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Ein Neuer Schuh ist wie ein neues Leben

von

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Unverhofft kommt oft

~Kapitel 2~
 


 

Ich steig aus dem Auto aus mit Rückenschmerzen und Herzrhythmusstörungen. Meine Mutter hat die neue Deep Dance gerade im Auto gehört. Der Bass hat so gebumt, dass ich dachte, ich hätte zwei Herzen. Total fröhlich steigt meine Mutter aus dem Auto. Ihr neuer Look lässt sie jünger aussehen. Ihr blondes kurzes Haar, was Ähnlichkeiten mit einem Igel hatte, ohne dabei beleidigend zu sein, ist nicht mehr da. Beim Friseur hat sie sich eine Haarverlängerung gemacht und ihre Haare braun gefärbt. Es ist aber, zugegeben, ein wunderschönes rot-braun. Zum Glück hat sie ihre grünen Augen behalten und diese nicht durch irgendwelche blauen oder gar lila Kontakt Linsen ersetzt. In letzter Zeit nämlich, beweist meine Mutter ihr Talent für die ausgefallendsten Ideen. Nicht nur das, sie ist auch jeden Freitag in eine Disco mit ihrer besten Freundin Tina, die erst kürzlich von ihrem Freund verlassen wurde, geht. Nein sie beweist auch dass sie die ausgefallendsten Trends modern machen will. Nun gehen sie beiden als Singles in die Disco und reißen irgendwelche Männer auf. Meine Mutter frisch geschieden und Tina zum x-ten Mal verlassen. Sie sagt immer, er habe immer weniger Zeit gehabt. Ja die hätte ich auch haben wollen! Ständig rief sie bei ihm an, um ihn jenes und dieses zu sagen, was gar nicht wichtig war. Wenn er sagte, dass sie wirklich schön sei, motzte sie ihn an, er solle aufhören zu lügen. Wenn er nichts sagte, sagte sie, er mache ihr viel zu wenige Komplimente. War er mal fünf Minuten zu spät, verdächtigte sie ihn eine Affäre zu haben. Jede Frau, die mit ihm redete oder ihn nur sah, war sofort ihre Erzfeindin. In Discos musste er sich in ihrer Nähe befinden und durfte ja mit niemand anderen tanzen. Einmal hat er einen alten Freund in der Stadt begrüßt, sofort hat sie gedacht, er sei Schwul. Nett servierte er sie dann beim Chinesen ab. Gefühlvoll schrie er sie an "Ja, ich bin Schwul! Ich ertrage es nicht mehr von dir immer kontrolliert zu werden und wie ein kleines Kind behandelt zu werden." Seine letzten Worte waren das. Alle haben getrauert mit ihr. Ich nicht. Jeder musste doch merken, dass er nicht wirklich Schwul war! Bestimmt hat er Angst gehabt, sie könnte ein Stalker werden und Schwul war ja mal mehr als eindeutig, dass sie keine Chance mehr hat bei ihm. Eine Woche später, sah ich ihn mit einer blonden Schönheit im Eiscafe. Die war bestimmt nicht seine Schwester!

Im Treppenhaus kommen uns Möbelpacker entgegen. Sofort macht meine Mutter platz. Ganz elegant drückt sie sich gegen die Wand, grinst dabei einen der Männer an. Dieser grinst natürlich sofort zurück. Ich natürlich quetsche mich noch an ihnen vorbei. Anders als meine Mutter, nehme ich von ihnen keine Notiz. Oben in der Wohnung grinst meine Mutter übers ganze Gesicht. "War der nicht süß?", schwärmt sie, zieht ihre hohen Schuhe aus. Auch sie ist kleiner als ich, sogar mit hohen Schuhen. "Oh sicher, aber mein Fall ist das nicht."

"Gut dann werden wir uns wegen ihm auch nicht streiten."

