war etwas faul.

"Dann muss sie ja wohl hier irgendwo sein!", knurrte Kouga und festigte den Griff, "Wo!?"

Der Hanyou befreite sich von ihm, wich ein paar Schritte zurück und senkte erneut den Kopf.

"Sie ist tot...", murmelte er dann.

Kouga starrte ihn ungläubig an. Die Sekunden vergingen, nichts war zu hören. Mit geweiteten Augen wich der Wolfsdämon nun seinerseits einen Schritt zurück.

Das war kein Scherz. Dieser Kerl meinte das ernst, deswegen sah er so elendig aus. Kagome...tot.

Langsam drang die Information zu ihm durch, die Information, die man nicht als Lüge abstempeln konnte. Wut verdrängte den Schock.

"Wie konnte das passieren?! Warum hast du sie nicht beschützt!? Das war deine Aufgabe, verdammt noch mal!" Mit einem zornigen Schrei stürzte sich der Youkai auf Inu Yasha und verpasste ihm einen heftigen Schlag ins Gesicht. Der Weißhaarige wurde voll getroffen und flog fast zehn Meter durch die Luft, bevor er mit einem hässlichen Krach am Boden aufkam.

"Sag, wer war es!? Wer hat sie getötet!?", schrie er ihn an und setzte dem Halbdämon nach, der sich gerade das Blut von der Nase wischte.

"Du willst wissen, wer sie getötet hat!? Also gut, ich sag's dir!", rief Inu Yasha. Etwas Wütendes, aber auch Verzweifeltes war in seinen Augen zu erkennen.

"Ich war es! Hörst du? Ich habe sie getötet! Es war nicht Naraku, es war nicht irgendein anderer Dämon! Ich war es!" Der Hanyou schrie am ende fast, er fiel auf die Knie und vergrub seine Hände in seinen Haaren, die Augen schmerzerfüllt zusammengekniffen. "Ich habe sie getötet... mit meinen eigenen Händen... Ich war es..." Immer wieder wiederholte er diese Worte, konnte gar nicht mehr damit aufhören.

Und Kouga starrte ihn nur mit offenem Mund an, wusste nicht was er sagen sollte. Inu Yasha selbst sollte sie getötet haben?! Unmöglich! Auch wenn ihm das nie gefallen hatte, aber der Köter hatte Kagome mehr als nur gemocht. Er hätte sein Leben gegeben um ihres zu retten, nur deshalb hatte der Wolfsdämon überhaupt davon abgesehen darauf zu bestehen, das Menschenmädchen mit sich zu nehmen. Doch Inu Yashas Verzweiflung war echt, er hatte es getan und er bereute. Es gab nur eine Situation, in der der Halbdämon dem Mädchen weh getan hätte. Wenn er kein Halbdämon mehr war.

"Was ist passiert?", fragte er bedrohlich ruhig.

"Kanna... ist gekommen... und so eine seltsame Kreatur. Wir haben sie besiegt, doch dann..." Er brach ab, vergrub erneut das Gesicht in den Händen und schien nicht in der Lage weiter zu sprechen. Doch so leicht ließ sich Kouga nicht abwimmeln, wieder packte er den Weißhaarigen und schüttelte ihn kräftig. "Und dann!?"

"Dann bin ich weg... wollte zu Sesshoumaru, sein wiederbelebendes Schwert... Aber er wollte es mir nicht geben und sagte ich solle zurück, meine Freunde seien in Gefahr. Aber ich war zu spät! Kagura... das Windloch... Sie sind alle tot!", brachte er mühsam und stockend hervor, während Tränen in seien Augen traten.

Der Wolfsdämon warf ihn zu Boden und musterte ihn verächtlich.

"Also hast du nicht nur Kagome auf dem Gewissen, sondern konntest nicht einmal den Rest deiner Menschenbande beschützen! Du wertloses Halbblut hast nicht das Recht zu leben, wenn deine Freunde deinetwegen sterben müssen!" Kouga ging in Kampfposition. Sein Gegner, der sich erneut aufgerappelt hatte, schien es nicht zu bemerken.

"Also tu der Welt einen Gefallen", flüsterte er und ließ seine Fingerknöchel knacken, "und stirb!"

Dann stürmte er los, Inu Yasha konnte seiner durch die Juwelensplitter noch erhöhten Schnelligkeit kaum folgen. Mit einem gezielten Tritt traf der Youkai ihn in die Magengegend. Die geballte Macht der Splitter und der Wut des Dämons schleuderte den Hanyou mehr als ein Dutzend Meter weit fort, wo er mit einem Knacken das einige Knochenbrüche ankündigte, an einem Baum liegen blieb.

"Was wagst du es überhaupt noch in dieser Welt zu weilen!? Was hast du für einen Grund!? Du hast es nicht einmal mehr verdient, Rache an Naraku zu nehmen! All die Leute, die dich gestärkt, dir vertraut haben... Alles umsonst! Denn du... wirst hier sterben!" rief Kouga auf und zum ersten mal seit sehr, sehr langer Zeit, begannen seine Augen rot zu glühen.

Langsam hob Inu Yasha den Kopf. Ein feines Blutrinnsal bahnte sich seinen Weg von seinem Mundwinkel aus über sein Gesicht und vermischte sich mit seinen Tränen. Ihre Blicke kreuzte sich und etwas in dem des Jüngeren ließ ihn in seinem Tun zögern.

Etwas Weiches, fast liebevolles und doch verächtliches lag in seinen Augen. Gleichgültigkeit, Vergebung, was zum Teufel war das?

"Ich weiß, dass meine Existens auf dieser Welt nun durch nichts mehr gerechtfertigt werden kann, denn ich habe einen unentschuldbaren Fehler gemacht. Nein, ich habe sehr viele Fehler gemacht. Darum töte mich ruhig, damit ich Kagome im Jenseits sagen kann, wir sehr es mir Leid tut. Und bitte... töte auch den Mann, wegen dem wir alle so viel leiden mussten..." Kein Zittern war nun in seiner Stimme zu hören und Kouga spürte, wie die Wut aus ihm wich. Er versuchte sie zurück zu holen, es war nur Recht wenn er diese Missgeburt tötete! Und doch konnte er nicht umhin, auf ein mal Zweifel zu spüren. Es war ihm egal, ob er das Richtige tat oder nicht, bereuen würde er gar nichts. Vielen täte er vermutlich einen Gefallen. Und doch... Seine Worte hatten etwas in ihm gerührt, das seinen Augen die normale Farbe zurückgab, wenn es ihnen auch nicht den hassverzerrten Ausdruck nahm. War es... sein Gewissen? Bevor Kagome auftauchte, hatte er nie Probleme damit gehabt, Unschuldige zu töten, seinen Wölfen zum Fraß vor zu werfen. Wieso sollte es das jetzt, wo sein Vorsatz Kagome zu gefallen, praktisch nichts mehr wert war? Und dabei war Inu Yasha nicht einmal ganz unschuldig!

Aber der Hanyou wollte es ja augenscheinlich auch. Es wäre ihm lieber gewesen wenn er sich gewehrt hätte, aber gut. Er musste rational bleiben, die Welt war besser dran ohne diesen Köter und vermutlich würde er nie seine Ruhe haben wenn er ihn am Leben wusste. Naraku besiegte er auch ohne seine Hilfe.

Also machte er sich bereit, verlagerte die Stellung seiner Beine und wollte den finalen Schlag ausführen.

Es kam nie so weit.

Gerade als Kouga geistig und körperlich bereit war seinen Rivalen endgültig aus dem Weg zu räumen, bemerkte er auf einmal eine unheimlich starke Dämonenaura, die sich in rasantem Tempo nährte.

"Was zum-"

Wind kam auf, das Laub der Bäume raschelte im darin und erst jetzt bemerkte der Dämon den fremden Geruch. Ein riesiger Energieball schoss ihnen entgegen und er musste die Augen zusammen kneifen, um nicht zu sehr geblendet zu werden. Das Licht veränderte sich, schmolz zusammen, und gab schließlich die Konturen einer hochgewachsenen Person frei.

"Scheiße!", fluchte der Youkai, als er die Person erkannte. Die Sache mit Inu Yasha musste ihn abgelenkt haben, sodass er ihn nicht rechtzeitig gespürt hatte. Dazu kam natürlich auch noch der Umstand, dass sein Geruch dem des Halbdämons schon irgendwo ähnelte.

Das weiße Fell um die Schultern des Youkais flatterte im Wind, der mit seinen Haaren spielte. Eine Aura der Macht umgab ihn, dieser Dämon war aus anderem Holz als Kouga geschnitzt, wenngleich er nicht viel älter sein konnte.

"Was tust du hier?", fragte er misstrauisch, als der Wind nachgelassen hatte.

Ein kühler Blick streite ihn. "Verschwinde, Wölfchen. Du hast hier nichts zu suchen."

"Was soll das, Sesshoumaru!? Du bist doch auch mit Inu Yasha verfeindet, oder? Warum schützt du ihn?", fuhr er den Anderen an.

Sesshoumarus Blick wurde kalt. "Ich schütze ihn nicht. Ich kann lediglich den Gestank von deinesgleichen in meiner Nähe nicht riechen."

Kougas Augebrauen zogen sich wütend zusammen. "Und das soll ich dir glauben, ja?!"

"Meine Abneigung gegen ihn geht dich nichts an, es ist eine Sache zwischen mir und Inu Yasha. Einzig mir ist es bestimmt ihn zu töten, so nervtötend das auch sein mag. Wenn du ihn jetzt umbringst, spielst du nicht nur ihm, sondern auch Naraku in die Hände.", meinte der Youkai abweisend.

"In die Hände spielen? Wovon redest du!?"

"Dieser Abschaum von einem Halbdämon würde sich doch freuen, brächten sich seien Feinde gegenseitig um. Diese Genugtuung gönne ich ihm nicht. Und sagte mein Halbbruder nicht gerade, er wolle sterben? Wenn du ihn verabscheust, dann lass ihn leben. Das tut ihm sehr viel mehr weh.", erwiderte Sesshoumaru.

Für Kouga klang das irgendwie nach einer Ausrede, doch natürlich war es logisch was der Andere sagte. Auf der Höhe seiner Kräfte - was der Hanyou jetzt garantiert nicht war, wie er mit einem Blick auf den inzwischen bewusstlosen Inu Yasha feststellte - war der Halbdämon ein durchaus annehmbarer Gegner, selbst für einen Youkai wie Sesshouamru. Er wollte ihn selbst töten, wollte es genießen, wollte ihn quälen und foltern, um sein Leben betteln hören. Wollte die Wut ablassen, die sich in Jahrhunderten gestaut hatte. War bereit dafür etwas zu warten, ihn sogar zu schützen, um es am Ende voll auskosten zu können. Wollte, dass Inu Yasha eines Tages genau so fertig da lag, und dass das sein Verdienst war.

Er kannte das. Er kannte die Entschlossenheit, die dahinter steckte.

Damit würde er sich nicht messen.
 

Als Kouga den beiden Halbbrüders wortlos den Rücken zuwandte, war er fast froh darüber, es nicht selbst getan haben zu müssen.
 

~Ginta&Hakkaku~
 

„Puh, ich brauch eine Pause...“, seufzte Ginta und ließ sich an Ort und Stelle zu Boden fallen.

„Ja, ich bin auch sehr erschöpft. Aber was wird Kouga sagen, wenn er merkt das wir so schnell schlapp machen?“, erwiderte Hakkaku besorgt und blieb ebenfalls stehen. Die fünf Wölfe, die ihnen ständig folgten, ließen sich hechelnd nieder.

„Das ist mir jetzt einfach mal egal. Kouga wird schon zurückkommen, wenn er erreicht hat was er wollte. Machen wir erst einmal eine Stunde Pause, dann geht’s weiter, okay?“

Hakkaku nickte „Ich bin auch hungrig wie sonst was... Die Wölfe haben auch schon seit zwei Tagen nichts mehr bekommen, wenn ich es mir recht überlege.“

„Hm...“ Ginta strich dem Leitwolf des mageren Rudels über den Kopf. „Seit Kouga hinter diesem Menschenmädchen her ist, haben wir keine Dörfer mehr überfallen um Nahrung zu holen.“

„Ja, nur ein paar Wanderer unterwegs haben wir eingesammelt. Die Kondition der Wölfe wird immer schlechter, Wildbret sind sie nicht gewohnt.“ Hakkaku setzte sich auf einen großen Stein in der Nähe.

„Wir sind aber auch langsamer geworden. Bei Kouga fällt das nicht auf, der hat ja seine Splitter, aber die Umstellung unseres Ernährungsplans trägt nicht gerade zu unserer Gesundheit bei.“, meinte der Wolfsdämon mit der Stachelfrisur entmutigt.

„Lass uns die Wölfe einfach mal auf die Jagt schicken, vielleicht haben sie Glück. Und wir suchen uns halt ein paar Wildtiere.“, schlug Hakkaku vor und stand auf.

„Was, die Pause schon zu ende? Na schön... Na los ihr Süßen, ihr hab es gehört. Macht euch auf den Weg!“, befahl Ginta und erhob sich ebenfalls. Hoffentlich bekam Kouga nichts davon mit.
 

~Sesshoumaru~
 

Langsam trat Sesshoumaru auf seinen bewusstlosen Halbbruder zu, nachdem er sicher war, dass der Wolfssdämon auch wirklich verschwunden war. Er beugte sich hinunter und zog den Hanyou an dessen Haarschopf empor. Seine Miene war unbeweglich, doch er verspürte eine Mischung aus Abscheu und Ekel gegenüber diesem Wesen. Eigentlich könnte er jetzt auch gehen. Er hatte gehört was Inu Yasha Kouga erzählt hatte. Alle seine Freunde waren nun tot.

Was hatte der Halbdämon auch anderes erwartet? Es war ohnehin klar gewesen, dass diese Menschen vor ihm sterben würden. Jetzt war es halt früher geschehen als erwartet, na und? Das war kein Grund sich ohne Gegenwehr umbringen zu lassen. Wirklich nicht.

Er verstand das Verhalten seines Halbbruders nicht. Hatte ihn der Tod seiner so genannten Freunde wirklich so sehr berührt, dass er ihnen folgen wollte? Wenn dem so war, dann war er schwächer als er gedacht hatte.

Aber ob schwach oder nicht, ein Sohn des Inu no Taishu brach nicht einfach so von ein paar Tritten bewusstlos zusammen. Selbst ein ehrloser, feiger Sohn nicht. Hatte er bereits einen Kampf hinter sich? Natürlich, er hatte sich ja in einen Dämon verwandelt, musste also lebensbedrohlich verletzt gewesen sein. Und ihn selbst hatte er ja auch angegriffen. Trotzdem, die ganze Sache war jetzt mindestens schon zwei Tage her, seine Wunden sollten bereits wieder verheilt sein.

Sesshoumaru kniete sich vor dem Häufchen Elend hin und mehr durch Zufall entdeckte er, dass sich am Saum seiner Ärmel und den Füßen das Blut gesammelt hatte. Ein Verdacht beschlich ihn. Der Dämon packte den Arm des Ohnmächtigen und zog den Stoff des Feuerrattenfells zurück.

Seine Ahnung bestätigte sich.

Sofort ließ er seinen Halbbruder los und stand auf.

„Inu Yasha, du bist so ein verdammter Idiot...!“, flüsterte er erstickt.

Die Arme und Beine des Kleineren waren über und über mit üblen Kratzspuren und Bissen übersäht. Blut trat da aus, wo scharfe Krallen mit roher Gewalt die Muskeln durchtrennt hatten. Ein Schnitt an Inu Yashas Wade war sogar so groß, das er mit Sicherheit von einem Schwert stammte.

Das schneeweiße Haar des Jünglings hatte sich rot gefärbt. Wie die Schuld ein leeres Blatt kennzeichnete.

„Wie kannst du nur so weit gehen...?“ Er verstand es nicht. Sesshoumaru wusste nicht ob sein Halbbruder sich hatte umbringen, sich bestrafen für das was er glaubte getan zu haben, oder sich einfach nur durch reale Verletzungen von dem Schmerz über den Verlust seiner Freunde ablenken wollte. Fest stand jedoch, dass kein fremder Dämon ihn so zugerichtet hatte. Inu Yasha hatte sich selbst verletzt, aus einem Grund, den der Youkai absolut nicht nachvollziehen konnte. Freunde, was war das schon? Freunde konnten einen immer verraten. Es kam nur auf den Preis dazu an. Er wusste das genau... Mit der Familie war es nicht anders. Passte man einmal nicht auf, zerbrach sie in Tausend Stücke. Aber das war kein Grund aufzugeben. Das war kein Grund, sich selbst etwas anzutun. Es brachte ja ohnehin nichts. Inu Yasha sollte lieber Rache nehmen an Naraku, denn egal ob er es nun selbst als Youkai war der seine Freunde umbrachte, dazu gebracht hatte ihn Naraku. Er sollte lernen mit dieser Kraft umzugehen, sich auch in solch einem Zustand noch zu beherrschen. Andere Freunde suchen, Freunde die ebenso stark waren wie er, die eine längere Lebensdauer hatten...

Aber hiermit hatte er sich seine Zukunft verbaut. Einige dieser Wunden waren durchaus lebensbedrohlich, er würde es kaum überstehen. Da ging er hin, der finale Kampf mit seinem Halbbruder... Vielleicht hätte er Kouga doch nicht aufhalten sollen.

Das Inu Yasha seinem Leben allein ein Ende gesetzt hatte, machte ihn wütend. Ein feiger Bastard war er! Nicht im Stande, solch eine kleine Krise durchzustehen. Hatte er doch früher auch geschafft. Immer wieder hatte sich der Halbdämon aufgerappelt, warum jetzt nicht? Sesshoumaru hatte sich daran gewöhnt, dass sein kleiner Halbbruder so ziemlich jede Gefahr irgendwie überstand. Auf die eine oder andere Art war er schon ein Überlebenskünstler, nicht viele Hanyou erreichten sein Alter. Deswegen hatte er ja auch gegen ihn kämpfen wollen und zwar dann, wenn die kleine Missgeburt sich einbildete, tatsächlich eine Chance gegen ihn zu haben. Er wusste, irgendwann würde er so größenwahnsinnig sein ihn herauszufordern, irgendwann, wenn er so weit war. Er hatte ihn immer gereizt, provoziert, sich einen Spaß daraus gemacht ihn bis zur Weißglut zu treiben, damit gerechnet seinen Ehrgeiz anzustacheln so das er trainierte, stärker wurde, es seinetwegen tat, um ihn zu besiegen. Ja, vielleicht hatte er sogar eine Art Vorbild sein wollen, etwas, an das man heranreichen wollte.

Er hatte ihn nicht in einem Zustand töten wollen, in dem er nicht einmal wusste wer er war. In dem er so schwach war, das jeder es hätte tun können. Er hatte ihn töten wollen, wenn er sich sicher war, dass die Früchte seiner Arbeit, nein, eher seines Hobbys, reif waren. Wenn es sich lohnte. Wenn es das wert war. Hatte sich das nicht von anderen nehmen lassen wollen.

Und jetzt sollte das einfach vorbei sein? Das wäre zu schade, wirklich.

Für den Bruchteil einer Sekunde spielte er tatsächlich mit dem Gedanken Tensaiga einzusetzen um Inu Yasha zu heilen. Das verdammte Ding pochte schon die ganze Zeit an seiner Hüfte, es bestand kein Zweifel, dass es genau das wollte. Aber natürlich war das Unsinn. Vollkommener Unsinn.

Sesshoumaru stieß den leblosen Körper des Halbdämons verächtlich mit dem Fuß an. Was der Hanyou getan hatte, war einfach unnatürlich und absurd. Würde in den nächsten Stunden ein Feind kommen, wäre er tot. Aber selbst wenn nicht, waren seine Wunden schwer genug sein Lebenslicht auszuschalten.

Trotz allem glaubte er nicht so recht, dass sein Halbbruder wirklich sterben würde. Es war zu einfach. Es passte nicht. Doch selbst wenn er überleben sollte, was dann? Die kleine Missgeburt war doch vollkommen verzweifelt. Würde er einen Selbstmordversuch probieren? Inu Yasha hatte es nur aufgrund seines starken Überlebenswillen so weit geschafft. Was, wenn der plötzlich schwand?

Und doch war er sich ziemlich sicher, dass der Halbdämon seine Suche nach Naraku fortsetzen würde. Es konnte nicht sein, dass ein Wesen das Vaters Blut in sich trug – und mochte es noch so mickrig sein – eines so elendigen Todes starb. Ohne Kampf, ohne ehrenvollen Abgang.

„Also gut, Inu Yasha“, flüsterte Sesshoumaru, während er sich von dem Verletzten abwandte, „wenn du das hier überlebst, werde ich meine Meinung über dich überdenken.“

Zweifellos war dies die schwerste Krise, die das Halbblut bisher hatte durchstehen müssen. Das wusste der Youkai und er respektierte es in gewisser Weise sogar. Der Dämon wusste selbst nicht so genau warum er zu einem Bewusstlosem sprach, aber es schien ihm seinen Gedanken mehr Stärke zu verleihen.

Hier war etwas Großes im Gange. Etwas Lebensgefährliches. Wenn Inu Yasha es schaffte dies aus eigenen Kräften heraus zu überstehen, dann... -

Sesshoumaru zuckte zusammen. Nur wenig, eigentlich kaum sichtbar, aber für einen Moment war er wie elektrisiert. Er roch Blut. Nicht nur das von Inu Yasha. Nein, das war eine andere Note.

Rins Blut.

Und ein Hauch von Wolfsgeruch.
 

~Kouga~
 

Während Kouga sich auf den Rückweg machte, dachte er über die Informationen nach, die er erhalten hatte. Kagomes Tod erschien ihm unwirklich. Er konnte keine wirkliche Trauer in sich spüren, eher eine Art Lähmung. Obwohl sein Verstand diese Nachricht durchaus begriffen hatte, weigerte sich sein Herz noch, sie zu akzeptieren. Es kam einfach zu plötzlich.

Es war leicht, diesem Halbblut die Schuld an allem zu geben. Natürlich, schließlich war er es gewesen, der sie getötet hatte. Wegen ihm geschah das alles hier. Dennoch hatte er Kagome nicht gerächt, und, was noch viel schlimmer war, er bereute es nicht. Wäre es nicht seine Pflicht gewesen, ihren Mörder umzubringen, da er ihr seine Liebe geschworen hatte?

Nicht, wenn sie eine derart starke Bindung zu ihrem Mörder hätte und dieser nicht Herr seiner Sinne war, als er die Tat durchführte, flüsterte ihm eine Stimme zu. Trotzdem hätte er es beinahe getan. Inu Yasha und er waren seit ihrer ersten Begegnung Rivalen, sowohl im Kampf um Kagomes Herz, als auch um ihre Rache an Naraku. Sie hatten sich nichts geschenkt, aber dennoch hatte es am Ende nur den Hanyou so schwer erwischt. Geschieht ihm recht!, dachte er sich, Ich habe all meine Kameraden wegen Naraku verloren! Es waren gut ein Dutzend! Es ist nur fair, wenn er, der ohnehin weniger wert ist, die ihm wichtigsten Personen auch verliert.

Er hatte davon gehört, dass Inu Yasha früher eine Geliebte hatte, eine Priesterin, die er ebenfalls durch Narakus Schuld verloren hatte. Und nun auch noch Kagome und seine anderen Freunde, bestimmt war das hart. Natürlich war der schwarzhaarige Halbdämon in vieler Hinsicht verantwortlich für dieses Dilemma, aber man konnte auch nicht abstreiten, dass dem halben Hund ebenfalls ein Teil der Schuld gebührte. Zugegeben, nicht alle, aber doch ein Teil. Ein Teil, für den Kouga ihn eigentlich nur zu gern hätte töten wollen müssen. Aber es schien fast, als hätte der Ältere der Weißhaarigen ihm diese Arbeit schon abgenommen. Der Hanyou hatte sich hinreichend selbst bestraft und das Treffen mit seinem vollblütigen Halbbruder würde seine Gesundheit bestimmt nicht fördern. Sicher war er schon jetzt nicht mehr am Leben. Er brauchte sich keine Gedanken mehr darüber machen, das Problem war abgehakt...

Trotz allem nagte noch immer etwas an ihm. Vielleicht wäre es besser, sich von dem Tod seines Rivalen zu überzeugen? Aber was, wenn er genau in einen Kampf der beiden Brüder hineinplatzte? Nein, das war unwahrscheinlich, schließlich war Inu Yasha bereits bewusstlos gewesen, als er ihn mit seinem Bruder allein gelassen hatte. So bestand aber auch die Möglichkeit, dass Sesshoumaru es für unter seiner Würde empfand, einen Ohnmächtigen, Wehrlosen zu ermorden. Es wäre also nicht auszuschließen, das Inu Yasha überlebte. Vorausgesetzt, keine wilden Tiere tun sich an ihm gütlich, schmunzelte er in sich hinein. Ja, die Versuchung seine Wölfe auf den Jüngeren loszulassen, war wirklich groß.

Dieser Gedanke führte ihn zu einem anderen, den er bisher ignoriert hatte: Wo blieben eigentlich seine ständigen Begleiter ab? Er war es gewohnt, Ginta, Hakkaku und die Wölfe, die bei Weitem nicht so schnell waren wie er, spätestens nach zehn Minuten zu treffen, gerechnet ab der Zeit, ab der er ihnen entgegen ging. Jetzt aber waren schon zwanzig vergangen, wo blieben die beiden? Hatte ihre Kondition in den letzten Wochen nachgelassen, ohne das er es gemerkt hatte? Oder hatten sie es gar gewagt, eine Pause einzulegen? Jetzt, wo er daran dachte: Ihre letzte gemeinsame Jagt lag tatsächlich schon etwas länger zurück. Vielleicht besorgten sie sich einfach nur etwas zu Essen, oder-

Kouga blieb schlitternd stehen, als ihm ein eigenartiger, merkwürdig vertrauter Geruch in die Nase stieg. In mehreren Kämpfen war ihm so etwas schon untergekommen: Der Hauch von Knochen und Graberde.

Eine steile Sorgenfalte bildete sich zwischen seinen Augen und er runzelte die Stirn. Was wollte ein Untoter in dieser Gegend?

Ein schwaches Glitzern zwischen den Baumwipfeln erregte seine Aufmerksamkeit und er sah nach oben. In einiger Entfernung konnte er ein hell schimmerndes Geschöpf erkennen, einer Schlange gleich, dessen weiße, insektenartige Vorderbeine eine nebelwabernde Substanz mit sich zu tragen schienen. Die Augen des Wolfsdämons weiteten sich als er erkannte, dass dies eine Seele, und das Wesen ein Seelenfänger sein musste. Damit war auch die Identität des Untoten – oder vielmehr DER Untoten – nicht länger ein Geheimnis für ihn. Einer der Freunde des Hanyous hatte sie einmal erwähnt, die erneut zum Leben erweckte Priesterin, Inu Yashas ehemalige Geliebte: Kikyou.

Seelen

7. Siebentes Kapitel - Seelen
 

Spiel um deine Seele

Spiel um dein Gesicht

Du wirst es verlieren

Ich weiß´, du schaffst es nicht
 

Aus: „Spiel um deine Seele“ von Peter Maffay
 

Als Tesaki das Schlossgelände seines Meisters betrat, empfing ihn nichts als gähnende Leere. Normalerweise sah man auf dem Vorplatz Kohaku-kun mit seiner Kettensichel trainieren, oder Kagura-san, wie sie ihren düsteren Gedanken nachhing. Als der kleine Hanyou jetzt jedoch von dem niederen Youkai sprang, der ihn hierher gebracht hatte, war niemand da. Niemand erwartete ihn, kam um ihn zu begrüßen. Für einen Augenblick griff die Trauer nach seinem Herzen, denn es war seine Schuld, das er nun allein hier stand. Kanna-chan war gestorben, weil sein Plan nicht gut genug gewesen war. Kagura-san hätte er mehr Unterstützung mitgeben sollen, eine Art Fluchtweg. Und Kohaku-kun... Gut, seinen Tod hätte er wohl kaum verhindern können, trotzdem... Er hatte es nicht verdient, nun hier als Einziger zu stehen.

