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Lyra

von

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Du?

„Ich komme!“ Schnell renne ich die Treppe hinauf zur Krankenstation. Mein Name ist Lyra Timpson. Ich habe mittellange, schwarze Haare und grüne Augen. Ich arbeite als Praktikantin auf einer Krankenstation in einem Hochsicherheitsgefängnis. Eigentlich dürfte ich nicht hier sein. Ein Mädchen von 16 Jahren zwischen all diesen vielen Männern und keine Frau außer einer Krankenschwester und der Ärztin? Wegen eines schrägen Tippfehlers bin ich hier. Anstatt Nordlion, was der Name eines Frauenknastes ist, hat irgendjemand beim Erstellen meines Praktikumsplatzes Northlion eingegeben und ich bin hier gelandet. Eigentlich ist es mir egal, dass ich hier bin. Obwohl es mich natürlich manchmal schon nervt, dass ich andauernd von ekelhaften Typen angemacht werde. Aber es gibt hier auch ein paar, die ganz gut aussehen. Eigentlich können diese Typen aussehen, wie sie wollen, ich will eh keinen Freund. Ich habe gelernt, dass es einen nur schmerzt, wenn man etwas liebt. Es kann einem nur weh getan werden. Mein Vater war ein Trinker und Schläger gewesen. Er hat meinen Bruder und mich nur verprügelt, egal was wir getan haben. Dann hat er sich wieder in den Sessel gesetzt, hat seine Alkoholflaschen auf den Schoß genommen und hat weiter getrunken. Meine Mutter hat das nicht gekümmert. Sie war froh, wenn sie wenigstens nicht geschlagen wurde. Um uns etwas essen kaufen zu können, ging sie anschaffen. Doch das Geld gab sie meistens bloß für Klamotten und Schmuck und natürlich für Alkohol aus. Die Lebensmittel, Essen und Trinken, mussten mein Bruder und ich klauen. Ich war elf gewesen und mein Bruder fünfzehn, als wir eines Tages nach Hause kamen. Unsere Taschen randvoll mit Essen, das uns sowieso weggegessen wurde von unseren Eltern und von dem wir, wenn wir Glück hatten, nur noch den Rest bekamen. Doch an diesem Tag hatte mein Bruder Jack für jeden von uns einen Apfel hinter dem Baum im Garten versteckt. Brav gaben wir unsere Beute ab und gingen dann hinaus. Doch Vater folgte uns und prügelte mich so durch, dass Jack dazwischen ging. Ich hatte überall offene Stellen und eine Platzwunde an der Stirn, aber Jack sah auch nicht besser aus. Trotzdem half er mir. Zum ersten Mal stellte er sich gegen Vater. Der ließ uns verdutzt stehen, nachdem er uns die Äpfel geklaut hatte. Am Abend lief Jack dann davon. Aber er versprach wiederzukommen und sich um mich zu kümmern, wenn er das konnte. Zwei Wochen danach hatte Vater einen Herzinfarkt und starb. Mutter beging Selbstmord vor meinen Augen und ihre letzten Worte waren:

„Du bist Schuld an allem! Wärst du doch nur nie geboren worden!“ Dann erhängte sie sich. So hatte ich alle verloren. Meinen Vater, meine Mutter, darüber war ich gar nicht traurig, denn ich hasste beide. Doch auch Jack kehrte nicht mehr zurück. Ich verbrachte meine Zeit im Kinderheim. Wurde dort auch ausgegrenzt, verprügelt und ausgelacht. Jeder Fluchtversuch wurde vereitelt und man schickte mich hierhin, damit ich hier erkenne, was aus mir werden wird, wenn ich so weitermache.

Als ich nun auf der Krankenstation ankomme, ist Anni, die Ärztin, noch nicht da. Ich setze mich auf einen Stuhl und beobachte Joe, einen der Wärter hier, der gegenüber von mir steht und einen Gefangenen fest im Griff hat. Dieser ist mindestens drei Köpfe größer ist als ich, was aber auch bei meiner Körpergröße von knapp 1,60 m kein Wunder ist, kleine schwarze Haarstoppel und einen braunen Bart hat. Er behauptet zwar immer, dass er seine Haare nicht gefärbt habe, aber ich glaube ihm das nicht.

„Hey Joe! Hey Mark!“, begrüße ich beide. Seit ich hier bin, hat sich eigentlich jeder Häftling schon mindestens zehnmal bei mir vorgestellt und mich mindestens schon zwei bis dreimal begrapscht. Auch wenn ich das, wie natürlich jedes Mädchen eigentlich, überhaupt nicht ausstehen kann, ist es hier immer noch besser als im Heim.

„Hey Ly!“, begrüßt der dicke Wärter mich und grinst mich breit an. Mark blickt mich jedoch nur finster an. Er ist scheinbar der einzige, der mich in diesem Gefängnis überhaupt nicht zu leiden scheint. Er redet selten mit mir und wenn er etwas sagt, dann ist es etwas Böses oder eine Morddrohung. Aber meine große Klappe verbietet es mir, bei ihm den Mund zu halten. Auch wenn ich weiß, dass es besser wäre, das zu tun.