"Wer zieht drüben ein?" Ich find es echt toll, dass die beiden alten Menschen neben uns aus gezogen sind. Sie waren nämlich die Sorte alte Menschen, die dachten der Bus würde ihnen alleine gehören. Die ihre letzten Tage mit lästern über andere Mitbewohnern verbrachten. All die Jahre über, wo sie den Gesprächsstoff noch mitbekamen und körperlich Top fit waren, stand ihre Waschmaschine in ihrer Küche. Als sie aber bemerkten, dass nicht mehr oben auf dem Speicher gelästert wurde, mussten sie andere Quellen finden. Am besten lässt es sich doch noch im Waschkeller lästern, das dachten auch unsere Nachbarn. So wollten sie ihre Waschmaschine, als sie alt und grau worden, nach unten stellen. Jetzt bekamen sie wieder genug Lästerstoff mit. Jedoch überanstrengende sie das wohl auch und so kommen sie jetzt ins Heim. Manchmal frag ich mich wie alt sie wirklich sind. Ich vermute sie haben in der Steinzeit das Feuer erfunden. "Keine Ahnung ", antwortet meine Mutter eine ganze Weile später. Ich habe schon fast die Frage wieder vergessen. "Hoffentlich irgendein ein Junge in meinem Alter ", höre ich die Stimme meiner Schwester sagen. Vollkommen fertig kommt sie aus ihrem Zimmer. "Was hast du gemacht?" Fragend sehe ich sie an, während ich versuche meinen Joghurt Becher zu öffnen. "Getanzt. Ach ich gehe jetzt mit Melissa raus." Mama nickt und tanzt zu dem neuen Lied, was Rihanna singt. "Was gibt es denn heute Abend zu essen? ", fragt meine Schwester. Was sie erwartet hat, war wann sie wieder zuhause sein sollte. "Wir haben was für die Mikrowelle bekommen ", antworte ich für meine Mutter, welche immer noch mit dem tanzen beschäftigt ist. Jetzt tut sie auch noch so, als ob sie den Text kennen würde und versucht mit zu singen. "Wenn du willst mach ich um halb acht essen." Meine Schwester ist mit meinem Angebot einverstanden, schnappt sich ihr Skateboard und verschwindet. Mit Eismann kann man nichts falsch machen. Seitdem meine Eltern geschieden sind, hat Mama uns nur solchen Fraß gekauft. Abends ist sie auf Achse, deswegen kommt sie nicht zum Kochen. Da ich auch nicht gerade oft Zuhause bin, bin ich mit Eismann und meiner Mutter zufrieden. In diesem Augenblick klingelt es an der Tür. Natürlich denke ich, dass es meine Schwester wäre. Vor mir stehen aber, Lukas und Alex. "Lukas will nicht alleine zum Fußballspiel mit kommen ", fängt Alex sofort an zu sabbeln.“Und ich soll ihm dann Gesellschaft leisten?", beende ich fragend seinen Satz. Beide nicken. "Wir müssen uns beeilen. Der nächste Bus, der nach Essen fährt, kommt in fünf Minuten."

"Bis heut Abend oder Morgen früh ", ruf ich in die Küche zu meiner Mutter. Danach gehe ich mit den beiden zur Bushaltestelle. Im Bus setzten wir uns auf einen vierer und starren aus dem Fenster. Manchmal sehe ich in Lukas braune Knopfaugen rein. Diese Augen sehen einfach zu süß aus. "Tim hat mir gerade eine Sms geschrieben ", fällt es Alex ein.“ Er fragt was wir morgen machen." Ahnungslos zucke ich mit den Schultern. Morgens habe ich wie immer auch eine Sms von ihm bekommen. Aber er hat mich nicht gefragt, was ich morgen vorhabe. "Wir können ja zu ihm fahren ", schlägt Lukas vor. Zustimmend nicken ich und Alex ihm zu. Nach ein paar vielen, verstrichenen Minuten sind wir endlich da. "Weißt du", fängt Lukas auf einmal an, als wir den Platz fast erreicht haben "Ich will dir keine Angst machen oder so! Du kennst mich ja, aber diese Mannschaft ist echt schwer. Wir mussten auch gegen die Spielen, die haben uns voll gezogen. Ich sag es dir, die sieben ist übel! Außerdem sind das alle so Bullen. Hoffentlich brechen sie dir nicht die Knochen." Ich weiß, warum Lukas ihm das erst jetzt erzählt. Hätte er es Zuhause gesagt, hätte Alex ein Margendarm Virus simuliert. An diese Aussage geht Alex mit entsprechender Motivation ran. "Ach wir werden null zu fünfundzwanzig verlieren." Ich fange laut an zu lachen. Auch ihn klopfe ich aufmunternd auf die Schulter. "Ein eins zu fünfundzwanzig schlagt ihr auch noch raus."

Lukas und ich sind überrascht, wie gut die Mannschaft wirklich ist. Bis jetzt steht es sieben zu drei für die Herausfordere. Diese vier Tore werden Alex und seine Mannschaft schon aufholen. Immer wieder schreit der Trainer etwas zu ihnen hin. Manche der anderen Mannschaft machen sich über ihn lustig. Lukas meint, Alex spielt schlecht. "Nun ja, immerhin ", ich kann meinen Satz nicht zu Ende sprechen. Mein Handy klingelt, auf meinem Display leuchtet der Name: Mama.