Als der Junge durch die menschenleeren Gänge schritt, wurde ihm seltsam kalt. Er war an düstere, kühle Räume gewöhnt, hatte er doch gut die Hälfte seines Lebens in dunklen Kerkern verbracht. Dennoch fühlte er sich in abgeschlossenen Räumen unwohl. Es erinnerte ihn zu sehr an diese Zeit, die er eigentlich hatte vergessen wollen.

Woher er wusste in welchem Raum sich sein Meister befand, konnte er nicht sagen. Er folgte einfach seinem Gefühl, dem Instinkt, und gelangte so auch tatsächlich an sein Ziel.
 

„Komm herein, Tesaki.“, drang Naraku-samass Stimme zu ihm durch. Der Halbdämon, welcher bis eben noch vor der Trennwand aus Papier gekniet hatte, erhob sich langsam und trat ein. Als er den Schwarzhaarigen dort allein, in der Mitte des sonst leeren Raums sitzen sah, durchflutete ihn wieder die gewohnte Erregung, eine Art Lampenfieber, wann immer er ihn erblickte.

„Meister...“, hauchte er ergeben und ließ sich erneut auf die Knie fallen.

„Wie ist dein neuster Auftrag ausgegangen? Hast du bereits Erfolge vorzuzeigen?“

Warum fragt er eigentlich?, ging es ihm durch den Kopf, Durch die Insekten hat er doch alles beobachtet!

„Es gelang Kagura-san nicht, die Dämonenjägerin und den Mönch zu töten. Jedoch setzte Letzterer sein Windloch ein und sie alle verschwanden darin. Außerdem habe ich den Körper der jungen Miko zerstört, da erwähnt wurde es gäbe eine Möglichkeit, sie wiederzubeleben.“, erzählte er mit gesenktem Haupt, wissend, dass dies sicher nichts Neues für Naraku-sama war.

„Du denkst mit, das gefällt mir. Deine Pläne hatten jedoch sehr viel größere Folgen, als ich zunächst angenommen habe.“, erwiderte der Schwarzhaarige. Tesaki unterdrückte den instinktiven Wunsch, überrascht aufzuschauen.

„Das Inu Yasha mit diesem Zug geschwächt werden könnte, war klar. Tatsächlich aber hat er sich danach fast selbst umgebracht. Dass er dann kurz nacheinander auf Kouga und Sesshoumaru gestoßen ist, dürfte die Sache für ihn nicht gerade leichter gemacht haben.“ Ein bösartiges Lächeln lag auf seinen Lippen, als er fortfuhr: „Du warst mir tatsächlich eine große Hilfe... Doch du scheinst etwas betrübt zu sein, freust du dich nicht deines Sieges?“

Nun hob Tesaki wirklich ein wenig den Kopf. „Alles was ich tue, tue ich für euch, Naraku-sama. Ich freue mich, wenn ich etwas für euch tun kann.“ Das war alles was für ihn zählte, das musste alles sein! Kohakus-kun Tod bedeutete nichts. Inu Yashas Trauer über seine Freunde bedeutete nichts... Nichts!

„Tesaki...“

Der Angesprochene erschauderte, niemand sprach seinen Namen so aus wie Naraku-sama. Seine kräftige, und doch etwas rauchige Stimme bescherte ihm jedes Mal eine Gänsehaut.

„Ich schätze deine Treue ebenso wie deinen Rat. Was glaubst du, wäre der beste Zug, jetzt, da Inu Yasha keine Gefahr mehr darstellt?“

Leicht verwundert wagte es der junge Halbdämon, dem Anderen in die Augen zu sehen. „Keine Gefahr mehr? Aber... Naraku-sama, noch ist er doch nicht tot. Es wäre vielleicht besser, sich Sicherheit zu verschaffen. Ich könnte eine der neuen Beschwörungen anwenden und ihn-“

„Nein, dieses Thema ist abgehakt. Diese Missgeburt wird nicht wieder auf die Beine kommen. Er ist körperlich und seelisch zu stark geschwächt. Du hast deine Arbeit gut gemacht, das werde ich nicht vergessen. Auch wenn es bedauerlich ist, dass du mir all meine Abkömmlinge geraubt hast.“ Ein warnender Unterton lag bei diesen Worten in seiner Stimme.

„Inu Yasha könnte dennoch...“ versuchte er es noch einmal, doch wieder wurde er unterbrochen.

„Inu Yasha kann gar nichts mehr! Verstehst du es denn nicht? Mir fehlen jetzt nur noch die Splitter des Wolfsdämons, dann ist das komplette Juwel der vier Seelen in meinem Besitz! Das hat oberste Priorität und dieser halbe Hund wird ohnehin dahinsiechen. Gegen die Macht des Juwels würde er sowieso nicht ankommen, niemand kann das.“

In Tesaki regte sich leichter Protest. Missgeburt? Halber Hund? Naraku-sama, Inu Yasha und er selbst, sie waren doch alle Hanyou! Er konnte es verstehen, wenn sein Meister den Weißhaarigen nicht mochte, jeder mochte mal irgendwen nicht. Aber warum diese Beschimpfungen?

Der letzte Sprössling der Hikari no Youkai erledigte seine Arbeit gern vollständig und gründlich. Es kam aus Gewohnheit, war er doch andernfalls immer gescholten worden. Es würde vielleicht nicht nötig sein Inu Yasha zu töten, aber er wollte es dennoch tun, einfach um sicher zu gehen. Vielleicht aber auch ein wenig, weil er Mitleid mit ihm hatte, schien sich der Andere doch wirklich zu quälen. Und immerhin war er ein Halbdämon, wie er, wie Naraku-sama. Wenn er schon aus dem Weg geräumt werden musste, warum dann nicht schnell und schmerzlos? Tesaki wusste aus eigener Erfahrung, dass Wunden des Herzens sehr viel langsamer verheilten als körperliche. Warum war sein Meister so sehr versessen darauf, einen Artgenossen derart zu foltern? Hasste er ihn so sehr? Sicher, ihn selbst ging das alles nichts an, trotzdem interessierte es ihn. Er wollte Naraku-sama und seine Beweggründe verstehen, damit er ihm besser helfen konnte.
 

~Naraku~
 

Nachdenklich sah Naraku auf seinen Schützling hinunter. Niemals hatte er einen fähigeren Diener gehabt und würde der Kleine sterben, würde er das wirklich bedauern. Aber er war ein rational denkender Kopf und wusste, dass er immer und jeder Zeit mit einem Verrat rechnen musste. Auch wenn es ihm in diesem Fall äußerst schwer fiel. Der Junge gehorchte ihm zwar freiwillig, doch wie lange würde dieser Umstand anhalten? In den ersten Monaten als er bei ihm war, hatte Tesaki oft gelacht, sein kleines Gesicht hatte vor Freude gestrahlt, wann immer er gelobt worden war. Dies war nun nicht mehr der Fall. Der Blonde war ruhig und zurückhaltend geworden, wenn auch nicht weniger unterwürfig. Wenn Naraku wollte, dass er ihm weiterhin gehorchte, musste er dafür sorgen, dass seine Ergebenheit nicht nachließ. Es war wichtig, dass Tesaki ihn voll und ganz vergötterte, nicht mal im Traum daran dachte ihm schaden zu wollen. Denn anders als seine Abkömmlinge, konnte er den Hanyou in keinster Weise zwingen zu bleiben. Er war nicht an ihn gebunden. Natürlich könnte er ihn von seinen Dämonen jagen und töten lassen, aber war der Tod wirklich ein Mittel zur Erpressung für jemanden, der Jahrzehnte lang nichts als Schmerz, Verachtung und Leid zu spüren bekommen hatte? Tesaki lebte nur für seine Aufgabe, sein Schicksal, welches Naraku ihm auferlegte. Würde er ihm sagen er wäre nutzlos, wäre er schon allein damit zerstört. Ja, der Schwarzhaarige war beinahe überzeugt, dass Tesaki seinem eigenem Leben ein Ende setzen würde, wenn er es ihm befahl.

Dabei war der Junge durchaus mächtig. Die vielen Rituale die er erlernt hatte, das Wissen über dämonische Energien, die besondere Begabung der höllischen Magie die nur den Hikari no Youkai vorbehalten war, das alles machte ihn zu einem gefährlichen Gegner. Einzig seine Loyalität ihm gegenüber war eine Schwäche, sowie sein Selbstvertrauen, welches schlichtweg nicht existent war. Tesaki war irgendwo in seinem Inneren immer noch der Überzeugung, dass er keinen Wert hatte, zu nichts nutze war. Es ihm nicht gestattet sein sollte, unter Naraku zu dienen – was Derselbe mit einiger Belustigung hinnahm. Die größte Gefahr bestand somit wohl darin, dass der halbe Lichtdämon sich aus Scham wegen irgendeiner eingebildeten Niederlage zurückzog und sich selbst bestrafte. Dem aber konnte er zuvorkommen.

Naraku hatte sich bemüht, Tesakis Vorstellungen gleichmäßig zu schwächen und zu stärken. Ohne das er es direkt aussprach sollte sich der Andere nutzlos fühlen, was seine Bereitschaft zu helfen fördern, und gleichzeitig den Gedanken an eine Chance auf Widerspruch auslöschen würde. Andererseits lobte er ihn aber auch ab und zu oder gab ihm Aufträge, wodurch er sich mehr denn je seine Dankbarkeit sicherte.

Die misstrauische Natur des schwarzhaarigen Halbdämons jedoch war zu stark, um bedingungslos vertrauen zu können. Er wollte einen Trumph im Ärmel haben, eine Absicherung, einen Fluchtweg. Er wollte Tesaki kontrolllieren können, wie er seine Abkömmlinge kontrollierte. Gleichzeitig aber reizte es ihn zu testen, für was er den Jungen noch alles verwenden konnte. Die Versuchung, dem Kleinen einen Auftrag zu geben dem er nicht gewachsen war, war ebenfalls groß. Trotzdem müsste er stark genug sein, einen solchen Auftrag zu überleben, eine Art geheime Kraft, die nur im Notfall freigeschaltet wurde... Und das ging am besten, mit dem Juwel der vier Seelen.

Das Juwel hatte sicher unheimlich viel Macht und natürlich war es ausgeschlossen, es dem Halbwüchsigen zu überlassen. Doch er könnte Tesaki vielleicht trotzdem wenigstens einen Teil geben. Ihm sagen, es wäre zur Unterstützung damit er stärker und ihm mehr nützen würde, während er in Wahrheit einen Teil der Kräfte mit seiner Hälfte des Juwels blockieren würde. So hätte er auch eine Verbindung zwischen ihnen hergestellt, welche ihm erlaubte, den anderen Hanyou jeder Zeit zu töten oder Befehle zu geben, wie er lange auch Kohaku kontrolliert hatte.

Selbstverständlich war ein hohes Risiko dabei. Jemand anderen einen Teil des Juwels zu geben – und es musste ein relativ großer Teil sein, damit er den Jungen, der so viel dämonische Energie besaß wie er es bei keinem Hanyou jemals vermutet hätte, auch kontrollieren oder überhaupt beeinflussen konnte – bedeutete für ihn selbst eine erhöhte Gefahr. Er wäre weniger mächtig, aber andererseits, was hieß das schon? Er versteckte sich ohnehin nur noch in seinem Schloss. Warum sollte er sich auch die Hände schmutzig machen, wenn es noch Leute wie Tesaki gab? Das der Blonde die Macht des Kleinods gegen ihn verwendete, stand eigentlich nicht zur Debatte. Er selbst hatte Jahre gebraucht um herauszufinden, wie man es gebrauchen konnte. Seine einzige Sorge galt einem möglichen Versagen des Jungen bei einem Auftrag. Was, wenn der Bengel sich das Juwel abnehmen ließe? Die Folgen wären katastrophal.

Nur am Rande nahm Naraku wahr, dass sein ganzer Plan auf der festen Überzeugung ruhte, dass Tesaki sein Verbündeter war. Konnte er wirklich sicher sein, dass dieser ihn nicht verriet? Ja, er hätte so mehr Kontrolle über ihn, aber wenn er sich wirklich mit ganzem Herzen gegen ihn stellte, hatte er dennoch schlechte Karten.

Doch dann sah der Schwarzhaarige in die Augen des vor ihm Sitzenden und mit einem Mal wurde ihm klar, dass Verrat für diesen nicht einmal in seinen kühnsten Träumen in Erwägung gezogen werden konnte. Was da vor ihm saß, war ein Kind. Kein Mann, kein ebenbürtiger Krieger, kein Erwachsener, kein furchteinflößender Dämon. Ein Kind. Ein Kind ohne Kindheit, ein misshandeltes Wesen. Ein Hanyou, der seine gesamte Zukunft in seine Hände gelegt hatte. Der ihm vollkommendes Vertrauen entgegen brachte. Der die Welt noch mit den Augen des Unbefleckten sah, obwohl man ihm täglich vom Horror erzählt hatte.

Wer konnte diesem unschuldigen Geschöpf in die Augen sehen, und ihn für den ernstzunehmenden Gegner halten, der er war?

Naraku war sich sicher, keiner seine Feinde wäre dazu in der Lage, zumal es ihm selbst schon schwer fiel. Aber gerade das fegte seine letzten Zweifel beiseite. Tesaki würde ihn nicht verraten. Er war überhaupt nicht in der Lage dazu. Ihm konnte er vertrauen, wenn auch nicht bedingungslos.
 

Langsam hob der gefürchtete Halbdämon seine Hand und auf deren Fläche erschien nun ein obsidianschwarzes Juwel, das in einem dunklen Licht zu leuchten schien. Der einzige Makel war eine kleine Lücke an der Seite, wo zwei Splitter fehlten.

„Tesaki... Weißt du, was das ist?“, fragte er leise.

Der Junge schaute vorsichtig auf und seine hellen Augen weiteten sich überrascht. „Das... Das Juwel der vier Seelen?“

„Genau.“, flüsterte er. Vorsichtig ließ er einen Teil seiner dunklen Energie in das Kleinod fließen. Ein feiner Riss bildete sich und zog sich über die glatte Oberfläche des runden Gegenstands. Mit einem leisen Knirschen brach das Juwel in zwei Hälften.

„Erinnerst du dich an unser Gespräch, nachdem du die Miko beseitigt hast? Ich habe dir eine Belohnung versprochen...“
 

~Kouga~
 

„Was machst du denn hier?“, fragte der Wolfsdämon misstrauisch.

Die schwarzhaarige Frau sah ihn mit einem undefinierbaren Blick an.

„Ich spürte eine gewaltige, dunkle Aura und wollte dem nachgehen... Aber warum fragst du, Dämon? Du kennst mich nicht...“

Tatsächlich, sie waren sich noch nie zuvor so direkt begegnet. Woher sollte die Priesterin auch wissen, wer er war? Obwohl ihn das schon ein wenig kränkte.

„Ich bin Kouga, Anführer der Wolfsdämonen!“, meinte er so großspurig wie es mit all den aufgewühlten Gefühlen in ihm möglich war. „Und ich weiß, dass du die untote Miko Kikyou bist.“

„Ah, natürlich. Der Wolfsdämon mit den letzten beiden Splittern, ich erinnere mich.“

Also hatte sie doch schon von ihm gehört!

„Weißt du, was da vor sich gegangen ist?“, fragte die Miko, doch ihr Ton gefiel dem Youkai nicht. So... befehlerisch.

Ihr sagen, was hier los gewesen war? Klar könnte er das. Aber warum sollte er? Damit sich noch jemand zwischen ihn und Naraku stellte? Kikyou war auch hinter dem Hanyou her, das wusste er. Doch er würde nicht zulassen das jetzt, wo Inu Yasha aus dem Weg war, ihm doch noch jemand seine Rache vor der Nase wegschnappte.

Doch halt, dachte er sich, Kikyou war doch Inu Yashas Geliebte. Wie würde sie reagieren, wenn sie von seinen lebensbedrohlichen Verletzungen, oder gar seinem Tod erfuhr? Kouga jedenfalls war nicht erpicht darauf, ihr diese Nachricht mitzuteilen. Sollte er ihr also einfach die Antwort verweigern und weitergehen? Nein, das wäre ihm fast wie eine Flucht erschienen. Er würde den Teufel tun und sich von einer so überheblichen Untoten unterkriegen lassen!

„Tatsächlich ist hier eine Menge passiert. Kagomes... Tod hat einiges ins Rollen gebracht.“, brachte er doch recht mühsam hervor.

„Das war klar.“, erwiderte die Priesterin ruhig.

Kouga starrte sie an. “Du... Du hast es gewusst!?“

„Natürlich. Kagome war meine Wiedergeburt, selbstverständlich spüre ich den erneuten Verlust meiner Seele. Auch wenn wir beide begonnen haben eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln, bestand doch immer eine gewisse Verbindung zwischen uns.“, erklärte sie. Ihre Miene jedoch zeigte dabei keinerlei Gefühle, als wäre ihr der Tod des Mädchens vollkommen gleichgültig. Der junge Anführer konnte nicht anders, als eine Welle der Abneigung gegen Kikyou zu spüren, Wiedergeburt hin oder her.

„Was ist danach passiert?“, wollte die Untote wissen, „Wie geht es Inu Yasha?“

Nun wurde es Kouga zu viel: „Wieso gehst du nicht zu ihm und fragst ihn selbst!? Er liegt gleich da hinten!“, dabei deutete er in die Richtung, „Aber viel ist von ihm nicht mehr übrig, nachdem er erst Besuch von mir und dann auch noch von seinem Halbbruder gekriegt hat!“ Er holte tief Luft und sagte dann etwas leiser, aber dafür umso verächtlicher: “Du kannst ihm ja nicht so viel bedeutet haben, wenn er lieber Kagome in den Tod folgt.“

Nun war es Kikyou die ihn anstarrte. „Das... Das würde er nicht...“

„Und ob! Er selbst hat Kagome getötet und sich dann so gegrämt, das er mich angefleht hat ihn zu töten! Geh doch, und überzeug dich selbst! Ist allerdings möglich, dass er schon zu stinken anfängt, ehe du da bist! Kann halt nicht jeder seine Splitter des Juwels bei sich behalten!“, warf er ihr entgegen.

Ohne auf den zerrissenen Blick der Miko zu achten, wandte er sich um.

Noch in der Bewegung bildetet sich ein Wirbel aus Luft und Blättern um ihn.

„Und selbst wenn er nicht tot ist, wird er doch nie wieder glücklich sein können...“, kam es noch von ihm, doch die Worte wurden vom Rauschen des Windes übertönt.

Kikyou stand allein da.
 

~Rin~
 

Warum nur? Warum passierte das immer nur ihr? Sie war nur eine Last für Sesshoumaru-sama und Jaken-sama. Immer passierten schlimme Dinge, wenn ihr Meister nicht da war. Bestimmt war das nur ihretwegen! Sie zog das Unglück an... Ihre Eltern, die von Banditen getötet worden waren – sie sah das viele Blut noch heute in ihren Träumen. Aber nicht, wenn Sesshoumaru-sama da war. Wenn er mit ihnen am Lagerfeuer saß, fühlte sie sich sicher und geborgen.

Aber jetzt war er nicht da. Jetzt war nur Jaken-sama mit seinem Kopfstab da. Und die Wölfe.

Rin konnte Wölfe nicht leiden. War das denn verwunderlich? Schließlich hätten diese Tiere sie einmal fast getötet. Nur weil Sesshumaru-sama sich um sie gekümmert hatte, lebte sie überhaupt noch. Die Menschen aus dem Dorf hätten das nicht gemacht. Sie hätten sie nicht einmal beerdigt. Dagelassen hätten sie sie, zum Fraß für diese teuflischen Tiere.

Sollte sie jetzt genauso enden?

„Rin, mach schon, versteck dich irgendwo!“, rief Jaken panisch und ließ eine weitere Feuerwolke aus seinem Stab hervorschnellen. „Oder flieg mit Ah-Uhn weg oder sonst was... aber hier ist es zu gefährlich!“

„Aber...“ Rin sah zu dem Drachen, der von den Wölfen in eine Ecke getrieben worden war. Drei von ihnen stürzten sich abwechselnd auf ihn, doch weder Jaken noch Rin hatten es geschafft nah genug an ihn heran zu kommen, um ihm den Maulkorb abzunehmen. Wie sollte sie denn zu ihm kommen? Außerdem tat ihr Knöchel noch immer furchtbar weh, dort, wo eine dieser Bestien sie erwischt hatte, bevor Jaken sie verscheuchen konnte. Die Wunde brannte ganz furchtbar, auch wenn sie nicht gerade tief war. Warmes Blut tropfte auf den Boden und heizte den Raubtierinstinkt der Wölfe noch mehr an.

Sie konnte nicht zu Ah-Uhn und selbst wenn, es würde bedeuten Jaken-sama im Stich zu lassen. Und wo sollte sie sich denn verstecken? Diese Biester konnten doch bestimmt dem Geruch ihres Blutes folgen und ohnehin waren sie umzingelt...

Rin hatte Angst. Diese Wölfe sahen genau so aus wie die, die sie damals fast getötet hatten. Das braune Fell, das nur heller an der Brust war. Die dunklen Spitzen ihrer Ohren. Die intelligenten Augen mit dem hungrigen Ausdruck darin.

Man sollte meinen, dass das Mädchen in diesen Momenten mit ihrem Leben abschloss, doch das tat sie nicht. Das letzte Mal war Sesshoumaru-sama gekommen und hatte sie gerettet. Er war überhaupt immer gekommen. Und er würde auch jetzt kommen!

Jaken hatte zu keuchen begonnen. Die Wölfe schlichen lauernd um ihn herum.

„Halt durch, Jaken-sama! Sesshoumaru-sama wird ganz bestimmt kommen und uns retten!“ sprach sie dem kleinen Dämon Mut zu.

„Du dummes Mädchen! Sesshoumaru-sama ist mit viel wichtigeren Dingen beschäftigt, er kann nicht immer kommen wenn du ihn ruft! Er ist schließlich nicht dein Haushund!“ giftete der Krötendämon.

„Aber... Aber... Sesshoumaru-sama wird doch...“ Sie schluchzte einmal. „Sesshoumaru-sama!“, rief sie aus und ging auf die Knie, weil ihr verletzter Fuß sie nicht mehr tragen wollte.

Da setzte einer der Wölfe zum Sprung an.

„SESSHOUMARU-SAMAAA~!“

Sie schloss die Augen, den Schmerz schon erwartend – er blieb aus.

Selbst durch ihre Augenlider hindurch nahm sie das gleißend grüne Licht wahr und hörte das zischende Geräusch. Einen Moment war es still, dann folgte das Geräusch eines dumpfen Aufpralls. Vorsichtig wagte sie es die Augen zu öffnen. Der Wolf, der sie eben noch angegriffen hatten, lag nun vor ihr. Der Körper rechts, der Kopf links.

Das Geräusch ertönte noch einmal und sie hörte Wölfe aufheulen. Vorsichtig drehte sie den Kopf. Ihre Augen weiteten sich.

Da stand er. Hoch wie ein Turm ragte er auf, ein Leuchtturm, der Hoffnung versprach. Er war gekommen.

Ein letztes mal noch schnellte die helle Energiepeitsche vor und dann waren auch die letzten beiden Wölfe tot.

Für einen Moment schien die Zeit still zu stehen. Jaken fand als erster seine Sprach wieder:

„Oh, ehrwürdiger Sesshoumaru-sama, ihr seid tatsächlich gekommen um uns, eure treuen Ergebenen zu retten! Ich bin ja so gerührt! Natürlich habe ich keine Sekunde lang daran gezweifelt, im Gegensatz zu Rin...“ Dabei warf er ihr einen scharfen Blick zu.

Der Inuyoukai jedoch beachtete den kleinen Dämon jedoch nicht weiter – wenn man davon absah das er gezielt auf ihn drauftrat – sondern ging zu dem Reitdrachen Ah-Uhn hinüber und griff dessen Zügel.

Nun schien der unsichtbare Bann gebrochen und auch Rin rappelte sich freudestrahlend auf.

„Sesshoumaru-sama!“, rief sie freudig und stolperte auf ihn zu, um kurz vor ihm stehen zu bleiben.

„Ich freue mich so das ihr wieder da seid!“

Sesshoumaru schenkte ihr einen langen, beinahe nachdenklichen Blick. Dann aber schüttelte er leicht den Kopf, als wolle er einen lästigen Gedanken loswerden.

„Du bist verletzt. Setz dich.“, befahl er nur.

Rin gehorchte auf der Stelle.

Der Dämon löste eines seiner beiden Schwerter aus der Scheide. Rin hatte es ihn noch nie benutzen sehen.

Er hockte sich neben sie und legte die breite Seite der Waffe auf ihre Wunde. Voller Staunen bemerkte das Mädchen ein wunderschönes, helles Leuchten, das von der Berührungsstelle ausging und vergaß darüber sogar den Schmerz.

Nein, nicht vergessen, er war nicht mehr da, stellte sie fest, als Sesshoumaru-sama das Schwert zurück schob. Die Wunde war verschwunden!

„Oh, das ist aber ein tolles Schwert, Sesshoumaru-sama!“, rief sie aus. Ihr Retter stand auf und sie tat es ihm nach.

„Ah, Sesshoumaru-sama, eure Macht erstaunt mich immer wieder! Aber warum – wenn ich fragen darf – habt ihr Tensaigas heilende Kraft für dieses Mädchen benutzt?“ Auch wenn Tensaigas mächtigste Eigenschaft das Wiederbeleben von Lebewesen war, hatte es doch in erster Linie heilende Fähigkeiten.

„Es würde zu lange dauern Heilmittel zu besorgen...“, erwiderte Sesshoumaru nur.

„Oh, nun, wenn das so ist... Also, ich will mich ja nicht beklagen, aber bei meinen heldenhaften Versuchen Rin zu beschützten, habe ich mir auch einiges zugezogen und – Ah, Sesshoumaru-sama, wartet auf mich!“

Doch der Angesprochene hatte Rin bereits auf Ah-Uhn gesetzt und stieg nun selbst auf, woraufhin der Drache Anstalten machte loszufliegen und das ganze Blut zusammen mit Jaken hinter sich zu lassen.

Der Krötendämon bekam gerade noch den geschuppten Schwanz des Youkais zu fassen und verfluchte einmal mehr in stiller Resignation sein Schicksal.
 

~Tesaki~
 

Es war hell. Wirklich hell. Die Mittagsstunde war noch gar nicht so lange her und die Sonne stand hoch am Himmel. Ihre weichen Strahlen beleuchteten die Wälder. Sie wurden von dem silber glitzernen Wasser der Flüsse und Seen reflektiert und warfen bunte Schatten auf die Stämme der dickeren Bäume.

Die Natur war ein einzigartiges Kunstwerk. Voller Wunder und Schönheit. Wesen wie die Menschen oder Dämonen hatten es nicht verdient, sie bestaunen zu dürfen. Grausame Wesen, die diese Natur achtlos zerstörten. Aber Hanyou waren nicht anders... Tesaki bedauerte das sehr, aber auch er würde es sich nicht leisten können, Rücksicht auf die Pflanzen seiner Umgebung zu nehmen, wenn er in einen Kampf verwickelt werden würde. Er wusste und bedauerte es. Ob sich irgendeiner seiner Feinde jemals Gedanken darüber gemacht hatte? Wohl kaum.

Der kleine Halbdämon ließ seinen Blick über die Wipfel der Bäume gleiten, die unter ihm dahinzogen. Er war stolz darauf, hier oben sein zu können. Schon immer hatte er diese erste und einzige Beschwörung ausprobieren wollen, die ihm die Hikari no Youkai beigebracht hatten: den Feuervogel.

