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Mut zur Wahrheit (2)

von

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Mut zur Wahrheit
 

Dieser wunderschöne Kuss... und Tai.

In Matt keimte der Wunsch auf, dieser Moment würde ewig bestehen bleiben. Wenn jetzt doch nur die Zeit stillstehen könnte.

Als sich ihre Lippen schließlich wieder voneinander lösten, erschien es dem blonden, als würde er aus einem wunderschönen Traum erwachen.

Matt sah langsam auf... und verlor sich in den tiefen braunen Augen seines Gegenübers.

"Tut mir leid.", durchbrach Tai die aufkommende Stille. "Aber es schien die einzige Möglichkeit zu sein, dich zum Schweigen zu bringen."

Matt sagte gar nichts. Konnte er auch nicht, denn da war kein Gedanke, den er hätte aussprechen können. Sein Kopf war wie leergefegt. Noch immer sah er in Tai's Augen. Dieser fühlte sich immer unwohler in seiner Haut. Die Tatsache, dass der blonde überhaupt keine Reaktion mehr zeigte, behagte ihm gar nicht. Immerhin hatte er ihn gerade geküsst.

Ein Junge hatte einen Jungen geküsst. Nein, noch schlimmer. Tai hatte Matt geküsst!

Mit allem hatte er gerechnet. Mit Geschrei, Beschimpfungen, einem Schlag ins Gesicht, aber nicht mit dieser Stille. Dabei hatte er das gar nicht gewollt. Es war einfach so passiert, ohne, dass er etwas dagegen hätte unternehmen können.

Das Näherkommen eines Autos riss die beiden Jungen aus ihrer Erstarrung. Kurz darauf hörte man das Zuknallen von Wagentüren und das Klicken des Türschlosses. Matts Mutter kam herein. Als sie die Kinder eng beieinander auf dem Flurboden sitzen fand, blieb sie verdutzt stehen.

"Was macht ihr denn da?"

Tai beeilte sich von Matt wegzurutschen und stand auf.

"Gar nichts. Matt ist die Treppe runtergestolpert und hat mich im Fall mit zu Boden gerissen."

Matt, der seine Verwirrung inzwischen ebenfalls einigermaßen überwunden hatte, wollte aufbrausen, besann sich im letzten Moment aber eines besseren. Was Tai gesagt hatte, war ja schließlich nicht gelogen. Er war gestolpert und hatte ihn mit runtergerissen. Und Matt war nicht dumm genug um zu erzählen, was sonst noch zwischen den beiden geschehen war. Dem braunhaarigen schien es ähnlich zu gehen. Er warf Matt noch einen warnenden Blick zu, bevor er aufstand und Richtung Wohnzimmer verschwand.
 

Kari und T.K. kamen kurz vor dem Abendessen zurück. Die beiden waren auf Wunsch von T.K. noch ein wenig in der Gegend herumgeradelt, und der Junge hatte sich alles genau angesehen. Das war typisch für T.K.. Er hasste es von jemandem abhängig zu sein und wollte offensichtlich so schnell wie möglich alles kennenlernen um sich wieder selbstständig bewegen zu können.

Tai und Matt sprachen den gesammten Abend kein Wort mehr miteinandern, was die restliche Familie aber gar nicht zur Kenntnis nahm. Merkwürdiger wäre es ihnen erschienen, wenn die zwei sich mal freundlich und angeregt miteinander unterhalten hätten. Außerdem war dieses Schweigen angenehmer als wenn sie sich wie sonst streiten würden.

Tai war der erste, der zu Bett ging. Ihm folgten Kari und T.K.. Die zusätzliche Fahrradtour schien sie wohl doch ein wenig verausgabt zu haben.

Matt hatte es heute nicht so eilig mit dem Schlafengehen. Den ganzen restlichen Abend schon hatte er sich ausschließlich im Erdgeschoss aufgehalten und es gefließentlich vermieden auch nur ansatzweise die Treppe hinaufzusehen. Gegen zehn Uhr beschloss seine Mutter allerdings, dass es nun doch an der Zeit für ihn war, zu Bett zu gehen, wenn er am nächsten Morgen nicht verschlafen wollte, und Matt musste sich schweren Herzens dieser höheren Gewalt beugen.

Langsamen Schrittes schlich er die Stufen in den ersten Stock hoch. Oben angekommen spähte er vorsichtig um die Flurecke bevor er schnell zur Zimmertür hinüberhuschte und dahinter verschwand. Das Zimmer lag still und dunkel vor ihm. Lediglich der Mond, der sacht durchs Fenster hereinfiel und mit seinem schwachen Schein wirkte wie ein zurückgelassener Hauch des vergangenen Tages, verbreitete ein klein wenig Helligkeit. Tai schien bereits zu schlafen. Behutsam, darauf bedacht jedes unnötige Geräusch zu vermeiden, tastete er sich zu seinem Tatami. Mit zitternden Fingern griff er nach seinem Schlafanzug und schlüpfte hinein. Er hätte jetzt gern das Licht angeschaltet, aber damit würde er sicherlich Tai aufwecken und er war sich noch immer nicht sicher, wie er sich dem anderen Jungen gegenüber verhalten sollte.

"Warum latscht du denn hier im Dunkeln rum?"

Matt, der sich gerade unter seine Decke gekuschelt hatte, fuhr hoch. Über ihm, auf dem Bett, regte sich etwas. Über ihm erschienen die schwach zu erkennenden Umrisse einer Wuschelmähne, die sich undeutlich vom fahlen Mondlicht abzeichnete.

"Habe ich dich aufgeweckt?", flüsterte der blonde.

Tai schüttelte den Kopf, oder jedenfalls nahm Matt an, dass er das tat, nach allem, was die blauen Augen in der Dunkelheit erkennen konnten.

"Nein. Hast du nicht. Ich konnte nicht schlafen." Es folgte eine kurze Pause, bevor Tai weitersprach. Die Art, wie Tai die Worte hervorbrachte, zeigten dem blonden, dass es ihm schwerfallen musste zu sprechen. "Was ist vorhin passiert? Ich meine, bevor wir uns-" Er brach ab.

Matts Augen wanderten durch das Zimmer. Langsam schien er sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. ...Es war nichts ungewöhnliches zu entdecken. Nichts, was dafür sorgte, dass in ihm wieder die gleiche dumpfe Angst hochkroch, wie vor ein paar Stunden in diesem staubigen Zimmer.