"Wer stört?", geh ich ran. "Ja, Schatz pass auf. Du schläfst heute bei deinem Vater. Ich habe deine Schultasche schon gepackt und den Rest auch. Er weiß bescheid." Ohne dass ich antworten kann legt sich auch schon wieder auf. Fragend sieht mich Lukas an. "Meine Mutter, die will, dass ich bei meinem Vater schlafe."

"Findest du es schlimm?"

"Nein, aber ich muss dann gleich mit einem anderen Bus zurück fahren, der mich direkt bis nach Heiligenhaus bringt."

Wieder fällt ein Tor, Lukas und ich jubeln. Die Mannschaften versammeln sich. Das Spiel ist vorbei und Alex Mannschaft hat mit drei Punkten im Rückstand verloren. Gar nicht mal so schlecht, wenn man mal den Punkte Stand vergleicht, den Lukas und ich geschätzt haben.
 

Zwar sind sie keine Sieger, aber ziemlich stolz gehen die Fußballspieler zur Bushaltestelle. Auch ein paar Mädchen, die auf dem Sportplatz Hürden lauf gehabt haben, gehen mit. Ein Mädchen sticht dabei besonders hervor. Ihre Solarium gebräunte Haut sieht genauso toll aus wie ihr Blondes Haar, welches zu einem Zopf gebunden ist. Ihre blauen Augen stechen hervor und verzaubern Alex ganz. Total gebannt sieht er auf ihre vollen Lippen, wenn sie redet. "Stell das Sabbern ein", sage ich und Lukas lacht. "Steffi", haucht Alex nur, ohne mich und Lukas wirklich zu beachten. Würde es Kühe vom Himmel hageln, er würde es nicht bemerken. Sonst würde ihm ein weiblicher Schrei entfahren und hysterisch würde er auf der Stelle im Kreis rennen. Unser Alex ist in Gefahrensituationen zu nichts zu gebrauchen. Genauso wenig wie einen sabbernden Alex. Steffi nimmt aber auch keine Notiz von ihm. Stadt dessen lacht sie immer, wenn jemand einen Witz erzählt. Unser Bus kommt. Lukas und ich müssen ihn von der Straße ziehen, sonst würde er Steffi das nächste Mal nur aus dem Himmel angaffen können. Bis zum Werdener Markt fahre ich noch mit den beiden, dann muss ich den sabbernden Alex und den normalen Lukas verlassen. Mein Bus kommt zum Glück nur ein paar Minuten später, dafür ist er aber ein bisschen voller. Also ergattere ich mir lieber noch einen guten Stehplatz. Meine Beine tun mir langsam weh. Ich hasse es wirklich, dass meine Mutter auch immer auf den letzten Drücker damit kommt. Kurz bevor ich ankomme leert sich der Bus und endlich bekomme ich auch einen Sitzplatz. Immer wieder sehe ich auf mein Handy. Weder eine Sms noch ein Anruf in Abwesenheit ist zu lesen. Mein Freund sollte, was das melden betrifft, noch einiges lernen. An der Bushaltestelle ist alles leer. Niemand scheint heute irgendwie Lust auf Heiligenhaus zu haben, ich hab es nämlich auch nicht. Morgenfrüh, darf ich dann auch noch mit dem Bus zur Schule fahren. Was mich am meisten stört ist, warum wollte meine Mutter Sturmfrei haben. Vor der Tür meines Vaters sehe ich meine Schwester sitzen. Total sauer sieht sie mich an. "Er ist noch nicht da ", mault sie, eher ich überhaupt fragen kann, was los ist. Zusammen mit ihr gehe ich auf den Spielplatz. Yvonne hat meine Sachen mitgenommen. "Weißt du warum Mama uns loswerden will?" Auch sie ist vollkommen Ahnungslos. "Vielleicht will sie mit ihren Freundinnen eine Pyjama Party machen." Ich muss lachen. "Mit Milch und Keksen", fügt sie dann hinzu. "Ja, Hasch Keksen und dreiundvierziger mit Milch", verbessere ich sie und nun lachen wir beide. Auf dem Spielplatz ist nichts los. Ein paar Katzen laufen über den Sand, kleine Kinder gehen nach Hause und von den Balkonen sehen alte Leute auf uns runter. "Ich bin froh, dass unsere Nachbarn endlich weg sind ", unterbricht meine Schwester die Stille.