Gut, 'Feuer' passte nicht so recht, stellte Tesaki mit einem Blick auf das Geschöpf das ihn durch die Lüfte trug fest. Das Wesen bestand keineswegs aus Feuer. Es war aus reinem Licht, eine weiß leuchtende Gestalt, die körperlos schien. Fast sah es einem Schwan ähnlich, doch die Füße wirkten kräftiger. Ein Phönix... Ja, vielleicht traf es das am besten. Der Vogel war nicht aus Feuer, nicht einmal aus rötlichem Licht, und doch wurde er so genannt. Er war kein Lebewesen, nur ein Gebilde aus Licht, Youki und der ganz eigenen Magie, die man nur mit komplizierten Beschwörungen und Ritualen einsetzen konnte. Tesaki hatte von beidem mehr als genug gelesen und selbst ausprobiert. Der Feuervogel war eine einfache Form, doch wer nicht das Blut einem Lichtdämons in sich hatte, sollte einige Schwierigkeiten mit seiner Beschwörung haben.

Natürlich hatte das magische Juwel, dessen eine Hälfte Naraku-sama Tesaki überlassen hatten, auch seinen Teil beigetragen. Er brauchte die Formeln nicht extra aufsagen, es genügte sie zu denken und schon war der Vogel da. Es gelang ihm jetzt sogar bei Nacht.

Überhaupt hatte das Kleinod dem Hanyou sehr viel mehr Macht und auch Selbstvertrauen gegeben. Sein Meister hatte ihm ausführlich erklärt wie er es am besten benutzen konnte, auch wenn er ihm einen Großteil der Entscheidungen selbst überlassen hatte.

Sein jetziges Ziel war der Wolfsdämon Kouga und dessen beiden Splitter. Nun, jedenfalls offiziell. Tatsächlich aber war er sich nicht ganz sicher, ob er Narakus Befehl in dieser Hinsicht wirklich ausführen sollte. Sein halbdämonischer Retter war einfach wunderbar, ehrfurchtseinflößend, mitreißend, er war alles was ihn in den Augen des Jungen wie einen Gott erscheinen ließ – und doch hatte Tesaki eines gelernt, in Narakus Schloss: Sein Meister war nicht ohne Fehler.

Kagura hatte ihm viele Geschichten erzählt, die er zunächst alle als übertrieben abgetan hatte. Wie konnte der Schwarzhaarige so viel Pech haben, ein ums andere Mal zu scheitern!? Doch langsam waren da immer mehr Zweifel gewesen. Der Befehl, Inu Yasha entkommen zu lassen, hatte ihn skeptisch gemacht. Es war schlichtweg nicht vernünftig darauf zu vertrauen, dass ein Feind, und sei er auch noch so geschwächt, sich nicht doch noch erholen konnte. Seiner Meinung nach – wobei es überhaupt seltsam war, dass Tesaki eine eigene Meinung vertrat – war Naraku-sama da etwas zu selbstsicher und überschätzte seine Macht.

Der halbe Lichtdämon kannte all die Stärken und Schwächen des Anderen, nichts war ihm verborgen geblieben. Er hatte seinen Retter so gut wie möglich kennenlernen und verstehen wollen, und wann immer es ihm nicht ausdrücklich verboten worden war, hatte er Fragen gestellt, Gespräche belauscht, Dokumente heimlich geöffnet... Er wusste, wie man so etwas versteckte, sich nichts anmerken ließ. Wer Jahre lang in einem Keller eingesperrt Tränen und Demütigung vorgetäuscht hatte wo keine mehr war, weil schlicht sein Wille lange vorher gebrochen wurde, der wusste zu lügen und zu verheimlichen ohne rot zu werden. Nicht das er Naraku jemals angelogen hätte! Er wollte ihn doch nur besser kennenlernen... Und genau das hatte er.

Naraku-sama hatte Fehler in seinem Plan, Fehler, die er ausmerzen wollte. Er verließ sich zu sehr auf seine 'Glückssträne', wie er es nannte. Sicher, ihre Sterne schienen schon irgendwie günstig zu stehen, aber man musste doch immer alles im Auge behalten.

Tesaki hatte nicht vor, seinen Meister zu verraten. Warum sollte er? Er war ihm unheimlich dankbar, für alles was er für ihn getan hatte. Für die Macht, die er ihm durch das Juwel gegeben hatte, aber noch mehr für das große Vertrauen, das diese Geste bewies. Und dennoch hatte er dieses mal fest vor, den Befehlen des Schwarzhaarigen zu trotzen. Warum? Weil es das Beste für alle war. Weil sein Instinkt es ihm riet. Weil man manche Leute zu ihrem Glück zwingen musste.
 

Und statt Richtung Süden zu fliegen, wo die Saimyosho einen kleinen Wirbelwind gesichtet und ihm davon berichtet hatten, flog er nach Norden, wo die Hölleninsekten Inu Yasha zuletzt beobachtet hatten.
 

~Kikyou~
 

Als Kikyou in die von Kouga gewiesene Richtung ging, krampfte sich ihr Herz schmerzhaft zusammen. Sie wollte nicht glauben, was der Wolfsdämon ihr erzählt hatte. Nein, sie würde niemals mehr jemandem glauben, der schlecht von Inu Yasha sprach. Diesen Fehler hatte sie bereits einmal zu oft getan.

Sanft berührte einer ihrer Seelenfänger sie an der Schulter und sie sah ihn an. Stumm nickte die Priesterin, erkannte den leisen Hinweis.

Sie konnten nicht weiter. Ein Barriere trennte sie von ihrem Ziel, eine unsichtbare Wand, die die Seelenfänger nicht durchbrechen konnten. Nun wusste sie auch, wer dahinter steckte. Naraku hatte sie schon einmal entführt und sie eingesperrt. Sie war hilflos gewesen und hatte ich nicht bewegen können, weil ihre Helfer ihr keine Seelen mehr bringen konnten. Naja, jedenfalls hatte Naraku das geglaubt. Aber dieser Bannkreis war stärker als das letzte Mal. Damals hatte sie vorsorglich viele Seelen in ihrem Körper sammeln können und sich lediglich bewegungsunfähig gestellt. Aber wenn sie jetzt weiterging, würden die Seelen aus ihrem Körper fliehen. Nicht mehr als einige Schritte würde sie gehen können, bevor alle Kraft sie verließ. Naraku musste nun, da er das Juwel der vier Seelen fast vollständig beisammen hatte, auch größere Fähigkeiten was Bannkreise und Beschwörungen belang, erhalten haben. Das war bedenklich... Würde sie in diese offensichtliche Falle tappen, wäre sie absolut schutzlos.

Die einzige Frage die jetzt noch im Raum stand war die, ob Inu Yasha sich tatsächlich dort drüben befand, nur wenige Meter von ihr entfernt... Oder war alles falscher Alarm und sie war dabei, einer Illusion auf den Leim zu gehen? Aber nein, wenn dem so war hätte Naraku diese Falle nicht so offensichtlich gestellt.

Die Entscheidung wurde ihr jedoch je abgenommen, als sie ein winziges Blutrinnsal bemerkte, das sich seinen Weg zwischen de Blättern eines dichten Gebüschs hervor bahnte. Alle Zweifel waren mit einem mal wie fortgewischt, dort lag ganz bestimmt ein Verletzter, wenn nicht Toter und wenn sie Kouga – der sich recht überzeugend angehört hatte – Glauben schenken konnte, war es Inu Yasha. Inu Yasha...

Die aufgeregt umherfliegenden Seelenfänger beachtete Kikyou nicht mehr. Es war ihr egal, ob sie sterben würde. Denn wenn es stimmte, wenn Inu Yasha wirklich tot war, dann würde sie auf jeden Fall mit ihm gehen. Sie hatte es ihm versprochen... Was brachte ihr dann noch Rache? Das machte weder ihn noch sie selbst wieder lebendig.

Entschlossen straffte die Priesterin die Schultern und zog alle Seelen die die Dämonen um sie herum festhielten, in sich herein. Dann trat sie durch den Bannkreis, der sie, wie erwartet, durchließ. Kikyou würde nur nachsehen, und wenn er es nicht war wieder zurückgehen... Das sollte sie noch schaffen, sie war stark!

Fast sofort spürte sie, wie ihre Energie sie verließ. Das helle Licht von gut einem Dutzend Seelen die ihren Körper verlassen wollten, hüllte sie ein. Doch die Priesterin biss die Zähne zusammen und hielt sie fest, so fest sie nur konnte. Dennoch wurde sie immer schwächer, ihre Schritte waren nun stolpernd. Ein grässlicher Schmerz lähmte ihre Glieder, doch sie gab nicht auf.

Dann hatte sie das Gebüsch erreicht und somit auch die Person, die ein Stück weiter vorn an einem Baum zusammengesunken war. Inu Yasha.

Mit ihrer letzten Willenskraft schleppte sie sich vorwärts, bereits die Hälfte der Seelen hatte sie verlassen. Sie brach vor der Gestalt zusammen, sah in das Gesicht ihres Geliebten, welches schlafend wirkte.

„Inu... Yasha...“, hauchte sie kaum hörbar und legte ihre Hand an seine Wange. Er war es, kein Zweifel. Eine Spur getrockneten Blutes zog sich über seinen Mundwinkel zum Kinn hinab. Seine Hände und Füße lagen in großen Lachen seines Blutes und Kikyou konnte die Biss- und Kratzspuren an den Gelenken erkennen.

Kouga hatte die Wahrheit gesagt. Sie hatte dieses Mädchen, Kagome unterschätzt. Ihr Tod hatte den Halbdämon tatsächlich so sehr berührt, das er hatte sterben wollen. Mit ihr aber hatte er nicht in die Hölle gehen wollen...!

Aber ihre Eifersucht war jetzt nicht wichtig. Nur das sie hier war, zählte. Auch wenn Inu Yasha ihre Liebe verschmähte, so wollte sie sie ihm dennoch geben.

Kikyou spürte wie ihr falscher Körper schwer wurde und warf sich ihrem Hanyou in die Arme. Sie würde nicht sterben, wenn jetzt niemand kam, nein, sie konnte sich nur nicht bewegen. Genauso wenig wie er es konnte und so würden sie früher oder später beide gehen, gemeinsam, wie sie das immer gewollt hatte. War doch gut, oder? Nein, es war überhaupt nicht gut, es war schlecht, es war falsch. Freute sie sich etwa gerade wirklich, dass Inu Yasha in ihren Armen starb!? Was war nur aus der reinen, unschuldigen Miko geworden, die sie einst gewesen war!?

Kikyou war tot, sie wusste es, aber ihre Liebe lebte! Sie hatte nicht das Recht, der wichtigsten Person in ihrem Leben den Tod zu wünschen, nur um mit ihr vereint zu sein! Sie wusste doch, sein Leben war noch nicht vorbei... Er hatte Freunde gefunden, ganz allein, ohne ihre Hilfe. Er hatte sie verloren, ganz allein, ohne ihr Zutun... Nein, das war nicht richtig. Ihre Seele, wiedergeboren in Kagome, hatte ihm beigestanden. Doch jetzt war sie tot, ihre Seele, aufgeteilt auf zwei Körper, gehörte nun vollständig ins Totenreich. Es war leicht zu glauben, dass Inu Yasha nun ebenfalls mit ihnen gehen musste, jetzt, wo sie beide tot waren. Was lohnte sich das Leben für ihn, wenn er niemanden mehr hatte?

Und doch, es kam ihr falsch vor. Diese Entscheidung konnte sie nicht einfach so jetzt fällen... Wenn sie hier bei ihm blieb, würden sie beide sterben. Aber es gab eine Möglichkeit, das zu verhindern.

Kikyou drückte sich noch mehr gegen den Körper vor ihr und tatsächlich konnte sie, wenn auch nur sehr schwach, seinen Puls wahrnehmen. Inu Yasha war noch nicht tot, nein, wenn er auch auf dem besten Weg dorthin war. Aber sie könnte ihn zurückholen, sie könnte ihn noch retten... Wenn sie ihr eigenes, untotes Dasein dafür aufgab. Das war mit Sicherheit nicht das Problem, sie war ohnehin verloren. Aber... Wollte sie ihn wirklich retten? Den Mann, der sie betrogen hatte und mit einem anderen Mädchen umhergereist war? Der nicht mit ihr hatte sterben wollen, als sie es von ihm verlangt hatte? Der sich im Hass zu Naraku verloren hatte? Es wäre so viel einfacher, mit ihm zu gehen. Sich der Schwärze um sie herum hinzugeben...

Aber sie konnte nicht. Sie durfte nicht. Denn sie liebte Inu Yasha.
 

Vielleicht ist es niemandem aufgefallen, aber bisher hat Tesaki selbst in Gedanken an Narakus Namen ein -sama rangehängt. Das tut er jetzt nicht mehr - jedenfalls nicht immer

Gnade

8. Achtes Kapitel - Gnade
 

Meine Pfade fern eurer schwachen Gesetze

Gelenkt und gesegnet von dunkelster Macht

Mein Mitleid und mein menschlicheres Wesen

Bleiben zurück auf dem Weg in die Schlacht.
 

Aus: „Wolfsblut“ von Absurd
 

Tesaki beobachtete interessiert, wie die Miko trotz des Bannkreises ihren Weg fortsetze. Machte er ihr denn nichts aus? Nein, er hatte Naraku-samas Techniken studiert, ihre Schwächen gefunden und beseitigt. Nicht nur die Seelen, auch die Energie die Kikyou aus ihnen zog, müssten die Priesterin jetzt verlassen. Spürte sie es nicht? Das war unmöglich!

Die Frau schwanke, taumelte mehr das das sie ging. Warum kehrte sie nicht um? Tesaki hatte den Bannkreis um die Lichtung, auf der sich Inu Yasha befand, gelegt, um die Priesterin, die er gerade noch rechtzeitig entdeckt hatte, davon abzuhalten ihm zu helfen. Er hätte den Hanyou gerne vorher noch getötet und am besten noch gleich seine Leiche vernichtete, aber er war nicht schnell genug dort gewesen, zu abgelenkt von seinen Selbstzweifeln, weil der Narakus Befehl nicht befolgte.

Jetzt stand er vor einer schwierigen Wahl. Wenn er den Bannkreis betrat um Inu Yasha zu töten, bevor Kikyou ihm helfen konnte, würde die Miko das gefährliche Territorium vielleicht verlassen und gegen ihn kämpfen. Wenn er wartete, bestanden gute Chancen, dass die Priesterin selbst starb oder wenigstens kampfunfähig wurde. Nein, besser doch dann, wenn er der Frau den Weg abschnitt und sie beide auf einmal erledigte. Obwohl, hatte Naraku-sama nicht Kikyou als seine gefährlichste Gegnerin bezeichnet? Vielleicht sollte er dann doch warten?
 

Die Entscheidung wurde Tesaki jedoch je abgenommen, als ein weißes Licht zwischen den Baumwipfeln hindurch schien. Der kleine Hanyou, der auf einem breiten Ast hockte, riss erstaunt die Augen auf. Er spürte, wie das Licht förmlich in seinen Körper eindrang. Es war ein wunderbares Gefühl, das ihm Kraft und Hoffnung gab. Schon im hellen Schein der Sonne fühlte er sich als halber Lichtdämon sehr wohl, aber diese gleißende Helligkeit war anders. Sie war so...rein.

Als es vorbei war, konnte der Halbdämon kaum ein Geräusch mehr wahrnehmen. Es war windstill und die Tiere des Waldes schienen in Andacht zu schweigen. Selbst das elektrische Knistern, das verursacht wurde, wenn die Seelenfänger gegen die Barriere stießen, war nicht mehr zu hören. Es wurde jedoch kurz darauf von einem angenehmen, fast melodischem Raunen ersetzt. Kikyous ständige Begleiter entfernten sich.

Hieß das, die Miko war tot? Also, richtig tot jetzt? Aber der Bannkreis dürfte sie doch lediglich bewegungsunfähig machen.
 

Alarmiert stand Tesaki auf. Katzenhaft sprang er von dem Baum herunter und landete sicher. Vorsichtig schlich er durch das Unterholz, möglichst kein Geräusch verursachend. Er tastete sich an den Bäumen entlang und folgte dem Geruch des Blutes.

Bald hatte er den feindlichen Halbdämonen lokalisiert und beobachtete ihn, sicherheitshalber außer Sichtweite bleibend und hinter einem dichten Gebüsch geduckt. Die Miko war nirgendwo zu sehen.
 

Auf den ersten Blick sah Inu Yasha ziemlich... tot aus. Als der Junge jedoch genauer hinsah, erkannte er ein heftiges Zittern, das den Körper des Anderen durchlief.

Tesaki runzelte die Stirn und schob seine Hand in die Hosentasche. Seine Finger berührten die unregelmäßigen Kantender Bruchstelle eines runden Gegenstands. Das Juwel.

Vorsichtig ließ er etwas von der dunklen Energie in sich übergehen. Die Kraft des Kleinods war ein zweischneidiges Schwert. Nahm er zu viel,konnte er sie nicht beherrschen und verwandelte sich in einen besinnungslosen Dämon, der nur von dieser Energie und damit von Naraku befehligt wurde. Das war gewiss nicht weiter wild, hatte aber den unangenehmen Nebeneffekt, dass Naraku-sama von seinem Alleingang erfahren würde. Um das zu verhindern, durfte Tesaki nur einen geringen Teil der Energie nutzen.

Besonders viel brauchte er jetzt aber auch nicht. Er nutzte das Juwel der vier Seelen bewusst, um seine Sinne zu schärfen, besonders seine Augen. Mehr brauchte er im Moment nicht...
 

Tesaki wandte seine Aufmerksamkeit nun wieder Inu Yasha zu. Eine Vielzahl neuer Eindrücke strömte auf ihn ein. Der Geruch von Blut wurde übermächtig, aber er bemerkte auch einen anderen Duft, den er nicht genau zuordnen konnte. Vielleicht Kompost? Nun, auf jeden Fall etwas mit Erde. Eine andere Erde als die, die hier den Boden bildete, versteht sich.

Außerdem sah er auch viel mehr. Er konnte die Maserung auf den Flügeln einer Fliege erkennen, die am Rande einer Blutlache am anderen Ende der Lichtung hockte. Und er nahm jetzt ganz deutlich das Zittern des Weißhaarigen wahr, das Zucken seiner Glieder. Die Augenlider flatterten, die spitzen Fingernägel krallten sich in den blutgetränkten Boden

Wer war es noch mal gewesen, der den Hanyou so zugerichtet hatte? Naraku hatte erwähnt, der Halbdämon habe sich selbst aus Gram um den Verlust seiner Freunde umgebracht. Was sollte das heißen? War er unkonzentriert gewesen und einem Feind in die Hände gelaufen?

Doch die Art der Wunden an den Handgelenken des halben Inuyoukais widerlegten diese Theorie. So gezielt konnte niemand angreifen. Fast sah es so aus, als habe sich Inu Yasha seine Klauen selbst ins Fleisch geschlagen. Aber das war natürlich Unsinn. Oder?

Ein leises, für seine nun empfindsameren Ohren jedoch deutliches Stöhnen, riss ihn aus seinen Gedanken. Inu Yasha schwankte, kippte fast zur Seite. Seine Augen öffneten sich einen Spalt breit.

Tesaki stieß einen leisen Fluch aus und streckte seinen Arm aus. Er brauchte die Beschwörung nicht laut auszusprechen – was ein Glück war, da er sonst hätte bemerkt werden können. Ein Gedanke genügte und winzige Lichtfunken bildeten sich, während die Luft zu flimmern schien. Kleine, gelbe Sterne ballten sich zu einem festen Gebilde zusammen. Silberweißer Stahl reflektierte das Sonnenlicht und warf helle Flecken an die umstehenden Bäume. Der Griff der Waffe war mit weißem Ziegenleder umwickelt, das sich angenehm in seine Handfläche schmiegte. Die zweischneidige Klinge wirkte in der Mitte als hätte man sie eingeknickt, sodass sie die Form eines Blitzes annahm. Ob es nun ein recht langes Schwert oder eine zu kurz geratene Lanze war, ließ sich schwer sagen. Tesaki gefiel der Begriff 'Speer' am besten.
 

Der kleine Halbdämon wagte sich noch einen Schritt vor, während der Verletzte verwirrt blinzelte. Dann hob dieser die Hand zum Kopf, als hätte er dort große Schmerzen. Er murmelte etwas, doch selbst mit seinem übernatürlichen Gehör konnte der Junge nur die Worte 'Kagome' und 'alles meine Schuld' heraushören.

Dann plötzlich erstarrte Inu Yasha. Mit einem Mal war das Zittern verschwunden. Die Augen weit aufgerissen blickte er auf den Boden vor sich.

Stirnrunzelnd beobachtete Tesaki, wie der Andere seine Klauen in die Erde grub und diese entsetzt anstarrte.

Langsam, ganz langsam, ging dem Weißblondem ein Licht auf. Und das wörtlich. Diese gleißende Helligkeit, die ihn gerade eben noch mit einem wunderbarem Glücksgefühl erfüllt hatte, kam doch bestimmt von der Priesterin Kikyou. Konnte es etwa wirklich sein, dass die Miko tot war? Es würde alles erklären, diese merkwürdige Energie, die komisch riechende Erde und Inu Yashas seltsame Reaktion darauf.

...war das jetzt gut oder schlecht für ihn?

Kikyou, Narakus bisher größte Widersacherin, war tot. Also,richtig tot jetzt. Doch anscheinend hatte die Priesterin, wissend, dass sie innerhalb der Barriere ein leichtes Opfer war, ihr untotes Leben geopfert, um Inu Yasha zu retten.
 

Kurz spürte Tesaki in sich ein absurdes Aufflackern von Triumph. Er hatte Recht behalten! Es war klug gewesen hier her zu kommen und es war auch klug gewesen, den Bannkreis zu errichten. Vielleicht wäre Kikyou nicht so weit gegangen, wäre sie selbst nicht am Ende ihrer Kräfte gewesen. Dann wäre es nämlich darauf hinaus gelaufen, das die Priesterin und der Hanyou sich beide irgendwann putzmunter Naraku entgegengestellt hätten.

Sein Meister war zu siegessicher gewesen. Aber dafür hatte er ja ihn, Tesaki.

Und er würde jetzt auch gleich Inu Yasha für ihn töten, bevor der sich wieder richtig erholte.
 

Der junge Halbdämon wandte seinen Blick also wieder seinem Opfer zu. Ein wenig verwundert bemerkte er, dass dieses wieder angefangen hatte zu zittern.

„Kikyou...“, hörte er ihn flüstern, “Nein... Warum? Das darf nicht wahr sein! Kikyou!“

Der halbe Inuyoukai fiel vor dem Haufen Graberde auf die Knie und stützte sich mit einer Hand ab um nicht den halt zu verlieren. Dabei bemerkte er wohl, dass an seinen Handgelenken nicht länger die Biss- und Kratzspuren zu sehen waren.

„Kikyou... Hast du etwa... Für mich?!“ Doch die Vorstellung, dass seine Freundin ihm sein Leben gerettet, ja sogar neu geschenkt und selbst endlich ihren Frieden im Totenreich gefunden hatte, schien Inu Yasha nicht besonders fröhlich zu stimmen. Im Gegenteil, heiße Tränen liefen dem Halbdämonen nun über die Wangen und er schluchzte leise.

Das konnte Tesaki nun überhaupt nicht verstehen. Wieso freute er sich denn nicht, noch einmal mit heiler Haut davongekommen zu sein? Warum weinte er? Es war doch niemand in der Nähe, der sich an seinem Anblick erfreuen konnte. Gut, abgesehen von ihm selbst, aber von seiner Anwesenheit konnte Inu Yasha eigentlich nichts wissen. Oder?

Rasch überprüfte er die Gerüche um sich herum mit seinen durch das Juwel verstärkten Sinnen. Nein, er stand entgegen der Windrichtung. Das, und der Gestank des vielen Blutes sollten selbst das feine Riechorgan eines vollblütigen Dämons nutzlos machen.

Oder lag es an der Barriere? Tesaki konzentrierte sich kurz auf die Worte der magischen Beseitigung, welche den Bannkreis lösten. Diesen brauchte er jetzt, da Kikyou tot war, nicht mehr. Obwohl er seine Lippen bewegte, drang kein Wort über sie. Dank dem Juwel brauchte Tesaki die Beschwörung nur zu denken.

Inu Yasha konnte ihn unmöglich bemerkt haben und auch sonst war niemand hier. Warum also weinte er? Hatte er so große Schmerzen? Nun, das war dann aber nicht Tesakis Schuld. Er war es nicht gewesen, der ihn so zugerichtet hatte.

Doch sollte Kikyous Kraft ihn nicht geheilt haben?
 

„Kikyou… Ich konnte dich nicht beschützen! Nicht vor Naraku… und nicht vor mir selbst… Ich habe es nicht verdient, das du dein Leben für mich opferst!“, sagte der Halbdämon mit erstickter Stimme.

So ist das also, dachte sich Tesaki, er glaubt selbst, dass er nichts wert ist. Und diese Erkenntnis bringt ihn zum Weinen?

Nachdenklich betrachtete Narakus Diener den Weißhaarigen. Nein, das schienen ihm weniger tränen der Verzweiflung, sondern eher der Trauer zu sein. Aber Trauer? Um eine Untote?

Beflügelt von seinem beinahe wissenschaftlichen Interesse an seinem Artgenossen, hatte Tesaki ganz vergessen, dass er diesen eigentlich hatte töten wollen. Tatsächlich überlegte er für einen Moment, sich zu offenbaren und Inu Yasha einfach mal zu fragen. Aber das war natürlich Unsinn. Oder? Immerhin, niemand wusste doch, dass er für Naraku-sama arbeitete. Er könnte sich als Menschenjunge ausgeben und einfach… nein. Das war absurd und das wusste er. Mit einem Feind redete man doch nicht, jedenfalls nicht auf diese Weise.
 

Wieder sah er zu Inu Yasha und packte dabei den Griff seiner Waffe fester. Dieses Wesen, dieser Hanyou, er trauerte um einen Menschen. Dabei hatten die Menschen ihn doch sicher auch schlecht behandelt. Einfach, weil er zur Hälfte ein Dämon war. Warum sollte er das tun? Hatten die beiden einander so nahe gestanden? Sich vielleicht sogar geliebt? Ja… Kagura-san hatte doch einmal so etwas erwähnt, oder? Die beiden hatten sich geliebt. Kikyou hatte sich geopfert, weil sie wollte, dass Inu Yasha weiterlebte. Der wiederum war jetzt traurig, weil die Priesterin tot war. Vermutlich hätte er mit Freuden dasselbe für sie getan. Aus Liebe.
 

Tesaki fühlte einen schmerzhaften Stich in seinem Inneren. Obwohl sie beide Hanyou waren, waren Inu Yasha und er doch vollkommen verschieden. Der halbe Inuyoukai lebte, existierte nur, weil er geliebt wurde. Tesaki wurde nie geliebt. Er hatte nicht einmal so etwas wie Freunde.

Sein Lebenssinn hatte lange nur darin bestanden, anderen Leuten ein Ziel für ihren Hass zu liefern. So verschieden… Und dennoch fühlte Tesaki sich in diesem Moment dem todtraurigen Inu Yasha näher als seinem Meister, Naraku. Fast war er ein wenig neidisch… aber nur fast. Er wurde doch von seinem Meister geschätzt, hatte dessen Vertrauen. Das war mindestens genauso gut, wenn man bedachte, wohin Inu Yasha seine Liebe gebracht hatte: An den Rand des Abgrunds.

….Nein, wurde ihm plötzlich klar, das war eine Lüge, eine Illusion. Verglichen mit dem des Halbdämonen vor ihm, war Tesakis Leben einen Dreck wert. Dabei waren sie doch beide unter den gleichen Voraussetzungen geboren worden. Zur Welt gekommen als Missgeburt. Inu Yasha hatte etwas aus seinem Leben gemacht. Und was war mit ihm?
 

Nein, so durfte er nicht denken. Er hatte kein Mitleid! Und es war nicht ungerecht, was hier passierte! Naraku, der diese beiden Liebenden auseinander gerissen hatte, war nicht böse! Sonst hätte er ihn ja wohl kaum gerettet! Und das Kikyou jetzt tot war, war auch nicht seine Schuld! Sie hatte sich selbst umgebracht! Er konnte doch nichts dafür…!
 

