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Patient X

von

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Allein mit ihm

Kapitel 3: Allein mit ihm
 

Hermine drückte sich am hinteren Ende des Zimmers an die Wand und ließ sich langsam zu Boden sinken, die schreckensgeweiteten Augen starrten gebannt geradeaus auf den Patienten am anderen Ende des Raumes.
 

Sie hatte den leibhaftigen Voldemort das letzte Mal bei der Schlacht von Hogwarts gesehen.
 

Sie erkannte die schneeweiße, haarlose Haut, die roten Augen und das abgeflachte Gesicht, wo eine Nase schlangenähnlichen Nüstern gewichen war. Ja, dieser Mann war Voldemort. Da lag er. Bleich, noch dünner als vorher, Schnittwunden im Gesicht und am Körper. Offenbar war er bis auf die, Hermine schauderte als sie daran dachte, Windel nackt. Eine dünne Decke war ihm bis zur Brust hochgezogen worden. Im Kellerraum war es so kalt, dass sie ihren eigenen Atem sehen konnte. Offensichtlich lag dem Personal nicht viel daran, ihn warmzuhalten.
 

Lord Voldemort, der ehemalige Lord wohl besser, musste ihren Namen kennen … er musste wissen, wer zu ihm geschickt worden war. Hermine war unsicher, ob das entweder als Strafe für sie selbst, für ihn oder für beide gedacht war.

Sollte er sie jedoch bemerkt haben, so zeigte er es nicht. Nach wie vor lag er vollkommen reglos in seinem Bett. Auf dem Rücken, leidlich mit der Decke bedeckt, die Arme seitlich neben dem Körper angewinkelt, den Oberkörper durch das Krankenhausbett leicht erhoben, starrte sein Gesicht ausdruckslos aus einem Fenster hinaus. Nichts wies darauf hin, dass er in irgendeiner Weise registriert hatte, dass sie da war.
 

Hermine erhob sich mit zitternden Beinen. Was tun? Sie wollte ein paar Schritte nach vorne gehen, um den Wagen wieder aufzustellen, aber ihre Beine waren anderer Meinung. Hier stand sie immer noch mit dem Rücken zur Wand und kam keinen Schritt weiter.

Den Tränen nahe verfluchte sie Claris und sich selbst. Übelkeit stieg in ihr auf. Eiseskälte umfing sie. Hermine zog die Schultern hoch, ihre Lippen bebten vor Angst. Ihr war, als ob man sie in ein viel zu enges, eiskaltes, eisernes Mieder gezwungen hätte, dass sich nun mit teuflischer Kraft zusammenzog, ihre Brust zuschnürte und ihr die Luft zum Atmen raubte.

Ein irritierendes Geräusch ließ sie zusammenschrecken, erst Sekunden später wurde ihr klar, dass es ihre eigenen Zähne waren die und nicht er, das leise echonde „klick-Klack“ erzeugte.

Tränen traten in Hermines Augen, am liebsten wäre sie weggerannt.
 

Raus ihr, war ihr einziger Gedanke. Alles was sie in diesem Moment fähig war zu denken, doch war sie starr, bewegungslos und fürchtete, die Herrschaft über ihren eigenen Körper verloren zu haben. Wäre es möglich gewesen, so wäre sie wie ein Gespenst durch die Wand nach hinten entschwunden. Denn eines war klar, um nichts in der Welt wollte sie auch nur einen Schritt näher an den Patienten herangehen.
 