"Sie verlassen alle unser Haus." Fragend blickt sie mich an. "Zuerst Papa, dann unsere Nachbarn. Glaub mir mal die Legers werden es auch nicht mehr lange aushalten, je nachdem, was für neue neben uns einziehen." Nickend stimmt sie mir zu. Dann Vibriert mein Handy. Papa, leuchtet auf dem Display. "Der Herr meldet sich also auch ", nehme ich ab.“Ihr könnt jetzt kommen bin da ", ertönt es aus dem Handy. Ich halt mir mein Handy weit weg vom Ohr. Obwohl es auf niedrigste Stufe eingestellt ist, kann selbst Yvi alles hören. "Sind auf dem Weg ", mit diesen Worten leg ich auf. Langsam machen wir uns auf dem Weg. Nach weniger als einer Minute sind wir aber auch schon da. Nicht aber mein Vater macht mir auf, sondern eine Frau. Ihre Beine ragen fast in den Himmel. Ihr braunes Haar fällt über ihre Schulter und ihre grünen Augen sind wirklich gift grün! Ihre Haut ist durch und durch Solarium bräune. Darin besteht kein Zweifel. Wahrscheinlich ist sie Mitte dreißig oder jünger. Sind wir hier eigentlich richtig? Verlegen sehe ich auf die Klingel. Alles richtig. "Oh isch bin Florence, die Freundin eures Vaters." Ach Freundin also, denk ich mir und sie ist eine Französin. "Kommt doch bitte rein. Euer Vater 'at mir soviel erzählt von eusch."

Mit ausgestreckten Armen steht mein Vater im Wohnzimmer. Er hat also eine neue Freundin und wann wollte er uns dies Mitteilen? Er und Mama gehören doch zusammen und nicht er und diese, diese Florence. Genauso empört wie ich, ist auch meine Schwester. Mein Vater steht unverändert da. Doch etwas hatte sich an ihn geändert. Er hat seine grauen Haare übertönt und steht in einem Schicken Arbeitsanzug da. Außerdem glänzt die Küche und Florence. Ihr Dekoltee wird von silbernen und glitzernden Ketten geschmückt, um ihre Arme sind ebenfalls silberne Ketten und an ihren Fingern trägt sie Ringe mit dicken Klunkern. An ihren Ohren hängen ebenso dicke Klunker. Woher nimmt sie das Geld? Meine Schwester lässt meinen Vater nicht länger warten und umarmt ihn. Kurz darauf umarme ich ihn auch. "Also wie ihr sicher wisst", fängt er an, deutet dabei auch auf seine Französin "Ist das meine Freundin, Florence."

" 'allo", sagt sie mit ihrem Französischen Akzent. "Isch 'abe gar nicht gewusst wie 'übsch ihr seid." Mich betrachtet sie noch nett, als würde ich gerade noch in ihren Rahmen passen. Bei meiner Schwester hat sie aber große Schwierigkeiten, ihre Abneigung gegen Punks und alles andere, was ihrer Norm nicht entspricht, nicht zu zeigen. Meine Schwester hat wieder eine durchlöcherte Hose an, diesmal eine alte Jeans. Darunter trägt sie eine Boxer-Shorts von Homer Simpson, die aus grauer Seide ist. Über ihren kleinen Bauch hat sie ein Top an, welches ganz viele Nieten an den Seiten hat. Ihre Haare sind wie immer wild gestylt. "Nun isch werde was zu Essen 'olen." Darauf hin nickt meine Schwester und setzt sich an den Tisch. "Wie findet ihr sie?", will sofort unser Vater wissen, als sie in der Küche verschwindet. "Sehr Französisch", gebe ich mit einem Touch Französischem Akzent zurück. "Wie alt ist sie? Dreißig?", platz es aus meiner Schwester raus. "Oder ist sie noch in unserem alter?", gebe ich unwillkürlich dazu. "Nein sie ist vierunddreißig und ihre Oma ist Deutsche sowie ihr Vater."

Mit einer großen Platte kommt Florence zurück. Darauf liegen Pommes und Schnitzel, an den Enden wurde in kleinen Förmchen eine Soße gegossen. Die Ränder sind mit irgendwelchem Grünzeug verziert. "Lasst es eusch schmecken."

Alle setzten sich an den Tisch. Zuerst langt meine Schwester zu. Misstrauisch schaut mein Vater zu mir rüber. "Bekommt sie Zuhause nichts mehr?" Lachend sehe ich ihn an. "Aber Papa, hat dir Mama noch nichts erzählt? Wir leben Zuhause nur noch von Wasser und Brotkruste." Entsetzt schaut Florence mich an. "Ist das wahr?" Kopfschüttelnd verneint mein Vater. "Mit Eismann werden wir artgerecht am Leben gehalten", nuschelt meine Schwester, die ihren Mund wirklich sehr voll hat.