"Ich weiß nicht genau." Matt fühlte sich hin- und hergerissen. Einerseits wollte er sich so gerne irgendjemandem anvertrauen. Erzählen, was er gesehen hatte. Aber andererseits... Was genau hatte er denn gesehen? Er wusste es ja selbst nicht wirklich. Und wenn er selbst schon so voller Zweifel war, wie sollte es dann jemand fremdes verstehen?

Trotzdem begann er nach einer Weile stockend zu berichten. Er erzählte von seiner Ankunft und dem Beobachter hinter dem Fenster, von seinem heutigen Erlebnis und auch von seinen Zweifeln.

Tai sagte nichts. Er unterbrach Matt nicht ein einziges Mal sondern hörte die ganze Zeit aufmerksam zu. Als der blonde geendet hatte, breitete sich eine erwartungsvolle Stille über dem Zimmer aus.

"Du glaubst mir nicht!", stellte Matt schließlich fest. "Ehrlich gesagt, kann ich es dir noch nicht einmal verübeln. Wenn mir jemand so eine Geschichte erzählen würde, wäre meine erste Reaktion darauf vermutlich die Männer mit den weißen Jacken zu rufen."

Er zog die Knie an den Körper und vergrub seinen Kopf darin. Vergeblich versuchte er gegen die aufkommenden Tränen anzukämpfen, die sich schon bald darauf ihren heißen Weg durch sein Gesicht suchten.

Verdammt! Jetzt fing er hier auch noch an rumzuheulen wie ein kleines Baby. So etwas war ihm schon immer unsagbar peinlich gewesen, und vor Tai erschien es ihm doppelt schlimm. Vermutlich lachte der braunhaarige sich gerade schlapp über ihn. Warum musste das alles auch ausgerechnet ihm passieren?

Nur vage nahm Matt das knarzen der Bettfedern wahr. Kurz darauf spührte er eine warme Hand auf seiner Schulter, die anfing tröstend darüber zu streichen. Ganz vorsichtig, als würde der andere befürchten er wäre aus Glas und könnte bei der ersten unachtsamen Berührung in tausend Scherben zerspringen.

"Ich glaube dir."

Eine Hand fasste sein Kinn und hob sacht seinen Kopf hoch. Als Matt die Augen wieder öffnete, sah er erneut in dieses tiefe unergründliche braun.

Eine Weile sahen sich die beiden nur an, bis sich ihre Köpfe schließlich langsam einander näherten. Als ihre Lippen sich berührten, war es Matt, als hätte er sein ganzes Leben nur auf diesen Augenblick gewartet. Langsam ließ er sich zurück auf sein Tatami sinken und Tai folgte ihm.

Die Welt um ihn herum verschwand und Matt verlor sich ganz in diesem Kuss. Seine Hand fuhr zärtlich durch die braune Wuschelmähne, während Tais Zunge spielerisch an Matts Lippen stieß und nach Einlass verlangte. Ihre Zungen stupsten einander an, erforschten gegenseitig jede Einzelheit des anderen.

Die Hand des blonden war gerade dabei die Knöpfe von Tais Pyjama zu öffnen, als hinter ihnen polternd etwas zu Boden fiel. Erschrocken trennten sie sich voneinander und starrten in die Dunkelheit, aber nichts geschah. Tai richtete sich schweratmend auf.

"Ich glaube, es ist besser, wenn wir jetzt schlafen gehen." Das war das letzte, was er in dieser Nacht noch zu Matt sagte.
 

Als der blonde am nächsten Morgen aufwachte, lag Tai nicht in seinem Bett.

Matt zog sich schnell an und eilte die Treppe hinunter ins Esszimmer. Der Tisch war bereits gedeckt und aus der Küche roch es herrlich nach warmem Kaffee.

"Guten Morgen, Matt.", begrüßte ihn Herr Yagami, der mit der Kaffeekanne in der Hand gerade das Zimmer betreten hatte. "Was ist denn hier los heute? Von deiner Mutter habe ich gehört, dass du ein überzeugter Langschläfer bist und mein Sohn war sonst nur unter Androhung grausamster Strafen dazu zu bringen, das Bett zu verlassen und nun seid ihr zwei die ersten mit mir, die wach sind. Muss ich mir jetzt wegen irgendetwas Sorgen machen?"

Matt brummelte ein nicht sehr überzeugend klingendes "Sehr witzig!" vor sich hin und sah sich suchend um.

"Wo ist denn Tai?", fragte er etwas lauter.

Herr Yagami sah verwundert auf. Das der blonde Junge sich jetzt in irgendeiner Form nach seinem Sohn erkundigte überraschte ihn doch sehr.

"Hmm, eben ist er noch in der Küche gewesen. Hat er wieder irgendetwas ausgefressen?"

Auf die letzte Frage antwortete der blonde schon gar nicht mehr. Wie ein Blitz verschwand er aus der Tür Richtung Küche.

Tai's Vater sah ihm immer noch recht verwirrt hinterher. Was war denn nun kaputt? Gestern haben sie sich noch angefaucht und jetzt...

,Hoffentlich finde ich nachher in der Küche keine Toten.' Er kratzte sich nachdenklich am Kopf.
 

Matt fand Tai tatsächlich in der Küche. Er war gerade dabei, sich einen Tee zu machen.

Als der blonde hereinkam, blickte er kurz auf, aber nur, um sich sofort wieder dem Teekessel zuzuwenden.

"Morgen Tai.", begrüßte der blonde zaghaft.

"Jaja.", brummelte der andere, ohne auch nur einmal aufzusehen.

Matt runzelte die Stirn. Er warf einen raschen Blick über die Schulter und nachdem er sich vergewissert hatte, dass keiner zu sehen war, schloss er rasch die Tür.

"Ich... wollte mit dir über gestern sprechen."

Der blonde machte eine Pause und wartete auf irgendeine Reaktion beim anderen, die jedoch ausblieb. Tai starrte weiterhin denTeekessel an, ganz so, als gäbe es nichts interessanteres auf der Welt, als Wasser beim Kochen zuzusehen.

"Es ist... wegen dem Ku-"

"Willst du auch einen Tee?"

Matt brach seinen Satz überrascht ab und sah den anderen Jungen verwirrt an.

"Wie bitte?"

Der braunhaarige drehte den Kopf zur Seite und sah den blonden an. Zum ersten Mal an diesem Morgen. Ein freundliches Lächeln umspielte seine Lippen.

"Ich habe gefragt, ob du auch einen Tee möchtest?!"

