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Living In A Toy Box

von

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Das Phantom

Es sollte der Abend werden, an dem Jazmin das erste mal in ihrem Leben etwas tat, was für normale Menschen fast zum Alltag gehörte, doch für sie so ungewöhnlich war, wie für die Menschen große Häuser in die Luft jagen. Bruce hatte sie ins Theater eingeladen mit den Worten »Dass du auch mal in den Genuss der Kultur kommst« . Jazmin hatte nichts dagegen. Schaden kann's ja nicht.

Sie hatte eines der schwarzen Kleider an. Es ähnelte dem, dass sie trug, als sie hier her kam, doch war vom Schnitt her total anders. Es erinnerte an das gelbe Sommerkleid, nur dass das „kleine Schwarze“ ihr gerade bis zu den Knien reichte und wie ein BabyDoll geschnitten war. Eine große schwarze Schleife war an dem Rücken befestigt und hielt die wacklig gebundene Konstruktion mit Mühen zusammen. Skeptisch musterte Jazmin sich im Spiegel. Sie sah viel erwachsener aus und kam ihrem wahren Alter optisch gefährlich nahe. Das Püppchen war tatsächlich ein für alle Male gestorben und vor ihr stand ein neuer Mensch, der zwar nicht unbedingt in grenzenloser Schönheit erstrahlte, aber immerhin nicht schlecht anzusehen war. Ihr blondes Haar trug sie offen, es fiel in lockeren Korkenzieherlocken über ihre dünnen Schultern. Geschminkt war sie so gut wie gar nicht, denn spätestens als sie sich den Eyeliner zum dritten Mal in ihr Auge gerammt hatte, gab sie den Versuch, sich „hübsch“ zu machen endgültig auf.
 

„Bist du fertig?“, fragte eine zaghafte Stimme hinter ihr. Sie drehte sich um, dabei wehte ihr Kleid in großen Schwüngen um ihren Körper. Jazmin wusste zwar nicht, was fertig genau bedeuten solle, aber sie nickte zuversichtlich und sagte kaum hörbar „Ja“

Doch als sie der misstrauische Blick von Bruce traf, der grübelnd die Hand an das Kinn legte, sich dann umdrehte und verschwand, wurde sie nervös. Schnell überlegte sie, ob sie ihr Kleid nicht falsch herum an hatte oder kein Höschen trug. Nach einigen Minuten kam Bruce zurück und sagte:

"Da fehlt noch was“ Er nahm ihr Handgelenk und schmückte es mit einem schlichten, dünnen Silberarmband. Es fiel kaum auf Jazmins blasser Haut auf, doch im richtigen Licht glänzte es um sein Leben. Jazmin hob ihr Handgelenk nah vor ihr Gesicht, um sich das Schmuckstück genau anzusehen. „Danke“

Doch anstatt etwas zu sagen, lächelte Bruce nur und wendete sich zum gehen. Das Armbändchen war Nichts, im Gegensatz zu dem Schmuck, den Frauen in der „Upper Class“ so trugen, doch irgendwie gab es Jazmin das unscheinbare Gefühl, ein Mensch zu sein.
 

Sie fuhren gemeinsam mit der dezenten Limosine zum kleinen Theater, das eigentlich gar nicht so klein war. Es war ein großes Gebäude, gebaut im klassischem Barock Stil und ähnelte irgendwie dem Wayne Manor. In großen Leuchtbuchstaben stand der Name des Theaters „Le Plaisir“ an die Hauswand geschrieben und darunter tummelten sich hunderte von Leuten, die mit dem blendendem Blitzlicht der Kameras dem hell erleuchteten Gebäude den Glanz stahlen.

Wieder diese elenden Paparazzis. Jazmin begann innerlich schon zu fluchen, noch bevor die Kameras ein Bild schießen konnten. Zögerlich stiegen beide aus der schwarzen Limosine und liefen über den Teppich, der zum Eingang führte. Von beiden Seiten drangen Rufe hervor.