Plötzlich geht mein Handy. Sofort spring ich auf und geh ohne zu zögern dran. "Jaaah?", brüll ich in den Hörer rein. "Hier Zipo. Oh hör auf in den Hörer rein zu brüllen!"

"Was los? In Velbert irgendwas Spannendes passiert? Prügelei? Ein Mord?"

"Manuel hat in Karstadt ein Kaugummi geklaut. Aber deswegen ruf ich nicht an! Sag mal wo bist du überhaupt?"

"Bei meinem Vater. Warte ich gib die eben die Nummer." Nachdem ich dann aufgelegt habe, klingelt sein Telefon. "Ist für mich", ruf ich und geh gleichzeitig ran. In seinem Schlafzimmer leg ich mich auf das Wasserbett. "Pass auf Mike will sich morgen mit mir treffen. Was mach ich den jetzt?"

"Dich mit ihm treffen?", sage ich und verdrehe die Augen. "Aber doch nicht alleine?"

"Nimm am besten deine Mutter mit", scherze ich. "Worauf ich hinaus will ist, dass du mitkommen musst!"

"ICH? ", diesmal brüll ich wirklich in den Hörer rein. "Du hast mich verleugnet und über mich gelacht, vergiss es Zipo."

"Bitte, ich flehe dich an. Ich sag einfach, ich habe was Falsches verstanden. Du bist doch meine Freundin!"

Ja, jetzt kommt diese Masche wieder. "Was zahlste denn?"

Man hört nur ein brummen. "Ist ja okay. Morgen um wie viel Uhr und wo? ", gebe ich zurück.

"Ahhhh", kreischt sie diesmal. "In Essen am Bredeney vier Uhr. Danke süße, ich muss dann auch auflegen Tschüs."

Sie legt nur so schnell auf, damit ich es mir nicht anders überlege. Taktisch natürlich sehr geschickt, aber ich könnte ihr auch ne sms schreiben, um abzusagen. Im Esszimmer sind alle schon fertig. "Hab auch kein Hunger mehr", sage ich und leg mich auf das Sofa. "Okay, 'at es denn nicht geschmeckt?" Fragend blick mich Florence an. "Nein, mein Vater hat sich was Gutes geangelt, also Kochen kannst du auf jeden fall." Etwas verwirrt und stolz zugleich, räumt sie den Tisch mit meinem Vater ab. Lässig, locker pflanzt sich meine Schwester neben mich. "Sie ist pingelig, aber kochen kann sie." Ohne was gesagt zu haben, weiß ich die Frage meiner Schwester. "Jo und jetzt mach die Simpsons an."

Während wir uns die Simpsons reinziehen, scheinen Florence und mein Vater wie vom Erdboden verschluckt. In der ersten Werbepause schreibe ich meinen Freund eine Sms.

Hey Schatz,

morgen musst du wohl alleine was mit Lukas und Alex machen. Muss Zipo mal wieder beistand leisten. Sei mir nicht böse, wir sehen uns ja am Freitag

Lieb dich Nic

Erst spät am Abend gehen meine Schwester und ich ins Bett. Mit Florence haben wir nicht mehr viel gesprochen. Irgendwie war sie damit beschäftigt noch Staub ausfindig zu machen.

Morgens weckt meine Schwester mich liebevoll, indem sie mir meine Decke klaut und immer wieder das Licht an und ausmacht. "Verdammt ich bin ja wach", fauch ich sie fünf Minuten später an. Der Tisch im Esszimmer ist auch schon gedeckt. In einem Korb liegen frische Brötchen, es gibt Käse und Wurst Teller. Wieder ist alles mit so komischem Grünzeug an den Enden geschmückt. Natürlich ist meine Schwester wieder die erste am Esstisch. Ruhig setz ich mich dazu, als ich in der Küche plötzlich einen Schrei höre. Er ist so laut und schrill, dass ich Angst habe, dass mein Trommelfell platzt. "Isch kann doch nisch in einer Küche arbeiten, in der Käfer rum kriechen!" Mein Vater hält ihr tapfer die Hand. "Schatz es war nur einer, ein kleiner."
 

"Aber wenn dieser eine seine Eier 'ier abgelegt 'at?!" Meine Schwester verdreht die Augen. "Der arme Käfer. Er hat doch mehr Angst vor Florence!"

