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Wolfwind

Grenzen
von

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Wolfswind
 

Einst gebar eine junge Wölfin, Ahkuna genannt, im Tal der Flüsternden Winde, drei kleine Welpen. Zwei Rüden und eine Fähe, deren Fell so weiß und leuchtend war wie das Licht der entfernten Sterne.

Die Kleinen bekamen die Namen Schiriki, Sternschwester und Imiak.

Die Mutterwölfin und ihre Gefährten kümmerten sich liebevoll um die Jungen. So wuchsen sie heran und entfernten sich häufig immer weiter von ihrer Geburtshöhle. Akhuna sorgte sich jedes Mal sehr um sie. So schickte sie den Welpen den befreundeten Häher, Schak, hinterher um auf sie aufzupassen.

Auf einer Erkundungstour der Jungen kamen sie sehr Nahe an einem angrenzenden Revier vorbei. Als sie dann am Abend ihrer Mutter aufgeregt von ihrer Entdeckung erzählten, mahnte sie diese: „Geht niemals zu einem der anderen Rudeln oder in ihre Heimat! Sie dulden uns nicht in ihren Gebieten und wir dulden sie nicht. Sie haben auch Welpen, so wie wir euch haben. Sie werden euch davon hetzen, um die ihren zu schützen, wenn ihr das Revier betretet, sie werden euch vielleicht sogar töten. So war es schon immer und so wird es auch immer sein. Meidet sie und geht nicht zu ihnen.“

„Aber eigentlich lieben sie ihre Jungen doch genauso, wie ihr uns liebt, oder? Dann können sie doch gar nicht so böse sein, wie du sagst.“ entgegnete Imiak.

„Ich weiß, was du meinst und damit hast du auch bestimmt recht, aber sie lieben ihre Jungen und nicht unsere. Uns gegenüber sind sie vorsichtig, was oft genug in Hinterlist und Bösartigkeit ausgeartet war. Bleibt einfach von ihnen fern und ihr seid sicher.“

Sie schaute die Jungen ernst an.

Niedergeschlagen nickten die Welpen einer nach dem anderen. Sie waren doch so neugierig auf die anderen, fremden Wölfe. Aber sie hatten dennoch Angst vor den Fremden. So wie ihr Rudel sie verteidigen würde, würden es auch die anderen Rudel mit für ihre Welpen tun.

Am nächsten Morgen gingen die Welpen wieder auf Abenteuerreise. Und wieder kamen sie am Rand ihres Reviers vorbei.

Sie setzten sich an die Grenze und schauten zu dem unbekannten Revier.

„Ach,“ seufzte Imiak, „wie gerne würde ich mich dort doch einmal umsehen. Es gäbe bestimmt vieles zu entdecken!“

„Imiak! Du weist was Mutter zu uns sprach!“ wuffte Sternschwester ihn an.

„Ach, Sternschwester, ich glaube nicht das sie so böse sein sollen!“

Schiriki, der schmächtiger als die beiden anderen war, nahm sanft die Schnauze seines Bruders ins Maul und winselte.

„Bleib hier bei uns, lieber Bruder.“ flehte er als er die Abenteuerlust in seinem Geschwisterchen spürte.

Doch der kleine Wolf war so fasziniert vom Revier des fremden Rudels, dass er zu seinen Geschwistern sagte: „Ich werde dort hin gehen und dort bestimmt auf ganz viele Abenteuer stoßen!“

„Imiak! Nein!“ riefen die beiden anderen, doch er war schon hinüber gestürmt und im Unterholz verschwunden.

Ängstlich schauten die beiden Welpen sich an.

Schak, der die ganze Zeit über im Geäst über den Welpen saß, flatterte zu den zwei Kleinen herab und piepste aufgeregt: „Ihr beiden bleibt brav hier, ich fliege schnell zu Akhuna zurück und erzähle ihr von eurem Bruder und seiner dummen Idee! Bewegt euch nicht fort!“

Die Welpen sahen dem Häher hinterher als losflatterte, um zum Lager der Mutterwölfin zu fliegen.