Plötzlich spürte Tesaki, wie seine Augen feucht wurden. Wie warme tränen langsam über seien Wangen glitten. Tränen des Schmerzes. Tränen des Zweifels. Stand er wirklich… auf der richtigen Seite?

Nein, das war die falsche frage. In diesem Kampf gab es kein Gut und kein Böse, kein Richtig oder Falsch. Gerecht Entscheidungen traf nur der, der die Graustufen zwischen hell und Dunkel sah.

Die Ausrede der Bösen, die nicht böse sein wollten…
 

Tesaki stand auf. Sein Befehl war nicht, Inu Yasha zu töten. Kikyous Ableben würde seine Genesung ausgleichen. Naraku gegenüber würde er so tun, als wäre nichts gewesen.

Kouga war sein Auftrag, nicht dieser Hanyou. Und somit war es auch nicht seine Pflicht – auch wenn es seinen Prinzipien widersprach - ihn zu töten. Jedenfalls jetzt noch nicht. Wenn er Glück hatte, begriff Inu Yasha, dass es nichts als Verderben brachte, sich Naraku-sama in den Weg zu stellen. Das wäre in der tat das Beste.

Für heute würde er den Halbdämonen am Leben lassen. Naraku würde nichts von dem Vorfall erfahren… Ja, damit konnte Tesaki leben. Denn das war das Wichtigste für ihn, dass er niemals bewusst etwas tat, von dem er wusste, dass er es später bereuen würde.
 

~Kouga~
 

„Diese beiden Deppen! Wo zum Teufel haben sie sich verkrochen!?“, fluchte der schwarzhaarige Wolfsdämon und trat wütend gegen einen nahe stehenden Felsen, der daraufhin prompt in Stücke zerbrach und einen pochenden Schmerz im Fuß des Youkais hinterließ.

Es war aber auch eine verquerte Lage, in die Kouga da geraten war. Anscheinend waren Ginta und Hakkaku ihm nicht, wie üblich, gefolgt. Die Reste eines Lagerfeuers und andere Spuren deuteten viel mehr darauf hin, dass seine beiden Gefährten hier am Fluss ein Päuschen eingelegt hatten. Wie konnten sie es wagen!

Dummerweise schienen sie auch die Wölfe auf jagt geschickt zu haben, welche den Fluss an einer seichten Stelle überquert hatten. Ihr Geruch verlor sich im Wasser. Ob seine Freunde mit ihnen gegangen oder sie erst später verfolgt hatten, war ihm noch nicht ganz klar, doch auch die Dämonen hatten diesen Weg eingeschlagen, anstatt sich auf seine Fährte zu setzen. Und jetzt hatte er keine Ahnung wo die beiden waren… Schöne Scheiße.

War es denn für einen Anführer von seinen Untergebenen zu viel verlangt, dass sie einem gehorchten? Jetzt durfte er sich auch noch auf die Suche nach ihnen machen!
 

~Ginta&Hakkaku~
 

„Wo können sie nur sein?“, fragte sich Hakkaku laut und bog einen dicht belaubten Ast beiseite.

„Ich habe keine Ahnung… Die Wölfe entfernen sich normalerweise nicht so weit. Ist halt dumm, das sie durch den Fluss gegangen sind. Wir haben wohl ihre Spur verloren.“, erwiderte der andere Youkai.

„Vielleicht sind sie wirklich weit ausgeschwärmt, um eventuell doch einen Menschen zu finden.“, überlegte sein Freund.

„Hier in der Gegend gibt es kaum Dörfer. Wenn, dann haben sie einen Wanderer entdeckt. Riechst du irgendwo Menschen?“, meinte Ginta rhetorisch.

Hakkaku übersah den sarkastischen Tonfall geflissentlich und streckte die Nase in den Wind. „Nein… Aber, halt, was ist das?“

„Was?“

„Ist das… Ist das nicht…“ Hakkaku hielt inne und ging ein paar Schritte nach links.

„Verdammt, du hast recht, das riecht nach Blut!“, erwiderte Ginta und folgte ihm.

Beide Wolfsdämonen schlugen sich hartnäckig durch den Wald und beschleunigten ihr Tempo immer mehr.

„Das Blut… unserer Wölfe.“

Hakkaku schluckte. „Sag mal, hast du auch bemerkt, dass…“

„Ja, hab ich. Es sind nicht nur die Wölfe. Da ist auch ein Hauch von Hund… Inuyoukai.“

Beide sahen sich mit blassen Gesichtern an.
 

Den Rest des Weges setzten sie schweigend fort, aus Angst vor dem, was sie vorfinden würden. Keiner von ihnen bemerkte den großen, hellen Vogel, der – obgleich er die Sonne im Rücken hatte – keinen Schatten auf den Boden warf.
 

Als die beiden Dämonen den Quell des Geruches erreichten, offenbarte sich ihnen ein kleines Schlachtfeld. Alle fünf Wölfe lagen dort auf einer kleinen Lichtung, umgeben von dichtem Unterholz. Die Köpfe hier, die Körper weiter entfernt.

Der Boden war rutschig vom Blut und verdeckte fast vollkommen den Geruch des Hundedämons, des Menschenmädchens und der beiden niederen Youkai, die hier ihr Lager aufgeschlagen haben mussten.

Es war ein schreckliches Bild für die beiden Wolfsyoukai. Ihre tierischen Freunde hatten sie durch eine lange, und harte Zeit begleitet. Es waren die letzten Vierbeiner aus ihrem einst so großen Rudel gewesen. Mit ihnen und Kouga an ihrer Seite hatten Ginta und Hakkaku gegen Naraku und seine Abkömmlinge gekämpft… Gut, besonders viel hatten die Tiere natürlich nicht ausrichten können. Dennoch war allein ihre Anwesenheit schon moralische Unterstützung und Ansporn genug. Sie hätten nicht so sterben dürfen.

Hakkaku wischte sich einmal hastig über die Augen und tat so, als würde er eine der Leichen untersuchen, während er in Wahrheit seine Tränen verbergen wollte. Ginta ging es nicht anders, auch er war traurig über den Verlust ihrer Freunde. Sie waren mehr als nur Tiere gewesen, sie waren eine Art Markenzeichen. Die Wolfsdämonen, das waren keine gewöhnlichen Youkai. Sie zeichneten sich dadurch aus, dass sie, anders als viele andere Dämonen, im Rudel jagten und ein enges Verhältnis zu ihren Gefährten und mehr tierische Instinkte als ein normaler Youkai hatten. Am meisten aber erkannte man sie an den Wölfen, die ihre Gruppe immer begleiteten.

Nicht jeder Youkai in ihrem Rudel konnte sich in einen riesigen Wolf verwandeln. Um genau zu sein, vermochten dies die wenigsten Dämonen in ihrem Rudel. Ginta und Hakkaku gehörten nicht dazu, sie waren nicht einmal sicher ob Kouga es tat, denn es war unüblich und geschah nur in höchster Not. Einzig diesen Tieren hatten sie die Bezeichnung „Wolfdämonen“ zu verdanken. Ohne sie, waren sie nichts mehr. Nur drei einsame Dämonen, die sich etwas komisch kleideten und den Mond anheulten. Einsam… Sie waren nie einsam. Immer war jemand da, aber jetzt…
 

Plötzlich spürte Ginta ein merkwürdiges Prickeln im Nacken und fuhr herum. Überrascht weiteten sich seine Augen und er rief nach seinem Freund. Hakkaku trat neben ihn und auch er stutzte.

„Wer bist du?“, krächzte Hakkaku mit rauer Stimme und hoffte dabei inständig, dass man seinen Augen nicht ansah, das sie geweint hatten.

„Mein Name ist Tesaki.“, antwortete der Junge.

Ginta musterte ihn gleichermaßen verwirrt und misstrauisch. Seine Nase, die von dem Geruch des Blutes noch ganz betäubt war, erkannte nun, dass dieses Kind ein Halbdämon war. Was für einer, vermochte er nicht zu sagen, aber er sah nicht besonders gefährlich aus. Die Haare des Kleinen waren von einem sehr hellen, fast weißen Blond und seine Augen leuchteten in einem intensiven Blauton. Das Gesicht war blass und ebenmäßig. Die Kleidung des Hanyous war schwarz und lag eng an seinem Körper an, was ihm große Beweglichkeit verlieh. Im Grunde wirkte er harmlos... unschuldig, man könnte fast sagen rein. Dennoch war da etwas Seltsames an ihm. Die Art wie seine Augen wachsam hin und her huschten, sein sicherer Stand mit dem Rücken zum undurchdringlichen Dickicht und sein Blick...

Ginta starrte den fremden Jungen an. "Was machst du denn hier, Kleiner? Wo sind deine Eltern?"

Für einen kurzen Moment schien ehrliche Verblüffung über die sonst ausdruckslose Miene des Hanyous zu flackern.

"Warum willst du wissen, wo meine Eltern sind?", wollte der Blonde wissen.
 

"Hey Ginta, das ist doch ein Halbdämon! Zu dem ist sicher noch nie einer nett gewesen, deswegen reagiert er so komisch. Was meinst du?", flüsterte Hakkaku seinem Freund zu, nicht wissend, dass Tesaki ihn genau hören konnte.

"Mag sein, aber wir haben jetzt auch keine Zeit uns mit ihm zu befassen.", erwiderte der Wolfsdämon, "Wir müssen Kouga finden."

"Kouga...", wisperte der junge Hanyou auf einmal und die beiden Youkai sahen überrascht auf. Hatte der Kleine etwa ihr Gespräch belauscht?

"Ist das euer Anführer? Wo ist er denn?"

"Das... Das geht dich zwar nichts an, aber wir wissen es auch nicht.", antwortete Hakkaku. Langsam wurde ihm dieser Halbdämon, der so vollkommen normal mit ihnen redete, unheimlich.

"Hm... Wenn das seine Wölfe waren, wird ihr Blut ihn aber bestimmt bald anlocken.", meinte Tesaki, während er auf die Leichen deutete und plötzlich trat ein anderer Ausdruck in seine Augen.

Die beiden Youkai schluckten. Die Wölfe hatten ihnen wirklich viel bedeutet. Dieser Bengel... Wie konnte er so leicht von ihrem Tod daher reden? Verdammt, sie hatten gerade ihre besten Freunde verloren!
 

Der Junge streckte seinen Arm zur Seite aus. Ein Lichtblitz erschien an seiner Handfläche, zerfiel in helle Funken und setzte sich wieder zusammen.

Die Dämonen blinzelten mehrmals überrascht. Der Hanyou hielt auf einmal eine lange, gezackte Klinge in der Hand.

Das sah verdammt nach einer Beschwörung aus. Aber... Wieso konnte ein Halbdämon so etwas anwenden? Und das auch noch in so jungen Jahren? Selbst die meisten Youkai hatten damit Probleme!

"Aber ich denke...", flüsterte Tesaki, "Kouga wird sich noch viel mehr beeilen, wenn er auch euer Blut riecht."

Jetzt wurden die beiden Wolfsdämonen wütend. "Wie kannst du so etwas Taktloses sagen!? Du bist nur ein Hanyou, misch dich nicht in unsere Angelegenheiten ein!"

In dem Glauben, das Kind jetzt eingeschüchtert zu haben, verschränkten die beiden Freunde ihre Arme. Die Reaktion des Hanyous fiel jedoch anders aus als erwartet: Er lächelte.

"Ihr irrt euch... Dies ist ein Kampf zwischen Halbdämonen. Und wir werden gewinnen! Ihr seid es, die sich nicht einmischen sollten."

Ginta und Hakkaku warfen sich verwirrte Blicke zu. Wovon sprach er denn jetzt?

"Aber leider habt ihr das bereits getan. Es tut mir Leid, aber ich muss meine Loyalität gegenüber Naraku-sama beweisen."

Entsetzt rissen die beiden die Augen auf und wichen einen Schritt zurück. Naraku!? Dieser Bengel gehörte zu Naraku!? Das rückte ihn in ein vollkommen neues Licht.
 

Tesaki stand lächelnd da, eine Hand in der Hosentasche vergraben, die andere richtete die Klinge auf sie.

"Du willst also gegen uns kämpfen, ja?", fragte Ginta.

Der Angesprochene schüttelte den Kopf. "Eigentlich nicht, ihr steht nicht auf meiner Liste. Aber es scheint so, als käme ich nicht drum herum."

"Okay, das reicht jetzt aber! Komm, Ginta, dieses Halbblut machen wir fertig!", rief Hakkaku wütend. Sein Freund nickte grimmig und beide traten einen Schritt zurück.
 

Tesaki setzte sich als Erster in Bewegung. Er stieß sich kräftig vom Boden ab und landete an einer Astgabel eines hohen Baumes. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Er wirte entschlossen und bereit zu töten.

Obwohl die Wolfsdämonen gesehen hatten, dass seine Fingernägel glatt und ohne Krallen waren, wurden sie nun überrascht: Einer Fliege gleich hockte Tesaki senkrecht mit dem Kopf nach unten und sie musternd, hoch über ihnen an dem breiten Stamm. Er musste seine stumpfen Finger mit einer enormen Kraft in das Holz gerammt haben, genau wie seine Füße. Die Klinge hatte er - wann, konnten die Youkai nicht sagen - aus der Hand gewechselt und hielt sie jetzt mit den Zähnen fest.
 

Wieder sprang der Hanyou ab und kurz konnte man die vier tiefen Einkerbungen im Holz des Baumes sehen, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Angreifer selbst lenken mussten. Dieser griff jetzt von oben an. Einem Wurfgeschoss gleich kam er rasend schnell auf sie zu. Völlig überrumpelt von dieser unerwartet direkten Attacke, stolperten die beiden Wolfsdämonen auseinander. Tesaki traf so keinen der beiden, sondern schlitterte über den blutgetränkten Boden. Er ließ es jedoch nicht dabei bewenden, nahm seinen Speer wieder in die Hand und rannte nun gezielt auf Hakkaku zu. Dieser bereute nun seine vorschnelle Drohung und wollte erneut ausweichen, aber das ließ der Junge nicht zu. Da er so klein war, hieb er nach den Beinen des anderen.

Hakkaku verlor auf dem rutschigen Untergrund den Halt und fiel hin.

Der Halbdämon hob den Speer und der Youkai dachte schon, es sei um ihn geschehen. Doch sein Gegner zielte nicht auf ihn. Er fuhr mit einer blitzschnellen Bewegung herum und rammte seinen Speer nach hinten.

Dort hatte sich nämlich Ginta postiert um seinem Freund das Leben zu retten. Seine Augenbrauen hatten sich wütend zusammengezogen. Er hatte mit seiner Hand nach Tesaki geschlagen, doch diese sah nicht mehr wie eine Hand aus. Die Haut war mit dichtem Fell überzogen und die Finger waren zu spitzen, mit Sicherheit tödlichen Krallen geworden.

Ginta grinste und entblößte dabei außergewöhnlich scharfe Zähne. "Ha, hast wohl gedacht, wir wären so einfach zu besiegen, was? Wir mögen nicht die Stärksten sein und wir sind vielleicht auch nicht besonders mutig... Aber trotz allem sind wir noch Wolfsdämonen und als solche nicht vollkommen hilflos!"

Der Junge jedoch zeigte sich davon wenig beeindruckt. Die Stelle, an der die Klinge seines Speers wie eingeknickt wirkte, hielt ihm Gintas halb verwandelten Arm sicher vom Leib und verhinderte gleichzeitig, dass er ihn zurückziehen konnte.

Hakkaku hatte sich inzwischen von dem Schock erholt und war dabei, sich aufzurappeln. Tesaki bemerkte wohl, dass sie ihn gleich in der Zange haben würden. So stieß er Ginta kräftig von sich und sprang selbst ein paar Meter zurück, an den Rand der Lichtung.

Beide Youkai gingen jetzt in Kampfstellung und aus ihren Kehlen drang ein bedrohliches Knurren. Immer hatten sie sich von Kouga beschützen lassen, immer standen sie in seinem Schatten. Aber jetzt war er nicht da, er war weit weg und sie waren auf sich allein gestellt. Weglaufen? Das wäre eine Möglichkeit. Aber vor einem Hanyou flüchten, nein, das ging dann doch zu sehr gegen ihren Stolz. Auch wenn sie gesehen hatten, wozu ein Halbdämon wie Inu Yasha fähig war. Sie konnte sich jetzt nicht einfach aus dem Staub machen.

Beide wussten, Tesaki konnte nichts mit dem Tod ihrer Wölfe zu tun haben. Dennoch, sie waren getötet worden und das machte sie wütend und rachsüchtig. Es passte ihnen eigentlich recht gut, sich jetzt ein wenig abreagieren zu können.

Außerdem war dies ein Verbündeter Narakus. Wenn sie ihn besiegten, würden sie wenigstens ein klein wenig für die Rache am Rest ihres Rudels beitragen können. Sie waren nicht so schwach wie alle glaubten!
 

Das Kind hob erneut seinen Speer. Diesmal aber schwang er ihn in einer weiten Bewegung. Das Metall begann zu leuchten und eine Salve länglicher, fast nadelartiger Lichtstrahlen schoss auf die beiden Youkai zu.

Die Wolfsdämonen hatten keine Ahnung was dies für eine Attacke war, aber es war sicher besser, sich nicht davon treffen zu lassen. Sie wichen noch weiter in die Mitte der Lichtung zurück und duckten sich unter den Lichtstrahlen hindurch.

"Was, mehr kannst du nicht?", fragte Ginta und bemühte sich, möglichst höhnisch zu klingen. Langsam begann sich auch sein zweiter Arm zu verwandeln. Auch Hakkaku wandte nun sein Youki an. Sein Kopf wurde länglich, Fell spross aus seiner Haut und schließlich verwandelte sich sein ganzer Kopf in den eines Wolfes. Er bleckte drohend seine scharfen Reißzähne.
 

"Das Blatt wendet sich! Jetzt kommt unsere Chance!", riefen die beiden synchron.

Tesaki senkte den Kopf. "Tut mir Leid, aber... Das war sie gerade!"
 

Und mit einer weiten Bewegung holte er erneut aus, diesmal jedoch warf er den Speer von sich.

Die Klinge rammte sich nur Zentimeter von den beiden Youkai entfernt in den Boden.

Hakkaku, in dessen wölfischen Augen für einen kurzen Augenblick doch Angst aufgeflackert war, lachte laut auf: "Was denn, nicht mal treffen kannst du?"

Tesaki ging nicht darauf ein, sondern faltete die Hände zusammen und verbeugte sich kurz. "Friede eurer Seele."

"Was...?"

Erst jetzt bemerkten sie, das der Stahl der Klinge noch immer glühte. Blaue Blitze knisterten um ihn herum, verliefen zur Erde und breiteten sich aus. Plötzlich spürten die Youkai einen grässlichen Schmerz. Die Blitze hatten sie erfasst und grausige Stromschläge erschütterten sie wieder und wieder. Ihre Gliedmaßen zuckten und hässliche Brandflecken breiteten sich auf ihrer Haut aus. Sie waren völlig bewegungsunfähig, konnten nicht einmal mehr den Mund öffnen um zu schreien.
 

Als das bläuliche Licht langsam erlosch, fielen die beiden Youkai wie Statuen auf den Boden. Ihre Gesichter zeigten pures Entsetzen, doch abgesehen von ein paar harmlosen Verbrennungen schienen sie nahezu unverletzt.
 

Tesaki trat langsam an die beiden Wolfsdämonen heran. Sie hatten sich sicher gewähnt, weil sein Speer, den er mit einer Mischung aus der Kraft des Juwels und seiner eigenen, elektrisch aufgeladen hatte, sie verfehlte. Aber es war überhaupt nicht nötig gewesen, sie zu treffen. Der Boden ringsum war über und über mit dem Blut der Wölfe bedeckt. Dieses bestand fast nur aus Wasser und einigen Salzen und das wiederum leitete den Strom sehr gut.

Die vorangegangene Attacke des Hanyous war vollkommen ungefährlich gewesen. Die Lichtstrahlen, die er mit seinem Speer erzeugt hatte, waren eben nur das gewesen - Lichtstrahlen. Auch damit hatte er seine Gegner nicht treffen, sondern lediglich weiter in die Mitte der Lichtung drängen wollen, wo am meisten Blut lag.

Die beiden Wolfsdämonen hatten von Anfang an kein Chance gegen ihn gehabt. Und jetzt waren sie tot.

Zersplittert

9. Neuntes Kapitel - Zersplittert
 

Welt aus Scherben

Leben aus Glas

Fallengelassen

Nur so aus Spaß
 

Aus: „Narbe" von Jack Slater
 

~Naraku~
 

Naraku verfluchte zum wiederholtem Male Kannas Tod. Jetzt hätte er sie gut gebrauchen können. Sie, und ihren Spiegel, mit dem er selbst weit entfernte Personen beobachten konnte. Mit dem er nun Tesaki hätte beobachten können.

Dabei war ihm sein Plan so gut erschienen... Der Hanyou, zu schwach sich zu widersetzen, wäre vollkommen mit seiner dunklen Energie, die in dem Juwel ruhte, ausgefüllt, sobald er dieses das erste mal benutzte. Er wäre dank seiner Hälfte des Juwels in der Lage, die Geschehnisse durch Tesakis Augen zu sehen und ihn praktisch fernzusteuern.. Ein todsicherer Plan. Der nur eine Lücke hatte: Der Junge benutzte das Juwel nicht.

Er hatte nur zwei mal ganz kurz nach der Energie gegriffen, dabei aber nur so wenig verwendet, dass es ihn kaum veränderte. Viel zu wenig, als dass das dunkle Youki ihn übernehmen könnte.
 

Naraku hätte damit gerechnet, dass der Halbdämon, der immer zu schwach gewesen war und sich herum schubsen ließ, der erst durch ihn ansatzweise mitbekam, was wahre Stärke überhaupt bedeutete... Er hätte damit gerechnet, dass der Hanyou sofort alle Kraft in sich aufnahm. Das ihm nach Stärke, nach Macht verlangte. Er selbst hätte es nicht anders getan.

So aber hatte er keinerlei Möglichkeit, Tesaki zu überwachen. Ob der Kleine das geplant hatte? Nein... unwahrscheinlich.

Aber die Variante war, das er ohne nennenswerte Steigerung seiner Fähigkeiten gegen einen Gegner wie Kouga angetreten war. Doch gegen den Wolfsdämon sollte Tesaki so nicht gewinnen können.

Hatte er mit der Energie lediglich herum experimentiert? War es noch gar nicht zum Kampf gekommen? Dann war es vielleicht noch nicht zu spät... Er könnte sich selbst auf den Weg machen und den Kampf beobachten, gegebenenfalls eingreifen. Unvorteilhaft nur, das man ihn sicher bemerken würde. Noch hatte er nicht vor, sich auf einen finalen Kampf einzulassen. Aber... Da gab es ja auch noch andere Möglichkeiten.
 

~Tesaki~
 

Stille.

Das kann ein Geschenk Gottes sein. Ruhe, Frieden, überall.

Mit Frieden war auf der Lichtung, tief im Wald aber nicht besonders viel los, zu sehr störte das viele Blut das Bild. Außerdem lag ein stechender Geruch nach Feuer in der Luft. Aber still war es trotzdem.

Doch es war keine erholsame Ruhe, nicht einmal eine angenehme. Nein, viel schlimmer: Es war langweilig.

Tesaki hatte selten in seinem Leben Langeweile verspürt. Wenn es ruhig und er allein war, war er immer froh gewesen, denn das bedeutete: keine Schmerzen. Bei Naraku-sama hatte er immer trainiert oder gelernt. Keine Zeit für Langeweile. Aber jetzt, wo er nichts weiter zu tun hatte, als auf Kouga zu warten, wurde ihm erst richtig die Bedeutung dieses Wortes bewusst. Zu sagen, es würde ihm nicht gefallen, wäre eine Untertreibung gewesen.

Dies war wohl einer der wenigen Augenblicke, in denen er wirklich noch fühlte wie das Kind, das er war. Warum brauchte Kouga denn so lange?! Hier stank verdammt noch mal alles nach seinen toten Freunden und dem Blut der Wölfe! Na gut, er hatte die sterblichen Überreste der beiden Wolfsdämonen bis zur Unkenntlichkeit verbrannt - er hatte sich nämlich erinnert, dass Kaede von einem Mittel gewusst hatte, mit dem man Tote wieder erwecken konnte. Ein Mittel, das Narakus, und damit seine Feinde besaßen. Also, lieber vorsichtig sein. Trotzdem, sollte der Youkai nicht langsam -

Tesaki wandte den Kopf so schnell herum, dass sein Nacken ein unheilverkündenes Knacken von sich gab. Rasch erhob er sich, sodass er aufrecht auf dem dicken Ast stand, der ihm, gut zehn Meter über dem Erdboden, als Aussichtspunkt gedient hatte. Die mit Blut behaftete Klinge seines Speers lässig zu Boden gerichtet, sah er Richtung Osten. Langsam schob er die Hand in seine Hosentasche und berührte das Juwel. Wieder durchströmte ihn die mittlerweile gewohnte Energie und er lenkte sie bewusst zu seiner Nase und den Ohren, um seine Sinne zu verfeinern. Tesaki hatte in der Zeit, die er in den Kerkern der Hikari no Youkai hatte verbringen müssen, gelernt, die Aura herannahender Personen zu spüren. Nun glaubte er, Naraku wahrzunehmen, doch er wollte es sicherhaltshalber noch einmal überprüfen.

Tatsächlich, das war der Geruch seines Meisters. Aber etwas war anders... Merkwürdig, war das wirklich Naraku? Seine Nase bejahte die unausgesprochene Frage, doch sein Gespür zweifelte.
 

Plötzlich verdunkelte sich der Himmel. Schwarze Schlieren zogen darüber hinweg und ballten sich über der Lichtung zusammen. Miasma!, erkannte Tesaki.

Die hässliche Masse verdichtete sich weiter, bis sich schließlich menschliche Züge herausbildeten. Und auf einmal stand er da, sein Meister, auf einem Ast ihm gleich gegenüber. Er trug eine Art weißen Pelz und sein Gesicht war von einer Pavianmaske verdeckt, aber er erkannte ihn.

Dennoch, etwas war anders. Tesaki hatte viel davon gelesen und damit gearbeitet - er erkannte eine Beschwörung, wenn er einer gegenüber stand. Dieser Naraku war nicht echt... eine Täuschung? Eine Falle? Nein... Eine Marionette!, wurde ihm dann bewusst.

Seltsam, er hatte gar nicht gewusst, dass sein Meister solche Techniken verwendete. Oder sollte er das vielleicht gar nicht wissen? Nun, im Grunde war es egal, Naraku hatte sicher viele Techniken drauf und es war klar, dass Tesaki nicht über alle Bescheid wissen konnte. Es lief beides auf's selbe hinaus: Er würde einfach so tun, als bemerke er nichts.
 

Als Naraku seine Maske abnahm, verbeugte sich der Hanyou vor ihm.

"Tesaki, was sitzt du hier so untätig herum? Hattest du nicht einen Auftrag?", fragte der falsche Naraku.

"Meister, verzeiht mir. Ihr habt natürlich recht. Doch ich weiß leider nicht, wo sich Kouga befindet. Deswegen tötete ich seine Freunde, in der Hoffnung, ihr Blut würde ihn anlocken. Bisher hat sich jedoch noch nichts getan.", erwiderte er.

Naraku warf einen Blick auf die grausam verstümmelten Leichen. "Scheint mir eher so, als hättest du mit deinen Opfern vorher noch... ein wenig Spaß gehabt." Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Das gefällt mir. Auch wenn es jetzt unangebracht ist."

Tesaki verbarg seine Verwirrung. Spaß? Er hatte keinen Spaß gehabt. Ihm war langweilig gewesen!

"Wie auch immer, du solltest dich nicht mit den kleinen Fischen aufhalten. Wenn Kouga nicht zu dir kommt, gehst du eben zu ihm. Wenn du ihn suchst, wirst du schneller Erfolg haben, als wenn du hier untätig sitzen bleibst.", befahl Naraku unwirsch.
 

