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Tick Tack

von

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Erinnern tut weh

„Kommst du? Wir müssen jetzt gehen“, fragte das Mädchen leise.

Er schüttelte leicht den Kopf: „Warte noch...bitte.“

Der Raum war leer. Bis auf die blauen langen Vorhänge war nichts mehr in diesem Raum außer einer nackten Glühbirne die von der Decke baumelte.

Dann sah er zur gegenüberliegenden Wand.

Sah das Loch in der Wand.

Der Raum hatte keine Geschichte mehr. Sie war ausgelöscht worden, bis auf das Loch.

„Komm jetzt.“, meinte das Mädchen und legte ihm sanft die Hand auf die Schulter.

„Fass mich nicht an!“, donnerte er und ging einen Schritt nach vorne.

Der Junge stand jetzt am Fenster; sah hinaus.

Der Himmel war grau, es würde bald regnen.

„Du vermisst ihn, oder?“, fragte sie leise.

Er lachte. „Nein...Warum sollte ich ihn auch vermissen? War ja nur mein Freund.“, meinte er sarkastisch. „Natürlich vermisse ich ihn, mein Gott! Er ist tot verdammt! Und er kommt nicht mehr wieder. Wir haben ihn beerdigt vor sechs Monaten. Er ist tot und ich kann nichts mehr tun. Ich kann ihn nicht beschützen und ich kann ihn nicht zurückholen. Es ist vorbei, es ist rum, er ist einfach nicht mehr da!“, schrie er. Schmerz war in seiner Stimme zu hören.

Er war wütend. Verdammt wütend.

Er war Schuld das Jonathan tot war.

Keine Träne hatte er mehr vergossen, hatte alles sauber verdrängt, hatte gelernt damit zu leben. Und jetzt kam es wieder hoch.

Warum waren sie auch bloß wieder hierher zurückgekehrt? Das Haus wurde heute neu bezogen, die Besitzer würden das Loch in der Wand wohl zuspachteln.

Er erinnerte sich wieder ganz genau, sah die Männer in orange, die ihn von seinem Freund weggezehrt hatten. Er erinnerte sich an die stundenlangen Sitzungen mit dem Psychologen, die er über sich ergehen lassen hatte.

Sie hatten nichts gebracht. Er hatte Schlafmittel bekommen, damit die Träume nicht wiederkehren. Immer wieder hatte er seinen Freund im Bett voller Blut entdeckt, immer wieder hatte er nichts machen können. Er war so verdammt hilflos.

Das Blut hatten sie aus dem Teppich herausbekommen, man sah keinen Fleck mehr. Der Teppich war rot gewesen, jetzt war er wieder weiß.

Nur das Loch in der Wand erinnerte noch daran, dass hier irgendwas passiert war.

Er war Schuld das Jonathan tot war.

Wieder hörte er das eintönige Ticken des Weckers. Es war in seinem Kopf. Eingebrannt wie eine tiefe Narbe.

Er war Schuld das Jonathan tot war.

Das Ticken hatte ihm das Liebste in seinem Leben geklaut. Und jetzt war es so als wäre nichts passiert. Seine Eltern zogen aus der Stadt, suchten neue Käufer für das Haus. Sie waren nie zurück gekehrt zum Grab ihres Sohnes.

Er war jeden Tag dort. Erzählte ihm was passiert war. Er wusste, dass er ihn nicht hören konnte, das es nichts brachte jeden Tag auf der kalten Bank zu sitzen und mit einem leblosen Stück Marmor zu reden.

„Er kommt nicht mehr zurück.“, flüsterte er leise.

„Ja...Er kommt nicht mehr zurück. Aber er hätte bestimmt nicht gewollt, dass du dich so fertig machst!“, meinte das Mädchen und ging auf ihn zu.

„Hör mir doch auf mit deinem elenden ‚er hätte es nicht gewollt’. Einen Scheißdreck weißt du was er gewollt hätte und was er nicht gewollt hätte. Er ist tot verdammt und wir haben nun mal keine Ahnung was er wollte. Wir haben ja auch alle gedacht, es geht ihm gut. Oder hast du etwa erwartet ihn eines morgens tot in seinem Bett zu finden? Der Dreckskerl hat ja noch nicht einmal einen Abschiedsbrief geschrieben.“, das er brüllte merkte er nicht. Er merkte auch nicht, dass er weinte, bis ihm eine Träne auf den Handrücken tropfte.

„Scheiße...“, fluchte er.

Er war an dem Abend einfach gegangen. Er hatte ihn allein gelassen. Er hatte gedacht es wäre alles in Ordnung.