Am Lagerplatz eingetroffen, rief er Ahkuna und die anderen zusammen um ihnen von Imiak zu berichten.

Erschrocken über die Gedankenlosigkeit Imiaks, liefen sie zur Grenzlinie.

Die Welpen waren erfreut in ihrer Hilflosigkeit, die erfahrenen Wölfe zu sehen.

Sie heulten und riefen nach ihm, wenn auch etwas leise, wollten sie ja nicht die Aufmerksamkeit des anderen Rudels auf sich oder Imiak lenken.

Ahkuna hatte sich vom Rudel getrennt und stand nun vor der Grenzlinie.

Das Rudel sah ihre Alphawölfin stumm an.

Palo Kann, ihr Partner, wusste was sie vorhatte.

Er lies sie gehen.

Sie nahm die Witterung des Welpen auf und ging ohne zögern über die Grenzmarkierung des fremden Rudels um ihren geliebten Sohn zurückzuholen.
 

Imiak unterdessen erkundete freudig und mit wedelndem Schweif das fremdartige Gebiet.

Er war sehr tief in das fremde Revier eingedrungen.

Dass er schon längst vom fremden Rudel verfolgt wurde bemerkte er in seinem Eifer noch nicht. Doch mit der Zeit und der wachsenden Entfernung, wurde es ihm unaufhörlich mulmiger.

Er wollte umdrehen und zurücklaufen, zu seiner besorgten Mutter und seinen Geschwistern.

Plötzlich sprang ein knurrender Wolf aus dem Unterholz und schnappte den Welpen an der Halskrause.

Imiak erschrak schrecklich, sodass er ein spitzes, lautes Bellen ausstieß.

Nach und nach krochen noch mehr Wölfe des fremden Rudels aus dem Dickicht.

„Was willst du hier, Welpe, der du nicht zu uns gehörst?“ fragte ein großer, stämmiger Wolf.

Imiak kniff die Rute ein und winselte. Vor Angst konnte er nicht antworten.
 

Akhuna hatte den Schrei ihres Jungen vernommen und rannte so schnell sie konnte zu der Stelle, wo sie vermutete, das Imiak sein musste.

Doch sie hatte sich verirrt und konnte entweder nur noch tiefer in das unbekannte Gebiet oder wieder zurück.

Sie blieb stehen und sog witternd die Luft ein, gespannt, um jeden Moment wieder loszulaufen und Ihren Welpen zu suchen.
 

Imiak, der seine Sprache wieder fand, winselte leise: „ Ich bin Sohn Akhunas und Palo Kans. Tut mir nichts, ich möchte nur wieder zurück zu meiner Mutter.“ Mit großen Augen sah er den muskulösen Leitwolf an.

„Akhuna sagst du?“ fragte eine anmutige Wölfin, die hinter dem Leitwolf erschien.

„Ich kenne sie gut. Akhuna ist sicher besorgt um dich. Tasch Kan, Vater meiner Welpen, ich werde ihn zurückbringen aber erst soll er sich von dem Schrecken erholen, ja?“

Tasch Kan sah zu seiner Gefährtin.

Dann wies er dem Wolf, der Imiak geschnappt hatte, an, ihn auf dem Boden abzusetzen.

„Gut, Ayana, ich bin einverstanden.“ sagte er und leckte ihr über ihr sanftes Gesicht.

Der Wolf der Imiak gepackt hatte, sprang auf Tasch Kan zu und knurrte.

„Wieso willst du ihn laufen lassen? Er hat unsere Grenzen missachtet und ist tief in unser Revier eingedrungen! Das ist unverzeihlich! Jeden anderen hätten wir attackiert und getötet, als noch…“, er verstummte und senkte den Kopf.

Aus seiner Kehle kam ein tiefes Grollen.

Ayana holte mit gestäubtem Fell Imiak zu sich und knurrte den aggressiven Wolf an.

Tasch Kan funkelte ihn an und zog langsam die Lefzen hoch.