"Ich verstehe nicht. Hörst du mir nicht zu? Ich möchte mit dir über den gestrigen Abend sprechen und nicht über Tee oder sonstige Getränke. Also wärst du wohl so fr-"

Der Rest des Satzes wurde vom immer lauter werdenden Pfeifen des Teekessels verschluckt.

Tai sprang auf und brachte den Kessel zum Schweigen.

Matt startete einen neuen Versuch das Gespräch zu beginnen, wurde aber sogleich wieder von dem anderen unterbrochen.

Ehe der blonde auch nur das zweite Wort ausgesprochen hatte, drückte Tai ihm den Teekessel mit der Bitte in die Hand, Matt möge sich doch mal eben darum kümmern und verschwand aus der Küche.

Matt spürte wieder die altbekannte Wut in sich hochsteigen. Was sollte das Theater? Er wollte doch nur mit dem braunhaarigen reden und ihn nicht gleich Heiraten. Und überhaupt, wer hatte denn hier wen zuerst geküsst?!

Als der blonde fünf Minuten später mit dem Tee ins Esszimmer kam, saß Tai bereits auf seinem Platz und unterhielt sich angeregt mit seiner kleinen Schwester. Matt knallte die Kanne vor ihm auf den Tisch, so dass die anderen erstaunt aufsahen.

"Bitte schön, dein Tee."

Tai schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln.

"Danke Sammy. Du kannst jetzt gehen."

"Was ist denn mit euch beiden schon wieder los?", erkundigte sich T.K. neugierig von der anderen Tischseite.

"Nichts. Gar nichts.", brummte Matt zurück.
 

Eine kühle Brise wehte über den Hof, als die Kinder sich etwas später auf ihre Fahrräder schwangen und zur Schule fuhren. Matt freute sich fast schon auf den Unterricht, denn heute hatten sie nicht soviele Stunden und außerdem noch Musikunterricht. Musik war eines der wenigen Fächer, die das Privileg ihr eigen nennen konnten zu Matts Lieblingsfächern zu gehören.

Als sie auf den Schulhof fuhren, waren die meisten Schüler bereits in ihren Klassen oder auf dem Weg dorthin. Eine kleine Panne an T.K.'s Fahrrad hatte sie in der Zeit ein wenig zurückgeworfen. Schnell verstauten sie ihre Drahtesel in den Fahrradständern und eilten zu ihren Klassen.

Tai erreichte vor Matt die Tür und riss sie mit gewaltigem Schwung auf.

"Hy meine Fans! Seid unbesorgt, denn euer Retter ist hier." Der braunhaarige warf einen kurzen Seitenblick zu Matt hinüber, der gerade neben ihm die Klasse betreten hatte. "Nicht zu vergessen natürlich seine wunderschöne blonde Myträsse." Er hob beide Hände gen Decke und setzte einen überheblichen Blick auf. "Das ist jetzt der Augenblick, bei dem ihr euch in den Dreck schmeißen dürft, um den Boden zu huldigen auf dem ich wandel."

Matt verdrehte genervt die Augen. Musste der denn immer so einen Show abziehen, wenn er die Klasse betrat? Und diesen Idioten da hatte er wirklich geküsst?

Mit schnellen Schritten durchquerte er den Raum und steuerte seinen Platz an. Dort jedoch saß bereits ein rothaariges Mädchen und sah ihm aufmerksam entgegen.

"Du bist der Neue, hmm?!" Es war mehr eine Feststellung als eine Frage gewesen.

"Ich heiße Yamato und nicht ,Neuer', und das ist mein Platz. Hättest du wohl die Güte aufzustehen, damit ich mich hinsetzen kann?!"

"Oho!" Das Mädchen machte große Augen. "Na du hast vielleicht Nerven! Kommst hier an, besetzt meinen Platz und riskierst auch noch eine dicke Lippe. Hast du sonst noch irgendwelche Probleme?"

Matt wollte gerade zu einer bissigen Entgegnung ansetzen, als Tai neben ihnen auftauchte.

"Hey Sora! Auch mal wieder im Land?!"

Die Angesprochene sah ihn finster an.

"Kannst du mir mal verraten, wieso du einfach zugelassen hast, dass dieser Hanswurst meinen Platz bekommt?"

"Da kann ich doch nichts für. Das hat der Ikeda bestimmt."

"Und wo soll ich ab sofort sitzen?"

"Neben Emi."

Sora schien, ihrem Gesicht nach zu urteilen, nicht sonderlich erfreut über diese Eröffnung. Trotzdem griff sie kurz darauf nach ihrem Rucksack und ging zu einem der Tische in der zweiten Reihe. Allerdings nicht, ohne Matt noch einmal einen unheilverkündenden Blick zuzuwerfen.

Tai grinste fröhlich vor sich hin.

"Du hast ja einen richtig guten Start bei uns, was Blondie?!"

"Und wem habe ich das zu verdanken?"

Das laute Zufallen der Klassentür kündigte den Beginn der ersten Stunde an. Herr Ikeda trat an sein Lehrerpult und begann einige Blätter aus seiner Tasche zu kramen.

Matt kam der Gedanke in den Sinn, dass ,Ordnung' in dieser Schule kein sonderlich weitverbreitetes Wort unter den Lehrer zu sein schien.

Nach ein paar Minuten zog Herr Ikeda schließlich mit einem triumphierenden Funkeln in den Augen ein zerknittertes Stück Papier hervor. Er richtete sich auf und rückte seine Brille zurecht die, wie der blonde bereits festgestellt hatte, anscheinend ein wenig zu groß war, denn sie rutschte ihm ständig von der Nase.

"Wie ihr sicher wisst.", begann er. "Findet in zwei Tagen unser Exkursionstag statt."

Ein freudiges Raunen ging durch die Reihen der Schüler. Matt drehte sich fragend zu Tai um. Dieser jedoch tat, als würde er den anderen überhaupt nicht bemerken.

"Wir, das heißt die Lehrer die euch unterrichten, haben beschlossen, dass es diesmal auf ein Schiff geht. Wir denken, dass euch ein wenig mehr Klassengemeinschaft gar nicht schaden könnte und ein Segelschiff, wo jeder auf den anderen angwiesen ist, damit alles funktioniert, eignet sich dafür einwandfrei am Besten. Die Liste, welche Sachen ihr unbedingt mitnehmen müsst, teile ich zu einem späteren Zeitpunkt aus. Beschwerden, Drohungen und so weiter bitte nach der Stunde einreichen. Gut, beginnen wir mit dem Unterricht."