Tesaki war da allerdings anderer Meinung. Er hatte hier lange gewartet, ja, aber er war sich auch ziemlich sicher, dass der Wolfsdämon hier bald auftauchen würde. Erst recht jetzt, da Narakus Geruch auch noch hier war. Nun zu gehen, so kurz vor dem Ziel, erschien ihm unvernünftig.

Doch als der kleine Halbdämon in die kalten Augen seines Meisters sah, wusste er, dass Widerspruch keinen Zweck hatte. In dem Blick des Schwarzhaarigen lag etwas, das man mit gutem Gewissen 'Wahnsinn' nennen konnte. Tesaki nahm dies als eine Tatsache wahr, es störte ihn nicht. Im Gegenteil. Musste man nicht als Hanyou eine Spur verrückt sein, um das zu wagen, was noch keiner schaffte? Sie hatten es nicht leicht, im Leben. Musste man da nicht der Wirklichkeit entfliehen, um glücklich zu werden?

Auf einmal empfand Tesaki fast so etwas wie Mitleid mit seinen Meister. Er wusste, es war absurd. Wie konnte er jemanden bedauern, der von sich selbst glaubte, ihm ginge es so gut?
 

Er musste nachsichtig mit seinem Meister sein. Vielleicht steckte ein noch höherer Plan hinter diesem Befehl? Er konnte einen solchen nicht erkennen, doch selbst wenn das nicht der Fall war, würde er ihn ausführen. Er musste Naraku-sama dazu bringen, nicht nur in ihn, als Diener, sondern auch in seine Fähigkeiten zu vertrauen. Vielleicht konnte er dann das Ruder seiner Aktivitäten irgendwann ganz in die Hand nehmen. Er würde Möglichkeiten finden, seine Feinde zu eliminieren, ohne sie töten oder ihnen anderen Schaden zufügen zu müssen. Wenn Naraku die Welt beherrschen wollte, musste er sie dazu doch nicht erst zerstören um sich an die Spitze setzen zu können. Er könnte es doch auch friedlich machen...

Aber bis Tesaki solch einen Vorschlag überhaupt aussprechen konnte, musste er erst einmal beweisen, dass er nicht nur aus Angst besiegt zu werden so handelte. Das er nicht weich, nicht schwach war. Er könnte Naraku vielleicht verändern, ihm so etwas wie Gnade und Mitleid beibringen.

Aber erst, wenn seine größten Feinde tot waren. Erst, wenn er bewiesen hatte, dass er ihm treu war, nur das Beste für ihn wollte. Kouga musste sterben, genau wie Inu Yasha und dessen Bruder Sesshoumaru. Erst dann konnte Tesaki sich Naraku widmen.
 

Ohne sich seine Gedanken anmerken zu lassen, verbeugte sich der Hanyou vor seinem Meister. "Ich werde tun, was immer ihr befehlt."

Naraku nickte zufrieden und vor seinen Augen verschwammen seine Züge, bis er sich wieder als eine Masse Miasma über den Wipfeln der Bäume zusammenbraute. Ein kleiner Schwarm Saimyosho löste sich aus den schwarzen Schlieren und schwirrte zu ihm herab. Tesaki wusste, ab jetzt wurde er beobachtet.

~Inu Yasha~
 

Kikyou... Sango, Miroku... Shippou...Kagome...

Er war nicht mit ihnen gegangen. War immer zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und hatte sie nicht retten können. Hatte ihren Tod selbst zu verschulden.

Doch es war nicht alles Zufall gewesen. Diese Pläne waren auf andere Art durchdacht als sonst immer... Er hatte einen neuen Feind. Ein Feind, der nicht mir roher Gewalt, sondern mit seinem Verstand kämpfte.

War er gezielt ausgelassen worden? Hatte man ihm mit dem Verlust seine Freunde quälen wollen?

Aber da hatte er sich verrechnet.

Ja, es stimmte, er hatte bereits am Abgrund gestanden. Er war bereits gesprungen. Doch der Aufprall war ausgeblieben.

Was war das für eine Ironie? Er hatte Kikyou retten wollen und nun hatte sie ihn gerettet. Sie hatte ihn aufgefangen, ihn zurückgeholt, und dabei ihr eigenes Leben gegeben.

Seine Zeit war noch nicht gekommen. Kikyou hatte gewollt, dass er weiterlebte. Sicher würden auch seine Freunde von ihm erwarten, dass er weitermachte. Dass er kämpfte, dass er siegte und dass er sie rächte.

Ja... und jetzt hatte er endlich auch wieder die Stärke dazu gefunden.

Seine Aufgabe war noch nicht zu ende. Nicht bis Naraku endgültig tot war und das Juwel keinen Schaden mehr anrichten konnte.
 

„Kikyou... Ich danke dir. Ich habe... Es jetzt verstanden. Dein Opfer wird nicht umsonst gewesen sein.“
 

~Kouga~
 

Mit weit aufgerissenen Augen starrte Kouga auf die Blutlachen hinab. Seine Hände zitterten.

Er hatte es gerochen. Geahnt. Gewusst. Aber er hatte nicht damit gerechnet.

Er hatte sich geschworen, dass so etwas nie wieder passieren würde. Damals, als Kagura seine Sippe fast vollständig ausgelöscht hatte. Es grauenvoll gewesen. All die Leichen... Sein Rudel, seine Heimat, seine Familie und Freunde...

Einzig Ginta und Hakkaku waren ihm geblieben.

Kouga hatte sich selbst versprochen, dass ihnen nichts geschehen würde. Wenn es gefährlich wurde, ging er einfach schon vor oder befahl ihnen sich zurückzuhalten. Immer hatte er darauf geachtet, dass ihnen nichts passierte.

Doch jetzt hatte er auch seine beiden letzten Freunde verloren.

Und diesmal kannte er nicht einmal ihren Mörder, denn auch wenn Narakus Geruch zweifellos in der Luft hing, war da noch eine andere, ihm vollkommen unbekannte Note. Sie war kaum wahrzunehmen und es mochte Zufall sein, sie war auch stark überdeckt von all den anderen Gerüchen... Aber hier war definitiv noch eine zweite Person gewesen.
 

Kouga sah auf die grausam verstümmelten Leichen seiner Freunde hinunter und blanker Hass stieg in ihm auf. Hass auf die Person, die ihnen das angetan hatte.

Diesmal sollte ihm die Rache sicher sein. Niemand sollte dazwischen kommen...
 

Aber er war auch nicht dumm. Er hatte nicht vor, sein Leben leichtfertig auf's Spiel zu setzen. Diesmal würde er die Sache anders angehen..

Er brauchte einen Plan. Und er brauchte Verbündete.

Doch wer würde ihm helfen, im Kampf gegen Naraku? Wer war mutig genug? Auf andere Wolfsrudel konnte er dabei nicht zählen. Es kam nicht infrage, dass er, als Anführer, bei den Obersten angekrochen kam und um Hilfe bat. Sie würden ihn nur auslachen. Vielleicht würde Ayames Rudel ihm zur Seite stehen, doch dies auch nur wenn er sie im Gegenzug zur Frau nahm. Nein, die junge Wolfsdämonin konnte er nicht mit hinein ziehen.

...dann wäre da einzig noch Inu Yasha. Doch auch ihn konnte er nicht fragen. Der war mit Sicherheit schon tot. Sein Bruder Sesshoumaru würde sich von Kouga bestimmt nicht helfen lassen, und umgekehrt noch viel weniger.

Aber hier ging es um alles...Wenn sie ihren gemeinsamen Feind besiegen wollten, dann mussten sie über ihren Schatten springen und zusammenarbeiten.

Inu Yasha war es gewesen, der seine geliebte Kagome umgebracht hatte. Doch es war Narakus Schuld, durch ihn waren auch seine beiden letzten Gefährten gestorben. Ja, Kouga wäre bereit mit seinem ehemaligen Rivalen zusammenzuarbeiten, um diesen Teufel zu besiegen. Sogar den hochnäsigen Inuyoukai könnte er ertragen. Aber dieser würde sich bestimmt nicht mit ihnen abgeben. Er hatte nicht das durchlitten, was Kouga und Inu Yasha erfahren hatten. Seine Freunde – soweit er überhaupt welche hatte – lebten schließlich noch.

Aber er musste es versuchen. Der weißhaarige Halbdämon gehörte zu diesen Personen, die sich immer wieder aufrappelten. Er traute es ihm zu, dass er überlebt hatte. Gemeinsam könnten sie vielleicht Sesshoumaru dazu bewegen ihnen zu helfen. Wenn sie alle – Narakus größte Feinde – zusammen hielten, dann mussten sie einfach gewinnen.

Und konnten ihre Freunde rächen.
 

~Inu Yasha~
 

„....mach dich nicht lustig über mich.“

„Wieso lustig? Ich meine das ernst! Glaubst du ich scherze, wenn es um den Tod meiner Freunde geht!? Ich will Naraku tot sehen! Aber ich bin schon so lange hinter ihm her und der Kerl läuft immer noch frei herum! Du magst nur ein Schwächling sein, aber wie es aussieht, hast du Angriffe von Naraku, mir und Sesshoumaru überstanden. Das hatte ich, ehrlich gesagt, nicht erwartet.“

„Was bildest du dir eigentlich ein!? Erst willst du mich umbringen, und jetzt auf einmal mit mir zusammenarbeiten!?“

„Glaubst du, das ist leicht für mich!? Du hast Kagome umgebracht! Das werde ich dir nie verzeihen, egal was passiert. Aber es ist deine Pflicht, Rache an Naraku zu verüben. Sobald er besiegt ist, sind wir wieder Feinde.“

„Aber warum willst du dann auch Sesshoumaru mit ins Boot holen? Der hilft uns nie!“

„Er hat dich verschont, oder? Ich glaube nicht, dass er sich an uns die Hände schmutzig machen wird, bis Naraku tot ist. Wir können einfach in seiner Nähe bleiben. Wenn wir das nächste mal angegriffen werden, schlagen wir gemeinsam mit Sesshoumaru zurück, ob er das will oder nicht.“
 

Das hatte Kouga gesagt. Tatsächlich schien es ihm sehr schwer zu fallen, ihn darum zu beten. Wer konnte es ihm verübeln?

Doch Inu Yasha glaubte nicht an diesen Plan. Sesshoumaru würde sich ihnen nie anschließen.

Aber sein Ziel war dasselbe wie Kougas – und der Wolfsdämon war Narakus Ziel. Die letzten beiden Splitter des Juwels – das war es, was ihr Feind wollte. Bei ihnen würde er als nächstes auftauchen und Inu Yasha wollte dabei sein. Er wollte Rache nehmen für all seine Freunde. Ja, und vielleicht... Vielleicht wollte er ein Stück weit sogar Kouga beschützen, den letzten, der ihn noch an diese schöne Zeit mit Kagome, Sango und Miroku erinnerte.

Und jetzt war er also zusammen mit dem Wolfsdämon auf dem Weg nach Westen, in welchem der Geruch seines Halbbruders verschwand.

Hoffnung... Er hatte geglaubt, sie bereits verloren zu haben. Doch nun schien sich doch noch einmal eine Chance für ihn aufzutun...
 

~Tesaki~
 

Ungeduldig kaute Tesaki auf einem Stängel Bittergras herum. Er hockte hoch im Wipfel einer Tanne und sah zum Himmel hinauf."Verdammt!", murmelte er leise. Eigentlich war es nicht seine Art, zu fluchen, aber ihm war halt gerade danach. Und wer beobachtete ihn schon, außer den Saimyoshi?

Sein Blick wanderte nach unten und folgte den Schatten der Bäume. Bald war es Mittag. Dann hatte die Sonne ihren höchsten Stand erreicht und er den Höhepunkt seiner Macht.

Zwei Tage war es her, dass er die beiden Wolfsdämonen getötet hatte. Er hatte Naraku gewarnt! Es war dumm gewesen, abzuhauen! Jetzt saß er hier fest. Deutlich nahm er den Geruch von Inuyoukai wahr. Dieser Sesshoumaru hatte ihn achtundvierzig Stunden lang durch den Wald gehetzt. Es war ihm nicht gelungen, an ihm vorbei zu schlüpfen um Kougas Fährte wieder aufzunehmen. Er kam einfach nicht an diesem Dämon vorbei. Sobald er einen Durchbruch versuchte, nährte sich seine Aura.

Zunächst war er gejagt worden. In halsbrecherischem Tempo war der Hundedämon ihm gefolgt. Doch mit Lichtgeschwindigkeit konnte selbst ein Daiyoukai nicht mithalten. Es war sein besonderes Erbe. Das nahm ihm niemand weg.

Dabei wusste er gar nicht, was Sesshoumaru gegen ihn hatte. Vermutlich war es der Geruch Narakus und der Saimyosho, der ihn störte. Er wies ihn als Gehilfen seines Meisters aus. Dabei wollte er doch gar keinen Kampf mit ihm! Mit Sesshoumaru hatte er bisher nichts zu tun gehabt!

Aber er legte es scheinbar darauf an, mit ihm zu kämpfen. Er glaubte wohl, ihn vor sich her getrieben zu haben: Doch das stimmte nicht. Tesaki hatte ihn hergelockt. Er hatte einen weiten Umweg über Berge und Flüsse genommen, doch jetzt war er hier - nahe seines Ausgangspunktes. Sesshoumarus Gefährten waren ganz in der Nähe.

Von Naraku hatte Tesaki gelernt, wie man andere Menschen oder Dämonen in Schachfiguren verwandelte, wie man die gegeneinander wandte und die Gefühle Anderer für sich ausnutzte. Dass das Menschenmädchen und der Gnom hier waren, mochte ihm vielleicht nützen. Er wusste noch nicht genau wie, aber es würde schon klappen. Vielleicht ein Ablenkungsmanöver. Er brauchte nur ein paar Sekunden Unaufmerksamkeit Sesshoumarus, dann könnte er durch die Lücke in seiner Verteidigung schlüpfen und endlich Narakus Befehl ausführen.
 

Tesaki spuckte den Grashalm aus. Sein Feind war nah... Und gleich hatte die Sonne den Zenit erreicht. Dann würde er angreifen.
 

~Sesshoumaru~
 

Der Youkai runzelte die Stirn und verharrte mitten im Lauf. Wie merkwürdig. Seine Beute war stehen geblieben. Wollte sie sich ergeben? Oder endlich dem Kampf stellen? War dies womöglich eine Falle?

Doch selbst wenn es eine war - dort drüben war ein Diener Narakus und dieser wusste höchstwahrscheinlich, wo sich sein Herr befand. Mit dieser Information konnte er diesen Bastard von einem Halbblut endlich erledigen. Doch zuvor noch war dieser weißblonde Knirps dran. Was dachte sich Naraku eigentlich, jemanden wie ihm einen Auftrag zu erteilen? Aber gut, Kohaku war auch nicht besser gewesen.

Plötzlich raschelte es und seien Beute bewegte sich wieder. Er lief dem Waldrand entgegen und Sesshoumaru folgte ihm mit langen Sprüngen, ohne sein Opfer zu sehen. Es war schon erstaunlich, wie schnell dieser Wicht war. Wäre er vor ihm geflohen, hätte er ihn wahrscheinlich nicht aufhalten können. Doch offensichtlich war das Ziel seines Gegners ein anderes. Immer wieder kehrte er zurück, blieb jedoch stets außer Sichtweite. Was wollte er erreichen?
 

Dann hatte er den Waldrand erreicht. Welliges Hügelland, nur bewachsen mit stachligem, braunem Gras bildete hier die Landschaft. Vor ihm stand der kleinwüchsige Junge mit den durchdringenden, blauen Augen und dem hellen Haar, den er vor zwei Tagen einige Stunden lang durch die Wälder gehetzt hatte. Obwohl der Halbdämon weder Schlaf noch etwas zu Essen gehabt haben dürfte, wirkte er nicht im Mindesten erschöpft. Im Gegenteil.

"Hanyou.", sagte er mit kalter Stimme, "Sag mir wo dein Meister, Naraku, steckt. Dann werde ich dich vielleicht verschonen."

Der Junge sah ihm ohne Furcht ins Gesicht. Er sah nicht wie ein Kämpfer aus. Seine einfach Lederkleidung bot keinerlei Schutz vor fremden Angriffen. Ein schmaler Dolch, der in seinem Gürtel steckte, war die einzige Waffe, die er bei ihm erkennen konnte.

"Mein Name ist Tesaki. Ich habe keinen Streit mit euch und ich weiß auch nicht, warum ihr Naraku-sama Böses wollt. Aber ihr steht auf der Liste seiner Feinde, Sesshouamru-sama, deshalb kann ich euch den Aufenthaltsort meines Meisters nicht verraten.", erwiderte der Halbdämon ruhig.

Sesshoumaru knurrte. Wie konnte dieses Blag es wagen, ihn mit einer so hochgestochenen Antwort abzufertigen?

"Dann werde ich die Informationen eben aus dir herausquetschen.", zischte er und zog sein Schwert Tokijin.

Tesaki streckte die Hände aus. Ein funkelndes Licht umgab seine Finger, sodass selbst Sesshouamru für einen Moment den Blick senken musste. Als er wieder ausah, hielt Tesaki ein langes Schwert, dessen Blatt wie ein Blitz geformt war, in der einen, und einen runden Schild, der einer Wölbung auf beiden Seiten besaß, in der anderen Hand.

Sesshoumaru lächelte innerlich. Was waren denn das für Waffen?! Das Schwert wurde einzig mit dem bisschen Youki verstärkt, das der Hanyou besaß - was zugegebenermaßen eine beeindruckende Fähigkeit war, kaum ein Halbdämon hatte sein Youki so unter Kontrolle. Aber das Schwert selbst war nichts besonderes. Ein Hieb Tokijins und die Klinge würde zerbrechen.

Der Schuld war beinahe noch lächerlicher. Nicht nur, das er in der Mitte zu breit war, er war auch aus dem vollkommen falschem Material: aus Glas. Welcher Idiot fertigte ein Schild aus Glas!?
 

Sesshoumaru machte einen Satz nach vorn. Wie eine Schlange ließ er Tokijin auf seinen Gegner niederrasen. Die Spitze zielte auf dessen Schulter. Tesaki tauchte unter dem Schlag hinweg und hieb mit seinem Schwert nach seiner Seite. Der Youkai parierte mit seiner Waffe, doch ehe er überhaupt die Möglichkeit hatte, genug Kraft in den Schlag zu leiten, glitt die Klinge seines Feindes ab und und er zog sich einige Schritte zurück. Dem Weißhaarigen gefiel es nicht, gegen ein Kind kämpfen zu müssen. Nur eine Energieattacke von ihm, und er würde in seine Einzelteile zerfallen. Aber er durfte ihn nicht töten. Tesaki war der Einzige, der wusste, wo sich Naraku befand.

Erneut griff Sesshoumaru an. Ihre Klingen kreuzten sich, doch Tesaki war sich seiner Unterlegenheit wohl bewusst und ließ es nicht auf ein Kräftemessen ankommen, bei dem er verloren hätte. Stattdessen vollführte er eine fast schon akrobatische Bewegung, mit deren Hilfe es ihm gelang, mit der Krümmung seiner Klinge sein Schwert einzufangen. Sesshoumaru kannte eine ähnliche Finte. Dabei schlangen sich die Schwerter umeinander und der Eine hebelte dem Anderen die Waffe aus der Hand. Dazu benötigte es nicht viel Kraft.

Sofort löste er den Kontakt der Klingen. Tesaki war schnell. Er war so schnell wie es ein Hikari no Youkai gewesen wäre, dessen Blut er in seinen Adern roch. Lichtgeschwindigkeit. Ja, wahrlich. Ein guter Schwertkämpfer war er auch. Aber ihm fehlte einfach die Erfahrung.

Plötzlich hielt er inne, wich sogar einen Schritt zurück. Der Wind hatte sich gedreht und trug ihm neue Gerüche entgegen. Was war das? Rin und Jaken waren auf dem Weg in seine Richtung. Tölpel! Er hatte ihnen doch gesagt, sie sollen dableiben! Aber das war jetzt auch egal. Dieser Gegner war nicht stark genug, als das er sich um seine Gefährten sorgen müsste.

Diesmal griff Tesaki an. Er spreizte die Beine und vollführte eine halbe Drehung, bei der er seinen gläsernen Schild wie eine Sichel schwang. Die spitze Kante zielte darauf, ihm den Unterleib aufzuschlitzen. Sesshoumaru ließ Tokijin herabsausen. Das flache Blatt traf auf das Handgelenk des jungen und schleuderte ihm den Schild auf der Hand. Mit einem Sirren flog er durch die Luft und verkeilte sich schließlich im Wipfel von einem der Bäume am Waldrand.

Wieder standen sie sich gegenüber. Tesaki hatte das Gesicht vor Schmerz verzogen, doch kein Laut drang über seine Lippen. Der Youkai war sich sicher, dass er Knochen hatte brechen hören.
 

~Rin~
 

"Seid ihr euch auch gaaanz sicher, Jaken-sama?", fragte Rin zum wiederholtem Male.

"Ja doch, ja doch, hier gleich muss die Quelle sein...", erwiderte der Gnom. Er klang ziemlich entnervt.

"Aber das hast du schon vor einer halben Stunde gesagt! Ich habe Durst! Und ich will, dass Sesshoumaru-sama endlich wieder da ist!", forderte sie und dachte sehnsüchtig an den weißhaarigen Youkai. Wo blieb er nur?

"Dummes Ding! Der edle Meister kann doch nicht immer nur bei dir sein! Er hat Dringendes zu erledigen, bei dem wir nur stören würden.", antwortete der Froschdämon.

Rin senkte traurig den Kopf. Warum hatte sie das auch gesagt? Jaken-samas Antwort war immer dieselbe.

Plötzlich raschelte es hinter ihnen im Gebüsch. Jaken, der Ah-Uhn am Zügel führte, blieb wie angewurzelt stehen. Rin, die im Sattel des Reitdrachen saß, weil ihre Füße schon ganz wund gelaufen waren, erschrak.

Weider raschelte es. Dann teilte sich das Gebüsch aus Haselnussträuchern und hinter ihm kamen zwei Gestalten zum Vorschein.

Jaken klappte die Kinnlade herunter.

"Was macht ihr denn hier!?", kreischte er und fuchtelte wild mit seinem Kopfstab herum.

"Was wohl!?", murrte der Hanyou, "Wir folgen der Spur von Sesshoumaru und diesem anderen Typen, hinter dem er her ist und der Narakus Geruch trägt."

"Also sag schon, du Wicht, was ist das für Einer, der seit Neuestem Naraku den Laufburschen ersetzt?", fragte nun der Wolfsdämon. "Spucks auf oder wir prügeln es aus dir herasu!"
 

Keiner der beiden achtete auf Rin, die sich im Sattel zusammengekauert hatte. Sie kannte diesen Wolfsdämon. Sie hatte ihn einmal gesehen. Zwar nur aus weiter Ferne und ihre Erinnerung daran war verschwommen, aber dennoch... Das war eindeutig der Youkai, der damals befohlen hatte, dass die Bewohner ihres Dorfes zerfleischt werden sollten. Was machten die beiden hier?

Inzwischen hatte Kouga den Froschyoukai am Kragen gepackt und schüttelte ihn heftig, während der immer wieder beteuerte, er wisse von nichts. Höchste Zeit, das Sesshoumaru-sama wiederkam!
 

~Sesshoumaru~
 

Sesshoumaru musste zugeben, Naraku wählte sich seiner Helferlein nicht willkürlich aus. Dieser Hanyou hatte für einen seinesgleichen wirklich etwas draufgehabt. Aber sei's drum. Jetzt lag er am Boden, Tokijins Klinge an seinem Hals. Er atmete schwer, sein Schwert war zerbrochen und zahlreiche kleine bis mittlere Wunden übersähten seinen Körper.

Es hatte ihn schon überrascht, dass der Kleine Blitze aus dem Schwert schießen lassen konnte. tatsächlich war sein linker Ärmel stark angesengt geworden. Wer weiß was passiert wäre, hätte dort noch sein Arm gesteckt. Er wusste, der Körper leitete Strom sehr gut. Ein Treffer mochte reichen, um einen Menschen im Bruchteil einer Sekunde von innen heraus zu verbrennen. Er, als Youkai, hätte das sicher überlebt, aber es hätte dem Anderen Zeit genug gegeben, an ihm vorbei zu schlüpfen und vielleicht einen weiteren Angriff hinterher zu setzen.

Wie auch immer. Er hatte gewonnen. Jetzt musste er ihn nur noch zum Rende bringen.

Das er jetzt die Gerüche seines Halbbruders - der von den Halbtoten wieder auferstanden zu sein schien - und die des Wolfyoukais ganz in der Nähe seiner Gefährten wahrnahm, machte die Sache nicht besser. Inu Yasha konnte wirklich nichts zuende bringen. Nicht einmal krepieren konnte er ordentlich.
 

Er wandte sich dem Besiegtem zu. "Sag mir jetzt, wo Naraku ist.", forderte er.

Tesaki brachte in gezwungenes Lächeln zustande. "Ihr mögt mich im Kampf besiegt haben, Sesshoumaru-sama. Aber mein Ziel werde ich trotzdem erreichen."

"So?", fragte er und hob eine Augenbraue, "Was ist denn dein Ziel?"

Kurz schien etwas wie ein Schatten über das Gesicht des Unterlegenen zu flackern. War es Unsicherheit?

Tesaki sah zum Himmel. "Es ist gleich Mittag. Ein paar Sekunden noch."

Irritiert wandte auch der Youkai den Blick zum wolkenklaren Himmel. Die Sonne brannte herunter. Was hatte der Halbdämon vor?
 

Plötzlich blendete ihn ein gleißendes Licht. Die Quelle kam vom Wald her und so sprang er zurück und wandte seine Aufmerksamkeit den Bäumen zu. Der gläserne Schild, der sich in den Ästen verfangen hatte, fing das Licht der Sonne ein. Das Glühen ging von dort aus und zog seine Blick in den Bann. Die vielen Strahlen, die sich an der glatten Oberfläche brachen, bündelten sich zu einem einzigen Strahl.

Jetzt verstand er. Der Schild war in Wirklichkeit eine Linse gewesen. Tesaki hatte auf diesen Augenblick, genau zur Mittagsstunde hingearbeitet. Vielleicht war es sogar geplant gewesen, dass die Linse dort oben gelandet war.

Ein gleißend heller Strahl bildete sich und Sesshoumaru kam es so vor, als würde seine Richtung von einer fremden Macht gelenkt. Der Kegel der durch ihn beleuchtet wurde, wurde immer kleiner. Bald stand Sesshoumaru selbst im Schatten und wunderte sich darüber. War nicht er das Ziel gewesen?

Er blickte rasch zu dem Jungen, der sich nun aufgerappelt hatte. Er lächelte traurig.

Plötzlich ertönten Schrei aus dem Wald. Genau aus der Richtung, aus der ihm der Geruch seiner Gefährten und der anderen beiden entgegen wehte.

Das war das Ziel! Natürlich! Die Splitter in den Beinen des Wolfsdämons! Darauf hatte er es die ganze Zeit abgesehen!

Sesshoumaru schob Tokijin zurück in das Band, das um seine Hüfte lag. Auf einmal war da dieser Gedanke, der alle anderen für einen Moment unwichtig erscheinen ließ. Rin!
 

Hinter ihm griff Tesaki nach der Macht des zersplitterten Juwels. Die schwersten seiner Wunden heilten sofort, doch die Oberflächlicheren ließ er offen, um keinen Verdacht schöpfen zu lassen. Er wusste, Sesshoumaru würde zu spät kommen.

Die Schreie wurden lauter. Es roch nach verbranntem Fleisch und angekokeltem Haar. Der Kegel des Sonnenlichts, magisch verstärkt von Tesaki selbst, wurde immer kleiner und all die Energie aus der Sonne konzentrierte sich bald auf einem Punkt. Und als dieser Punkt erreicht war, gab es eine gewaltige Explosion.

Licht

10. Zehntes Kapitel - Licht
 

Alles ist so hell, alles ist so hell.

Ich habe das Gefühl zu verbrennen.

Alles ist so hell, alles ist so hell.