Fieberhaft überlegte ihr doch sonst so klarer, immer hilfreicher Verstand, wie sie sich aus dieser Situation retten könnte. Helen hatte doch gesagt, dass niemand freiwillig dieses Zimmer betrat, dass sie alle Angst und Ekel bei seinem Anblick empfand und außer ihr niemand zu ihm Kontakt haben würde. Vielleicht musste sie dann gar nichts tun. Sie würde sich jetzt einfach wieder hinsetzen, die zwei Stunden abwarten und dann das Zimmer verlassen. Wenn sie in dieser Zeit nichts getan hatte, würde das niemandem auffallen. Der Gedanke war etwa zehn Minuten lang äusserst tröstlich. Aber nicht länger…

Nur dazusitzen und krampfhaft versuchen, an ihm vorbeizustarren, war keine Hilfe. Ständig glaubte sie aus den Augenwinkeln irgendeine Bewegung zu erkennen. Panisch lauschte sie auf jedes mögliche Zeichen einer Bewegung seinerseits… Durch die bleierne Stille hindurch die auf dem Raum lag, hörte sie irgendwann sogar den leisen, leicht rasselnden Atem des Mannes im Bett. Sie hatte das unbestimmte Gefühl, beobachtet zu werden, in der Falle zu sitzen, ausgeliefert zu sein.
 

Wie aus ihrer Trance erwacht, fuhr Hermine auf. Irgendetwas musste sie machen. Sie würde hier drinnen noch verrückt werden, wenn sie weiterhin nur darauf wartete, dass irgendetwas geschehen könnte. Wenn sie irgendetwas machte, dann, dann musste sie sich zumindest nicht länger wie eine gefangene Maus in der Falle fühlen.

Sie wollte nicht in das verhasste Gesicht blicken. Sie traute sich aber auch nicht, ihm den Rücken zuzukehren und von ihm wegzublicken. Bei seinem Anblick hallte seine kalte, klare Stimme in ihrem Kopf wieder. Hermine fröstelte beim puren Gedanken an die Worte, die sie diese Stimme sagen, schreien, zischen hörte. Wie hatte sie diesen Mann in den letzten Jahren zu hassen und fürchten gelernt. Den Mann, in dem nicht einmal der gutmütige Dumbledore mehr auch nur ein Quäntchen Mensch gesehen hatte.
 

Aber irgendetwas musste sie tun. Nur hier zu stehen und versuchen ihn nicht anzusehen, das würde sie keine vier Monate lang aushalten. Hoffnungsvoll sah sie zur Tür hinüber. Eigentlich könnte sie doch auch einfach gehen. Warum gab sie nicht wirklich auf? Sie wollte Claris den Triumph nicht gönnen, aber angesichts dieser Umstände…wer würde das nicht verstehen?
 

Alle, alle ihre Freunde würden es nicht verstehen, denn denen durfte sie ja nicht sagen, um wen sie sich hätte kümmern sollen. Alle würden denken, die ach-so-schlaue, besserwisserische Hermine taugte wohl doch nur zum Bücher lesen und war für nichts Praktisches zu gebrauchen. Intelligent, aber lebensfremd. Eigentlich hatte sie sich doch gemeldet, um diesen Leuten (zu denen wohl insgeheim auch Ron und Harry zählten) zu beweisen, dass sie mehr konnte außer auswendig zu lernen und in geschützten Klassenzimmern Zauber vorzuführen.
 

Wieder trat sie ein paar Schritte näher, sorgsam darauf achtend, ihn nicht aus den Augen zu lassen. Mit zitternden Fingern richtete sie den Zauberstab auf ihn, während sie sich nun zu dem Wagen hinabkniete, um dort mit zittrigen Fingern all die heruntergefallenen Gegenstände zusammenzusammeln und auf den neu aufgestellten Wagen zu stellen.
 

Nach wie vor keine Reaktion von ihm. Ob es wohl stimmte, dass sie ihn gelähmt hatten? Aber wer wusste schon, wie viel Kräfte auch ein gelähmter Voldemort besaß? Ohne zu reden und ohne Zauberstab war er immer noch mächtiger als sämtliche Hogwarts Schüler, inklusive ihr, zusammen. Sie schluckte. Aber er rührte sich nicht. Ob es spezielle Zauberbanne gab, die man auf ihn gelegt hatte? Sicher…er würde sich nicht bewegen können. Er konnte wohl sprechen, vielleicht auch den Kopf drehen…mehr wohl aber scheinbar nicht. Aber auch dazu machte er keine Anstalten…lag nur da und starrte auf einen unbekannten Punkt außerhalb des vergitterten Fensters. Keine Bewegung, außer das gelegentliche Zwinkern der Lieder, um die darunter liegenden, leblosen Augen zu benetzten.
 