Er hörte wie sich die Schlüssel in der Tür herumdrehten.

„Wir müssen jetzt gehen.“, meinte das Mädchen wieder.

„Ja...ja wir müssen gehen“, sagte auch er.

Der Junge drehte sich nicht noch einmal um.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  koennte-sein
2010-05-21T18:37:50+00:00 21.05.2010 20:37
Es kann vielleicht sein, das ich einfach nur ein emotionaler Mensch bin,
auf jeden Fall hast du mich zum weinen gebracht.
Als ich nur den Titel und die Gebiete gesehen habe, war mir nicht klar das du damit das ticken einer Uhr meinst (Da du in deiner Geschihte auch Sucht/Drogen als Thema angabst.), nachdem ich angefangen habe zu lesen, wurde es natürlich klar.
Mir gefällt das du einige Sachen offenlässt. Mehr oder minder.
Zum Beispiel sein Verhältnis zu dem Mädchen.
Die Handlung und deine Art zu schreiben, passten zusammen. Und generell.
Mir gefällt die Geschichte wirklich.
Liebe Grüße
Von: abgemeldet
2009-08-14T16:18:04+00:00 14.08.2009 18:18
Ich find die FF toll. Man kann sich gut in deinen Protagonisten hineinversetzten. Jedenfalls kann ich es^^ Auch wenn ich bei den Namen etwas durcheinander gekommen bin.
Du hast eine super Ausdrucksform. Die Poesie, die sich durch deine Geschichte zieht ist passend.
Das Ticken des Weckers ist leicht beängstigend. Wenn man in der Geschichte drin ist, wirkt das Ticken sogar richtig bedrohlich, nicht nur, weil es so hervorsticht, sondern auch, weil man ihn so gut verstehen kann, dass das Ticken etwas ist, dass ihn sein Leben lang begleiten wird.
Sehr gut geschrieben.

LG LaLoona
Von:  Ditsch
2009-05-08T17:28:07+00:00 08.05.2009 19:28
Mh, ich muss Fever zustimmen, ein paar Sachen blieben hier unklar^^ Auf die Idee mit dem Wecker und dem Loch in der Wand bin ich gar nicht gekommen, ich hatte mir irgendein riesiges Loch vorgestellt >.<
An ein oder zwei Stellen waren Rechtschreibfehler drin, z.B. "Er war Schuld das Jonathan tot war". "dass" natürlich mit Doppel-s^^

Stilistisch nicht schlecht, auch wenn mir persönlich manche Teile einfach zu kurz waren. Ein paar mehr Infos würden nicht schaden^^

Ditsch
Von:  Maza_e_Keqe
2009-01-03T10:52:56+00:00 03.01.2009 11:52
Mir gefällt deine Geschichte sehr gut. Obwohl sie so kurz ist, geht sie direkt unter die Haut. Der Text hat für mich etwas Poetisches, ein sanfter Sprachrhythmus, der von den Gefühlsausbrüchen unterbrochen wird.
Dabei stört mich nur dieser Satz: "Das Ticken hatte ihm das Liebste in seinem Leben geklaut." genauer gesagt das "geklaut", weil es so umgangssprachlich ist. "gestohlen", "genommen" oder "geraubt" oder ähnliches passen meiner Meinung nach sprachlich besser zu dem Schreibstil.
Gehe ich recht in der Annahme, dass das Mädchen Jos Schwester ist? Das wird für mich nicht deutlich; ist aber wichtig, weil sie sowohl Scott als auch seinen Freund kennen musste. Vielleicht kannst du noch eine Nebenbemerkung einbringen, in der das Verhältnis des Jungen zu dem Mädchen deutlich wird.
Und das Loch in der Wand stammt von dem Wecker, den Scott zerstört hat? Auch darauf könntest du, möglicherweise schon im ersten Kapitel, hinweisen.
Auf jeden Fall ist die Geschichte wirklich schön, weil sie die unterschiedlichen Arten der Trauerbewältigung zeigt.

~like you~
Von: abgemeldet
2008-12-08T20:28:57+00:00 08.12.2008 21:28
Wow. Ich habe nicht gewusst das du noch mehr geschrieben hast. Das ist wirklich sehr gut. Mir fehlen die Richtigen Worte dafür.
Das Ticken in seinem Kopf ist wirklich passend und plausibel erklärt und erweckte wieder das Gefühl zum ersten Kapitel.
Sehr gut umgesetzt. Handwerklich für mich einwandfrei.
Der Rythmus ist von der ersten bis zur letzten Zeile gleichbleibend. Es ist bildlich und gefühlvoll.
Mach weiter so.


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