Ich habe das Gefühl, in diesem Licht zu vergehen.

Doch mehr Gedanken dazu nicht!

Denn am Ende – wie immer – wird Schwarz fressen alles Licht...
 

Aus: „Licht frisst Stille, Schwarz frisst Licht“ von Stillste Stund
 

Sesshoumaru wusste, das er zu spät kommen würde. Aufgewühlte Erde und Gesteinsbrocken flogen durch die Luft, kaum erkennbar in dem Rauch der Explosion. Nur am Rande nahm er die kleine Stimme in seinem Hinterkopf wahr, die ihn zur Vorsicht mahnte. Dieser Junge hinter ihm, er lebte immer noch. Aber im Moment war ihm das herzlich egal. Narakus Ziel war es scheinbar, seinen Feinden all die Personen zu rauben, die ihnen etwas bedeuteten. Es durfte nicht sein, das ihn das selbe Schicksal traf, wie auch seinen schändlichen Halbbruder oder diesem zweitklassigen Wolfsdämon. Ja, ihm lag etwas an Rin... Aber viel wichtiger war die symbolische Bedeutung des Menschenmädchens. Wer ihr ein Leid tat, der forderte ihn heraus. Sie war das schwächste Glied in seiner Gruppe und nur wenn er es schaffte, etwas so Minderwertiges wie sie zu beschützen, konnte er wahre Stärke erlangen. Das jedenfalls war seine Interpretation der Worte seines Vaters. Es hatte lange gedauert, bis er sie sich zusammengereimt hatte. Damit konnte er leben. Nicht aber mit der Vorstellung, alle Dämonen müssten Menschen beschützen und mit ihnen in Frieden zusammenleben, wie es sein Halbbruder tat.
 

Doch als der Youkai die in Flammen stehenden Bäume und den qualmenden Rauch sah, wusste er, dass er noch nicht stark genug war. Das er mehr Macht brauchte. Und das Naraku sterben musste.
 

"Hey, Sesshoumaru!", ertönte plötzlich eine Stimme, nicht weit von ihm entfernt.

Der Angesprochene fuhr herum. Überrascht weiteten sich seine Augen: Dort stand Inu Yasha, an dessen Ärmel sich die kleine Rin klammerte.

"Sesshoumaru-sama, Ah-Uhn ist..." Das Mädchen verstummte. Tränen schimmerten in ihren Augen, doch sie schien unverletzt.

Aus dem Wald heraus kam Kouga, dessen Haare offenbar vor Kurzem noch in Flammen gestanden hatten. Fluchend presste er die linke Hand gegen seine Schulter, wo eine tiefe Schnittwunde klaffte. Die andere Hand hielt Jaken im Würgegriff.

"Wie wäre es, wenn du das nächste mal etwas besser auf die zwei aufpasst! Du solltest sie nicht mit zu deinen Kämpfen nehmen.", fuhr sein Halbbruder ihn an. Doch seine Miene passte nicht zu seinen ruppigen Worten: Er lächelte.

"Sieh an, du lebst also immer noch.", sagte Sesshoumaru tonlos. Sein Halbbruder ließ das Mädchen herunter. Mit schriller Stimme rief es seinen Namen und kam auf ihn zugerannt. Fest krallten sich ihre kleinen Finger in sein Hosenbein. Obwohl ihm das ein wenig peinlich war, war er doch froh, dass sie noch lebte.
 

"He, Wolfsdämon!", rief der Youkai Kouga an. Der hob überrascht den Kopf.

Sesshoumaru nickte mit dem Kopf in Tesakis Richtung. "Fessle ihn."

Narakus Diener, der offenbar auch nicht damit gerechnet hatte, dass die vier überleben würden, erstarrte.

"Warum muss ich das machen!?", fauchte Kouga, war jedoch im selben Moment auch schon bei dem Jungen, als dieser Anstalten machte zurückzuweichen.

"Hiergeblieben!", zischte er und riss sich einige Strähnen angesengten Haares aus. Nichts hielt besser als Dämonenhaar.

"Warum tötest du ihn nicht einfach?", fragte Inu Yasha, als Tesaki gefesselt war.

"Das aus deinem Mund?", erwiderte Sesshoumaru spöttisch. "Warst du es nicht immer, der dagegen war, Kinder zu töten?"

Inu Yasha wurde rot. "Schon, ich frag mich nur, warum du ihn plötzlich verschonst."
 

Der Hundedämon trat an Tesaki heran. "Ich werde ihn bestimmt nicht verschonen. Im Gegenteil, er wird eines höchst grausamen Todes sterben. Es sei denn...", jetzt blickte er dem Gefesselten direkt ins Gesicht, "Es sei denn er verrät uns, wo sich Naraku befindet."
 

~Tesaki~
 

Er hätte nicht gedacht, dass irgendeiner von ihnen seine letzte Attacke überleben könnte. Schließlich hatte er die gesamte Kraft der Sonne in sie geleitet. Einzig dieser große Reitdrache schien draufgegangen zu sein, aber über ihn verlor niemand ein Wort.

Na schön, er konnte es nicht ändern. Musste er eben umdenken. Er war gefesselt, hatte kaum noch Youki und seine Wunden schmerzten. Doch keiner der Dämonen schien bemerkt zu haben, dass er eine Hälfte des Juwels bei sich hatte. Aus dem Kleinod konnte er stets neue Energie schöpfen.

Sein Ziel waren noch immer die Splitter in Kougas Beinen. Er vermutete, dass es ihnen zu verdanken war, das der Dämon hatte fliehen können. Niemals würde er sie ihm freiwillig überlassen - also musste er sterben. Wie aber sollte er ihn in seiner Lage töten?
 

"Hörst du, Kleiner? Wir lassen dich frei, wenn du uns sagst, wo Naraku ist.", sprach ihn der weißhaarige Hanyou an. Tesaki hob den Kopf und sah zu ihm herauf. Alle starrten sie ihn an.

Er hatte Inu Yasha laufen lassen, als die Priesterin ihr Leben für ihn gab. Er hatte diese Chance nicht genutzt. Er war zurück gekommen.

"Ich werde Naraku-sama nicht verraten.", sagte er fest. Keine andere Antwort kam hierauf infrage.

Sesshoumaru legte die Hand bereits an den Griff seines Schwertes, doch da schritt Kouga auf einmal ein.

"Wartet mal! Dieser Junge riecht zwar wie Naraku, aber er ist kein Abkömmling."

"Stimmt, du hast Recht. Er muss lange mit ihm zusammen gewesen sein. Also muss er auch wissen wo er ist! Ich dachte erst, Naraku hätte wieder einmal versucht, sein menschliches Herz abzustoßen. Aber der hier ist.. anders." Aus irgendeinem Grund schmerzten ihn die Worte des Halbdämons plötzlich. Anders... Ja, verdammt, er war anders! Das war er schon immer gewesen! Naraku war es, der aus dem verstoßendem "anders" das weitaus einladenere "einzigartig" gemacht hatte.

"Fest steht, das er zum Feind gehört. Und wenn er die Informationen nicht freiwillig preisgeben will, werde ich ihn eben solange foltern, bis er es tut.", legte Sesshoumaru fest.

"Aber wenn er kein Abkömmling ist, dann hat er doch die Wahl... Dann muss er Naraku nicht gehorchen. Es muss ein Zauber auf ihm liegen, der ihn dazu zwingt. Es wird nichts bringen, ihn zu foltern, weil er gar nicht in der Lage ist, Narakus Befehl zuwider zu handeln. Niemand würde freiwillig Naraku gehorchen. Erinnert ihr euch an Kohaku?", warf Kouga ein.

Inu Yasha nickte stumm und Sesshoumaru nahm die Hand vom Schwert. Ratlos sahen sie auf den Jungen herunter. Niemand wusste, wie man einen solchen Zauber lösen könnte.
 

Tesaki aber verstand nicht, wovon sie redeten. Warum sollte niemand freiwillig Naraku-sama gehorchen? Wenn er seinen Plan erst einmal umgesetzt hatte, würden alle Hanyou in ganz Japan ihm folgen. Er würde sie aus der Unterdrückung der Menschen und Dämonen befreien. Warum sollte man sich ihm nicht anschließen wollen?

Doch das war ja im Moment für ihn auch nicht wichtig. Fest stand, das er seinen Auftrag erledigen musste, bevor sie ihn töteten, oder so sehr folterten, das er sich nicht mehr konzentrieren konnte. Wenn er danach starb, war es nicht weiter schlimm. Die Saimyoshi, die noch immer irgendwo lauern mussten, würden seine Hälfte des Juwels in der aufkommenden Verwirrung holen und es seinem Meister bringen. Dann hatte er doch sein Ziel erreicht. Oder? War sein Ziel wirklich der Tod?
 

Doch selbst wenn er es nicht war, kam er jetzt nicht darum herum. Wenn Naraku sein Ziel erreicht hatte, würde es keine Toten mehr geben. Kougas Ableben war Mittel zum Zweck... Es war nötig. Denn niemals würde ihm der Wolfsdämon die Splitter freiwillig geben. Selbst wenn er dies tun würde: Er hatte den ausdrücklichen Befehl, den Youkai zu töten.

Tesaki versuchte sich mit aller Macht auf das Juwel zu konzentrieren. Er blendete die Stimmern der Youkai aus, die ihn gefangen genommen hatten, bis sie zu einem monotonem Rauschen verschmolzen. Da! Da war sie, die Energie des Juwels der vier Seelen. Er spürte das Kleinod kühl in seiner Hosentasche. Dieses Versteck war so offensichtlich, das dort niemand danach suchen würde.

Tesaki bewegte die Finger, doch sie waren fest auf seinen Rücken gebunden. Er kam nicht an das Juwel heran. Aber das war auch nicht nötig...
 

Der Junge verzog kurz das Gesicht, als er spürte, wie das Juwel in ihn eindrang. Sein Körper wollte diesen fremden Gegenstand loswerden, doch er griff mit seiner eigenen Magie immer wieder danach. Er spürte wie es eins wurde mit seinem Fleisch, nur um sich dann an seinem Herzen zu sammeln und wieder zusammenzusetzen. Nun sammelte er sein letztes Bisschen Kraft und öffnete die Augen wieder.

Dort stand Kouga, kaum einen Schritt entfernt, und diskutierte mit Inu Yasha. Die Splitter in seinen Beinen leuchteten sanft. Tesaki sammelte immer mehr Energie in seiner Brust. Dann, als er das Gefühl hatte zu zerplatzen, ließ er all die Kraft mit einem Mal los.
 

Ein Licht umgab ihn. Ein Licht, so stark, das selbst Sesshoumaru die Augen schließen musste. Tesaki fühlte sich, als würde er schweben. Seine Fesseln lösten sich auf, seine Wunden verschwanden. Gleichzeitig fühlte er sich, als würde er von innen zerfetzt. Ein Strahl hellen, violetten Lichts drang aus seiner Brust und traf auf den Wolfsdämon. Er durchdrang seinen Körper als wäre er gar nicht da. Der Strahl wuchs immer weiter, traf auf die Bäume im Hintergrund, die sofort Feuer fingen. Wie von einem Leuchtscheinwerfer wurde die Umgebung erhellt.

Kouga schwankte, wie ein gefällter Baum. Langsam sackte der Dämon zusammen. Zwei winzige Lichtfunken lösten sich aus seinen Beinen. Wie von einem Magneten wurden sie von Tesaki angezogen und verschmolzen schließlich in seinem Körper mit der zersplitterten Hälfte des Juwels.
 

Dann verblasste der Strahl. Es wurde dunkel um ihn herum. Er hörte noch die aufgeregten Stimmen der Anderen, doch auch diese verschwammen und er nahm sie nur verzerrt wahr. Dann hörte er überhaupt nichts mehr. Die Finsternis hatte ihn überrollt.
 

~Inu Yasha~
 

Er konnte es nicht fassen. Das durfte nicht sein!

"Kouga!", rief er, packte den Wolfsdämon an den Schultern und schüttelte ihn, "Das ist jetzt echt nicht witzig! Mach, verdammt noch mal, die Augen auf!"

Doch der Youkai hörte ihn nicht. Mit glasigem Blick starrte er an ihm vorbei. Rührte sich nicht.

"Wie kann das sein!? Warum ist er einfach umgefallen!?", rief Inu Yasha aus und unterdrückte nur mit Mühe die Tränen.

"Lass ihn los, Inu Yasha. Er ist tot.", sagte sein Halbbruder leise.

Der Weißhaarige fuhr herum. Der Youkai stand vollkommen unberührt da. Die keine Rin klammerte sich ängstlich an ihn. Jaken starrte ihn mit seinen großen Glubschaugen an.

Sesshoumaru hatte niemanden verloren. Und jetzt sollte er, Inu Yasha, auch noch den letzten Strohhalm verlieren, an den er sich verzweifelt geklammert hatte?

Kouga hatte sich nie seinen Freund nennen können, aber er gehörte nun einmal dazu. Wann immer sie einen großen Kampf mit Naraku schlagen musste, war er dabei und hatte sie unterstützt. Kouga war kein Schwächling. Inu Yasha hatte gedacht, mit ihm an seiner Seite vielleicht doch noch eine Chance zu haben. Und jetzt sollte er tot sein? So einfach?
 

"Ihn hat doch nur dieses Licht getroffen! Dieser Junge... Er war es nicht war?", hasserfüllt starrte er auf den kleinen Halbdämon herab. Seine Fesseln hatten sich gelöst. Er war bewusstlos.

"Warum hat er das getan?", fragte Rin ängstlich und konnte ihren Blick nicht von der leblosen Gestalt des Wolfes nehmen.

Sesshoumaru musterte den toten Youkai kurz. "Kouga besaß Splitter des Juwels. Auf die hatte er es vermutlich abgesehen."

Inu Yasha tastete nach den Beinen seines Rivalen. Da war nichts. "Sie sind weg."
 

Ein Zittern ergriff seinen Körper. Es war, als hätte man ihm auf einmal jeglichen Bezug zur Wirklichkeit geraubt. Naraku hatte wieder sein Ziel erreicht! Und dieser verfluchte Bengel, er war Schuld daran!

Ohne das er es wirklich mitbekam, schnellten seine Krallen vor und er ergriff den Jungen am Kragen. Rin stieß einen spitzen Schrei aus.

"Halt, Inu Yasha!", rief Sesshoumaru plötzlich gebieterisch. Krallen umklammerten sein Handgelenk. Die Giftklaue des Dämons grub sich in sein Fleisch.

Inu Yasha schrie auf und ließ Tesaki los.

Wütend rieb er sich die Wunden und starrte seinen Halbbruder zornig an. "Was soll das? Warum hast du mich zurückgehalten? Dieser Bastard hat Kouga getötet!"

"Sei kein Narr! Der Junge ist bewusstlos, er stellt keine Bedrohung mehr dar. Und das er den Wolf getötet hat, ändert nichts daran, dass er noch immer der Einzige ist, der weiß, wo sich Naraku befindet!", fuhr er ihn an.
 

Inu Yasha biss sich auf die Zunge. Natürlich, Sesshoumaru hatte Recht - und trotzdem. Er war sich fast sicher, dass es dieser Junge war, der beim Angriff des Lehmmonsters und dem von Kagura, im Hintergrund die Fäden gezogen hatte.

Doch als er in das glatte, friedliche Gesicht des Halbdämonen sah, wusste er nicht, ob er ihn dafür wirklich hassen konnte. Er wirkte so harmlos, fast wie ein kleiner Engel. So jemand konnte sich nicht freiwillig in Narakus Dienste gestellt haben!

Aber Inu Yasha war sich nicht sicher, ob es die Sache besser machen würde, wäre dieser Junge nur eine weitere Marionette. War es nicht genauso schlimm, wenn er aus Dummheit und Blendung heraus seine Freunde tötete?

Doch was eine angemessenen Strafe für ihn sein sollte, konnte er sich auch später ausmalen. Jetzt galt es, Naraku zu finden.
 

"Der Junge muss irgendetwas mit den Splittern gemacht haben. Wenn er nicht bald aufwacht, kommt vielleicht Naraku persönlich, um zu sehen was los ist. Lass ihn uns wegschaffen und uns einen einen Plan überlegen.", schlug Sesshoumaru vor.

Inu Yasha nickte abwesend. Dann aber fiel ihm etwas auf und er hob den Kopf. Der Dämon hatte sich den leblosen Körper Tesakis über die Schulter geworfen und machte Anstalten, im Wald zu verschwinden.

"Sesshoumaru!" Der Angesprochene reagierte nicht. "Hast du gerade 'uns' gesagt?"
 

Der Weißhaarige sah ihn über die Schulter hinweg an.

"Hm, ich habe mich wohl falsch ausgedrückt. Ich werde mir einen Plan überlegen und du... Du kannst von mir aus diesen Wolf unter die Erde bringen."

Inu Yasha brachte ein gequältes Grinsen zustande. Er warf einen Blick auf Kougas Körper. Kurzentschlossen wuchtete er sich den Körper auf die Arme und lief seinem Halbbruder hinterher. "Das hättest du wohl gerne. Demnächst trifft dich vielleicht auch noch der Schlag - da will ich dabei sein." Außerdem war es gewiss interessant, Sesshoumaru einmal nachdenken zusehen, dachte er sich zynisch.
 

Bevor sie den Wald erreicht hatten, kam ihm noch ein letzter, hoffnungsvoller Gedanke. Für das, was Naraku ihm und seinen Freunden angetan hatte, würde er bezahlen. Aber er hatte dazu gelernt. Kouga hatte Recht, allein hatten sie keine Chance. Es ging nicht anders. Er musste sich mit Sesshoumaru zusammentun. Und vielleicht sah sein Halbbruder dies ebenso ein und erweckte Kouga mit seinem Schwert Tensaiga zum Leben.
 

Und wenn er sich die kleine Rin so ansah, deren Blick voller Mitleid auf dem Wolfsdämon ruhte, dann hegte er die Hoffnung, dass der Gedanke gar nicht so weit hergeholt war. Immerhin hatten Kouga und er die Kleine vor Tesakis letzter Attacke gerettet. Sesshoumaru war ihnen etwas schuldig!
 

~Naraku~
 

Ein leises Summen unterbrach die Stille des verlassenen Tempels, in dem sich Naraku befand. Er hatte seinen „Wohnort“ verlegen müssen, da es zu viel Youki brauchen würde, Tesaki von solch weiter Entfernung aus zu steuern. Die ganze Zeit über war er in gewisser Weise mit seinem Schützling in Verbindung gewesen. So hatte er gespürt, wie der Kampf begann und wusste auch, wie er ausgegangen war.
 

Als Tesaki eine besonders große Energie entfaltete und intensiv die Macht des Juwels der vier Seelen nutzte, hatte der Halbdämon die Verbindung soweit zu festigen versucht, das er sein Handeln manipulieren konnte. Leider war es nicht ganz so gelungen, wie er sich das vorgestellt hatte. Er hatte es lediglich geschafft, so etwas wie eine geistige Verknüpfung mit dem Hanyou zu knüpfen, durch die er momentan aber nur seine Schwäche wahrnahm. Die Zeit war einfach zu knapp gewesen. Vermutlich war der Junge jetzt ohnmächtig.
 

Was genau passiert war, wusste Naraku jedoch nicht und so war er froh, als seine ausgeschickten Saimyosho nun zurückkehrten um ihm zu berichten.

Ein langes, trockenes Insektenbein berührte sanft seine ihm entgegengestreckten Fingerspitzen. Das Hölleninsekt starrte ihn aus toten, leeren Augen an und in den Facetten spiegelten sich die Ereignisse. Wie vergessene Erinnerungen blitzten die Bilder vor Narakus inneren Auge auf: Sesshoumarus Jagt, der Kampf, die Explosion, die Gefangennahme und schließlich Kougas Tod.

Die Splitter des Juwels, die die beiden Halbbrüder nicht entfernen konnten ohne den Jungen zu töten, waren in seinem Körper mit der zersplitterten Hälfte des Juwels verschmolzen.
 

„Ich denke es ist an der Zeit... meine lieben Feinde.“, flüsterte Naraku.

Es war an der Zeit, das Juwel zu vervollständigen und in seinen Besitz zu bringen. Es war an der Zeit, sie dieses unsicheren Werkzeugs, das er nicht kontrollieren konnte, zu entledigen. Es war an der Zeit, seine beiden letzten Feinde zu beseitigen.

Es war an der Zeit, das er die Dinge persönlich regelte!
 

~Tesaki~
 

Er sah nichts. Eine Finsternis, so dunkel wie eine bewölkte Neumondnacht umhüllte ihn. Wo war er? Wieder in dem feuchten Keller in der Ruine der Hikari no Youkai? Nein. Obwohl er sich schrecklich eingeengt und gefangen fühlte, waren da keine eisernen Ketten um seine Handgelenke. Die Fesseln, die ihn hier hielten, waren weicher, dünner, und schnitten ihm schmerzhaft in sein Fleisch.

Langsam kehrte die Erinnerung zurück. Das Juwel, Kouga, das Licht... Hatte er es geschafft?

Eine einzelne Träne löste sich aus seinen feuchten Augen. Würde Naraku-sama seine Mühen anerkennen? Würde er sich wieder um ihn kümmern, so wie damals, als er ihn aufgenommen hatte? Er wollte nicht so viele, verschiedene Lehrer. Er wollte nur Naraku-sama. Er war bereit dafür zu arbeiten und seien Feinde auszulöschen. Aber wenn er das geschafft hatte, vielleicht durfte er dann etwas mehr Zeit mit seinem Meister allein verbringen. Mehr wollte er doch gar nicht.

All das Blut, die Toten, das Leid, das er verstreute... Er liebte den Schmerz nicht. Er wollte doch nur ein bisschen Liebe und Anerkennung. Er wollte noch einmal Narakus Stimme hören, die sagte: "Das hast du gut gemacht, Tesaki."

Er wollte ihn noch einmal wiedersehen! Er wollte hier nicht sterben! Er wollte noch einmal die Stimme seines Meisters hören.

Er hatte seine Arbeit doch gut getan. Er hatte Kouga getötet und die Juwelensplitter geholt. Er hatte seinen Auftrag erledigt. Er war ein guter Hanyou, ein guter Diener.
 

"Tesaki...", drang eine geflüsterte Stimme zu ihm durch.

Der kleine Halbdämon schrak hoch, doch noch immer war nichts als Schwärze um ihn herum.

"Tesaki, hast du die Splitter?", fragte die Stimme. Sie klang etwas rau und recht tief. Woher kam sie? War das... War das etwa sein Meister!?

"Ich... Ja, ich habe sie! Ich habe sie dem Wolfsdämon abgenommen!", wollte er rufen, aber aus seiner Kehle drang nur ein dumpfes Krächzen.

"Also sind nur noch Inu Yasha und Sesshoumaru da.", stellte die Stimme fest. Tesaki war sich nun sicher, dass es Naraku war.

"Hör zu, sie werden dich bestimmt fragen, wo sie mich finden können. Sie wollen mich töten."

"Aber das dürfen sie nicht! Das werde ich nicht zulassen, ich werde ihnen nichts verraten! Naraku-sama, was soll ich tun?", fragte er, jetzt mit leichter Panik.

"Du bist, auch wenn du in letzter Zeit große Fortschritte gemacht hast, noch zu schwach um es mit ihnen aufzunehmen. Ich bin jetzt an der Reihe, mit ihnen zu kämpfen. Ich werde es zuende bringen.", erwiderte die Stimme.

"Nein! Bitte, ich werde noch stärker werden, dann kann ich euch helfen! Lasst mich wenigstens Inu Yasha vorher noch töten!", bat Tesaki verzweifelt. Wenn Naraku die beiden allein tötete, brauchte er Tesaki nicht mehr. Aber er wollte ihm doch nützlich sein! Er wollte nicht warten!

"Willst du mir widersprechen?", donnerte sein Meister, "Du bist zu schwach, versteh das endlich!"

Tesaki zog den Kopf ein. "Entschuldigt, Meister. Ihr habt vollkommen Recht. Ich bin zu nichts zu gebrauchen.", flüsterte er zitternd.

"Genau so ist es. Bisher warst du mir nützlich, aber den letzten Schritt muss ich alleine tun. Du wirst die beiden Richtung Süden schicken, wo sie schon bald meinen Geruch aufnehmen werden. Sei mir noch ein mal ein treuer Diener."

"Ja... Meister.", hauchte Tesaki leise.
 

~Inu Yasha~
 

"Wieso nicht!? Kouga hat geholfen Rin zu retten, bedeutet dir das gar nichts!? Es würde dich doch nichts kosten, wenn du ihn wiederbeleben würdest!", schrie Inu Yasha seinen Halbbruder an.

"Elendes Halbblut! Du solltest dich mal reden hören. Bettels um das Leben deines Rivalen... Kennst du denn gar keine Ehre?", erwiderte Sesshoumaru

"Ich kenne sehr wohl Ehre, aber was nützt sie einem, wenn man tot ist? Er kann uns helfen Naraku zu besiegen und-"

"Darum geht es dir doch gar nicht!", sagte der Youkai eisig.

"Was?"

"Als du das erste Mal mit der selben Bitte zu mir kamst, ging es um deine erbärmliche Liebe zu diesem Mädchen und um deine eigenen Schuldgefühle. Nur weil du diese Schwäche zugelassen hast, hatte Naraku Gelegenheit auch deine anderen Begleiter zu töten. Mit diesem Wolfsdämon aber verbindet dich nichts. Warum willst du sein Leben retten?", fragte der Hundedämon kühl.

Inu Yasha stockte. Wenn er es sich so überlegte... Das war eine berechtigte Frage. Für jemanden, der keinen Funken Menschlichkeit in sich hatte.

"Er... Er gehört einfach dazu, okay?", brachte er mühsam hervor und ballte die Fäuste. "Er war von Anfang an dabei. Er wollte auch nur seine Rache. Hatte das selbe Ziel wie ich... Klar waren wir Rivalen. Aber wir haben uns nie gehasst. Und als es hart auf hart kam, war er bereit mit mir zusammenzuarbeiten, um denjenigen zu besiegen, der für unser Leid verantwortlich war. Er war... Die letzte Verbindung, die ich noch zu meinen Freunden hatte..." Mühsam unterdrückte er das Zittern in seiner Stimme und senke den Kopf, damit Sesshoumaru seine gequälte Miene nicht sehen konnte. "Und deshalb... Deshalb ist er mir einfach wichtig! Ich habe Kagome getötet und ich weiß, dass er sie auch sehr gemocht hat. Ich war es ihm schuldig, dafür ihn zu beschützen!"

Einen Moment lang schwiegen sich die beiden ungleichen Brüder nur an. Inu Yahsa glaubte, ihn bald so weit zu haben und fügte hinzu:

"Erzähl mir nicht, dass du es allein schaffst. Eben wäre Rin fast gestorben, hätten Kouga und ich sie nicht gerettet." Bei diesen Worten wandte er sich zu dem Menschenmädchen um, das schweigend mit Jaken in einer Ecke saß und sich bisher wohl nicht getraut hatte, auch nur ein Wort zu sagen.

"Rin!", sprach er sie an, "Meinst du nicht, dass es gerecht wäre, wenn dein Meister den Dämon wiederbelebt, der dich gerettet hat?"

Doch kaum hatte er das letzte Wort ausgesprochen, als ihn auch schon ein mächtiger Fausthieb mitten im Gesicht traf.

Inu Yasha wurde zurück geschleudert, schlug zwei Meter weiter weg auf und rappelte sich fluchend wieder auf. Aus seinem Mundwinkel floss ein Rinnsal Blut.

Sesshoumaru baute sich drohend vor ihm auf. "Nur zu deiner Information, Inu Yasha: Dieser Wolfsdämon war es, der Rins Dorf zerstörte. Seine Untergebenen haben sie getötet und wollten sie fressen. Mit welchem Recht bittest du sie um Gnade?"

Was? Kougas Wölfe hatten Rin...? Das... Das hatte er nicht gewusst. Tatsächlich erschien es ihm skurril, von dem Menschen zu verlangen, Sesshoumaru um das Leben ihres Mörders zu bitten. Auch wenn sie ein Kind war und dies somit vielleicht sogar getan hätte. Das war nicht richtig.
 