,Na super! Besser kann es ja gar nicht mehr werden. Eine Klassenausflug. Ich liebe Klassenausflüge!', dachte der blonde ironisch. ,Ein haufen Leute, die ich über alle Maßen Liebe, sind für einen ganzen herrlichen Tag mit mir zusammen auf einem Schiff eingepfercht. Förderung der Klassengemeinschaft?! Das ich nicht lache. Wenn die sich hier wirklich nicht leiden können, ist es vielleicht keine so kluge Idee mit ihnen einen Segelturn zu unternehmen. Haben die noch nie von der Bounty gehört? Frust kann ganz schön üble Nebeneffekte haben.'

Laute schlurfende Schritte auf dem Gang lenkten ihn von seinen Gedanken ab. Verwundert blickte er auf und sah zur Tür. Wer latschte denn so geräuschvoll durch die Gegend? Unglaublich, dass sich da bis jetzt noch kein Lehrer beschwert hatte. Matt warf einen fragenden Blick zu Herrn Ikeda, der gerade dabei war einen Text an die Tafel zu schreiben. Ihn schien das Geschlurfe jedenfalls nicht zu stören. Und auch die anderen in der Klasse kümmerten sich nicht darum. Lediglich Tai sah irgendwie besorgt zur Klassentür, doch als er Matt's Blick bemerkte wandte er sich rasch wieder seinem Schulheft zu.

Die Schritte auf dem Flur kamen näher, bis sie schließlich vor ihrer Klassentür wie abgeschnitten aufhörten. Der blonde wartete darauf, dass jeden Moment jemand an die Tür klopfen würde, aber nichts dergleichen geschah. Alles blieb ruhig.
 

Endlich brach die, von Matt langersehnte, Musikstunde an. Voller Vorfreude folgte er Tai in den mit grünem Teppich ausgelegten Unterrichtsraum.

Das Musikzimmer war in zwei Hälften eingeteilt.

In der einen waren die Schultische in vier langen Reihen vor einer ausklappbaren Tafel aufgereit. Hinter den Tischen und auf der anderen Seite des Raumes standen die Instrumente.

Matt sah sich alles genau an. Da waren Keyboards, ein Schlagzeug, Trommeln, Xylophone und -Matt's Augen begannen vor Freude zu leuchten- auf den großen Metallschränken, die an der Wand plaziert waren, fanden sich auch zwei Gitarren. Alles sah aus, als wenn es oft benutzt worden wäre, aber das tat Matt's Freude keinen Abbruch. Im Gegenteil. An seiner alten Schule hatten sie zwar auch viele Instrumente besessen, aber bis auf die Glockenspiele hatten die Schüler keine benutzen dürfen. Seine frühere Lehrerin hatte sie die meiste Zeit über singen lassen. Singen, singen, singen. Ganz allein, vor der restlichen Klasse. Und darauf hatte es auch noch Noten gegeben. Als wenn man jeden mit einer schlechten Zensur bestrafen müsste, nur weil er die Töne nicht richtig traf! Matt selbst hatte damit zwar keine Probleme gehabt, aber ihm war noch deutlich eine Unterrichtsstunde im Gedächnis, in der ein Mädchen nichts singen wollte, weil es genau wusste, dass das nicht klappen würde. Seine damalige Lehrerin hatte aber darauf bestanden und das Mädchen hatte sich schließlich, unter dem Zwang keine sechs kassieren zu wollen, gefügt. Das Ende vom Lied (^ - ^) war gewesen, dass besagtes Mädchen unter dem schadenfrohen Gelächter der Mitschüler weinend aus der Klasse gelaufen war und die Lehrerin ihr trotzdem eine sechs eingetragen hatte.

"Hey! Steh hier nicht so blöd in der Gegend rum!" Ein unsanfter Knuff in den Rücken ließ Matt einen Schritt vorwärts taumeln und in die Knie gehen. Wütend sah er dem rothaarigen Mädchen hinterher, dass sich ihren Platz in der letzten Reihe suchte.

"Du solltest aufpassen, wo du hintrittst."

Eine Hand griff nach Matt's Arm und zog ihn wieder auf die Beine. Als der blonde aufsah, blickte er direkt in Tai's Augen. Es war merkwürdig. Eigentlich war Matt stinksauer auf Tai, weil dieser ihn heute den ganzen Tag so nebensächlich behandelt hatte, aber jetzt, wo er ihm so nah war, schien der ganze Ärger mit einem Mal wie fortgewischt zu sein. Matt's Herz begann wieder wie wild zu schlagen. Ein paar Sekunden standen sie nur so da und sahen einander in die Augen. Wie gern wäre Matt jetzt noch einmal in diesen unergründlichen Augen versunken.

Sich einfach in Tai's Arme sinken lassen und dessen sanfte Berührungen auf dem Körper spüren. Aber schlagartig wurde dem blonden wieder bewusst, wo er sich befand. Tai schien es ähnlich zu gehen. Matt konnten regelrecht sehen, wie die braunen Augen wieder klarer und wacher wurden. Im nächsten Moment hatte Tai ihn auch schon losgelassen und steuerte einen der Tische neben Sora an. Matt setzte sich auf einen Platz in der ersten Reihe, wo er die ganze Zeit über damit zu kämpfen hatte eine besonders hartnäckige Mitschülerin, die sich eifrig bemühte ihm sein gesammtes Leben zu erzählen, abzuwimmeln.
 

Die nächsten Tage verliefen ohne weitere Vorfälle. Wobei Matt sich auch eifrig darum bemühte, es gar nicht so weit kommen zu lassen, indem er gewisse Räumlichkeiten mit Sesseln, Staub und großen versteckten Gemälden gefließentlich mied.

Tai gab ebenfalls sein Bestes Matt zu ignorieren wo er nur konnte.

Schließlich brach der Morgen des Ausflugs an. Als der blonde die Treppen herunterkam, wartete ihm Esszimmer bereits ein mit Lebensmitteln, Regenjacke und sonstigem Zeug vollgestopfter Rucksack auf ihn. Für Tai stand ebenfalls einer bereit.

Matt's Laune sank bei diesem Anblick gleich ein Stockwerk tiefer. Eigentlich war es sein Plan gewesen, heute zu verschlafen und anschließend noch mit dem Packen seines Rucksackes herumzutrödeln um dann den Bus zu verpassen, der sie zum Hafen bringen sollte. Deswegen war er ja extra spät aufgestanden. Aber seine Mutter musste ihm ja wieder einen Strich durch die Rechnung machen. War ja klar gewesen!

Hinter ihm wurden Schritte laut. Tai betrat den Raum. Im Arm hatte er zwei Termoskannen.

"Bist du endlich aufgestanden?!"