Wortlos gehe ich in unser Zimmer, packe meine Tasche und gehe dann ins Bad, wo ich mich beeile, bevor mein Vater mich wieder hetzt. Als ich den Spiegelschrank auf mache, trifft mich der Schlage. Tausende und aber Tausende Pflege Produkte. Für die Nacht, den Tag, vorher, nachher. Florence hat wirklich alles. Für die Augen, Hände, den Body, Fingernägel, Million verschiedene Schmink Sachen. "Ach du scheiße", flüstert mir meine Schwester zu, die nun hinter mir steht. "Hat Papa vielleicht gewollt, dass Mama sich auch so verhält?"

"Das ist gar nicht Papas Stil! Ich frag misch was er an ihr findet", gebe ich mit Französischen Möchtegern Akzent zurück, um damit deutlich zu machen, dass er auch gar nicht auf die Franzosen abfährt. "Denkst du Mama hat noch eine Chance bei Papa?", fragt sich mich dann leise und macht sich dabei Zahnpasta auf ihre Zahnbürste. "Bestimmt, wenn sich unser Badezimmer in ein Douglas verwandelt."

Im Bus reden meine Schwester und ich nicht viel miteinander. Florence hat sich von uns verabschiedet wie eine Freundin. Mit zwei Küsschen auf die Wange hat sie gelabert:" Isch würde misch freuen, wenn ihr bald wieder kommt."

Natürlich war der Bus brechend voll. Meine Schwester sitzt hinten und muss sich mit irgendwelchen Idioten rumschlagen. Sie findet das ganze richtig lästig und ich komm voll auf meine Kosten. Nicht nur das diese Typen wirklich verpeilt sind, neun zu gleich auch noch Stroh doof. Meiner Schwester reicht es nach ein paar Minuten, geht nach vorne und bleibt an der Tür stehen. Neben mir sitzt eine alte Dame, die so laut atmet wie meine Schwester in der Nacht schnarcht. Jedes mal wenn der Bus erneut anfährt, habe ich Angst, dass sie auseinander fällt. Ihre paar Flausen auf dem Kopf, sollen wohl Haare sein und ihre Augen sind gelblich. Was sie trägt ist dieser typischer Omi Rock, lang, grau einfach Schlicht. Dazu trägt sie eine Bluse in der Größe XXL, welche mit bunten Blümchen verziert ist. In ihrem Gesicht befinden sich keine Falten mehr, es sind tiefe, tiefe Schluchten. Bergziegen hätten dort einen wunderschönen Lebensraum. Wenn sie so alt ist wie sie aussieht, hat sie die Kreuzigung von Jesu noch mitbekommen. Wenigstens ist sie still und hat nicht den Drang mich voll zu labern über gute alte Zeiten. Nicht das ich was gegen alte Leute habe, aber sie müssen nicht direkt am frühen Morgen anfangen.

Endlich sind wir am Willy-Brandt-Platz. Für mich lief alles am Morgen so gut, dass ja noch irgendwas schief gehen musste. Während ich mich mit meiner Schwester Unterhalte, stoße ich mit einem großen Jungen zusammen. Grün-blaue Augen funkeln mich an. Ich weiß nicht welche Haarfarbe er hat, er trägt eine schwarze Puma Mütze. Seine Lippen sind schmal und er hat feine Gesichtszüge. Mir wird erst zwei Sekunden später klar, dass ich diesen Jungen angaffe. „Tut mir leid", stammle ich vor mir her. „Pass das Nächste mal besser auf", sagt er kühl und geht an mir vorbei. "Arsch", murmle ich und gehe über die Straße. Wieso soll ich aufpassen? Er hat doch auch zwei Augen oder etwa nicht? War das hier seine Straße? Ich glaube eher nicht.

Abgesehen davon, dass ich meine Hausaufgaben in Chemie vergessen habe, keine Lust auf Wp1 habe, ist der Schultag ganz okay. Es ist gerade fünf Minuten Pause und unsere Jungs haben den Drang sich mit irgendwas zu bewerfen. Zu meiner Klasse äußere ich mich mal so. Wir sehen alle aus wie fünfzehn oder sechzehn unser Benehmen scheitert aber und entspricht nicht unserem Alter. Nicht einmal annährend. So ziemlich oft bekommen wir nicht Grundlos gesagt, dass selbst die fünfer disziplinierter sind als wir. Zuerst wirft Alex mit einem Stück Kreide. Geschützt steht er am anderen Ende des Klassenraumes vor den Fenstern und neben dem Schrank. Vorne an der Tür holt Christian zum Wurf mit einen Papierball aus. Als nächstes wirft Alex mit dem Schwamm und Chris wirft mit einem alten Buch zurück. Alles was in dieser Flugbahn sitzt muss ausweichen oder wird getroffen. Plötzlich aber, mal wieder muss Alex übertreiben, schmeißt er mit einer Kiste nach Chris. Dieser kann gerade noch so Matrix-mäßig ausweichen, doch die Kiste prallt gegen den Spiegel. Innerhalb weniger Sekunden hört man ihn laut zu Boden klirren. Im selben Augenblick lachen alle und schreien: „Idiot, Idiot, Idioooot." Wie bei einem Konzert verneigt sich Alex vor allen. „Danke schön, danke schön. Ohne euch wäre es nicht möglich gewesen."