„Ach Mark, ist das nicht ein wunderschöner Morgen? Ist dir eigentlich schon einmal aufgefallen, dass wir dieselbe Haarfarbe haben?“ Während sich ein dickes Grinsen auf meinem Gesicht abzeichnet, färbt sich Marks Gesicht dunkelrot und er knurrt mich an. Er hasst es, wenn ich an seiner Naturhaarfarbe zweifele.

„Wenn ich hier draußen bin, dann bist du so gut wie tot, Kleine!“, grummelt Mark.

„Wie gut, dass du für deinen zweifachen Mord Lebenslänglich gekriegt hast“, erwidere ich. In diesem Moment betritt Anni das Zimmer. Die Ärztin hat strahlend blaue Augen und lange, blonde Haare, die leicht gelockt sind. Sie ist ziemlich dünn und hat ein furchtbar nettes Wesen. Ich habe ihr schon am ersten Tag, als ich hier gelandet bin, gesagt, dass sie sich lieber um eine Karriere als Model bemühen sollte. Doch sie erzählt mir immer wieder, dass sie davon nichts hält und den Menschen hier lieber helfen will. Mark gibt keinen Mucks von sich und verlässt das Krankenzimmer nur mit einem bösen Funkeln in den Augen, das selbstverständlich an mich gerichtet ist, nachdem er seine Impfung bekommen hat. Ich lächle ihn nur an und winke ihm hinterher.

„Warum musst du ihn immer reizen, Ly?“

„Ich hasse solche Machoarschlöcher wie ihn einfach, Anni! Und dann kann ich einfach meine Klappe nicht halten, wenn er wieder so mies drauf ist und so aussieht, als ob er mich gleich zerfleischen wollte.“ Mit einem Stöhnen schüttelt Anni den Kopf und blättert in den Krankenakten.

„Direktor Gold hat dich eben auch schon gesucht!“

„Ich gehe ja schon!“ Schnell verlasse ich das Krankenzimmer. Direktor Gold ist genauso ein schmieriger Typ, wie die Insassen hier. Nein, eigentlich ist er noch schlimmer. Schon am ersten Tag hier wollte er mir an die Wäsche, doch das glaubt mir keiner hier. Seitdem ich ihn so forsch zurückgewiesen habe und das einer der Insassen zufällig beobachtet hat, schikaniert er mich nur noch, weil er von den Gefängnisinsassen nur noch >Looser< oder >Weichei< genannt wird. Und weil er sich auch noch so Sprüche anhören darf wie: „Hey Gold, sind Sie wirklich echt Gold oder bloß Modeschmuck?“ Dafür lässt Gold mich jetzt leiden. Letzte Woche musste ich Chemikalien aus seinem kleinen, eigenen Labor entfernen. Die waren aber ätzend und haben fast meine gesamten Hände oberflächlich verätzt, da ich auf keinen Fall Handschuhe tragen durfte. Das ist das einzige, das ich hier am Gefängnis wirklich hasse. Direktor Gold. Als ich bei seinem Büro ankomme, klopfe ich an die Tür und warte nicht einmal ab, bis der Direktor mich hereinbittet, denn ich weiß, dass er mich sowieso anmeckern wird.

„Sie wollten mich sprechen?“ Gold dreht sich zu mir um. Schon bei seinem Anblick stehen mir alle Haare zu Berge. Er ist ziemlich dick, hat einen gekräuselten Schnauzbart, eine kleine Halbmondbrille und gelblich wirkende Augen, die immer bösartig funkeln.

„Ja! Warum hat das denn so lange gedauert? Mein Spiegel ist zerbrochen! Bring die Scherben nach draußen in die Container.“

„Aber was ist mit dem Mülleimer hier?“

„Der geht kaputt davon!“

„Aber er ist aus Plastik.“

„Er geht kaputt! Und nun geh und tu, was ich dir sage!“

„Was ist mit Handschuhen?“

„Hab ich jetzt nicht! Und du brauchst auch keine zu suchen, denn die Wärter und Insassen brauchen ihre selbst!“ Da mir klar ist, dass weiteres Meckern nichts bringen wird, hocke ich mich vor die Glasscherben und lege sie einzeln vorsichtig auf meine Handflächen. Ein Räuspern von Gold signalisiert mir, dass ich mich beeilen soll. Böse funkele ich ihn an, obwohl ich natürlich weiß, dass ihn das nicht wirklich stört. Er blickt mich bloß mit schief gelegtem Kopf und fiesem Grinsen an. Zögernd lege ich meine Hände auf den Boden und kehre damit die Scherben zusammen. Ich zucke unweigerlich zusammen, als sich einige der spitzen Überreste des Spiegels in meine Haut bohren und fühle wie das warme Blut meine Handflächen hinunter läuft. Schnell stehe ich auf und verlasse den Raum ohne Gold auch nur eines Blickes zu würdigen. So schnell ich kann, laufe ich aus dem Büro. Ich muss diese Scherben sofort loswerden. Der schnellste Weg nach draußen führt einen schmalen Weg neben der eingezäunten Fläche, auf der die Insassen die Zeit außerhalb ihrer Zellen verbringen, entlang. Noch schneller wäre der Weg über eben diese Fläche, die ich persönlich >Freiluftgehege< nenne, doch um nichts auf der Welt würde ich dort entlang gehen. Die Bedingungen dafür, dass ich hier bleiben darf sind im Grunde ganz einfach. 1. Keine Annäherungen an Personal oder Insassen männlicher Art auf mehr als 2 Meter. 2. Keine Liebe zwischen ebendiesen und mir. 3. Keine Widerrede bei Befehlen von höher stehenden Instanzen. Eigentlich wirklich ganz einfach. Doch das zu befolgen, fällt mir schwerer, als ich gedacht hätte.