Mit schnellen Schritten war er an Matt vorbei und begann die Getränkebehälter in den zwei Rucksäcken zu verstauen.

"Dafür packst du nächstes Mal meinen Rucksack mit!"

Matt bekam große Augen.

"Du hast meine Tasche gepackt?"

"Na wer denn sonst? Pumuckel?!"

Der blonde war sich nicht sicher ob er sich jetzt freuen, oder lieber wütend sein sollte.

Er wollte verdammt nochmal nicht mit auf diesen Klassenausflug, aber andererseits... das war das erste Mal seit jener Nacht, dass Tai wieder einigermaßen normal mit ihm umsprang. Und dass er ihm jetzt seinen Rucksack gepackt hatte, konnte doch nur bedeuten, dass er ihn gerne auf dieser Fahrt dabei haben wollte. Matt's Herz machte einen Sprung. Vielleicht war so ein Ausflug ja doch nicht so schlimm, wie er bisher immer gedacht hatte.

Na gut, dann würde er dem ganzen halt mal eine Chance geben. Wie hieß es doch so schön?

Wer nichts wagt, der nichts gewinnt!
 

Herr Yagami brachte die beiden Jungen zum Schulhof, wo der Bus bereits auf sie wartete. Die meisten Plätze waren schon belegt, so dass der blonde sich irgendwo in der Mitte des Busses neben einer ihm unbekannten Person wiederfand. Tai hatte weniger Probleme einen Platz zu ergattern. Kaum hatte er den Bus betreten, erschollen aus den hinterern Reihen auch schon die ersten Rufe, er solle sich zu ihnen setzen. Ganz ohne Frage, war der braunhaarige ziemlich beliebt in seiner Klasse. Die Fahrt zum Hafen verlief angenehm ruhig. Der Junge neben Matt hatte zu seiner Freude offenbar nicht das geringste Interesse an einem Gespräch und der blonde verbrachte die Busfahrt damit friedlich vor sich hin zu dösen und sich die Landschaft anzusehen, die draussen am Fenster vorbeiflog. Und inmitten des ganzen Stimmengewirrs, das den Bus erfüllte, erklang oft das helle Lachen von Tai, das Matt unwillkürlich ebenfalls zum Schmunzeln anregte und bei ihm für gute Laune sorgte.

Endlich kamen sie an ihrem Ziel an. Als die Kinder aus dem Bus stiegen, eilte ihnen bereits ein großer rundlicher Mann entgegen und stellte sich ihrem Klassenlehrer als Kapitän Araki vor. Nach einigen begrüßenden Worten an die Schüler, führte er sie die Pieranlagen entlang zu einem großen Holzsegler, der sich, zu Matt's unendlicher Erleichterung, auf den ersten Blick auch nicht als schwimmende Baracke herausstellte und wenigstens von außen einen einigermaßen sicheren Eindruck vermittelte. Vor dem Schiff stieß noch eine Klasse aus einer anderen Schule dazu, die ebenfalls mit ihnen auf Fahrt gehen würde.

Nach einer halben Stunde hatte Kapitän Araki ihnen alle Räumlichkeiten, von der Kantine über die WC- Anlagen bis hin zum Schlafraum ( die beiden letzteren sind sehr wichtig für diejenigen, denen die Fahrt nicht ganz so gut bekommt...^^) gezeigt. Mit der linken Hand zupfte er seinen dunkelblauen Pullover zurecht, während seine rechte die große Pfeife aus dem Mund holte.

"Ok, Mannschaft. Dann kann es jetzt ja losgehen."

Er schnappte sich willkürlich ein paar Jungen und Mädchen aus der Gruppe, die das zweifelhafte Vergnügen hatten mit ihm die Segel auszuholen, und verschwand an Deck. Die anderen konnten sich erst nochmal in Ruhe alles ansehen oder aber einfach nur die Fahrt genießen.

Matt stand allein an der Reling und blickte auf's Meer hinaus. Na toll. Und dafür war er mitgefahren?

Um Wasser zu sehen, hätte es auch gereicht im Badezimmer den Wasserhahn anzustellen. Der blonde stieß gelangweilt Luft durch die Zähne aus und sah sich um. Überall wuselten Mitschüler herum, aber von Tai war natürlich keine Spur zu entdecken. Der braunhaarige war gleich nachdem sie abgelegt hatten, mit ein paar anderen aus seiner Clique verschwunden und stromerte jetzt vermutlich irgendwo auf dem Schiff herum.

Na wenigstens war er noch nicht seekrank. Laut seiner letzten Information befanden sich inzwischen bereits zwei Leute im Schlafraum. Unfähig sich auch nur zu bewegen.

"Hey Matt!"

Der angesprochene drehte sich um. Ohne das er es bemerkt hatte, war Tai hinter ihm aufgetaucht.

"Na, amüsierst du dich gut, Blondie?!" Kameradschaftlich legte er ihm den Arm um die Schulter. Obwohl draußen an der Reling ein recht kühler Wind wehte, wurde es dem blonden mit einem Mal ziemlich warm in seiner Jacke.

"In der Kantine wird gerade das Essen aufgetragen. Wer will, kann hingehen und sich etwas holen."

"Ach ja?!" Ihm war zwar noch nicht schlecht, aber Matt war sich trotzdem nicht so sicher, ob er etwas essen wollte. Man musste es ja nicht unbedingt herausfordern. Um vor Tai allerdings nicht irgendwie dumm dazustehen, fügte er kurz darauf hinzu: "Was gibt es denn?"

Tai setzte ein breites Grinsen auf.

"Ich hatte gehofft, dass du das fragst. ...Erbsensuppe! Klingt doch gut, oder?"

Als Antwort setzte Matt lediglich ein angeekeltes Gesicht auf. Er hasste Erbsensuppe!

Tai's Grinsen wurde noch eine Spur breiter.

"Sieht so aus, als würdest du das Zeug genauso gerne essen wie ich! Aber ich denke, ich mache heute mal eine Ausnahme." Er warf einen Blick über das Deck und blieb schließlich bei einer Mädchengruppe hängen, die ein paar Schritte weiter entfernt ebenfalls an der Reling stand und die Wellen beobachtete, welche sich schäumend am Holz des Schiffes brachen.

"Siehst du die Mädels da drüben?" Tai hob die Hand und zeigte zu der Gruppe hinüber.

Matt nickte stumm mit dem Kopf. Er kannte keines dieser Gesichter. Vermutlich gehörten sie zu der fremden Klasse.