Hermines ganzer Körper schien nur aus einem angespannten Muskel zu bestehen. Ganz langsam richtete sie sich auf, den Zauberstab immer noch in der zitternden Hand auf ihn gerichtet. Vorsichtig tastete sie sich näher. Gerade so, als wäre er eine Schlange, die zwar ruhig dalag, aber jede Sekunde vorschnellen und sie totbeißen könnte. Guter Vergleich…
 

Hermine, die Raubtierbändigerin, stand nun am Fußende seines Bettes. Das rasselnde Geräusch seines Atems war nun etwas deutlicher zu hören. Ein Geräusch, das wie scharfes Eis in ihr Trommelfell schnitt und ihn mehr den je wie ein verwundetes Monster wirken lies.

Was sollte sie zuerst tun? Neben dem Bett war ein Stuhl aufgestellt. Wenn sie das Bett machen sollte, müsste er dort sitzen. Sie konnte das Bett mit Magie sich selbst beziehen lassen. Sie könnte ihn aber nicht in der Luft schwebend durchs Zimmer fliegen lassen, wo er während dem Schweben von magischen Waschlappen gereinigt wurde. Das würde sie tun müssen. Ihr Atem ging schneller. Kalter Schweiß brach aus. Sie konnte ihn nun ganz deutlich sehen. Ja, kein Zweifel…das war Voldemort. Lord Voldemort, der nach wie vor da lag und nichts und niemanden um ihn herum zu registrieren schien.
 

Vor ein paar Tagen hatte sie hier im Krankenhaus einen Crash-Kurs über Krankenpflege mitgemacht. Ihr war gezeigt worden, wie man Männer und Frauen wusch, Fieber und Puls maß, wie man Betten machte und wie man Salben auftrug. Wirklich sicher fühlte sie sich nicht…sie hätte gerne jemanden gefragt. OBEN. Wo sie jetzt unbedingt gerne sein wollte. Oben, zusammen vielleicht mit Helen die sie herumführte und ihr alle Handgriffe noch einmal von Erklärungen begleitet vormachte. Nicht hier unten bei dem Menschen, der mehr gehasst wurde als alle anderen auf diesem Planeten.
 

Sie würde damit anfangen das Bett zu machen. Ihn zu waschen und zu füttern, davor fürchtete sie sich am meisten…das müsste bis später warten. „Ich, ich werde Sie jetzt herausheben", piepste sie mit hoher, zittriger Stimme. „Ich setze Sie dann auf den Stuhl und dann wird das Bett gemacht, ja?“ Keine Reaktion. Eigentlich sollte sie doch auch nicht mit ihm reden. Aber ihn ohne Vorwarnung anzufassen schien gefährlich. Und wenn sie laut aussprach, was sie vorhatte, dann musste sie es auch tun. Konnte sich nicht so einfach davor drücken.

In weitem Abstand umschritt sie sein Bett, bis sie neben der Seite des Kopfendes stand, dass gegenüber der Tür lag.
 

Man konnte nie wissen… es war auf alle Fälle gut, den Fluchtweg im Auge zu behalten. Den Zauberstab in der einen Hand, den Stuhl vor sich herschiebend, trat sie näher heran bis sie ihn schweren Herzens beiseite schob und nun endgültig in Reichweite von Voldemorts Armen war.

Um sich von dem erneut aufkeimenden Gefühl von Abscheu und Furcht abzulenken, lenkte sie ihre Gedanken zu praktischeren Fragen hin.