„Hey Kleine, komm doch mal her!“ Erst jetzt bemerke ich, dass ich wieder einmal gedankenverloren stehen geblieben bin. Neben mir am Zaun hat sich schon eine Gruppe Insassen versammelt und versucht, mich durch das Gitter zu erreichen. Plötzlich fühle ich mich, als ob ich eingesperrt wäre. Als ich nun eine Hand auf meiner Schulter spüre, drehe ich mich erschrocken um. Joe blickt mich an und beißt in seinen Donat.

„Du weißt genau, dass du hier eigentlich nicht sein solltest!“, meint er und schmatzt laut. Ich nicke und versuche zu lächeln.

„Ich weiß, aber ich muss schnellstmöglich zum Container.“ Erst jetzt erblickt Joe meine blutroten Hände.

„Was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?“ Ich überlege, ob ich dem Wärter die Wahrheit sagen sollte, entscheide mich dann aber dagegen, da ich weiß, dass er mir nicht glauben wird. Bei den Wärtern und auch bei Anni ist Gold nichts weiter als der liebe, alte Direktor, der genauso gut mein Großvater sein könnte. Ihrer Meinung nach könnte er keiner Fliege etwas zu leide tun. Wieder lächle ich den dicken Wärter an.

„Ich hab einen Spiegel zerdeppert und wollte bloß die Beweise vernichten. Dabei muss ich mich wohl geschnitten haben!“ Ich lächele den dicken Wärter gespielt an. Ja, lügen konnte ich schon immer gut. Von klein auf war ich ja nichts als lügen gewohnt. Schauspielerin hätte ich werden sollen. Erst jetzt bemerke ich den neuen Gefangenen, der neben Joe steht. Er blickt mich mit seinen grün-blauen Augen an. Der Neue hat kurze, dunkelbraune Haare und sein Blick wirkt erschrocken. Doch das ändert sich sofort, als er mir tief in die Augen schauen kann und er sieht mich nur noch lächelnd an.

„Kennt ihr euch?“, fragt Joe mich. Ich schüttele viel zu schnell den Kopf.

„Nein! Nicht das ich wüsste!“ Als ich weitergehe, hält Joe mich jedoch am Arm fest. Ich halte den Atem an und drehe mich wieder zu ihm um.

„Du… lässt Anni das nachher aber angucken. Das muss bestimmt genäht werden, Ly.“ Ich nicke und gehe weiter. Erleichtert schließe ich die Augen und atme tief aus. Das war knapp. Vorsichtig schmeiße ich die Scherben in den Container und ziehe ein paar Splitter aus meiner Haut. Langsam gehe ich zurück und begutachte das Gefängnis. Northlion ist nicht sonderlich groß, obwohl es einen A-, B- und C-Flügel hat, was viele vermuten lässt, hier ein überaus riesiges Gefängnis vorzufinden. Es sind hier nicht viel mehr als 300 Insassen vorzufinden. Plötzlich bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob ich wirklich zurück gehen sollte. Verstohlen blicke ich zum Eingangstor. Ich könnte hinauslaufen und verschwinden. Kein Heim, kein Gefängnis. Doch auch nichts, wo ich hinlaufen könnte. Keine Familie, kein Zuhause. Ich seufze auf und laufe wieder am Freiluftgehege vorbei ins Gebäude und in mein Zimmer. Dort verbinde ich mir meine Hände provisorisch und lege mich auf mein Bett und starre die Decke an. Mein Zimmer gleicht einer Zelle, nur dass ein komfortableres Bett darin steht, der Raum kaum größer ist und ich ein eigenes Bad habe. Die Wand ist kahl und grau, denn ich habe weder Bilder noch Poster. Einen Kleiderschrank brauche ich auch nicht, denn meine gesamten Klamotten passen auf den kleinen Holztisch, der in der Ecke unter dem vergitterten Fenster steht. Nun klopft es. Ich setze mich aufrecht hin und bitte den Besucher herein. Anni steckt ihren Kopf durch die Tür und schenkt mir ihr schönstes Lächeln.