"Ich wette mit dir um...", Tai überlegte kurz. "500Yen, dass wenigstens einer von denen in den nächsten zehn Minuten richtig übel sein wird."

"Wie kommst du darauf?"

"Nenn es ruhig Intuition! Schlägst du ein?"
 

Matt wusste hinterher selber nicht mehr so genau, warum er auf diese merkwürdige Wette des braunhaarigen eingegangen war. Eigentlich hätte er doch vorher wissen müssen, dass da nichts gutes bei herauskommen konnte.

Nachdem die beiden sich, zur Besiegelung ihrer Wette, die Hände gereicht hatten, war Tai, mit der Begründung sich jetzt etwas von der Erbsensuppe holen zu wollen, unter Deck verschwunden. Eine zeitlang geschah gar nichts, aber schließlich war die braune Wuschelmähne wieder an der Reling aufgetaucht. Mit einem Stuhl bewaffnet schlenderte er arglos, als könnte er keiner Fliege etwas zu leide tun, auf die schwatzenden Mädchen zu.

,Fehlt nur noch, dass er ein Liedchen pfeift.', dachte Matt.

Als Tai bei der kleinen Gruppe angekommen war, plazierte er den Stuhl genau neben ihr und kuschelte sich rein.

Eine Weile tat er nichts anderes, als einfach nur dazusitzen und den Mädchen, die inzwischen immer öfter kichernd zu ihm herüber sahen, freundlich zuzulächeln.

Dann, als Matt sich langsam schon zu fragen begann, was dieses ganze Theater wohl zu bedeuten hatte, griff er langsam in seine Jackentasche und zog eine Plastiktüte hervor. Der blonde glaubte seinen Augen nicht recht glauben zu können, als Tai daraus einen weiteren kleinen braunen Beutel hervorzauberte und ihn auf seinem Schoß plazierte. Matt war zu weit entfernt, um die Schrift, die auf dem Beutel aufgedruckt war, lesen zu können, aber trotzdem wusste er ziemlich genau, was darauf geschrieben stand.

Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihm aus.

"Taichi Yagami. Was hast du mit der Kotztüte vor?", murmelte er leise.

Die Mädchen, denen die Vorgänge natürlich nicht verborgen geblieben waren, sahen unbehaglich zu dem braunhaarigen hinüber.

Dieser war inzwischen damit beschäftigt gewesen, einen kleinen Löffel aus seiner Tasche zu kramen. Die pure Freude spiegelte sich auf seinem Gesicht wieder, als er den Beutel öffnete. Genüßlich zog er den Geruch durch die Nase ein, bevor er schließlich den Löffel anhob und ihn im Beutel verschwinden ließ. Aus den Reihen der Mädchen erschollen angeekelte Laute, von denen Tai sich jedoch nicht im geringsten Beeindruckt zeigte. Langsam zog er den Löffel wieder heraus und mit ihm eine klumpige grüne Masse, die er genüßlich in seinen Mund schob.

Die Mädchen fingen entsetzt an zu schreien und auch Matt wurde es ganz anders zumute. Schnell drehte er sich um und sah in eine andere Richtung. Immer wieder auf's Neue ertönten hinter ihm die Schreie der Mädchen und zeigten ihm, dass Tai seine ,Mahlzeit' offenbar noch nicht beendet hatte. In die Schreie mischten sich nun auch immer öfter andere Geräusche, die Matt heute schon all zu oft gehört hatte, und die dafür sorgten, dass auch sein Magen die ersten Anzeichen vermittelte sich auf der Stelle umdrehen zu wollen.

"Mmmm... die Erbsensuppe war gar nicht mal so übel. Sieht so aus, als würdest du mir 500Yen schulden."

Tai war neben ihm aufgetaucht. Unter einem Arm klemmte der Klappstuhl und in der linken Hand baumelte unschuldig die kleine Plastiktüte mit braunem Inhalt.

"Du bist wiederlich!"

"Danke^^"

"Was ist denn hier los?!"

Die beiden Jungen fuhren erschrocken herum. Ein Lehrer war um die Ecke gekommen. Als er die Mädchengruppe erblickte, die fast alle mit den Köpfen über der Reling hingen, lief er bestürzt zu ihnen hinüber.

Den Rest des Ausfluges verbrachten Tai und Matt damit das Deck zu schrubben.
 

~
 

"Hast du morgen Zeit?"

Tai sah von seinem Matheheft auf, wo er gerade eifrig dabei war die Hausaufgaben zur nächsten Stunde von jemand anderem abzuschreiben. Der braunhaarige schüttelte bedauernd den Kopf.

"Sorry, Sora, aber ich habe noch Hausarrest."

"Etwa immer noch wegen der Schiffsache, oder hast du inzwischen was neues angestellt?"

Tai setzte ein entrüstetes Gesicht auf.

"Was denkst du denn von mir? Als ob ich den ganzen Tag nichts anderes im Kopf hätte, als irgendwelche Leute zu ärgern. Der einzige, der mir den ganzen Tag im Kopf herumgeht, ist meine blonde Schönheit."

Mit einem genießerischen Lächeln kuschelte er sich an seinen Nachbarn, der dem Gespräch bis dahin stumm gelauscht hatte. Mit einer wiederwilligen Geste versuchte dieser den anderen abzuschütteln. Er war immer noch sauer, dass Tai's dämlicher Streich ihm drei Wochen Hausarrest eingebrockt hatte.

"Hmm, wie schade.", meinte Sora bedauernd. "Aber was hälst du denn davon, wenn wir mal wieder schwimmen gehen würden, wenn du wieder raus darfst."

"Klar!" Tai klang begeistert.

"Gut. Abgemacht! Aber ohne dein Anhängsel da."

Der braunhaarige warf Matt einen kurzen Blick zu.

"Warum soll er denn nicht mit?"

"Weil ich keine Lust habe, diese Spaßbremse überall mit rum zu schleppen! Außerdem habe ich gedacht, du könntest ihn nicht ausstehen?!"

Tai wurde ein wenig rot.

"Kann ich ja auch nicht! Ich habe doch nur mal gefragt!"

Damit drehte er sich um, und widmete sich wieder seinen Mathehausaufgaben. Nicht ahnend, was sich in dem anderen Jungen, der neben ihm saß, gerade abspielte.
 

Als schließlich die Glocke das Ende des Unterrichts bekannt gab, war Matt der erste, der aus der Klasse verschwand. Ohne auf Tai zu warten, düste er davon.