Plötzlich ertönte ein Geräusch hinter ihnen und die beiden Halbbrüder wandten sich um. Der gefesselte Halbdämon, den sie inzwischen fast vergessen hatten, regte sich langsam.

Sofort kochte die alte Wut wieder in Inu Yasha hoch. Er ging raschen Schrittest auf Tesaki zu und packte ihm am Kragen.

Der so Angegriffene war kaum richtig erwacht und starrte den Weißhaarigen nur benebelt an.

"Hör mal zu Kleiner, wenn du uns jetzt sofort verrätst, wo Naraku ist, werden wir dir die Bedeutung des Wortes 'Schmerz' noch einmal so richtig beibringen!", drohte er ihm.

"Na...Naraku-sama?", sagte der halbe Lichtdämon benebelt.

"Ja, genau, das Arschloch dem du dienst!"

"Ihr wollt wissen, wo ihr ihn finden könnt?"

"Ja!"

Der Junge starrte ihn verwirrt an. Dann sagte er leise: "S...Süden.."

NU war auch Sesshoumaru näher gekommen. "Was hast du gesagt?"

"Süden. Ihr findet ihn im Süden. Wenn ihr in diese Richtung geht, solltet ihr bald auf seinen Geruch treffen."

Triumphierend lies Inu Yasha den Gefesselten zu Boden fallen. "Na bitte! Da haben wir es ja."

"Nicht so voreilig: Dieser Hanyou hat versucht uns umzubringen, warum sollte er uns auf einmal die Wahrheit sagen?", fragte sein Halbbruder.

"Weil er es mit befohlen hat.", flüsterte Tesaki.

"Befohlen?"

"Ja. Er sagte, wenn ich es schaffe den Wolfsdämon zu töten, soll ich euch sagen, dass ihr ihn südlich von hier treffen könnt. Er will den Kampf jetzt zu Ende bringen."

Knurrend griff der Halbdämon erneut nach dem Kragen de Kleineren. "Das stinkt mir gewaltig nach einer Falle! Glaubt der echt, auf so etwas fallen wir rein!?"

In diesem Moment wandte sich Sesshoumaru um.

"Was ist?"

"Ich gehe nach Süden. Jaken, Rin, ihr bleibt hier und bewacht den Gefangenen.", befahl sein Halbbruder.

"A-Aber-", wollte er protestieren, wurde aber unterbrochen:

"Selbst wenn es eine Falle ist: Naraku liegt nicht besonders viel an seinen Untergebenen. Er wird nicht kommen um ihn zu befreien. Ich habe keinen Anhaltspunkt, wo er sich aufhält. Von den Fallen aus kann ich aber vielleicht eine neue Spur zurückverfolgen. Wenn sich das ganze als Blindgänger herausstellt, kann ich immer noch wiederkehren um den Junge noch einmal zu befragen."

Dieser Theorie musste selbst Inu Yasha zustimmen.

"Also schön...", murmelte er, "Ich werde mitkommen. Aber willst du nicht vorher noch Kouga-"

"Du kannst hierbleiben oder mitkommen, ich werde mir nicht die Mühe machen, dich daran zu hindern. Aber entscheide dich schnell und halte dich nicht mit unnötigen Diskussionen auf. Ich brauche nicht noch jemanden, der mir im Weg steht."

Inu Yasha unterdrückte eine Erwiderung. Dieser Streit führte im Moment zu nichts, es war wohl wirklich besser, wenn sie erst den Kampf hinter sich brachten. Das sein Halbbruder ihn an seiner Seite duldete, war ohnehin schon ein großer Schritt.

"Und was ist mit dem?". fragte er noch und deutete auf Tesaki.

"Er hat überhaupt kein Youki mehr und keine Energie. Vermutlich hat er alles in seine letzte Attacke gesteckt. Ich glaube nicht, das er noch eine Gefahr darstellt.", meinte Sesshoumaru dazu nur.

Damit gab sich Inu Yasha zufrieden, denn er wollte endlich Naraku hinterher.

Endlich war er wieder ganz nah am Ziel!
 

~Rin~
 

Rin weinte leise. Sie wusste nicht genau, warum sie sich auf einmal so traurig fühlte, das ihr die Tränen kamen. Sie hatte lange nicht mehr geweint. Vielleicht lag es an Ah-Uhns Tod, der ihr erstmals wirklich gezeigt hatte, wie gefährlich dieser Naraku war. Und wie böse!

Hoffentlich passierte Sesshoumaru-sama auch nichts. Er war jetzt schon seit einer Stunde weg.

Ihr Blick wanderte zu Jaken, der an einen Baum gelehnt tief schlief und vor sich hin schnarchte, der Leiche des Wolfsdämons und dann zu dem gefesselten Jungen.

Leise stand sie auf und ging zu dem Blonden hinüber. Bevor er gegangen war, hatte Sesshoumaru-sama eine Art Bann um seine Hände und Füße gelegt, die ihn an eine junge Eiche fesselten. In seinem Mund steckte ein Knebel. Der Junge saß ganz verloren da und schien noch immer am Rande der Bewusstlosigkeit zu schweben. oder er schlief einfach.

Rin setzte sich neben ihn. Noch immer liefen ihr stumme Tränen über die Wangen.
 

"Warum weinst du?", fragte der Blonde plötzlich leise.

Rin schrak zusammen und starrte den Anderen an. Sie hatte gedacht, er schliefe. Aber der Junge war wach und sah sie aus trüben, leeren Augen an. Er wirkte sehr traurig und schwach.

"Ich... Ich mache mir Sorgen um Sesshoumaru-sama...", flüsterte Rin.

"Hm...", machte er nur und ließ den Kopf wieder hängen.

"Bist du... Also hat.... Hat Naraku dich auch unter einen Zwang gestellt, so wie Kohaku-kun? Du siehst nämlich nicht besonders böse aus.", wollte Rin schüchtern wissen.

"Du kennst Kohaku-kun?", fragte der Junge, dessen Namen Rin jetzt wieder einfiel.

"Ja, Naraku hatte mich mal entführt und da hat er sich um mich gekümmert. Aber als Narakus Zwang kam, wurde er ganz komisch und hat mich angegriffen. Woher kennst du ihn?"

"Er... Er war mein Lehrer. Und mein Freund... glaube ich.", erwiderte er.

"Was ist aus ihm geworden?", fragte sie nun etwas fröhlicher. Wenn das ein Freund von Kohaku-kun war, konnte er gar nicht böse sein! Kohaku-kun war nämlich ein guter Mensch!

"Er ist tot.", sagte Teaski und Rin machte ein bestürztes Gesicht, "Als seine Schwester starb und er von Naraku als Geisel nicht mehr von Nutzen war, hat er ihm den Splitter genommen und dadurch ist er gestorben."

Daraufhin war das Menschenmädchen still. Es machte sie sehr traurig, das Kohaku-kun nicht mehr da war. Sie hatte ihn gemocht, auch wenn er ihr hatte Böses tun wollen.

"Wieso... Wieso hast du den Wolf getötet?", fragte sie dann leise.

Tesaki schwieg erst, sah sie nicht an. Doch dann antwortete er doch: "Weil es mein Auftrag war."

"Also... Also hattest du keine andere Wahl, ja? Du standest unter dem Zwang. Oder er hätte dich sonst getötet, ja?", wollte sei wissen. Ein kleiner Hoffnungsschimmer breitete sich vor ihr aus. Vielleicht war dieser Junge doch nicht so böse. Vielleicht könnten sie sogar Freunde werden...?

"Nein. Ich hätte ablehnen können. Ich selbst habe darauf bestanden. Es war meine Entscheidung."

Da wurde Rin auf einmal wütend und sie sprang auf.

"Aber warum denn!? Warum tust du das für einen Bösewicht wie Naraku? Warum dienst du denn ausgerechnet ihm? Er ist doch so böse, er nutzt dich nur aus! Und wenn er dich nicht mehr braucht, wirft er dich weg, wie ein Werkzeug!"

"Das weiß ich doch!", fuhr sie Tesaki an.

Rin zuckte zurück.

Der Blonde biss sich auf die Lippen. Offensichtlich hatte er nicht so laut werden wollen.

"Ich... Ich weiß das alles. Ich weiß, dass Naraku-sama böse ist. Ich weiß auch, dass er mich nur ausgenutzt hat. Meine Naivität, meine Verehrung... Das hat er alles ausgenutzt. Und jetzt, wo ich ihm nicht mehr helfen kann, lässt er mich im Stich. Mir ist das alles vollkommen bewusst." Bei diesen Worten hatte er den Kopf gesenkt, aber er schien nicht traurig zu sein. Verzweifelt und aufgewühlt, aber nicht traurig. Seine Stimme, und auch sein Körper zitterten, als er weitersprach. "Aber... Mir ist das egal. Mir ist das alles ganz egal, weil... Weil Naraku-sama für mich die wichtigste Person in meinem Leben ist!"

Ungläubig ließ sich Rin wieder neben ihm nieder. "Das verstehe ich nicht. Wie kann einem jemand wichtig sein, der so böse ist?"

"Frag lieber, wie jemand böse sein kann, der jemandem so wichtig ist.", erwiderte er. "Bist nicht auch du in Begleitung eines Dämons, der schon viele Unschuldige getötet hat? Ist nicht auch dein Meister grausam und kaltblütig? Das sind alle Dämonen. Aber hin und wieder haben auch sie einen netten Augenblick oder fühlen eine absurde Zuneigung zu einer Person.

Es gibt bestimmt eine ganze Menge Menschen, die Sesshoumaru 'böse' nennen würden. Das kannst du nicht abstreiten. Aber trotzdem bedeutet er dir etwas, nicht wahr? Trotzdem ist er dir wichtig. Wenn du eine Person so verehrst und bewunderst, wenn sie dir so wichtig ist, dann ist es dir egal, was Andere über sie denken. Oder wie oft sie schon getötet hat... und mit der Zeit versteht man auch ihre Gründe und auch wenn man nicht der selben Meinung ist, kann man den Anderen akzeptieren und bestimmte Dinge tolerieren. Also, selbst wenn du weißt, dass diese Person viele böse Dinge getan hast, mindert das nicht deine Verehrung. Weil sie zu dir anders ist."

Rin fiel daraufhin nichts ein, was seiner Erklärung widersprechen könnte. Außer... "Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er überhaupt nett sein kann. Zu niemanden, auch nicht zu seinen Untergebenen. Und er hat dich verlassen. Ich sehe doch, dass du traurig bist und das ur, weil du für ihn so schreckliche Dinge tun musstest."

Tesaki schüttelte den Kopf. "Rin... Das ist doch dein Name, nicht wahr? Ich bin ein Halbdämon. Ich wurde lange Jahre von Menschen und Youkai gleichermaßen gequält. Naraku-sama hat mich aus dieser Hölle befreit und dafür werde ich ihm ewig dankbar sein. Er hat mich bei sich aufgenommen, hat für mich gesorgt und mich Dinge gelehrt, die ich sonst nie erfahren hätte. Mein einziger Wunsch ist es... Für immer bei Naraku-sama zu sein. Ich bin nicht traurig, weil ich für ihn töten musste. Nein, ich war glücklich als ich das tun konnte, als ich ihm nützlich sein konnte. Aber jetzt braucht er mich nicht mehr, das macht mich traurig."

Rin schüttelte den Kopf. Sie wusste zwar jetzt ungefähr, was der Junge meinte, aber so ganz nachvollziehen konnte sie es immer noch nicht.

"Sesshoumaru-sama hat mich gerettet, als mich Wölfe verfolgt haben. Mein Dorf wurde zerstört und ich konnte nirgendwo mehr hin. Und obwohl ich ihm immer ein Klotz am Bein war und er auf mich aufpassen musste, hat er mich bei sich behalten. Ich weiß bis heute noch nicht warum, denn ich bin ihm in keiner Weise nützlich. Aber das er es getan hat, macht mich sehr glücklich.", erzählte sie ihm

Tesaki sah sie verwundert an. "Er lässt dich bei sich bleiben, obwohl du ihm gar nicht nützt?", fragte er verwundert.

"Ich... Ich glaub schon."

"Das... verstehe ich nicht.", gestand er leise.

"Weißt du, Tesaki, ich glaube, man braucht nicht immer einen Grund, um jemanden bei sich haben zu wollen. Manchmal ist es einfach schön, denjenigen bei sich zu haben. Auch wenn man nichts für den Anderen tun kann und der Andere einem auch nichts Gutes tut. Man ist einfach nur zusammen und das ist schön." sagte Rin nachdenklich.

"Man... ist einfach nur zusammen?" hakte der Blonde nach.

"Ja. Ich glaube, Sesshoumaru-sama findet es auch schön, wenn ich bei ihm bin. Auch wenn ich nichts für ihn tue. Er sagt das nicht. Ich glaube, er ist zu stolz dazu. Oder einfach nur zu schweigsam. Aber ich glaube, in Wirklichkeit mag er es, wenn ich bei ihm bin. Es kamen da auch mal diese Mönche, die wollten mich mitnehmen damit ich bei ihnen im Dorf lebe. Und Sesshoumaru-sama hat gesagt, ihm ist egal, was ich mache. Aber ich glaube, das ich dann weiter bei ihm geblieben bin, hat ihn wirklich gefreut. Auch wenn er das wohl nicht sagen würde.“

Tesaki dachte über diese Worte nach. Naraku-sama hatte gesagt, dass er ihn nicht mehr bräuchte. Aber gab es vielleicht eine Möglichkeit trotzdem bei ihm zu bleiben? Das wäre... schön.

Siegel

11. Elftes Kapitel - Siegel
 

Ein Geheimnis in dir ist zum Leben erwacht

Du weißt es ist da, denn du spürst seine Kraft

Es begleitet dich durch Raum und Zeit

In eine neue fremde Welt
 

Aus: „Flieg durch die Zeit“ Inu Yasha Opening
 

~Tesaki~
 

Rin erzählte ihm eine Menge. Das Meiste davon war belanglos, aber allein die Anwesenheit einer Person, die so ungezwungen mit ihm reden konnte, tat dem jungen Hanyou gut. Er hatte das Gefühl, dass das Mädchen mit ihrem Gerede ihre eigene Angst und Unsicherheit vertreiben wollte. Sie redeten nicht über Naraku und nicht über Sesshoumaru. Sie erwähnten mit keinem Wort, dass sie eigentlich aus feindlichen Lagern stammten.

Tesaki wollte ihren Frieden nicht stören, obwohl er sie in gewisser Weise darum beneidete. Es war offensichtlich, dass sie sich Sorgen um ihren Meister machte. Aber so sehr der Weißhaarige auch in sich hinein hörte, eine solche Sorge für seinen Herrn wollte in ihm nicht aufkommen. Da war nur der Wunsch, bald wieder mit ihm vereint zu sein.
 

Und dann spürte er es. Eine Art elektrischer Schlag durchzuckte seinen Körper, doch es schmerzte nicht. Vielmehr war es wie ein kraftvolles Pulsieren, das Energie durch all seine Glieder schickte. Seine Schwäche und Kraftlosigkeit war mit einem Mal verschwunden. Und obwohl keiner seiner Sinne etwas in der Art wahrnehmen konnte, wusste er auf einmal ganz genau, dass sein Meister hier war.

Und er hatte Recht.
 

Rin hielt überrascht in ihrem Monolog inne und starrte mit großen Augen die Person an, die da wie aus dem Nichts vor ihnen erschienen war. Schwarze, gewellte Haare. Rote Augen. Das Gesicht, das sie bereits einmal gesehen hatte. Naraku.

Das Mädchen stieß einen spitzen Schrei aus, welcher Jaken aus seinem Schlaf riss.

„Was, wie wo!?“, rief er verpeilt aus, sprang auf und zückte seine Kopfstab. Angesichts des Halbdämons jedoch wurde er blass und erstarrte.

Tesaki zitterte. Er spürte die Energie der Juwelhälfte seines Meisters, die aus seine eigene reagierte. Die Kraft, die ihn durchströmte, kam durch ihre Nähe.

Mit einem Ruck zerriss der Hanyou die Bannfesseln und stand schwankend auf.

„Meister...“, hauchte er. Ein leichter Schwindel hatte ihn ergriffen.

Warum war Naraku-sama hier? Hatte er nicht gesagt, er würde ihn nicht mehr brauchen? Kam er vielleicht wirklich, weil ihm etwas an ihm als Person lag, so wie Rin das gesagt hatte? Konnte er ein solches Glück haben?

„Tesaki“, sagte Naraku, „Du hast die beiden ja tatsächlich weggeschickt.“

„Wie ihr befohlen habt. Inu Yasha wollte, dass Sesshoumaru erst noch den Wolfsdämon erweckte, aber er weigerte sich.“, erwiderte er, aus reiner Gewohnheit zu gehorchen. Rins entsetzte Blickte, die zwischen ihm und Naraku immer wieder hin und her huschten, bemerkte er nicht.

„Dann sollte ich dafür sorgen, dass sie auch später keine Gelegenheit mehr dazu haben, nicht wahr?“ Mit diesen Worten streckte Naraku seinen Arm in die Richtung des Youkais aus, ohne auch nur dorthin zu sehen. Ein knisternder, blauer Blitz fuhr aus seiner Handfläche und traf auf die Leiche. Kougas Körper ging in Flammen. Kein gewöhnliches Feuer natürlich. Gewöhnliches Feuer konnte Fleisch nicht innerhalb von wenigen Sekunden zu Kohle verarbeiten.
 

Rin kreischte erneut auf und erst jetzt wurde sich Tesaki wieder ihrer Gegenwart bewusst. Jaken hatte sich todesmutig vor sie gestellt, obwohl der Hanyou sie bisher nicht beachtet hatte. Sie wussten, Flucht wäre sinnlos.

„Ach, sieh an, wir haben ja noch ein paar Zuschauer. Ich könnte mir vorstellen, dass Sesshoumarus Kampfkraft sinkt, wenn seine kleinen Schützlinge draufgehen.“, meinte Naraku bösartig und trat einen Schritt auf die zitternden Gestalten zu.

Einem plötzlichen Impuls folgend sprang Tesaki auf. Einen Augenblick später fand er sich zwischen Rin und seinem Meister wieder, die Arme schützend ausgestreckt.

„Das glaube ich nicht, Naraku-sama. Es wird seine Kampfkraft eher noch stärken, weil Wut und Rachsucht größer werden. Vielleicht sogar größer als sein Stolz, sodass er sich mit seinem Halbbruder zusammentut.“

Er wusste nicht genau, was ihn dazu ritt das zu sagen. Aber erstens entsprach es der Wahrheit und zweitens.... Es war doch wirklich nicht notwendig, Rin zu töten.

Der Weißhaarige blickte seinem Retter möglichst entschlossen entgegen. Er versuchte jede Veränderung seiner Mimik auszumachen, um seine Stimmung zu ermitteln. Würde er darauf bestehen? Warum war er überhaupt hergekommen?

Doch stattdessen nahm er etwas völlig anderes wahr: Die sich immer schneller nähernden Auren zweier dämonischer Wesen. Sesshoumaru und Inu Yasha. Bestimmt hatten sie Rins Schrei gehört und kehrten nun zurück.

Naraku hatte es ebenfalls bemerkt. Er sah in die Richtung, aus der die beiden kommen würden.

„Weißt du was, Tesaki? Da könntest du sogar Recht haben.“, meinte er mit einer Spur von Belustigung in der Stimme, die der Hanyou nicht so recht einordnen konnte. „Aber zum Glück muss ich mir darüber ja keine Sorgen machen. Schließlich habe ich die gesamte Macht des Juwel auf meiner Seite. Das Bisschen, das sich seine Kraft steigern könnte, wird er durch blinde Zerstörungswut wieder wettmachen.“

Naraku trat einige Schritte auf ihn zu, sodass er genau vor ihm stand. Hinter dem Jungen zitterten Sesshoumarus Schützlinge und fürchteten um ihr Leben.

Der Schwarzhaarige hob die Hand und hob leicht das Kinn des Blonden an.

„Du hast mir wirklich gute Dienste geleistet, Tesaki. Du warst ein nützliches Werkzeug. Warum willst du diese Schwächlinge schützen?“ Der Angesprochene öffnete den Mund, doch er unterbrach ihn: „Nein, ich will es gar nicht wissen. Entweder dir liegt etwas an ihrem Leben, was ein Beweis wäre, dass deine Loyalität zu mir nicht länger uneingeschränkt ist... Oder du glaubst tatsächlich, es wäre ein Fehler sie zu töten und stellst damit meine Entscheidungen infrage. Das kann ich... leider nicht dulden!“
 

Ein plötzlicher Schmerz ließ Tesaki zusammenfahren. Die selbe Art von Blitz, die eben Kougas Körper zerstört hatte, ging nun auf ihn über. Es fühlte sich an, als würde er bei lebendigem Leibe verbrennen, von innen zerrissen von hundert spitzen Glassplittern, während Tausende von Würmern sich durch seine Eingeweide fraßen.

Tesaki schrie. Er schrie so laut er konnte, schrie all seinen Schmerz heraus. Er wünschte sich nichts sehnlicher als das es endlich aufhörte, er wollte ohnmächtig werden, wollte sterben.... All die Folterungen, die er sein Leben lang hatte ertragen müssen, schienen ihm einzig als Vorgeschmack auf dieses Erlebnis gedient zu haben.

und doch waren gerade sie es, die ihn jetzt retteten. Seine Erfahrungen im Aushalten von Schmerzen, sein dämonisches Erbe und nicht zuletzt auch die Kraft des Juwels verhinderten, dass die eigentlich tödlich gedachte Attacke ihm tatsächlich den Weg ins Jenseits öffnete.

Anders erging es den beiden Personen hinter ihm. Denn als Naraku merkte, das etwas nicht stimmte, erhöhte er seinen Angriff auf ein bisher ungeahntes Maß. Der Wald um sie herum ging in Flammen auf, die Luft knisterte vor Elektrizität und die bläulichen Blitze breiteten sich immer mehr aus. Weder auf das Menschenmädchen noch auf den kleinen Dämon nahm der Hanyou Rücksicht. Wenn sie auch nicht mit einer solchen Intensität wie Kouga getroffen wurden, weil der Weißhaarige den größten Teil abfing, so waren sie doch auf der Stelle tot.
 

Als die Blitze schließlich schwächer wurden und Naraku aufgrund des enormen Verlustes an Youki, den er so niemals einberechnet hätte, den Angriff abbrach, sackte Tesaki zusammen und brach in die Knie. Sein Atem ging unregelmäßig und er keuchte schwer. Aber er lebte.

Langsam wandte der Junge den Blick zur Seite. Seine Augen fanden den Zipfel eines angesengten Kimonos und mit einem höchst flauen Gefühl wanderte sein Blick weiter nach hinten. Rin starrte aus leeren Augen zurück.

„Warum...?“, flüsterte er, „Sie hatte doch... wirklich nichts... damit zu tun!“

Wieder glaubte er Kohaku vor sich zu sehen. Und den Saimyosho, der ihm seinen Splitter nahm.

Auf einmal traten Narakus Schuhe in sein Sichtfeld und langsam wandte er den Blick zu ihm nach oben.

„Glaubst du wirklich, solch kleine Fische interessieren mich? ... Ich habe mich wohl in dir geirrt. Du bist zu gar nichts gut. Nicht einmal ordentlich krepieren kannst du.“

Tesaki zuckte zusammen. Diese Worte trafen ihn hart. Er... war zu nichts gut? Zu gar nichts? Sein Leben sollte überhaupt keinen Sinn haben? Und... Naraku hatte vorgehabt, ihn zu töten? Nicht nur, ihn zu bestrafen?

Tesaki spürte, wie sein Körper zu zittern begann. Eine Wucht von Gefühlen, von Trauer, über Selbstmitleid, Wut, Frustration und Verzweiflung, bis hin zu Resignation, Entäuschung und Selbsthass.
 

Aber Zeit etwas zu erwidern hatte er nicht. Eine lautes Knacken, gefolgt von dem Brechen vieler Bäume und dem Heranrasen einer gigantischen, blauen Energiewelle schnitt ihm das Wort ab. Die dämonische Attacke raste genau auf Naraku zu, der nur noch im letzten Moment ausweichen konnte. Tesaki selbst wurde zurück und gegen einen verkohlten Baum geschleudert.

Doch auf der Seite der Lichtung, auf die sich der schwarzhaarige Halbdämon geflüchtet hatte, erwartete ihn bereits Inu Yasha mit seinem erhobenem Tessaiga.

Tesaki beobachtete, wie Sesshoumaru angerannt kam, sich aber nicht auf den Feind sondern erst auf Rin zustürzte. Er sah, wie er schnell ihren Tod feststellte, kurz bei ihr verharrte und sich schließlich mit eisiger Miene den beiden, inzwischen im Kampf verwickelten Hanyous, zuwandte.
 

Tesaki sah das alles wie durch einen Schleier. Er nahm kaum die Schläge wahr, die Inu Yasha auf seinen Meister niederprasseln ließ. Der Schwarzhaarige hatte immer mehr Mühe, die Angriffe zu parieren. Wirklich schwierig wurde es durch ihn aber erst, als sich auch noch Sesshoumaru einschaltete. Er schickte eine seiner Energieattacken auf Naraku, der dieser aber auswich. Stattdessen warf sich ihr Inu Yasha in den Weg, um sie mit seiner Bakuryuuha auf den Feind zu schicken.

Die Lage verschärfte sich immer mehr, aber niemand achtete auf den kleinen, geschwächten Hanyou.

Niemand, außer Naraku.
 

Gerade als die beiden Hundebrüder eine kurze Atempause einlegten, verschwand der Hanyou für einen kurzen Augenblick, nur um einen Moment später hinter Tesaki zu stehen.

Hart fasste er den Jungen an der Schulter und riss ihn zu sich herum.

„Die Zeit ist gekommen! Gib mir das Juwel, dann werde ich sie besiegen!“, sagte Naraku. Er klang ungewöhnlich gehetzt und in seinen Augen stand eine Spur von Wahnsinn.

Die beiden Brüder erstarrten.

Tesaki blickte zu seinem Meister. Aber eigentlich sah er ihn gar nicht. Er fühlte sich irgendwie, als wäre er ganz weit weg vom Geschehen. Als wäre sein Kopf vollgestopft mit Watte, die ihn am Denken hinderte. Dabei war es ja ganz einfach. Er brauchte Naraku nur das Juwel zu geben. Ein eindeutiger Befehl. Und wenn er es hatte, würde er nicht nur die beiden Hundebrüder, sondern auch ihn selbst umbringen. Dessen war er sich mit einem Mal ganz sicher. Aber.... Was scherte es ihn? Sein Leben hatte ohnehin keinen Sinn mehr.

Der Junge konzentrierte sich auf das Juwel. Es war ganz leicht. Einen Moment später hielt er es in der Hand.

„Ja!“, sagte Naraku begierig, „Gib es mir!“

Inu Yasha stieß einen wütenden Schrei aus. Er kam auf sie zugestürmt.

Doch als der Blonde seine Hand mit der zerbrochenen Hälfte des Juwels ausstreckte, wusste er, dass er zu weit weg war, um es noch zu verhindern.
 

~Manchmal ist es einfach schön, denjenigen bei sich zu haben. Auch wenn man nichts für den Anderen tun kann und der Andere einem auch nichts Gutes tut.~
 

Er spürte die Macht des Juwels in seinen Händen. Spürte, wie die Teile des Kleinods sich gegenseitig anzogen. Auf Narakus Handfläche ruhte jetzt die zweite Hälfte und beide leuchteten sie in einem milden, violetten Licht. Narakus Hälfte pechschwarz, Tesakis in einem hellen Perlmuttton. Das Juwel der vier Seelen würde jeden Moment vervollständigt werden. Und Naraku würde seine Macht missbrauchen.
 

~ Man ist einfach nur zusammen und das ist schön.~
 

Tesaki schloss die Augen. Eine einzelne Träne lief ihm über die Wange. War das das Ende? Das Ende seines Lebens? Seiner Existens? Seines Sinnes? Was... Was hatte er eigentlich sein ganzes Leben über gemacht?