„Ich habe gehört, hier wird ein Arzt verlangt?“ Immer noch lächelnd schwenkt sie mit ihrem Verbandskoffer vor meiner Nase herum und setzt sich dann neben mich. Vorsichtig hebt sie meine Hände und begutachtet sie.

„Entschuldige, aber das muss genäht werden, meine Liebe. Was machst du auch für Sachen? Welchen Spiegel hast du eigentlich zerdeppert? Du weißt, das bringt Unglück!“ Anni kann reden wie ein Wasserfall. Und wenn sie dann erst einmal anfängt, hört sie aber nicht mehr auf. Ich grinse sie an.

„Ich sitze als 16jähriges Waisenkind mit aufgeschnitten Händen in einem Gefängnis? Wie kann es denn noch schlimmer kommen?“ Ich grinse die Ärztin an. Diese fasst meinen Arm und zieht mich mit sich in die Krankenstation. Dort muss ich mich auf eine Liege setzen und Anni holt Nadel und Faden. Joe betritt das Zimmer und schiebt den neuen Gefangenen vor sich her.

„Anni soll ihn sich ansehen! Wegen Krankheiten und so!“, erklärt er mir. Ich zucke mit den Schultern.

„Hast du was dagegen? Ich muss mal ganz dringend… er trägt ja Handschellen…“, stammelt Joe und sieht mich hoffnungsvoll an. Am liebsten hätte ich nein gesagt, denn ich will nicht alleine mit dem Neuen bleiben, doch ich kann dem dicken Wärter keinen Wunsch abschlagen. Ich nicke und Joe verschwindet auf Toilette. Es ist ihm strikt verboten, mich alleine zu lassen mit einem Insassen, doch Joe weiß, dass ich mich gut verteidigen kann und er ist außerdem nicht wirklich sonderlich verantwortungsbewusst. Stille kehrt ein. Erst beobachtet mich der Neue nur, dann setzt er sich schweigend neben mich. Ich vermeide jeglichen Blickkontakt.

„Und du, du kennst mich nicht mehr?“ Nun blicke ich ihn doch an.

„Nein!“ Er grinst und blickt zu Boden.

„Wirklich nicht?“

„Nein!“

„Hab ich dich so lange alleine gelassen, dass du mich einfach vergessen hast?“

„Ja!“

„Dann entschuldige ich mich dafür, Schwesterchen. Das wollte ich nicht!“ Jack fasst meine Hand. Ich ziehe sie weg. Einerseits aus Schmerz, doch andererseits auch aus Stolz.

„Ich war immer alleine… also lass mich auch jetzt in Ruhe!“ Ernst sieht mein Bruder mich an.

„Was ist wirklich mit deinen Händen? Niemand hat jemals erkannt, wenn du gelogen hast! Nur ich… mich konntest du nie anlügen.“

„Ich habe mich an Spiegelscherben geschnitten.“

„Du bist doch nicht so dumm, dass du dir solche Verletzungen selbst zufügst!“ In diesem Moment betritt Anni den Raum und begutachtet Jack genau. Dieser steht auf und kratzt sich verlegen am Kopf.

„Kennt ihr euch?“, fragt die Ärztin. Diesmal ist die Frage an Jack gerichtet. Dieser sieht mich erst an und grinst dann.

„Nein, aber sie sah so süß aus, dass ich mich einfach neben sie setzen musste!“ Anni sieht mich forschend an, doch ich zucke nur mit den Schultern und verlasse den Raum. Ich laufe nach draußen. Würde ich rauchen, wäre das jetzt der perfekte Zeitpunkt gewesen, denn ich muss mich irgendwie beruhigen. Dass ich Jack wirklich wiedersehen würde, daran habe ich einfach nicht mehr geglaubt. Für mich gab es ihn einfach nicht mehr. Er hat mich allein gelassen, ist nicht zurückgekehrt, als ich ihn wirklich gebraucht hätte. Die schwere Tür zu meinem Zimmer lasse ich einfach zufallen und schmeiße mich auf mein Bett. Ich könnte ihn einfach ignorieren. Aber wie soll man seinen eigenen Bruder ignorieren? Oh mein Gott, wäre er doch nur nicht hierher gekommen. Aber auf jeden Fall darf niemand erfahren, dass Jack mein Bruder ist, denn wenn das rauskommt, werden sie mich von hier wegschicken. Ein so enges Verhältnis zwischen einem Insassen und einer Praktikantin werden sie nicht dulden. Niemals! Langsam hebe ich meine Hände und begutachte sie. Ich trage immer noch die provisorischen Verbände um meine Hände, doch diese sich schon fast gänzlich durchgeblutet. Sollte ich nicht einfach von hier verschwinden? In einer Kleinstadt würde ich sicher einen Job in einem Supermarkt oder ähnlichem finden. Nein! Ich werde bleiben, denn hier habe ich wenigstens einige Menschen, wie Anni oder Joe, die ich wirklich gern habe und die ich nicht verlieren möchte.