„Sprich weiter, Senta! Ich weiß, dass du mich hasst und lieber wieder deinen alten Leitwolf hättest! Aber wären wir denn wirklich Geschöpfe Waka’s, dem Gesetz, wenn wir zu Welpenmördern werden? Wären wir es denn noch würdig hier zu sein, wenn wir ohne Grund unsere Art töten?“, sprach Tasch Kan zu seinem Rudel gewannt.

Senta schaute unheilvoll zu ihm und rief: „Wen verschonst du als nächstes? Alte? Jungwölfe? Sollen wir noch die Langschwänzigen und die Leisepfoten einladen uns die Beute wegzujagen?“

Tasch Kan fletschte die Zähne und knurrte: „Wer bist du, dass du mir Vorwürfe machst? Sorgst du dich nicht um dein Rudel, die Welpen? Wenn sie bei Akhuna wären, würdest du sie sterben lassen? Bestimmt ist sie ganz aufgebracht und auf dem Weg zu uns! Sie sorgt sich so sehr um ihren Kleinen, dass sie ihr Leben für ihn einsetzen würde! Warum sollten wir ihr nicht ihren Jungen wieder geben? Habe ich gesagt, dass wir und die Leisepfoten gut Freund sind? Leg mir nicht Worte in den Mund, die ich nie gesagt habe! Denn hier hörst du was ich sage: Wir leben seit Jahren nach Waka und sind sicher nicht die einzigen, die Welpen und Jungtiere verschonen! Jeder von ihnen, von uns, hat seine Bestimmung, und wir respektieren sie!“

Plötzlich bleckte Senta die Zähne, sprang auf Tasch Kan zu und schnappte nach ihm. Dieser wich so geschickt aus, dass Senta stürzte und hart auf dem Boden aufprallte. Er rappelte sich auf, doch Tasch Kan hatte ihn bereits in die Flanke gebissen. Er heult auf und zog den Schwanz ein. So plötzlich der Kampf auch begonnen hatte, Tasch Kan hatte ihn beendet.

Senta duckte sich rasch unter dem Leitwolf und winselte.

„Verschwinde“, sagte Tasch Kan eisig, „ ich will dich hier nie wieder sehen! Ich verstoße dich aus meinem Rudel und hoffentlich wirst du auf deinem Weg lernen was ich euch versuche einzuprägen. Denn wenn dich jedes Rudel, dem du begegnest, hinfort jagt, wirst du vermutlich verstehen warum ich Fremde nicht sofort töte.“

Senta suchte den Blick des alten Leitwolfes. Er sah ihn wenige Meter von sich entfernt. Das Fell hing ihm in Zotteln herunter und seine Augen waren trübe. Er war alt und teilte nun die Meinung des neuen Alphawolfes. Er hatte schon lange eingesehen, dass sein Weg des Hasses ihn nicht weit gebracht hatte, so hatte er der nächsten Generation Platz machen wollen und Tasch Kan als Nachfolger ausgesucht.

Der Alte sagte: „Senta, du brauchst mich nicht unterwürfig anzustarren. Tasch Kann ist der Leitwolf und er hat Recht. Ich würde nicht anders handeln.“

Senta senkte den Kopf, schlich sich ins Unterholz und verschwand.

Tasch Kan schaute über sein Rudel. Sie hatten nun verstanden warum Imiak noch am Leben war.

Sein Blick blieb auf dem Alten haften. Er ging zu ihm und erwies ihm die Ehre, die er für angemessen hielt, indem er ihm sachte über das Gesicht leckte.

Das restliche Rudel tat es ihm gleich und der alte Greis musste in sich hinein lächeln.

Tasch Kan ging zu Ayana und berührte sanft ihre Nase.

Er schaute zu Imiak der sich zwischen Ayana’s Vorderbeinen verkrochen hatte.

Dann hob er die schnauze und heulte, dass sich Akhuna und ihr Rudel nicht zu sorgen brauchten, man werde ihnen ihren Welpen unbeschadet zurückbringen.
 

Akhuna hielt inne als sie das Heulen vernahm.

Sie spitzte die Ohren und lauschte angespannt der Stimme des Leitwolfes.

Sie zögerte, es war nicht der Wolf, den sie als Leitwolf dieses Rudels kannte, doch dann heulte sie kurz ihre Antwort.