Nun kommt Anette in den Raum. Schwungvoll wirft sie ihr braunes, dickes Haar auf die Schulter, stolziert mit ihren Storchenbeinen ins Klassenzimmer und funkelt Alex mit ihren grünen Augen an. „Bist du eigentlich noch ganz dicht? Wie soll ich mich den jetzt im Spiegel betrachten? Soll ich jetzt so in die Pause gehen?", schreit sie ihn an. Neben ihr stehen ihre weiblichen Anhänger. Ebenfalls wie Anette sind sie auch ganz außer sich. „Hör mal Anette", beginnt Alex im ruhigen Ton. „Du siehst doch ganz wundervoll aus."

„Ja natürlich sehe ich das! Würde irgendwer jemals was anderes behaupten?!"

Wenn sie die Tonne Make-up weg lassen würde, ihren glänzenden Lipp Glosse nicht jede zweite Minute dick auftragen würde und sich nicht nuttig anziehen würde, würde ich sagen sie könnte irgendwann mal hübsch aussehen. Persönlich habe ich ihr das noch nicht gesagt. Sie mag mich. Würde sie mich drauf ansprechen, ja dann würde ich es ihr sagen. Aber warum soll ich mich vorher schon in die Pfanne hauen?! Außerdem vielleicht bekommt sie irgendwann den Gedankenblitz und merkt wie lächerlich sie sich manchmal aufführt. Unsere Klasse war die einzige mit einem Spiegel, jetzt soll Alex einen neuen holen.

Immer wieder lässt Zipo auf mein Handy durch klingeln, nur damit ich sie auch ja nicht vergesse. Zwischendurch lässt auch Tim zurück klingeln, der mir damit zeigen will, dass er an mich denkt. Oder er ist einfach nur zufällig an die Wahlwiederholung gekommen. Das Erste gefällt mir aber besser.

Nach der Schule ist Anette immer noch ganz sauer. Wir haben drei Uhr, wenn ich den Bus um zwanzig nach schaffe, steigt Zipo am Plätzchen dazu. Wenn nicht, werde ich zwanzig Minuten zu spät kommen. Entweder sagt sie ab, wartet auf mich oder sie lässt ihn in Ungewiesenheit um sonst auf sich warten.

Schließlich steigt sie doch am Plätzchen zu mir. Ich frage mich warum sie so bedrückt aussieht. Zur Begrüßung gibt sie mir ein Küsschen und lässt sich in den Sitz fallen. „Ich bin so kaputt", stöhnt sie. „Warum?" Fragend ziehe ich eine Augenbraue hoch. „Die Schule, meine Mum, aber vor allem meine Mum."

Alex, Zipo und ich nennen unsere Mütter alle anders. Alex nennt sie immer Mutter, Zipo ihre Mum und ich meine irgendwie immer noch Mama. Mutter kommt mir vor, als würde ich eine Fremde damit ansprechen und bei Mum komme ich mir viel zu Amerikanisch vor. „Was ist passiert?", will ich dann doch langsam wissen. Seufzend schaut sie aus dem Fenster. „Ach die meint, ich sollte viel besser in der Schule sein und all so was. Wir streiten in letzter Zeit nur noch. Warum streitest du dich nie?"

Ahnungslos zucke ich mit den Schultern. „Ich sehe sie kaum."