„Zurück in eure Zellen! Einschluss!“, donnert Joe nun und auch ich schließe meine Augen, doch ich weiß, dass ich sowieso nicht einschlafen werde. Dazu muss ich viel zu viel nachdenken. Wieder klopft es an meine Tür.

„Herein“, rufe ich, öffne die Augen und setze mich auf. Der dicke Wärter räuspert sich und lächelt mich gestellt an. Ich verdrehe die Augen. Wenn Joe so vor mir steht, besonders Abends, hat Gold ihm irgendetwas aufgetragen, dass er an mich weitergeben soll. Es liegt unter seiner Würde, selbst her zu kommen.

„Du sollst die Gänge vor den Zellen in unserem Sektor, also Sektor A, putzen!“

„Jetzt?!“

„Ja, er hat es so gesagt.“

„Und warum heute Abend noch?“

„Er sagt, dass es heute ja so geregnet hat und der Matsch morgen fest ist und die Gefangenen ihn dann auch noch festtreten und so…“

„Und ich wette, du verstehst ihn da..?“

„Nun ja…“

„Schon klar!“ Mit einem kunstvollen Seufzer stehe ich auf und gehe langsam zur Putzkammer, in der die gesamten Putzmittel, Besen und ähnliches gelagert werden und zu der die Insassen keinen Zugang haben. In einen Eimer lasse ich eiskaltes Wasser laufen, das warme Wasser ist abgestellt, und schütte das Putzmittel hinein. Der Mopp steht da, wo ich ihn stehen gelassen habe. Gold, der Geizhals, braucht keine Putzfrauen einzustellen, denn ich muss eigentlich jede Woche das gesamte Gefängnis putzen. Doch das ich dies tun muss, während die Insassen in ihren Zellen sitzen und mich dabei beobachten, das ist neu. Eine neue Grausamkeit.

Etwa eine Stunde dauert es, um allein den unteren Hallenboden von dem ganzen Schmutz zu befreien. Selbst völlig verdreckt und total abgenervt von den dauernden Rufen und Kommentaren der Gefangenen, gehe ich die Stufen zur ersten Etage hoch und stelle den Wassereimer ab. Total übermüdet lehne ich mich an die Wand an und schließe die Augen. Laut gähne ich. Plötzlich spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. Ruckartig gehe ich einen Schritt nach hinten und drehe mich um. Jack grinst mich breit an.

„Na, was sind wir heute denn so schreckhaft?“, meint er. Ich sehe ihn nur schweigend an.

„Warum hasst du mich so?“, fragt er und in seinen Augen scheint sich Trauer widerzuspiegeln.

„Ich… hasse dich nicht!“

„Und warum behandelst du mich dann so?“

„Du warst nicht für mich da, als ich dich gebraucht habe, also warum sollte ich dich gerade jetzt wieder in meinem Leben akzeptieren?“

„Ich bin dein Bruder!“

„Aber du hast dich nicht so verhalten.“

„Ich bin gegangen, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe. Davor habe ich dich doch gut versorgt.“

„Du wolltest wiederkommen und mich holen! Stattdessen habe ich im Heim meine Zeit abgesessen und bin nun hier!“

„So schlecht ist es hier nun auch nicht. Jedenfalls nicht für dich.“

„Was weißt du denn schon?“ Nachdenklich blicke ich auf meine Hände. Der provisorische Verband ist nun blutgetränkt.

„Was ist mit deinen Händen? Wer war das?“ Schweigend und immer noch nachdenkend blicke ich meinen Bruder an. Macht er sich etwa Sorgen?

„Das kann man sich ja nicht anhören! Gold war das! Wer denn sonst?“ Mark erscheint hinter Jack. Ich funkele ihn böse an.

„Na da hast du ja den besten Zellenkumpel erwischt, Brüderchen!“

„Tja… jeder hier weiß doch, dass Gold dich nicht mehr ab kann, seit du ihn nicht rangelassen hast.“

„Was interessiert es dich?“

„Nun ja, das kann dein Brüderleinchen doch erfahren.“

„Er ist allein mein Problem.“

„Dein Problem ist auch mein Problem!“, mischt Jack sich nun auch ein, „Dafür sind Geschwister nun einmal da!“ Tränen treten in meine Augen und ich schreie ihn nun fast an:

„Und wo warst du, als Mum sich vor meinen Augen erhängt hat und sagte, dass ich allein die Schuld an allem tragen würde? Wo warst du, mein geliebter Bruder?“ Ich spüre die kalten Wassertropfen meine Wangen hinunterlaufen und Jack sieht mich nur geschockt an. Durch meinen Aufschrei ist es im ganzen Zellenblock ungewöhnlich still geworden. Obwohl ich noch immer nicht fertig bin, schnappe ich mir den Putzeimer und den Besen und renne zurück in mein Zimmer. Jack schreit mir hinterher, doch ich ignoriere es einfach. Im meinem kleinen Raum schmeiße ich die Putzutensilien ungeachtet in eine Ecke, schmeiße mich auf mein Bett und schalte meinen iPod, den mir Anni zu meinem letzten Geburtstag geschenkt hat, so laut es geht. Um meinen Tränenfluss zu stoppen, schließe ich die Augen. Gerade war doch mein Leben noch so normal und einfach verlaufen, warum muss ausgerechnet jetzt Jack auftauchen? Ich brauche ihn nicht mehr in meinem Leben! Ich brauche keine Familie. Nicht einmal Freunde. Denn die Familie kann einen verletzen und die Freunde einen verraten. Ich bin zu einem Einzelkämpfer geworden und habe mich damit abgefunden. Obwohl ich eine Freundin habe. Eine wirklich gute Freundin, der ich sogar mein Leben anvertrauen würde. Kitty. Früher im Heim habe ich sie immer damit aufgezogen, dass ihr Name der einer Katze war. Viele Jahre waren Kitty und ich unzertrennlich gewesen, doch dann wurde sie von einer sehr netten Familie adoptiert. Das war die härteste Probe unserer Freundschaft gewesen. Die Familie entschied sich zwischen Kitty und mir. Als sie Kitty auswählten, weil sie viel ruhiger war als ich, war ich nicht im Geringsten sauer gewesen. Kitty tat es leid um mich, doch ich redete ihr das gleich aus. Im Grunde war ich sogar froh. Ich denke nicht, dass ich mich in eine fremde Familie hätte eingliedern können. Kitty und ich schrieben uns nach ihrem Auszug aus dem Heim und besuchten uns auch. Eher besuchte ich sie. Aber auch das verebbte mit der Zeit. Schon lange habe ich nichts mehr von meiner einzigen, besten Freundin gehört. Vielleicht wollen ihre neuen Eltern nicht, dass sie etwas mit einer wie mir zu tun hat. Laut atme ich aus und schalte meinen iPod aus. Die Stille umhüllt mich und ich genieße es. Ich genieße es so, dass ich schnell einschlafe.
 

Der nächste Tag beginnt so früh wie immer. Um sechs Uhr morgens stehe ich vor der verschlossenen Tür zur Krankenstation und warte auf Anni. Seufzend setze ich mich auf den leeren Tisch, der wie immer neben der Tür steht. Anni ist nie zu spät. Wirklich nie. Sonst meckert sie mich immer an, weil ich eigentlich immer zu spät da bin. Grinsend sehe ich nun der schnaufenden Anni entgegen, die um die Ecke gestürmt kommt.

„Mein Wecker! Mein Auto! Das Taxi… Stau“, wirft sie mir entgegen.

„Kann doch mal passieren“, erwidere ich und mein Grinsen wird breiter. Eigentlich ist das Annis Spruch und ich wollte ihn schon immer mal sagen. Schnell schließt die Ärztin die Tür auf, zieht ihre Jacke aus und wirft sich ihren Kittel um. Ich reiche ihr die Liste von allen Insassen, die heute hier einen “Termin“ haben. Dann beginne ich, etwas aufzuräumen, stelle einige Verbände und Pflaster griffbereit hin und tausche den Bezug auf der Liege aus. Anni sucht indessen die Akten der ersten Patienten raus. Plötzlich ertönt ein lautes, dumpfes Geräusch, das mich irgendwie an die Schulglocke erinnert, durch die Lautsprecher. Nun werden die Gefangenen aus ihren Zellen gelassen. Um halb sieben Uhr morgens. Jetzt werden sie frühstücken und dann werden sie nach draußen ins Freiluftgehege gesteckt. Einige anderen arbeiten. In diesem Gefängnis läuft nicht alles so sauber ab, wie man es denken würde. Viele von den Gefangenen hier sind durch frühere Verbrechen reich geworden und bestechen die Wärter, die ihnen dann alles Mögliche erlauben, was normalerweise verboten wäre. Zum Beispiel einen geheimen Pokerraum. Durch Zufall habe ich ihn entdeckt, als ich ein paar Medikamente aus der Vorratskammer holen sollte. Doch ich würde niemals Karl, den bestochenen Wärter, verraten. Außerdem bin ich mir sicher, dass auch Gold von mehreren Insassen hier bestochen wird. Ich halte mich daraus, denn ich will keinen Ärger provozieren. Anni lässt sich in ihren Stuhl fallen und sieht mich an.

„Unser erster Patient kommt erst um sieben. Also können wir uns noch ein bisschen unterhalten. Erzähl mir doch ein bisschen von dir“, meint sie und sieht mich erwartend an. Das macht Anni am liebsten. Sie ist ja so neugierig. Doch ich habe nicht vor, ihr auch nur zu viel von mir zu erzählen.