Ob sie es überhaupt schaffen würde, ihn auf den Stuhl zu hieven? Er war recht groß, sie konnte ihn nur hinter sich herschleifen, nicht aber ihn aufrichten.
 

Hermine stand direkt vor ihm und konnte nun nicht mehr umhin, ihn anzusehen. Er war immer dünn gewesen, zumindest schien er die wenigen Male dünn, die sie ihn bisher, stets in weite, schwarze Umhänge gehüllt, gesehen hatte. Jetzt aber schien er noch dürrer geworden zu sein. Abgemagert, wie ein Skelett sah er aus.

Sie fragte sich wie oft er wohl in den letzten Wochen nichts zu essen und zu trinken bekommen hatte, weil das Personal Angst hatte, in seine Nähe zu kommen. Auf der bleichen, haarlosen Brust konnte sie jeden einzelnen Knochen durch die dünne Haut hindurchschimmern sehen. Es ging wohl wirklich nur darum, ihn halbwegs am Leben zu erhalten. Er sollte noch etwas aushalten. Wenn er dabei langsam verhungerte, dann umso besser. Je schwächer er war, desto besser für das Krankenhaus. Auch Hermine fühlte sich durch die abgemagerte Gestalt etwas beruhigt. Je schwächer er war, desto besser. Vielleicht, wenn sie sich das so ansah, musste sie ja nur noch ein paar Tage warten und das Problem würde sich von alleine lösen. Wie viel er wohl wiegen mochte? Zweifellos wäre niemand überrascht, wenn er bald starb.
 

Einstweilen jedoch war er noch lebendig, und sie musste ihn anfassen. Am liebsten hätte sie sich dicke, wollene Handschuhe übergezogen um seine Haut nicht auf ihrer zu spüren. Schade…die Muggel verwendeten wenigstens Einmalhandschuhe. Hier im Krankenhaus war das unnötig, da Keime regelmäßig magisch abgetötet wurden.
 

Sie zog das Kissen, auf dem sein Oberkörper lag, leicht zu sich. Nun, da sie ihm so nahe war, konnte sie auch den unglaublichen Gestank nicht mehr ignorieren, den sein Körper ausströmte. Bestimmt war er, seit er erwacht war, nicht mehr gewaschen worden. Wann die letzte Windel gewechselt wurde, war ebenfalls fraglich.
 

Sie versuchte die Luft anzuhalten, das ging jedoch nicht gut, denn sie fühlte sich sofort schwanken. Ihr eigener Atem ging stoßweise, sie musste den Gestank wohl bis nachher ertragen wenn sie nicht aus Luftmangel ohnmächtig werden wollte. Vorsichtig, es war, als würde sie die Hand in ein Glas voller Maden tauchen, schob sie eine Hand unter seinen Hinterkopf, kalte Schauer liefen ihr über den Rücken, als sie mit der anderen Hand hinter seinen Rücken schob und ihn langsam, zu ihr hin, zum Sitzen noch oben zog.
 

Es kostete mehr Überwindung, als sie je glaubte aufbringen zu können, als sie nun noch näher an ihn heranging, ihn noch intensiver riechen musste. Sie zog ihn etwas näher an sich heran. Ganz dicht an sich heran, bis seine Knie gegen ihren Bauch stießen. Eine Berührung, die Hermine vor Angst aufschreien ließ. Zitternd und den Tränen nahe legte sie sich voller Abscheu und Angst seine Arme über ihre linke Schulter, umklammerte ihn von hinten (während sie Todesängste ausstand, dass er sie jeden Moment erwürgen könnte) und zog seinen Körper, bis er über die Bettkante rutschte und sein Gewicht, dass nun auf ihre Schultern presste, sie in die Knie gehen ließ. Hermine keuchte und schnappte nach Luft, presste die Augen zusammen und wünschte für einen Moment tot zu sein, als sie sich mitsamt dem stinkenden, nackten, kalten, leblosen Körper der wie ein skelettartiger Inferi auf ihr lag, zum Suhl hinüber drehte, wo sie ihn endlich, recht unsanft, hinunterfallen lassen konnte.
 