Vor sich sah er Naraku. Sein schwarzes Haar umrahmte sanft sein elfenbeinfarbenes Gesicht. Er hatte dieses Wesen immer für perfekt gehalten. Ihn, seinen Meister, obwohl er ihm selbst immer wieder Fehler nachgewiesen hatte. Gemeinsam waren sie doch weit gekommen, oder?

So viele Opfer hatten sie gebracht, für den Traum dieses Hanyous. Was aber war sein Traum? Was war sein sehnlichster Wunsch? Tesaki wusste es.

Ich wünsche mir, für immer mit Naraku-sama zusammen zu sein!
 

~Inu Yasha~
 

„Roooahh!“, brüllte Inu Yasha und ließ sein Schwert an der Wunde des Windes entlangfahren. Aber hatte schlecht gezielt und nicht genug Schwung geholt. Jedenfalls wurde die Attacke weder zurückgeschleudert, noch war die Schneise, die sie ins Unterholz grub, besonders lang.

„Scheiße!“, fluchte der Hanyou, „Ich hab sie verfehlt.“

Sesshoumaru trat neben ihn und der Halbdämon, der nicht bemerkt hatte wie sich sein Bruder ihm genährt hatte, zuckte zusammen.

„Nein, hast du nicht. Deine Windnarbe hat sie getroffen.“, widersprach er ihm.

„Was...?“ Inu Yasha starrte auf die große Staubwolke, die mit seinem Angriff einherging und versuchte etwas zu erkennen. War es Naraku gelungen, das Juwel zu vervollständigen? Was war mit dem Jungen?

Langsam legte sich der Staub und Inu Yasha sah... nichts.

„Verflucht, wo sind sie!?“, rief er aus und sprang vor. In der breiten Furche, die seine Attacke geschlagen hatte, war ein Flecken Erde verschont geblieben, der sich wie eine kleine Insel in dem länglichen Loch erhob. Aber der Platz war leer.

Hastig sah sich der Halbdämon um, aber er konnte seinen Gegner nicht entdecken. Nun, wo er darauf achtete – nicht einmal seine Aura spürte er mehr! „Verdammt! Sind sie entkommen?“

„Unwahrscheinlich.“, antwortete Sesshoumaru ungefragt, während er sein Schwert wieder einsteckte. „Dazu hatte er keinen Grund. Mit dem Juwel wäre er im Vorteil gewesen.“

Unbeeindruckt ging er an seinem Halbbruder vorbei, welcher sich in seiner Verzweiflung die Haare raufte.

Der große Inuyoukai kniete sich auf der Erdinsel nieder und hob einen kleinen Gegenstand auf. Überrascht weiteten sich seine Augen.

„Was ist?“, fragte Inu Yasha sofort, „Hast du was?“

„Das kann man wohl sagen.“, erwiderte er und fügte murmelnd hinzu: „Das hätte ich nie von diesem kleinen Halbblut erwartet.“

„Was?“, fragte er, „Was hast du da!“ Der Weißhaarige kam zu ihm herüber. In der Verwirrung des Verschwindens ihres Feindes und dem vorangegangenem Kampf hatten beide Brüder für einen Moment ihren Streit vergessen.

Was Sesshoumaru in der Hand hielt, war eine kleine, blutrote Kugel, die in etwa die Größe des Juwels hatte. Sie war leicht durchscheinend und in ihrem Inneren schien sich ein trüber, weißlicher Nebelfetzen zu befinden, der sich in trägen Strömungen um Kreis bewegte.

„Ist das etwa... Das Juwel der vier Seelen?“

„Nein.“, antwortete der Youkai, „aber es war es einst. Dieser blonde Hanyou muss mächtige Dämonenmagie benutzt haben, um es in einen Siegelstein zu verwandeln.“

„Hä?“, machte sein Gegenüber nicht sehr intelligent, „Was ist ein Siegelstein?“

Sesshoumaru sah ihn strafend an. „Ein Siegelstein ist ein Stein, in dem eine Seele mithilfe einer anderen versiegelt wird.“

„Also ist das Juwel ein Siegelstein?“

„Nein. Ein Siegelstein kann nur von Dämonen erschaffen werden. Das Juwel wurde von einer menschlichen Miko gemacht, deswegen funktioniert es anders. Es ist das Einzige seiner Art, Siegelsteine gibt es einige. Aber sie sind nahezu wertlos.“, erklärte er.

„Warum hat Naraku das Juwel in einen Siegelstein verwandelt?“

Der Hundedämon schüttelte über diese Dummheit den Kopf. „Ich bezweifle, dass er es war. Vermutlich hat dieser Tesaki es getan. Er opferte seine eigene Seele, um die seine eigentlichen Herrn in dem Juwel festzusetzen.“

„Du meinst, sie sind beide gestorben?“

„Nein. Diese Magie wird manchmal von alten Pärchen in der Dämonenwelt gebraucht, damit sie auf ewig zusammenbleiben können. Nur selten wird es im Kampf gebraucht. Die beiden leben im Innern dieses Siegelsteins weiter, solange bis er zerstört wird. und selbst dann werden ihre Seelen im Jenseits auf ewig aneinander gekettet sein. Aber Halbdämonen haben überhaupt nicht die Energie solche Magie auszuüben...“

„Pah! Du unterschätzt uns mal wieder! Dieser Junge hatte durchaus magisches Potential, das haben wir ja gesehen als er Kouga getötet hat. und die Energie hat er bestimmt aus dem Juwel selbst!“, behauptete Inu Yasha.

„Das wäre möglich... Aber dazu müsste das Juwel, beziehungsweise die Seelen darin, ihre Zustimmung dafür geben. Schließlich werden sie dadurch ins Jenseits verdrängt. Warum sollten sie das tun?“, warf sein Bruder ein.

Inu Yasha überlegte einen Moment. Dann fiel ihm etwas ein, das Kikyou einmal vor langer Zeit zu ihm gesagt hatte: „Wenn das Juwel dafür benutzt werden würde, aus dir einen Menschen zu machen, würde es aufhören zu existieren.. Und ich würde zu einer gewöhnlichen Frau werden.“ Etwas Ähnliches hatte sie später noch einmal gesagt: „Wenn jemand das Juwel für den richtigen Wunsch benutzt, wird es es nach der Erfüllung nicht mehr geben.“

„Der richtige Wunsch....“, murmelte er.

„Was?“, fragte Sesshoumaru nach.

„Viele benutzen das Juwel für ihre Zwecke oder für böse Absichten. aber der richtige Wunsch würde das Juwel läutern und seine Macht könnte nie wieder missbraucht werden. Das sagte Kikyou einst.“

„Ach?“, fragte sein Halbbruder, „Und du glaubt tatsächlich, dieser Kleine, der eben beinahe von Naraku getötet worden wäre, hätte sich gewünscht, dass seine Seele auf immer an die seine gekettet würde?“

Inu Yasha zuckte die Schultern. „Er hat ihm doch freiwillig gedient. Vielleicht steckte mehr dahinter, als wir wissen.“

Sesshoumaru senkte den Blick noch einmal auf den roten Siegelstein hinunter. “Was für ein... typisch menschliches Verhalten...“, murmelte er.
 

Inu Yasha wandte den Blick zum Himmel. Naraku war besiegt... auf die ein oder andere Weise. Und ohne Worte hatte er es irgendwie auch geschafft, den ewigen Streit mit seinem Halbbruder beizulegen. jedenfalls sah der stolze Inuyoukai, der nun neben der toten Rin kniete, nicht so aus, als würde er ihn noch einmal angreifen wollen.

Aber der Halbdämon spürte keine Befriedigung. Es war nicht so, als täte es ihm um den Hanyou Leid, oder als wäre er ihm dankbar, weil er Naraku gebannt hatte. Zu viel hatte er seinen Freunden angetan. Aber da war eine Leere in ihm, wo sich zuvor der Rachedurst eingenistet hatte.

Was sollte er jetzt machen? Ohne seine Freunde?

Langsam trat an er die Überreste Kougas heran. Er machte sich nichts vor, da war nichts mehr zu retten. Wären sie doch bloß früher gekommen! Dort, im Süden, war überhaupt keine Falle aufgebaut gewesen. Nur ein Trupp Saimyosho, der sie mit ihrem Geruch auf die falsche Fährte geführt hatte. Der Sinn der Falle war es gewesen, sie fortzulocken, damit ihr Feind sich das Juwel sichern konnte. Erst als sie leise Rins Schreie gehört und verbranntes Fleisch gerochen hatten, waren sie alarmiert umgekehrt.
 

Langsam ging Inu Yasha zu seinen Halbbruder zurück. Dieser kniete mit unbewegter Miene neben dem Menschenmädchen und seinem Diener. Auf seinem Gesicht zeigte sich keine Gefühlsregung, doch allein das er hier so lange ausharrte, bewies, dass in ihm mehr vorging, als er zeigte. Und er war sich fast sicher, dass Rin ihm etwas bedeutet hatte. Obwohl es ganz und gar unangemessen war, schaffte er es nicht, das Mädchen aus ganzem Herzen zu bedauern. Sesshoumaru hatte jetzt auch jemanden verloren. Vielleicht würde sein Halbbruder ihn jetzt, wo er das Gefühl des Verlustes ebenfalls kannte, ein wenig verstehen.

„Kannst du nicht... Ich meine, kannst du sie nicht mit Tensaiga...?“, setzte er in einem erbärmlichen Versuch ihn zu trösten, wo es nicht zu Trösten gab, an.

„Das habe ich bereits einmal. Auch bei Jaken. Das Schwert funktioniert bei jeder Person nur ein mal.“, erwiderte er neutral.

„Tja, also... Vielleicht sollten wir sie dann begraben?“, schlug er vor.

Eine Antwort erhielt er nicht.

„Ich will auch Kouga beerdigen.“, fügte er hinzu.

„Hm.“, machte der Youkai.

Inu Yasha sah seinen Bruder von der Seite her an. Vielleicht... Aber nur vielleicht, war Sesshoumaru doch gar nicht so ein schlechter Kerl.

Das Grab auszuheben ging schnell. Inu Yasha schwang einmal Tessaiga und haute ein großes Loch in den Boden. Sesshoumaru kam und warf die Überreste von Kouga und Jaken achtlos hinein, was den Hanyou zu einem Stirnrunzeln veranlasste. Er nahm seine gedankliche Aussage sofort zurück: So behandelte man keine Toten!

Für Rin aber hob der Dämon in ähnlicher Weise selbst ein Grab aus.

Nachdem sie die drei Toten gemeinsam verscharrt und ihnen zu Ehren eine Schweigeminute gehalten hatten – wobei Sesshoumaru möglicherweise auch nur aus Gewohnheit schwieg – wandte der Inuyoukai dem Kampfplatz den Rücken zu.
 

„Sesshoumaru, warte!“, rief er ihm nach. Der Angesprochenen hielt nicht an.

„Sag mal, kann Naraku eigentlich wieder raus aus diesem Teil?“, stellte er die Frage, die ihm noch auf der Zunge brannte.

„Ja.“, erwiderte sein Bruder, „Es würde ihn einigen Kraftaufwand und ein paar Jahre kosten, aber er könnte es schaffen.“

„Also...“

„Also muss der Siegelstein zerstört werden.“, beendete er seinen Satz.

„Genau. Ähm... wie geht das?“, fragte er nach und lief dem Dämon nach.

„Es gibt nicht viele Möglichkeiten. Ich werde die einfachste wählen: ich werde den Stein in einen tätigen Vulkan werfen.“, erläuterte der Ältere ihm

Inu Yasha überdachte diese Aussage. Wo sollten sie denn jetzt auf die Schnell einen aktiven Vulkan herkriegen?

„Der nächste, infragte kommende Berg ist der Fujiyama.“, beantwortete Sesshoumaru seine unausgesprochene Frage.

Inu Yasha blieb stehen. Sein Bruder beachtete ihn nicht und lief weiter.

Der Hanyou warf einen Blick zurück auf die zerstörte Lichtung und die beiden Gräber. Der Fujiyama, so viel wusste er noch, lag verdammt weit weg. Da war man schon ein paar Tage unterwegs.

Dann wandte er den blick wieder nach vorn. Und schließlich fasste er einen Entschluss.
 

„Was denn noch?“, fragte Sesshoumaru leicht entnervt.

„Na was wohl? Ich komme mit dir!“, erwiderte Inu Yasha provozierend.

„Tatsächlich? Und warum solltest du das tun?“

„Ich muss schließlich sicher gehen, das du das Ding auch wirklich zerstörst!“, meinte er nicht er überzeugend.

„Und dafür willst du dich eine Woche lang mir unterordnen, dich dem Risiko ausliefern das ich dich umbringe und meinen Ruf gefährden weil ich mit einem Halbdämonen durch die Gegend renne?, erkundigte er sich mit erhobener Augenbraue.

„Hey!“, sagte Inu Yasha, „Ich werd mich dir ganz bestimmt nicht unterordnen! Und so schlimm wird es mit dir schon nicht sein. Immerhin, seid der Falle hast du mich nicht einmal mehr beleidigt.“

Sesshoumaru sah ihn von der Seite her an, als wäre er eben erst durch ihn auf diesen Fakt aufmerksam geworden.

„Du hast Recht, Halbblut. Ich werde darauf achten, das es sich nicht wiederholt.“

Inu Yasha schnaubte. Er wartete auf ein weiteres Gegenargument, aber zu seiner Verwunderung sagte Sesshoumaru nichts mehr dazu. Für ihn schien das Thema beendet.

Hieß das jetzt, dass er bleiben durfte?

Der Halbdämon wartete auf eine erneute Zurückweisung, während er weiter neben seinem Bruder her lief. Aber da kam nichts mehr. Sesshouaaru duldete ihn an seiner Seite.
 

Ein kleiner Hoffnungsschimmer entflammte in der leere, die der Tod von Naraku zurückgelassen hatten. Seine Freunde hatte er verloren. Aber vielleicht – und wirklich nur vielleicht – hatte er jetzt eine Familie gewonnen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (18)
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Von: abgemeldet
2009-10-16T03:56:33+00:00 16.10.2009 05:56
Wow...
Einfach nur... wow...
Ich muss zugeben, dass Ende hat mich überrascht.
Zum einen der Tode Rin und Jakens. So sehr ich es bedaure und mir die Zwei leid tun... Vielleicht ist es ja auch auf irgendeine Weise gut so. Immerhin hatte Sesshomaru, wie Inu Yasha angedeutet hatte, so nun ebenfalls den Schmerz erfahren, eine geliebte Person zu verlieren und wird seinen jüngeren Halbbruder deswegen nun hoffentlich nicht mehr so behandeln, wie er es noch zu Anfang getan hatte.
Mich stört/verwundert es allerdings, dass Inu Yasha seinem Halbbruder so schnell verziehen hat und ihm nun sogar folgt, trotz all der verletzenden Worte und Taten, für die er noch vor kurzem verantwortlich war.
Vielleicht ist es auch einfach nur das gemeinsame Schicksal (der Verlust einer geliebten Person) oder die Tatsache, dass er sonst niemanden mehr hat, welches dafür sorgt, dass er ihm nun folgt.
Zumindest könnte er so vielleicht einen Weg finden, die Leere, die sich nun in ihm breit gemacht hatte, etwas zu verdrängen.

Was Tesaki und Naraku angeht, so bin ich von dem Ausgang des Ganzen wirklich überrascht. Eigentlich war es klar, dass Naraku ihn nun wegwerfen würde und das Tesaki sich trotz alledem wünschte, weiter mit ihm zusammen zu sein. Immerhin ist Naraku ja - so schlecht er auch ist - seine einzigste Bezugsperson, sein einzigster Halt für ihn.
Aber das er seine eigene Seele geopfert hat, nur, um im Jenseits für immer mit ihm zusammen sein zu können, hätte ich ihm nicht zugetraut und bestimmt hätte auch Naraku nie damit gerechnet.
Aber auf irgendeine Art passt es zu Tesaki.
Am besten fand ich dabei, wie kurz vor der Übergabe des Juwels die Worte von Rin erklangen, dass es schön ist, mit der Person zusammen zu sein, die man mag.
Mir tut Tesaki irgendwie leid, dass es ausgerechnet Naraku sein musste, der in ihm eh nur ein Werkzeug sah, aber da er keine andere Bezugsperson hatte und auch sonst nur Schmerz und Einsamkeit kannte, hatte er sich wohl trotz all der schlechten Seiten Narakus weiterhin an seinen 'Meister' geklammert. Ich hoffe, dass seine Seele jetzt wenigstens irgendwie in Frieden ruhen kann.

Alles in allem eine schöne FF, sie hatte mich sehr mitgerissen.
Von: abgemeldet
2009-10-16T03:18:53+00:00 16.10.2009 05:18
Oh je, da merkt man mal wieder so richtig, wie sehr dieser Junge Naraku verehrt und von ihm abhängig ist...
Kougas Tod ist ja jetzt so ziemlich zum unpassendsten Zeitpunkt überhaupt gekommen und noch immer hege ich ein bisschen die Hoffnung, dass Sesshomaru sich doch noch dazu erbarmt, ihn wiederzubeleben. Es wäre für Inu Yasha wohl ein zu großer Verlust, würde er auch noch Kouga - und damit seinen letzten Bezug zur Vergangenheit, zu seinen Freunden - verlieren.
Immerhin konnten zumindest Rin und Jaken gerettet werden. Gerade für Rin muss diese Situation, besonders in ihrem Alter, recht schrecklich sein. Ich bin gespannt, was sich aus ihrem Gespräch mit Tesaki noch so ergibt.
Mich verwundert es allerdings ein bisschen, dass sich die zwei Halbbrüder so 'gut' verstehen - vor allem, wenn man sich deren letzten zwei Begegnungen vor Augen führt.

Nun bin ich aber auf das letzte Kapitel gespannt. Und darüber, was nun mit Tesaki geschieht.
Von: abgemeldet
2009-10-16T02:44:17+00:00 16.10.2009 04:44
Ich fürchte fast das war's mit Rin. Ich hoffe es nicht, immerhin ist sie einer meiner Lieblingscharaktere. Aber diese Schreie und Tesakis Vermutungen lassen darauf hindeuten.
Mal sehen, wie Sesshomaru reagiert, sollte Rin tatsächlich etwas zugestoßen sein. Vor allem, nach seinem Verhalten und seinen Worten Inu Yasha gegenüber...
Kougas Idee, zusammenzuarbeiten, ist so gesehen gut. Immerhin können sie zusammen viel mehr erreichen und hätten so bessere Chancen gegen Naraku. Allerdings ist es ziemlich zweifelhaft, ob sie wirklich all ihre Differenzen und ihren Hass aufeinander beiseite legen können.
Aber es ist gut zu sehen, dass zumindest Inu Yasha seinen Kampfgeist wieder gefunden hatte.

Aber dieser Tesaki... Der scheint sich wohl wirklich jede von Narakus Fehlern und Taten schön zu reden.
Eigentlich ist er ja - abgesehen von all den Taten, die er, aus seiner naiven und unterwürfigen Art Naraku gegenüber, begangen hat - so gesehen ein guter Junge. Aber sein Vorhaben, Naraku irgendwann dazu zu bringen, dessen Pläne friedlich zu lösen, kann er schon gleich vergessen. Dafür ist Naraku wohl längst schon zu sehr von Hass und Wahnsinn erfüllt.
Von: abgemeldet
2009-10-16T02:08:18+00:00 16.10.2009 04:08
> Es war doch niemand in der Nähe, der sich an seinem Anblick erfreuen konnte.

Allein an diesem Satz merkt man, dass Tesaki nicht viel Ahnung/Erfahrung mit Gefühlen anderer Leute hat. Wie denn auch, durch seine Vergangenheit?
Allerdings scheint er so langsam aufzuwachen, zu begreifen, dass Inu Yasha wohl doch nicht ganz so schlecht ist und Naraku nicht so perfekt, wie er es anfangs dachte.
Mal sehen, ob Naraku hinter dem Alleingang seines Schützlinges kommt und wenn ja, was er dazu sagen wird.
Zumindest wird sich Tesaki gleich einem rasenden Kouga gegenüber stellen können, nach dem, was er Ginta und Hakkaku angetan hat.
Mir tun die beiden leid, ich kann den Schmerz, den sie durch den Verlust ihrer Wölfe erlitten haben, gut nachvollziehen.
Von: abgemeldet
2009-10-16T01:34:57+00:00 16.10.2009 03:34
Wie es aussieht scheint der kleine Tesaki so langsam aber sicher Zweifel an Naraku und seinen Plänen zu bekommen und vielleicht bekommt er ja so noch dessen wahren Charakter zu Gesicht.
Die Tatsache, dass Naraku ihm das halbe Juwel gegeben hat und das dieser nun auf Alleingang was gegen Inu Yasha unternehmen will könnte Naraku unter Umständen noch zum Verhängnis werden. Ich bin gespannt, wie Tesaki reagiert, sollte er auf Inu Yasha treffen...
Kikyos Entscheidung, Inu Yasha leben zu lassen, dürfte ihr - zumindest aus ihrer Sicht der Dinge aus - bestimmt nicht leicht fallen, aber vielleicht ist es ja doch besser so... Auch wenn Selbiger zurzeit keinen großen Lebenswillen mehr hat und ihn der Verlust Kikyos nur noch mehr schmerzen würde. Ich bin zumindest gespannt, wie es weitergehen wird - und was Sesshomaru noch tun wird, auch im Bezug zu Rin und seinen Bemerkungen Inu Yasha gegenüber, sich nicht mit Menschen abzugeben.
Von: abgemeldet
2009-10-16T00:48:59+00:00 16.10.2009 02:48
Irgendwie kann ich gerade nicht anders, als Kouga, Sesshomaru und auch die Dorfbewohner zu hassen.
Okay, man kann es teilweise nachvollziehen... Zumindest die Angst der Dorfbewohner und die Wut Kougas darüber, dass er Kagome verloren hatte (wobei Sesshomarus Handeln ja ziemlich beschissen war), aber dennoch: Was sie Inu Yasha mit ihren Handeln und ihren Sprüchen antaten, dass sie ihn dadurch in seiner Überzeugung, nichts wert zu sein, so sehr bestärkten...
Für ihn muss ja gerade eine ganze Welt in Trümmern liegen, dass er sich dadurch schon so lebensgefährlich verletzte.
Jetzt bin ich gespannt, was mit Kikyo passiert. Und ob Sesshomaru, jetzt, wo Rin angegriffen wurde, nun auch so ähnlich wie sein verhasster Halbbruder reagieren wird.
Von: abgemeldet
2009-10-16T00:07:57+00:00 16.10.2009 02:07
Ach du Sch...!
Tja, damit bleiben nicht mehr viele Leute übrig.
Miroku, Sango, Shippo, Kirara... Es ist schon ziemlich schrecklich, dass ausgerechnet durch Mirokus Willen, diesen Kampf zu gewinnen, alle gestorben sind.
Fast noch schockierender finde ich es, wie Tesaki eigenhändig Kaedes Hütte in die Luft gejagt und sie somit getötet hatte. Das er so wenig Skrupel dabei hatte... Okay, er hatte es nie anders gelernt, aber es ist schon erschreckend, mit wieviel kindlicher Naivität er sie alle mehr oder weniger auf grausamste Weise getötet hatte.
Allerdings hatte sein Vorgehen nun Kagura, Kanna und Kohaku das Leben gekostet, die einzigsten Bezugspersonen, die er neben Naraku hatte. Ich bin gespannt, wie er auf diese Gewissheit reagieren wird. Und gerade darauf, dass Naraku es war, der mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit dafür gesorgt hatte, dass Kohaku der Splitter entfernt wurde.
Aber Inu Yasha muss es ja jetzt wirklich schwer haben. Alle seine Freunde und Bezugspersonen sind tot...
Ich bin gespannt, was er jetzt, mit dieser Gewissheit, tun wird.
Von: abgemeldet
2009-10-15T23:32:38+00:00 16.10.2009 01:32
Ich bin ein ziemlich großer Fan von Sesshomaru und ich bin es ja gewohnt, dass er manchmal recht kaltherzig reagiert, aber das, was er Inu Yasha angetan hatte, war wirklich... da fallen mir keine Worte ein!
Allerdings ist es interessant, dass er auf der einen Seite seinem kleinen Bruder vor Augen führen will, dass es nicht gut ist, sich mit Menschen abzugeben, auf der anderen Seite aber selbst Rin bei sich hat und sie immer beschützt.
Und so, wie sich der letzte Satz liest, habe ich schon fast die Vermutung, dass gerade dieser Schwachpunkt auch für ihn zum Verhängnis werden könnte.
Sango und Miroku haben es aber gerade auch nicht einfach. Ich kann nur mit Miroku hoffen, dass Sango nicht in der Nähe ist und nicht auch noch von dem Kazaana erfasst wird.
Und mal sehen, wie Kohaku reagieren wird, wenn er merken sollte, dass seine Schwester ermordet werden soll. Von Kagura und ihrer misslichen Lage ganz zu schweigen.
Das Kapitel war wieder mal gut gelungen, einzig ein paar kleine Rechtschreibfehler oder doppelte Wörter waren mir ins Auge gesprungen. Ansonsten war es sehr packend geschrieben, ich werde mich gleich mal dem nächsten Kapitel widmen.
Von: abgemeldet
2009-10-15T23:03:35+00:00 16.10.2009 01:03
Man merkt schon einmal sehr deutlich, dass Tesaki ziemlich naiv und unerfahren ist. Auch die Art, wie sehr er Naraku anhimmelt und gut nicht von böse unterscheiden kann. Kein Wunder, musste er die meiste Zeit seines Lebens im Kerker verbringen.
Auch hatte Naraku ihm offensichtlich so manche Lügen über Inu Yashas Truppe erzählt. Aber Tesaki scheint ihm ja eh so einiges zu glauben, solange es nur von seinem 'Herrn' kommt.
Eigentlich erschütternd, dass ausgerechnet so ein naives Kind, ohne es selbst richtig zu begreifen, hinter solch einem grausamen Plan steckt. Ich mag mir schon gar nicht ausmalen, was er als nächstes tun wird...
Inu Yasha scheint sich zurzeit auch an seine letzte Hoffnung zu klammern. Mal schauen ob es ihm noch gelingt, seinen großen Bruder zu erreichen und wenn ja, wie dieser auf Inu Yashas Anliegen reagieren wird. Viel Zeit bleibt Inu Yasha ja für die Rettung Kagomes nicht mehr.
Von: abgemeldet
2009-10-15T22:36:09+00:00 16.10.2009 00:36
Ich muss zugeben, ich bin geschockt.
Nicht von der Situation und von Kagomes Tod an sich (ich hatte schon geahnt, dass es darauf hinauslaufen würde), sondern mehr darüber, wie dies alles beschrieben wurde.
Die ganze Situation, die Angst, die Trauer, all das konnte ich mir richtig bildlich vor Augen führen. Am bewegendsten war für mich der Moment, in dem Kagome noch in letzter Sekunde versucht hatte, ihn mit dem Osuwari aufzuhalten und wo in dem Moment, in dem sie hinfiel, die Bannkette zu Boden fiel.
Da kann man sehen, wohin solch eine kleine Entscheidung, wie ihm die Bannkette abzunehmen, so führen kann...
Mir persönlich tut jetzt vor allem, neben Inu Yasha, Shippo Leid. Einerseits ist Inu Yasha ja einer seiner Freunde, andererseits musste Shippo mit eigenen Augen ansehen, wie dieser Kagome umgebracht hatte.
Das er da erstmal mit Wut auf ihn reagiert, ist da verständlich.
Da bin ich mal gespannt, wie seine Freunde jetzt reagieren werden. Zwar akzeptieren sie Inu Yasha als Freund, aber dadurch, dass er nun Kagome auf dem Gewissen hat, werden sie mit ihm sicherlich nicht mehr so umgehen können, wie sie es sonst immer taten. Zumindest werden sie nicht mehr so unbefangen miteinander umgehen können, wie sie es sonst taten...

Ich werd mich jetzt gleich mal ans vierte Kapitel setzen.


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