„Das haben wir doch schon so oft durchgekaut, Anni. Ich bin in einem Heim aufgewachsen…“

„Und was ist mit deinen Eltern?“

„Was ist denn mit deinen Eltern?“

„Meine Eltern wohnen immer noch in diesem schönen alten Landhaus. Weißt du, es liegt direkt am See und es ist einfach wunderschön dort. Als ich 5 Jahre alt war, bin ich fast mal dort ertrunken. Mein erster Freund, er hieß Neil, was für ein netter Junge, jedenfalls bis er mich mit Michaela betrogen hat. Weißt du, ich konnte Michaela nie leiden, aber er hat gesagt, da lief nichts. Er hat gesagt, sie wäre bloße eine arrogante Zicke. Aber dann hat Rebecca, meine beste Freundin, damals, mir gesagt, er hätte mich schon 3 Monate lang mit ihr betrogen. Dann war es aus. Was wollte ich eben erzählen? Ach ja, unser Haus. Der See. Mitten im See war eine Insel. Man, war die schön. Jedenfalls ist Neil, dieser Schuft, denn er hat mich ja betrogen. Neil ist immer dort mit mir hingefahren…“, sprudelt Anni los. Anni von einem Thema abzubringen ist einfach. Man fragt sie einfach etwas über sie selbst und schon fängt sie an, doch sie hört nicht mehr auf. Ich lächele sie bloß an, höre ihr aber nicht zu. Plötzlich klopft es. Joe und Karl stützen den humpelnden Mark. In seinem rechten Fuß steckt ein Messer, das anscheinend aus einer Glasscherbe geformt ist.

„Legt ihn dorthin!“, befiehlt Anni ihnen. Als sie ihn abgelegt haben, verlassen die Wärter den Raum.

„Das sieht schlimm aus. Ich muss wohl neuen Verband holen“, meint die Ärztin.

„Ich habe doch eben dort neuen hingestellt“, erkläre ich und deute auf den kleinen Tisch, doch dort sind nur noch die Pflaster, „Ich hätte schwören können…“ Anni zuckt mit den Schultern und zieht schnell das Messer aus Marks Fuß. Dieser schreit seinen Schmerz raus.

„Stell dich nicht so an“, murmelt die Ärztin, während sie ein Tuch um den Fuß bindet, um den Blutfluss zu stoppen. Dann ist sie auch schon verschwunden. Ich verstehe nicht, warum sie die Verbände holt, weil das sonst meine Aufgabe ist, doch es ist mir eigentlich egal, da ich wenigstens nicht laufen muss.

„Was ist denn passiert?“, frage ich Mark interessiert. Dieser mustert mich erst. Es scheint, als ob er mit sich selbst ringt, da er nicht weiß, ob er mir antworten soll oder nicht. Schließlich setzt er wieder sein fieses Grinsen auf:

„Es muss doch da tatsächlich ein Messer in meinem Fuß gelandet sein, als im Speiseraum alle einen Aufstand geprobt haben. Die Wärter haben gar nicht lange gefackelt und Rauchbomben geworfen.“

„Wem gehört das Messer, dass in deinem Fuß gesteckt hat?“

„Ich würde mal sagen… deinem lieben Brüderchen!“

„Jack?“

„Hast du noch eins, von dem niemand etwas weiß?“

„Wieso hat er das getan?“

„Vielleicht ist er einfach nur brutal, schlecht und böse?“

„Das glaub ich nicht! Du hast ihn bestimmt gereizt!“

„Ach, und dann darf er mir also ein Messer in den Fuß rammen?!“

„Nein… natürlich nicht“, murmele ich. Überlegen wird Marks Grinsen noch breiter. Nun betritt Anni wieder das Zimmer. Sie blickt mich erschrocken an und erst jetzt merke ich, dass Tränen aus meinen Augen laufen. Schnell und ohne ein Wort verlasse ich das Krankenzimmer und laufe in den Sektor A. Langsam schleiche ich vor Jacks Zelle. Wegen dem Aufstand im Speiseraum wurden alle Insassen wieder in ihre Zellen gesperrt, aber ich denke, dass sie bald wieder ins Freiluftgehege dürfen. Und wenn es nur so ist, weil jemand wieder Gold bestochen hat. Mein Bruder erhebt sich sofort von seinem Bett und stellt sich an die Tür.

„Ich weiß, warum du hier bist.“

„Seit wann bist du so …?“

„Wie?“

„So… herzlos?“

„Und wenn es aus dem Affekt heraus passiert ist?“

„Ich kenne dich! Bei dir geschah noch nie etwas einfach nur so aus dem Affekt. Du hattest immer einen Plan. Also, was hast du vor?“

„Und wenn ich mich verändert habe in den letzten fünf Jahren?“

„Das glaube ich nicht…“

„Was ist, wenn ich mich bloß vertreidigt habe, weil mein lieber Zellengenosse mich töten wollte?“

„Was hätte Mark davon, dich zu töten?“

„Vielleicht wollte er dich bloß ärgern?“

„Vielleicht würde Mark dich quälen, aber nicht töten, denn dann hätte er nichts mehr, um mich zu ärgern.“

„Dann hätte ich ihn töten sollen?“ Auf diese Frage gebe ich keine Antwort und drehe mich um. Blitzschnell schnellt Jacks Hand aus dem Gitter, fasst mich hart am Ellbogen und zieht mich zu sich hin.