Sie werde auf sein Wort vertrauen. Sie verlässt sein Revier sofort und wird an der Grenze warten, bis sie ihren Welpen wieder hat.

Sie drehte sich um und lief erleichtert und dennoch besorgt zurück in ihre vertraute Heimat.

An der Markierung angekommen, wurde sie von den restlichen Rudelmitgliedern begrüßt und freudig angesprungen. Sie erzählte ihnen, was sie wissen wollten und sagte: „Ich werde alleine mit Palo Kann auf meinen Welpen warten. Geht nach hause.“

Sternschwester und Schiriki protestierten und fingen an zu jammern und zu winseln: „Wir wollen auch auf unseren Bruder warten, bitte, lass uns mit dir warten!“ heulten sie traurig.

„Natürlich, meine Kleinen, dürft ihr bleiben. Aber ich will keinen Mucks hören, verstanden?“ sagte Akhuna freundlich.

Erfreut wuselten sie zu Akhuna und zausten ihr den Pelz.
 

Imiak folgte Ayana zu ihrem Bau. Dort angekommen kamen ihnen zwei kleine, mit den Ruten wedelnde Welpen entgegen und begrüßten Ayana freudestrahlend.

Sie sprangen freundlich und ohne scheu zu Imiak und wollten ihn zum Spielen auffordern.

Ayana legte sich an den Eingang der Höhle und sah ihnen freudig beim balgen zu.

„Vergesst niemals eure Freundschaft, sie kann eines Tages von hohem Wert sein.“ sprach sie zu den Kleinen gewandt, die dies jedoch im wildem Spiel überhörten.

Sie dachte über das Geschehene nach. Sie wünschte sich, dass Senta zur Vernunft kam.

In Gedanken versunken merkte sie erst als es dunkel wurde, wie schnell die Zeit vergangen war.

Ayana stand auf und heulte ruhig in die Nacht hinaus.

Entfernt hörte sie Akhuna und Palo Kan formell antworten.

Sie trabte zu den vom Spielen müden Welpen und stupste sie an.

„Imiak, wir müssen dich nun zu deiner Mutter zurück bringen, sie sorgt sich sonst zu sehr.“ wuffte sie leise zu ihm.

Als sie sah, wie ihre Welpen sie mit großen Augen anstarrten, meinte sie nur knapp: „Na gut, ihr könnt auch mit. Aber seid schön leise.“

Sie liefen gemächlich an die Abgrenzung. Nach einer Weile hatte sich auch Tasch Kan zu der kleinen Truppe gesellt.

Beiden Familien wurde es etwas unwohl, sobald sie den Geruch der anderen witterten.

Die Welpen jedoch tobten gleich aufeinander zu, als sie sich erspähten.

Die Leitwölfe begrüßten sich mit gebührendem Respekt.

„Wie ich sehe, ist mein Junges unbeschadet von seiner Reise in euer Gebiet geblieben.“ sprach Akhuna freudig.

„Seid ihr die neuen Leitwölfe? Ich habe den alten Bruchzahn in Erinnerung.“ stieß Palo Kan hervor.

„Du sagst es selbst, er war alt, unser Leitwolf, seine Zeit war vorüber. Er hat in seinen letzten Tagen noch einen angesehenen Ruf in meinem Rudel, dennoch hat er gemerkt das er am Ende seiner Zeit angekommen war.“, entgegnete Tasch Kan.

Sie erzählten noch bis spät in die Nacht, was Imiak widerfahren war.

Akhuna und Palo Kan waren erschrocken über das Verhalten Sentas.

Da sie vollkommen mit der Einstellung von Tasch Kan einstimmten, vereinbarten sie folgendes:

Zu jedem Vollmond treffen sich die beiden Rudel, ohne auf die Grenzen der anderen und die Rangordnung zu achten, um von Waka’s guter Welt zu singen.

Wenn man heute noch bei Vollmond dem Wind lauscht, trägt er vielleicht die heulenden Stimmen der Wölfe aus dem Tal der Flüsternden Winde, zu einem, die von ihrer schönen, heilen Welt träumen und singen.



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