Sie zitterte, wich schnell ein paar Schritte vor ihm zurück und fühlte sich, als hätte sie soeben einen Elefanten quer durch das ganze Krankenhaus vom Keller und zum Speicher hinauf getragen. Nun wirklich den Tränen nahe, hatte sich vor lauter Ekel eine Gänsehaut über ihrem ganzen Körper ausgebreitet. Mit fahrigen Bewegungen wischte sie sich über ihre Schulter, ihre Brust, ihre Arme. Versuchte „ihn“ von sich abzuwischen.
 

Vorsichtig die Augen auf den leblos wirkenden Mann gerichtet, trat sie einen Schritt zurück und zielte mit dem Zauberstab auf das entsetzlich stinkende, schmutzverkrustete Bett. Die Decken und Matratzen hoben sich von selbst, wurden abgezogen und wanderten in den Wäschesack, den Hermine seitlich an ihrem Wagen hängen hatte. Ein erneuter Wink mit der Hand und die neuen Bezüge wanden sich um die Matratze und um das Kopfkissen. Zum Zudecken schwebte nur eine dünne, weiße Leinendecke auf das frisch bezogene Bett. Hermine sah noch eine weitere Decke auf dem Wagen liegen. Sie glänzte, schien aus einem plastikähnlichen Material zu sein. Die sollte sie ihm wohl zum Waschen unterlegen, weswegen sie sofort auf das Bett segelte.

„Ich werde Sie jetzt auf das Bett zurück heben und abwaschen, ja?“ Immer noch klang Hermine eher wie ein kleiner Vogel als die beste Hogwartsschülerin seit Jahren, die eben diesen Mann doch eigentlich so erfolgreich bekämpf hatte. Erneut stellte sie sich hinter ihn, hievte ihn schwer keuchend zurück auf das Bett. Doch nicht zum Liegen, sie musste ihn auf die Bettkante setzen, wo er, ihrer größten Verwunderung zum Trotz, nicht umkippte, sondern tatsächlich aufrecht sitzen blieb. Möglicherweise war das auch nur ein Teil des Lähmzaubers, dass er sich nicht gegen ihren Willen zum Liegen fallen lassen konnte.
 

Den Blick starr und ausdruckslos an ihr vorbei ins Leere gerichtet, erkannte Hermine immer noch nicht die kleinste Regung in seinem Gesicht.

Man hatte sie zwar davor gewarnt den „Ratzeputz“ bei den Patienten anzuwenden, dennoch versuchte sie es. Probeweise zielte sie auf eine mit blutigem Schorf verkrustete Stelle an seinem Rücken, und sprach die Zauberformel. Ein hässliches Geräusch lies sie dünne Haut aufreisen. Dort, wo der Schmutz aufgesogen werden sollte war die halb verheilte, wunde Stelle erneut aufgeplatzt, hatte sich vergrößert gab den Blick auf blutendes, rotes Fleisch frei.
 

Hermine würgte und presste sich die Hand an den Mund. Magisch würde es wohl nicht gehen. Für einen kurzen Moment wog sie die Gefahr ab, ihn mit einer Komplettreinigung vollständig zu Häuten, wenn sie ihn dafür im Gegenzug nicht anzufassen brauchte.

Doch lies dies in ihrem Kopf ein Bild entstehen, dass sie zu sehr an das Erinnerte, was Harry über sein Erlebnis in der Zwischenwelt erzählt hatte. Sie biss die Zähne zusammen und angelte todesmutig einen Waschlappen vom Schiebewagen, tauchte ihn in Seifenwasser und begann dem Patienten den Rücken abzuwischen.