Ein „Mr. Wayne!“ von hier, ein „Wer ist Ihre Begleitung heute Abend?“ von da.

Bruce ging mit dem Getummel um, als kenne er seiner Lebzeit nichts anderes. Freundlich Lächelnd und nickend schritt er durch die kurze Gasse.

Jazmin hielt sich dicht an ihm, doch bemühte sich, ihn nicht zu berühren.

Fast hatten sie es geschafft, fast waren sie an der großen Glastür. Doch kurz bevor der entspannende Teil des Abend beginnen konnte, beugte sich eine Reporterin weit über die Abgrenzung hinüber zu Bruce, „Mr. Wayne, dürfen wir erfahren, wer sich heute mit Ihnen das Stück anschaut?“

Bruce lächelte weiter nett und sagte so belanglos wie möglich: „Eine nette Freundin“ und ging weiter.
 

Der Theatersaal erinnerte an eine dieser imposanten Operngebäude aus dem 18. Jahrhundert. Gold schmückte das Parkett und die Logen. Schwere, rote Vorhänge verdeckten die große Bühne und schummrige Lichter erleuchteten spärlich den knapp 20 Meter hohen Raum. Bruce und Jazmin saßen in der zweiten Etage und hatten eine ganze Loge für sich. Jazmin verbrachte nach dem Hinsetzen Minuten damit, sich aufmerksam umszuschauen, die aufwendigen Verzierungen auf dem Golden bemalten Holzbrüstungen zu studieren und den Geruch der Illusion einzuatmen, den das Theater ausstrahlte. Doch worauf sie sich eigentlich so intensiv vorbereitete, wusste sie gar nicht.

Sie lehne sich zu Bruce hinüber und fragte so leise sie konnte, was sie überhaupt sehen würden.

„Oh, hab ich dir das nicht erzählt? Wir schauen uns »Das Phantom der Oper« an“

Jazmin traute ihren Ohren kaum, denn das »Phantom der Oper« folgte auf ihrer Rangliste des guten Geschmacks gleich nach »Alice im Wunderland«.

Interessiert fragte sie weiter, „Du gehst bestimmt oft ins Theater, oder?“-

„Nein, nicht wirklich“, antwortete Bruce und grinste verlegen, „Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung, um was es hier überhaupt geht“ Teilweise stimmte das, teilweise wollte er Jazmin nur locken, ihm etwas zu erzählen, da sie sich scheinbar sehr für Theater zu interessieren schien.

In Jazmins Kopf läuteten die Alarmglocken und sofort sagte sie in gespielt schockiertem Ton: „Was? Dann bist wohl du eher der jenige, der mal in den » Genuss der Kultur« kommen muss“, sagte sie mit einem kecken Lächeln auf ihren Lippen, dass für ihre schüchterne Art eher ungewöhnlich war.

„Dann erzähl mir doch bitte, was ich mir heute Abend antue“, sagte Bruce.

Das musste er Jazmin nicht zweimal sagen, die sofort auftaute und ihre zurückhaltende Art über den Haufen warf.

„Also, es geht um Christine Daaé, die in einer französischen Oper im Ballett tanzte, aber durch ihre außergewöhnliche Stimme, die von den neuen Besitzern der Oper entdeckt wurde, zur Primadonna wird. Alle fragen sich, wie das Mädchen so eine ungewöhnlich schöne Stimme entwickeln konnte, bis sie heraus finden, dass sie Unterricht in Gesang vom berüchtigten Phantom der Oper, der sich für den eigentlichen Eigentümer der Oper hält, bekommt. Christine verliebt sich ihren »Engel der Musik«. Doch als ihr Freund aus Kindertagen, Raoul, wieder auftaucht, gewinnt er ihr Herz. Das Phantom wird eifersüchtig und lockt Raoul in eine Falle. Christine muss sich nun zwischen beiden entscheiden“
 

Jazmin lehnte sich wieder erleichtert zurück in ihren Stuhl und wartete zufrieden auf Bruce' Reaktion. Dieser schaute noch genauso gespannt, wie am Anfang.