Zuhause angekommen, landete als erstes der Rucksack in einer Ecke neben der Tür. Mit großen Schritten sprang er in das gemeinsame Zimmer hinauf und knallte die Tür hinter sich zu. T.K. und Kari, die im Wohnzimmer einen Film anschauten, sahen sich fragend an.

Kurz darauf schloss auch Tai die Haustür hinter sich zu. Als er die beiden Kinder im Wohnzimmer sitzen sah, ging er zu ihnen herüber.

"Hy ihr zwei. Ist Matt schon da?"

"Der ist vorhin wie eine Diva zur Tür hereingerauscht und genauso in eurem Zimmer verschwunden." T.K. nickte mit dem Kopf Richtung Treppe. "Habt ihr euch mal wieder in den Flicken gehabt?"

"Nicht das ich wüsste. Ich gehe mal hoch, nachsehen."

Mit schnellen Schritten verließ er den Raum und lief die Treppe hoch.

Vor der Tür blieb er zögernd stehen. Vorsichtig hob er die Faust und klopfte an.

Als er keine Antwort bekam, entschloss er sich einfach so rein zu gehen. Immerhin wohnte er auch da drinnen!

Im Zimmer herrschte eine beklemmende Stille. Das Licht war ausgeschaltet und die Gardinen zugezogen worden, so dass der Raum in einem düsteren Zwielicht vor ihm lag. Tai entdeckte den blonden am Schreibtisch. Er schloss die Tür hinter sich und ging zu ihm hinüber.

"Warum bist du vorhin so schnell abgehauen? Ist irgendetwas passiert?" Behutsam legte er dem blonden eine Hand auf die Schulter, die dieser jedoch schnell wieder abschüttelte.

Tai zog ärgerlich die Augenbrauen zusammen.

"Sag mal, habe ich dir irgendetwas getan?"

"Was interessiert dich das? Ich denke, du kannst mich eh nicht leiden! Das jedenfalls hast du heute zu Sora gesagt!"

Es dauerte eine Weile ehe Tai antwortete.

"Ach je. Hast du das etwa persönlich genommen?"

"Na wie soll ich's denn bitte sonst auffassen?!"

"Sorry. Das habe ich echt nicht so gemeint.", brachte Tai etwas unbeholfen hervor.

"Warum sagst du's dann erst? Ist es dir so peinlich mit mir in Verbindung gebracht zu werden, oder was? Ich weiß einfach nicht woran ich bei dir bin. Erst sagst du, dass du mich nicht leiden kannst und hackst wo du nur kannst auf mir rum und im nächsten Augenblick küsst du mich, nur um mich anschließend tagelang zu ignorieren."

Tai sagte gar nichts. Sein Blick war stumm auf den Boden zu seinen Füßen gerichtet.

Matt kam einen Schritt näher. Obwohl der andere ihm so nah war, dass er lediglich den Arm ausstrecken musste um ihn zu berühren, erschien es dem blonden in diesem Augenblick als würden hunderte... tausende Kilometer sie voneinander trennen. Der Junge mit dem braunen Wuschelhaar erschien ihm plötzlich so fremd.

"Wie denkst du wirklich? Was geht in dir vor? Sag es mir! Ich möchte es wissen. Möchte es mit dir teilen. ...Ich liebe dich."

Die letzten Worte hatte Matt nur noch flüsternd über die Lippen gebracht. Nun war es also ausgesprochen. Das, was den blonden schon die ganze Zeit über beschäftigt hatte.

Anfangs war er sich über seine Gefühle nicht im Klaren gewesen. Er hatte nicht gewusst, was genau sie bedeuteten.

Doch seit heute Nachmittag, als Tai zu Sora gesagt hatte, er könne ihn nicht leiden. Seit er diesen unerträglichen Stich in seinem Herzen gespürt hatte, wusste er es.

Er war verliebt.

Tai starrte ihn entsetzt an.

"Weißt du eigentlich, was du da sagst?! Sieh dich an! Sieh mich an! ...Wir sind beide Jungen. Das... das kann kein Liebe sein!"

"Doch!", wiedersprach Matt bestimmt. Tai sah überrascht auf. "Ich weiß genau, was ich sage. Ich liebe dich! Und nichts kann an dem etwas ändern." Er hob eine Hand und fuhr sacht durch Tai's braune Haare bevor er mit fester, ruhiger Stimme weitersprach. "Ich liebe dein fröhliches, helles Lachen, das dafür sorgt, dass mein Herz ebenfalls lacht. Ich liebe deine tiefen braunen Augen, in denen ich mich schon so oft verloren und gleichzeitig wiedergefunden habe. Und ich liebe deine sanfte Seele, die mir jedesmal Trost und Geborgenheit spendet und mir soviel Sicherheit gibt. Und es ist mir verdammt nochmal egal, ob das, was ich liebe, von einem Mädchen oder einem Jungen verkörpert wird!"

Bevor Tai etwas darauf erwiedern konnte, war Matt bereits an ihn heran getreten und gab ihm einen sanften Kuss, der zwar nicht fordernd aber denoch voller Leidenschaft war. Und dann, nach einer Weile, begann Tai den Kuss ebenso zärtlich zu erwiedern. In diesem Augenblick wusste Matt, was Tai fühlte. Der braunhaarige musste nichts sagen, damit er verstand. Seine Antwort lag in diesem Kuss.

Schließlich trennten sie sich langsam wieder voneinander. Lange sahen sie sich in die Augen.

"Tai? Matt?"

Erschrocken drehten die Jungen sich zu der Tür um, die eben aufgerissen worden war. In der Schwelle stand Matt's Mutter und sah die beiden Kinder nicht weniger erstaunt an.

"Ich... wollte euch nur zum Essen runterholen. Ähm..." Sie warf den beiden noch einmal einen unsicheren Blick zu, bevor sie schnell den Raum verließ und die Tür hinter sich zu zog.

"Wir sollten besser nach unten gehen.", durchbrach Tai die unbehagliche Stille, die aufgekommen war.

"Ob sie etwas gesehen hat?"

"Weiß ich nicht, aber wenn wir hier oben bleiben, wäre es auch wenig merkwürdig. Also komm."

Matt gab ihm einen sanften Schups.

"Geh du schon mal vor.", bat er den braunhaarigen. "Ich gehe ein paar Minuten nach dir. Das ist weniger auffällig."

Tai nickte stumm. Ohne, dass sie darüber gesprochen hatte, war den beiden klar, dass es besser wäre, wenn ihre Umwelt nichts von dieser Beziehung wusste. Sie würden es nicht verstehen.
 