An den Stellen wo sie entlangwischte, blieb die Haut merkwürdig ruppig zurück, irgendwie schrumpelig blieben für kurze Momente Hautfalten zu sehen. Hermine erinnerte sich, gelesen zu haben, dass dies ein Zeichen für Dehydration war. Offenbar schien es wirklich niemand gewagt zu haben ihm, seitdem er erwacht war, etwas zu trinken zu geben. Hermine verstand ihre Mitarbeiter.
 

Der Rücken war an manchen Stellen offen, scheinbar wund gelegen. Wenn sie ihn ganz gewaschen hatte würde sie ihn auf den Bauch drehen müssen, um ihn von oben bis unten mit der braunen Paste einzureiben.
 

Ängstlich zitternd presste sie den Waschlappen aus, holte erneut Wasser, denn nun musste sie sich direkt vor ihn stellen um ihn von vorne zu waschen. Jedoch erkannte sie nur an dem warmen Atem der ihr ins Gesicht blies, dass vor ihr ein Mensch und keine Schaufensterpuppe saß. So reglos ließ sich der ehemalige dunkle Lord abschrubben.

Hätte man ihr einen Waschlappen in die Hand gedrückt und ihr gesagt, sie solle zehn fliegende Riesenkakerlaken abseifen, sie hätte nicht nervöser, zitteriger sein können. Bei jedem Schritt, den sie nach vorne gehen musste, zuckte sie zurück. Die Arme zwar nach vorne gestreckt, den Oberkörper jedoch so weit wie möglich nach hinten gestreckt und bei jedem Atemzug, den sie spürte, sprang sie kurz nervös zurück, nur um danach wieder zittrig weiterzumachen.

Musste sie ihm Zähneputzen? Wie denn? „Machen Sie bitte den Mund auf, ich muss Ihre Zähne putzen.“

Keine Reaktion. Sie war nun doch etwas ruhiger und selbstbewusster geworden, hätte er ihr an die Kehle springen wollen, dann hätte er es wohl schon getan. Dennoch, ihn anzufassen war schrecklich. Sie packte seinen Unterkiefer und drückte ihm mit Daumen auf der einen, Zeigefinger auf der anderen Seite den Mund auseinander. Nicht weit, aber es reichte wohl um mit der Zahnbürste leidlich darin herumzuwischen. Sie konnte nur soviel erkennen, dass seine Zähne makellos weiß waren. Obwohl er grässlichen Mundgeruch hatte. Zumindest früher schien ihm Hygiene und Sauberkeit wichtig gewesen zu sein. Nach getaner Arbeit legte sie ihn vorsichtig nach hinten zurück.
 

Sie konnte nicht einmal hinsehen, als sie ihm die Windel ausziehen musste. Entsetzlich, widerlich…total übervoll und schwer. Die Windel konnte sie mit einem Wink des Zauberstabes verschwinden lassen. Sie brauchte neues Seifenwasser. Diesen Schmutz bekam sie anders nicht weg. So wusch sie zuerst die Beine fertig, ging dann an ein gegenüberliegendes Waschbecken und holte neues Wasser.
 

Es war eiskalt…warmes Wasser hatte er wohl nicht verdient.
 

Am liebsten wäre sie nun schreiend weggerannt. Er war über den ganzen Windelbereich mit Schmutz verkrustet, eingetrocknetem Kot und Urin. Die Hände jeweils in einen dicken, seifengetränkten Waschlappen gewickelt, schrubbte und schrubbte sie, bis das ganze Wasser einen bräunlichen Ton annahm und sie erneut frisches Wasser brauchte. Einerseits wollte sie nicht hinsehen, andererseits musste sie den Schmutz abbekommen. Immer ängstlich auf sein auf sein Becken schauend, ob die doch recht intime Behandlung irgendwelche körperlichen Reaktionen bei ihm hervorrief. Wenn sie nur den kleinsten Ansatz einer Erektion bemerkt hätte, dann hätte sie kein Stolz auf der Welt mehr gehalten und sie wäre schreiend weggerannt. Aber glücklicherweise war der ganze Körper reglos und reaktionslos.
 