Einige Minuten wird gar nichts gesagt. Neben unseren vierer sitzt ein Junge. Er ist bestimmt erst elf, hält sich aber schon jetzt für einen echten Hardcore Gangster. Lässig breitbeinig sitzt er dort, mit seiner geilen Mütze. Die Hose viel zu breit, da würden fünf von ihm rein passen. Sein schwarzer Pulli ist hoch gezogen und an seinem Arm befinden sich Schweißbänder von Puma und Nike. Dazu hört er noch viel zu laut irgendwelche Gangster Musik und nickt dazu immer wieder im Takt mit dem Kopf. Ob er wohl weiß, dass er mehr einer riesigen Lachnummer ähnelt? Nun steigt ein alter Mann ein. Er sieht aus, als wäre er schon Wochen nicht mehr nüchtern gewesen. Schwankend und mit einer starken Fahne erreicht er einen Sitz. Darauf sitzt er allerdings nicht, sondern liegt fast. Zipo bekommt fast einen Kotzreiz. „Bäh, der stinkt" sagt sie angewidert. Nickend Stimme ich ihr zu und versuche meine Atmung zu reduzieren. Hoffentlich steigt er gleich aus. Aber auch er hat das Ziel Bredeney und somit steigt er mit uns aus. Wieder schwankt er zum nächsten Sitzplatz, fällt dann aber in eine Ecke. Einige schaulustige stehen um ihn herum. Ich und Zipo suchen ihren Typen. Hinten, an einer Stange angelehnt, steht er und winkt uns zu. Sofort geht Zipo hin und beide begrüßen sich. Zuerst überlege ich, ob ich mich vielleicht doch aus dem Staub machen soll, lass es dann aber und gehe auch zu ihnen hin. Er nickt mir schweigend zu. Ich deute es als ein Hallo. Auch Heute ist er wieder farblich auf sich abgestimmt. Mit seinem Deo riecht er besser als der Mann mit der Fahne, nach wenigen Minuten brennt aber meine Nase von seinem Deo Geruch. Nicht nur ich, sondern auch Zipo, scheint wenig von ihm begeistert zu sein. Irgendwie quatscht der Typ von irgendwelchen Autos, von denen ich noch nie gehört habe. Er fragt Zipo irgendwas, aber sie hat ihm längst nicht mehr zugehört. Tja, so lernen wir daraus, dass gutes Aussehen nicht unbedingt auch einen guten Charakter besitzt. Gelangweilt setzten wir uns auf eine Bank. Offensichtlich sind nur wir beide gelangweilt, Mike zeigt nämlich ein großes Interesse an Zipo. Zum Glück leistet Tim mir beistand und hört nicht auf mit mir Sms zu schreiben. Ich schreib ihm, ob er nicht morgen Lust hat zu mir zu kommen. Zum Glück sagt er nicht nein und lässt mich etwas glücklicher werden. Plötzlich, total unerwartet, springt Zipo auf und mustert Mike. „Es tut mir leid", stammelt sie. Nicht nur Mike ist verwirrt, ich bin es auch. „Ich wollte es dir zuerst nicht sagen, aber ich habe seit gestern Abend einen Freund." Niedergeschlagen sieht er sie an. ZACK eine Ohrfeige ins Gesicht hätte er besser verkraften können, schein es mir. „Schon okay.“

Schon okay? Ich kann es nicht fassen wie gut sie Schauspielern kann und zu lügen ohne rot zu werden. „Ich habe nämlich auch eine Freundin", stammelt er später. ZACK das ist eine Ohrfeige für mich. Warum tut man so was, wenn man vergeben ist? Ob sie wohl langweiliger ist als er? Über was spricht sie stunden lang. Schuhe? „Dann wäre das geklärt und wir beide fahren wieder nach Hause."

Somit endet dieses super treffen und fünf Minuten später sitzen ich und Zipo wieder im Bus. Auf der Fahrt unterhalten wir uns nur kurz über diesen Mike. „Er ist langweilig, deswegen streiche ich die Begegnung aus meinem Gedächtnis." Damit war das Thema für sie beendet. Für mich aber nicht. Was wäre gewesen, wenn Zipo sich in ihn verliebt hätte? Wen hätte er sitzen lassen, Zipo? Seine Freundin? Hätte er es niemanden gesagt und ein doppelt Leben geführt? Oder hatte er das mit der Freundin nur gesagt, weil die gesprochene Ohrfeige von Zipo ziemlich weh tat? Am Plätzchen steigt sie wieder aus. Den Rest muss ich wieder alleine fahren. Zum Glück hält der Bus fast vor meiner Haustüre. Vor unserem Haus stehen Umzugswagen und ein dicker Bmw. Was für Leute ziehen den hier ein? Auf dem Weg zur Tür krame ich mein Handy raus. Ich stoße zum zweiten Mal mit einem zusammen. Grün-blaue Augen funkeln mich zum zweiten Mal am Tag an. Diesmal trägt der Junge keine Mütze. Sein blondes Haar ist kurz, sonst sieht er genauso aus wie heute Morgen. "Pascal komm schon, ich kann das nicht alleine hoch schleppen", ruft ein Mann ihm zu. Er hat Ähnlichkeiten mit Pascal und muss wohl sein Vater sein. Kurz danach trifft mich der zweite Schlag. Er ist mein neuer Nachbar.



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