„Und wie entscheidet sie sich?“-

„Tja“, sagte sie geheimnisvoll, „Sieh's dir an“
 

Und als läge es in den Händen einer übernatürlichen Macht, wurde das Licht dunkler und die Vorhänge öffneten sich.

Das Stück begann mit der eindrucksvollen Ouvertüre, deren schwere Orgelmusik durch die dicken Mauern des opernähnlichen Baus hallte. Die Musik hatte etwas geheimnisvolles, als wäre es das Mittel, dass die Zuschauer in den Bann der ungewöhnlichen Geschichte locke und die Menschen dazu auffordere, sich vollkommen in diese andere Welt fallenzulassen.

Das Orchester, welches im tief gelegenen Orchestergraben spielte, fiedelte um sein Leben.

Die Bühne war leer, bis ein Mädchen die Leere füllte. Sprungartig schlug die Musik von laut und tosend auf langsam und ruhig um. Nun sollte eines von Jazmins Lieblingsliedern kommen. In zarten Tönen begannen die ersten Zeilen.
 

Denk an mich

Denk an mich zärtlich

Wie an einen Traum
 

Jazmin tat genau das, was die Musik von ihr verlangte. Sie schaltete ihr Denken aus und lies sich nur noch von den leichten Tönen und der schönen Stimme tragen.

Bruce allerdings brauchte etwas Zeit, um überhaupt zu verstehen, wo sich der Stand der Dinge im Augenblick befand. Anfänglich langweilte ihn das Stück. Liebesgeschichten waren nur etwas für Menschen mit kindischen Träumen und unerfüllbaren Sehnsüchten. Doch als das Phantom der Oper seinen ersten Auftritt hatte, wurde er nachdenklich. Er beobachtete diese Schattengestalt genau. Er konnte nicht verstehen, warum das Phantom so an jemandem festhielt, der nicht ihm gehörte. Was musste mit ihm geschehen sein, damit er so grausam, so unbarmherzig wurde. Die arme Christine, musste sich den Launen und dem Willen seines „Schöpfers“ beugen, wie er es wollte.
 

Die anfängliche Langeweile wandelte sich tatsächlich in eine Art Neugier um. Doch nicht die Neugier, die ein Zuschauer aufbaute, der nur unterhalten werden wollte. Bruce interpretierte in die Geschichte seine eigene hinein. Irgendwie ähnelte seine derzeitige Situation der des Stücks. Umso mehr interessierte ihn das Ende. Und plötzlich schien ihm die Lösung all seiner Probleme so einfach. Wenn es doch eine Patentlösung für diese Farce gab. Wenn er sich nicht mit Gedult

und Zeit beweisen müsste, sondern mit Scharfsinn. Er würde zu gern sehen wollen, was Christine tut.

Christine, die Frau, die zwischen zwei Seiten steht. Auf der einen Raoul, der Mann, der ihr Sicherheit und ein erfülltes Leben schenken kann. Auf der anderen das Phantom, welches schon ein Leben lang allein kämpfte, gegen alles und jeden. Welches seine Ziele mit solch einem Starrsinn verfolgte und nicht scheute, über Leichen zu gehen, nur um Rache an der grausamen Welt zu üben, die ihm zu dem machte, was er nun war.
 

Nach knappen zwei Stunden fanden sich Christine und das Phantom in seiner geheimen Höhle wieder, wartend auf Raoul, der Christine aus den Klauen dieses Monsters befreien wollte. Als Raoul auftrat, stürzte sich das Phantom auf ihn und band ihm die Schlinge um den Hals. Inbrünstig fragte es nun Christine, für wen sie sich entscheide und stellte sie vor folgende Alternativen:

Entweder Christine entscheide sich für ihn, das Phantom, und Raoul dürfte weiter leben. Oder sie verstoße ihn aus ihrem Herzen und Raoul würde sterben.