Der Schweiß stand ihr auf der Stirn. Sicherlich war sie vor Entsetzen und Abscheu ebenso blass wie der vor ihr liegende Mann, und nun musste sie ihn auch noch abtrocknen… Sie entfernte die Plastikunterlage und drehte ihn nun ganz auf den Rücken, um alle offenen Stellen einzureiben. Teilweise bluteten manche Stellen schon. Durch die Salbe wurde das bald besser. Hermine war absolut sicher, dass dies der erste Tag seines Aufenthaltes war, an dem diese Salbe verwendet wurde.
 

Nachdem sie den dünnen, bleichen Mann, dem sie nicht ins Gesicht zu blicken wagte, gewindelt und wieder zugedeckt hatte, fühlte sie sich etwas sicherer.
 

Das Meiste war geschafft, das Schlimmste…nun musste er nur noch essen. Was eigentlich? Sie konnte sich nicht vorstellen dass hier drei bis viermal täglich gefüllte Tabletts ans Bett gezaubert wurden, wie bei den anderen Patienten.

Nachdenklich hob sie ein paar Flaschen hoch, die Helen ihr auf den Wagen gestellt hatte. Diese hatte sie nicht zum Waschen gebraucht. Sie erkannte sie als Mineralwasser und Sondennahrung. Da er aber keine Sonde hatte (Wie hatte dieser bewegungsunfähige Holzklotz eigentlich Sonden wie Infusionen aus sich heraus ziehen können? Das hatte ihr Helen gar nicht verraten), musste sie ihm wohl wie einem Baby das Fläschchen geben.
 

Sie kam sich unsagbar albern vor, selbst gedemütigt. Ein Glück, das niemand hiervon wusste. Auch wenn es nicht verboten wäre, niemals sollte irgendeiner ihrer Freunde wissen, was sie hier tat. Man würde sie verachten dafür.
 

Das Bett war nun wieder nach oben gekippt, der Oberkörper leicht nach obenhin angewinkelt. Erneut drückte sie ihm den Mund auf, setzte die Flasche an und kippte, die Flasche nach oben gedreht, immer wieder schluckweise die dickflüssige, braune Substanz in ihn hinein. Teilweise lief es aus den Mundwinkeln wieder hinaus, was sie sofort abwischte, als wäre er immer noch im Koma. Ja, er hatte die Augen offen, aber das war auch das einzige an ihm, das ihn von einem Komapatienten unterschied. Hermine wusste nicht, ob sie erleichtert oder verängstigt über diese Starre sein sollte.
 

Nachdem sie endlich alles erledigt hatte sah sie auf die Uhr. Zehn Uhr dreißig. Sie hatte sogar länger als zwei Stunden gebraucht. Aber nun war es endlich geschafft…bis morgen. Aber daran wollte sie jetzt nicht denken.
 

Helen hatte ihr einen Zettel auf den Wagen gelegt. Eine genaue Auflistung, was sich im Zimmer befand, was auf den Wagen gehörte und was sie wieder mit hinaus nehmen musste. Nichts durfte hier bleiben, was nicht hierher gehörte. Er sollte nicht den Hauch einer Chance haben, sich zu wehren oder sich zu töten…bevor man ihn in aller Öffentlichkeit entwertet und verurteilt hatte.
 

Zittrig, das Gesicht immer noch zu ihm gewandt, ging sie wieder zur Tür und gab mit dem Zauberstab das Signal. Immer noch wagte sie nicht, der leblosen Gestalt vor sich den Rücken zuzudrehen. Als die Auroren sie hinaus ließen, erkannte sie an deren Gesichtern, wie mitgenommen ihr eigenes aussehen musste. Schnell, sie musste schnell alles ausräumen und dann zu Helen gehen und…ja, was und? Einfach nur jemanden in ihrer Nähe haben, der ihr keine Angst machte.



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