Der blonde stand noch eine Weile allein in dem dunklen Zimmer, bevor er entschloss, sich jetzt auch auf den Weg ins Esszimmer zu machen. Mit großen Schritten durchquerte er das Zimmer und griff nach der Türklinge. Doch in dem Augenblick, als er sie anfasste, glaubte er ein Messer stieße in seine Hand. Erschrocken zog er die schmerzende Hand zurück und presste sie an sich.

Die Türklinke hatte sich weiß verfärbt. Sie schien regelrecht eingefroren zu sein. Aber wie konnte das sein? Draussen war Sommer!

Entsetzt beobachtete Matt, wie sein Atem in kleinen weißen Wölkchen vor ihm aufstieg. Es schien immer kälter zu werden. Fröstelnd umfasste er sich mit seinen Armen, in dem Versuch wenigstens ein bischen Wärme am Körper zu halten.

Und dann spürte er wieder die warme Luft an seinem Hals, die dafür sorgte, dass sich sämtliche kleinen Haare an der gestreiften Stelle aufrichteten. Etwas wisperte in seinem Ohr. Schien etwas flüstern zu wollen, aber Matt konnte es nicht verstehen. Zu leise war die Stimme, die versuchte zu ihm vorzudringen.

"Wer bist du und was willst du? Ich verstehe es nicht. Warum kommst du zu mir?"

Die letzten Worte hatten ihn seinen gesammten Mut gekostet und Matt war sich ganz sicher, dass er das nicht noch einmal schaffen würde. Das Gewisper in seinem Ohr erklang erneut, jetzt schon etwas lauter und der blonde versuchte sich auf die Worte zu konzentrieren. Doch noch war die Stimme zu leise und sein eigener Herzschlag viel zu laut.

"Mein... Er ist mein!"

"Er?! Wen meinst du damit?"

"Er gehört mir!"
 


 

Öchöm...*Räusper*

Ich hoffe, es ist nicht all zu schmalzig geworden.

Zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass ich gerade einen ziemlich kitschig, schnulzigen Film gesehen hatte, bevor ich diesen Teil geschrieben habe, also verzeiht mir bitte. *Verbeug*

Wie immer, würde es mich sehr interessieren, was ihr davon haltet.

Vielen Dank an dieser Stelle an diejenigen, die sich immer die Mühe machen, mir Feedback zu schreiben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Idris
2003-09-07T10:19:27+00:00 07.09.2003 12:19
Kawaiii! ^^ So süß! Gruseliges Ende (wie konntest du uns nur soo hängen lassen!! Grausam!!) aber supersüüüß davor! Taichi und Matt sind einfach sooo schnucklig *beide knuddel*
Zum Glück hast du das dritte Kapitel inzwischen schon raus, sonst müsste ich jetzt anfangen mit den Drohbriefen, damit auch ja weiterschreibst *ggg*.
Die Klassenfahrt war auch total cool beschrieben und erst die Sache mit Erbsensuppe *wüg* Man, ich konnte Erbsensuppe mal echt gut leiden ... okay, das wars dann wohl damit... ^^

Ciao, Rei.
Von: abgemeldet
2002-12-30T14:43:54+00:00 30.12.2002 15:43
*begeistertschau* spannend, spannender, gruselig ... klasse *gänsehautbekommt*. Das ist ja so toll geschrieben. Und die Idee, ne Taito mal etwas (etwas ist gut *seuftz*) unheimlich zu gestalten... *ganzsupifindet*
Ich wird auf jedenfall den nächsten Teil nicht erwarten können... hab bin jetzt schon ganz hippelig ^_^*
Tai's Aktion auf dem Schiff.... na ja....*frohistnichteinsderMädchengewesenzusein*. Habs mir leider etwas zu bildlich vorgestellt.... mir ist irgendwie flau im Magen... *seuftz* *nichtmehressenwirdfürserste* -.-* Aber ich kann nur wieder sagen es ist sehr gut geschrieben, auch realistisch....
Na ja nur das Yama Tai auf einmal seine Liebe gesteht.... glaub nicht, das jemand das macht, wenn einem kurz zuvor gesagt wird, dass man nicht gemocht wird. Aber das Tai darauf nicht antwortet, sondern nur zurückküsst ist vernünftig und viel mehr vorstellbar *G* *magsowas*
Also nur weiter so
LG
Cibi
Von: abgemeldet
2002-12-30T14:43:43+00:00 30.12.2002 15:43
*begeistertschau* spannend, spannender, gruselig ... klasse *gänsehautbekommt*. Das ist ja so toll geschrieben. Und die Idee, ne Taito mal etwas (etwas ist gut *seuftz*) unheimlich zu gestalten... *ganzsupifindet*
Ich wird auf jedenfall den nächsten Teil nicht erwarten können... hab bin jetzt schon ganz hippelig ^_^*
Tai's Aktion auf dem Schiff.... na ja....*frohistnichteinsderMädchengewesenzusein*. Habs mir leider etwas zu bildlich vorgestellt.... mir ist irgendwie flau im Magen... *seuftz* *nichtmehressenwirdfürserste* -.-* Aber ich kann nur wieder sagen es ist sehr gut geschrieben, auch realistisch....
Na ja nur das Yama Tai auf einmal seine Liebe gesteht.... glaub nicht, das jemand das macht, wenn einem kurz zuvor gesagt wird, dass man nicht gemocht wird. Aber das Tai darauf nicht antwortet, sondern nur zurückküsst ist vernünftig und viel mehr vorstellbar *G* *magsowas*
Also nur weiter so
LG
Cibi
Von: abgemeldet
2002-12-30T11:13:53+00:00 30.12.2002 12:13
Okay, jetzt erinnert mich dieser Teil auch noch an "The sixth sense" und "Herr der Ringe", wie Golum doch so schön sagte: "Er ist mein...mein Schatz!" *g* Mal wieder ist das alles sehr spannend geworden und am witzigsten fand ich echt die Stelle, wo Taichi die angebliche Kotze aka Erbsensuppe den Mädchen präsentiert. *gg* Auf so eine Idee muss man erst einmal kommen! ^^ Und wenn man so darüber nachdenkt...da kann einem sich echt der Magen umdrehen...^^**** *zumGlücknochnichtsgegessenhat* Auf jeden Fall bin ich sehr gespannt darauf, wie das alles weitergeht, auch wenn mir das Liebesgeständnis dennoch ein wenig...na ja...zu früh kommt. ^^* Aber ist ja nicht schlimm! Der Grusel hat das alles wieder entschädigt! Schreib' schnell weiter!

Tschau!
Maddle


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