„Was würdest du sagen, wenn ich dich fragen würde, ob du mir hilfst, auszubrechen?“

„Dann würde ich sagen, dass du aufpassen musst, denn ich bin verpflichtet alles zu melden, was du mir diesbezüglich sagst.“

„Wem denn? Den geldgierigen Angestellten, dem sardistischen Direktor oder den verurteilten Insassen?“

„Lass mich in Ruhe! Du bist mir fremd geworden, Jack. Du bist nicht mehr der Bruder, den ich mal so verehrt, geliebt und respektiert habe.“

„Ich habe mich weiterentwickelt und ich rate dir, das auch zu tun.“

„Soll ich auch ins Gefängnis kommen? Wünscht du dir das für mich, Brüderchen?“ Ich versuche mich loszureißen und gehe einen Schritt nach vorne, doch wieder zieht mich Jack unsanft zu sich zurück. Mit voller Wucht knalle ich an das Gitter. Ängstlich schaue ich mich nach einem Wärter um und entdecke Karl, doch bevor ich nach ihm rufen kann, hält mir mein Bruder den Mund zu und flüstert mir ins Ohr:

„Nun hör mir mal zu, Kleine, du kennst doch sicher noch Ray, oder? Nicke einfach!“ Ich nicke vorsichtig. Ray und Jack waren früher unzertrennlich. Beste Freunde für immer. Ray war ein Waisenkind gewesen, das aus dem Heim geflohen war. Mein Bruder versteckte ihn immer im Schuppen, damit unsere Eltern ihn nicht sahen und meist klaute Ray sich sein Essen mit uns zusammen. Er haute damals gemeinsam mit Jack ab. Nach einer kurzen Pause redet Jack weiter:

„Du wirst jetzt in dein Zimmer gehen und warten. Er wird dich heute noch anrufen und dir etwas mitteilen. Tust du etwas anderes oder erzählst jemand etwas, wird etwas sehr, sehr schreckliches geschehen und daran wirst du dir für immer die Schuld geben, also hör auf mich. Du weißt genau, angelogen habe ich dich noch nie!“ Nun lässt Jack mich los. Traurig blicke ich ihn an und murmele:

„Bist du dir da sicher?“ Dann gehe ich, ohne ein Wort zu verlieren. Endlich entdeckt auch Karl mich, doch er schreit mich nur an:

„Was tust du denn da oben? Gold hat dir verboten dort oben zu sein! Sehe ich dich noch einmal da oben, melde ich es.“ Normalerweise hätte ich eine schnippische Antwort gegeben und ich merke auch, dass Karl darauf wartet, doch ich nicke nur und gehe an ihm vorbei. Der Wärter legt seine Hand auf meine Schulter.

„Ist irgendetwas passiert?“ In seiner Stimme schwingt Besorgnis mit. Ich sehe ihn an und lächele.

„Nein, es ist…“, vorsichtig schaue ich zu Jacks Zelle. Dieser beobachtet mich mit einem hämischen Grinsen auf dem Gesicht. So hämisch, dass es mich an Mark erinnert. Meinen Blick wende ich ab.

„….nichts…“ Langsam gehe ich zurück in mein Zimmer, schließe die Tür und nehme mein Handy in die Hand. Es ist uralt. Es hat Anni gehört und als sie sich ein neues gekauft hat, hat sie mir ihr altes geschenkt. Anni und Joe sind die Menschen, zu denen ich nach langer Zeit mal wieder eine wirkliche Beziehung aufgebaut habe. Die Ärztin ist so etwas wie eine Mutter für mich geworden, die ich nie hatte. Vorsichtig wende ich meinen Blick auf das Display, doch dort steht nichts. Kein verpasster Anruf. Das heißt, dass Ray noch nicht angerufen hat. Erst jetzt bemerke ich, dass ich zittere. Was soll das alles? Was will Ray von mir? Und vor allem: Was hat Jack nur vor? Diese Attacke auf Mark mit diesem komischen Messer… er war doch nie brutal, sollte er sich so geändert haben? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Und das will ich mir auch nicht vorstellen! Ich atme tief aus, lege das Handy auf den Boden neben meinem Bett und lege mich ausgestreckt hin. Langsam schließe ich die Augen. Doch dann schrecke ich hoch, nehme das Handy in die Hand und merke erst dann, dass es nicht die Vibration des Handys war, die ich gehört habe. Wahrscheinlich habe ich gar nichts gehört. Bin ich denn so aufgeregt? Was soll denn so schrecklich sein? Was soll das ganze überhaupt? So viele Fragen schwirren in meinem Kopf. Warum war Jack eben so kühl mir gegenüber? Ich habe echt Angst vor ihm bekommen. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich Angst vor Jack. Besonders nach seiner Aussage, dass etwas sehr, sehr Schlimmes geschehen soll. Zu meinem Zittern kommt nun auch noch schnelles Atmen. Was rege ich mich eigentlich so auf? Es ist nur ein Anruf… aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass sich durch diesen Anruf alles verändern wird!

Ich sitze noch gegen Abend auf meinem Bett, bis mein Handy endlich vibriert. Anrufer unbekannt.



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