An dieser Stelle überlegte Bruce, wie er sich entscheiden hätte, rein hypothetisch. Wie würde er denken, dass es ausgeht?
 

Christine brachte es nicht über ihr Herz, das Phantom zu verletzen und damit den Tod ihres Geliebten verantworten zu müssen. So schwor sie dem Phantom ewige Treue und Raoul durfte fliehen. Doch dem Phantom reichte es, dass Christine sich für ihn hätte entschieden. Er war dankbar dafür, dass diese liebe Seele ihm diesen kurzen Augenblick des Glücks schenkte und ließ beide gehen. Die Vorhänge schlossen sich und wieder ertönte das charakteristische Thema des Phantoms.
 

Das Mädchen würde sich also für das richtige entscheiden, es würde reinen Herzens handeln und letztendlich ihr Leben auf der guten Seite leben. Auf seiner Seite. Das Böse würde zusammenbrechen. Auch wenn das Bruce nicht zu hundert Prozent zufrieden stellte, war es doch ein Lichtblick. Es gab also eine Chance, dass das Gute siegte. Und das Gute würde siegen. Schließlich kämpfte er auf dieser Seite. Schließlich war er verantwortlich für diesen Sieg.
 

Das schummrige Licht ging langsam wieder an und der allgemeine Trubel des Aufstehens riss Jazmin mit, welche sogleich ihre Sachen zusammen suchte und sich zum gehen wandte. Doch Bruce schaltete schnell und legte sanft seine Hand auf die ihrige.

„Warte noch“

Jazmin setzte sich wieder verwundert.

„Oder willst du dich durch das Gedränge kämpfen?“, sagte er mit einem seligen Lächeln auf den Lippen und versuchte sich nichts anmerken zulassen.

Doch Jazmin ließ sich nicht ablenken und merkte, dass seine Hand immer noch auf ihrer ruhte. Genau 10 Sekunden zu lange. Körperliche Kontakte waren ihr ein Dorn im Auge, denn sie ließen

sie erinnern. Und sie wollte sich nicht erinnern.

Sie versuchte sich der Berührung zu entziehen, doch traute sich nicht, stattdessen zuckte sie nur kurz mit den Fingern. Doch es fing an, auf ihrer Haut zu brenne und schließlich ballte sie die Hand zur Faust und tat so, als müsste sie etwas in ihrer Jackentasche suchen. Bruce nahm ihre Reaktion etwas geknickt hin, doch versuchte sie zu tolerieren. Solange er nicht wusste, was der Grund für des Mädchens sonderliche Art war, müsste er sich zurückhalten.

Jazmin tat es Leid, was sie getan hatte und versuchte sie Stimmung kurz vorm kippen zu retten.

„Und wie hat dir das Ende gefallen?“, fragte sie gespielt interessiert mit ihrer leisen Stimme.

„Ich war...überrascht“
 

Und das war er tatsächlich. Jazmin würde

sich für seine Seite entscheiden und die Böse des Jokers hinter sich lassen, dann würde, nein, dann musste alles gut werden.

Jazmin lächelte.

Sie mochte die Geschichte des Phantoms, denn sie hatte soviel Wahrheit, in ihr lag der trübe Blick auf die Welt, den das Phantom hatte. Sie hatte Mitleid mit dem armen Wesen, denn sie wusste nur zu gut wie es war, ausgeschlossen zu werden. Sie hätte sich reinen Herzens für das Phantom entschieden. Was hätte sie bei Raoul gewollt, dieser langweilige Schnösel. Er wusste nicht, was Leid ist, was es bedeutet, Schmerzen zu fühlen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2009-02-17T18:15:22+00:00 17.02.2009 19:15
echt schön das Kappi!!
hast du gerade das Phantom der Oper gesehen, oder warum hast du dieses Stück gewählt?? (ich mags übrigends sehr gerne xD Das Phantom hat was von Two-Face xD)
der letzte satz bringt einen ins grübeln.. ob sie vielleicht zum Joker zurück kehrt? Das "schöselige" scheint sie ja zu langweilen^^


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