Scheppern.
Die Tür geht auf und ich trete hinaus auf den Flur, mein wutverzogener Gesichtsausdruck will nicht weichen. Ich hebe die Hand und greife mir an die Haare, aus denen die rote Flüssigkeit tropft, die dort eigentlich nicht hingehört.
„Das wirst du noch büßen, Bastard…“
Ein leises Grummeln, mehr gebe ich nicht von mir.
Das Geräusch meiner leicht hektischen Schritte hallt durch den großen Flur, ein Echo. Wie in eigentlich jedem großen Gebäude.
Aber ich habe im Moment besseres zutun, als mich mit der Beschaffenheit dieses Gebäudes zu beschäftigen. Zum Beispiel meine Haare waschen.
So laufe ich also diesen Gang entlang…
„Squalo!“
Ich bleibe stehen.
Normalerweise hätte ich jetzt los geschrieen, man solle mich in Ruhe lassen und wäre schnurstracks weitergegangen, doch ich bleibe stehen.
Wegen dieser Stimme, wegen meinem Brustkorb, der sich schneller hebt und senkt, wegen diesem mulmigen Gefühl im Bauch, wegen ihm.
Ich hole tief Luft und versuche mich zusammenzureißen, so zu sein wie immer und drehe mich um.
„Bel… was willst du denn?!“
Genervt. So wollte ich klingen, doch… man kann die Unruhe und Freude dennoch hinaushören. Bei ihm gelingt es mir nicht.
Ich schaue ihn an, wie er vor mir steht, mich anschaut, den Kopf leicht schief gelegt, die Beine dicht beieinander und den, in meinen Augen, kleinen Quälgeist Mammon in den Armen haltend.
Der Anblick dieses Prinzen verzückt mich immer wieder. Wie er so unschuldig dasteht… Nein, er ist keineswegs unschuldig. Gelegentlich kann er einen auch in den Wahnsinn treiben, ist frech und sieht oft den Ernst der Lage nicht.
„Dem Prinzen ist langweilig… Unterhalte mich.“
Er ist ein verwöhnter, nerviger Prinz, der auf nichts und niemanden hört und macht, was er will.
Und doch… würde ich ihn liebend gern als MEINEN Prinzen bezeichnen.
Was finde ich eigentlich an diesem Bengel?
„… Ich bin nicht dein Hofnarr, Belphegor.“, knurre ich.
Ich weiß es nicht.
„Squalo…“, murrt er mir nur entgegen.
Der Prinz bekommt, was er will. IMMER.
Bildet er sich ein… Und bekommt es dann meistens auch.
Ein Seufzen entweicht meinem Mund und ich schaue ihn an. Ob er mich anschaut, kann ich nicht sagen, sind doch seine Augen stets vom Pony verdeckt. Nicht einmal hat er sie gezeigt, keiner von uns weiß, welche Farbe sie haben… Ich würde alles dafür tun.
„Soll Mammon dich doch unterhalten.“
Unterhalten. Dieses kleine… Etwas in seinen Armen, wo ich heut’ noch zu zweifeln habe, ob es nun männlich oder weiblich ist. Doch eins weiß ich: Ich würde gern mit ihm tauschen. In Bels Armen… Eindeutig ein Traum.
„Aber er ist langweilig…“
Unterhalten. Meine Unterhaltung würde wohl etwas anders aussehen.
Oh Bel, ich würde dich zu mir ziehen, dich küssen, dir süße Worte ins Ohr hauchen, dich ausziehen, dich lieben…
„Dann unterhalt’ dich doch selbst…“, zische ich.
Und drehe mich wieder um, es fällt schwer.
„Ich hab mich geirrt, Squalo, nicht er ist langweilig, DU bist langweilig…“, schmollt der Prinz und wendet sich ab.
Prinzen bekommen alles – Diesmal nicht.
Genauso wenig, wie ich ihn je bekommen werde.
…
„Squalo?“
Ich werde aus meinem Tagtraum gerissen.
Diese Stimme, dieser Duft… direkt hier. Bel.
„Tut mir Leid… Ich war in Gedanken…“
Langsam hebe ich die Hand und streiche ihm durch die Haare. Ich sitze am Boden, lehne an einem Baum, sein Kopf auf meinem Schoß. Er schaut mich aus seinen roten Augen an, leicht verwirrt. Neben uns nur das Rauschen des Flusses… Und die Sonne, wie sie langsam hinter dem Horizont verschwindet.
„Bel… Ich liebe dich.“
Leicht verträumt starre ich in den Himmel. Manchmal ist es doch schön… sich an vergangene Momente zu erinnern. Und zu sehen, dass das, was damals so hoffnunglos erschien, doch Realität geworden ist.
„Ich dich auch, Squalo… Ich dich auch…“
