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Idee und Charaktere sind von mir, jegliche evtl. auftretende Übereinstimmungen sind unbeabsichtigt!
 

Ich lauschte aufmerksam und stellte ab und zu die ein oder andere Frage, verhielt mich ansonsten aber still.

Ein guter Zuhörer unterbricht den Erzähler nicht und so tat ich es auch nicht, denn ich war ein guter Zuhörer.

Die Menschen um ihn herum hatten sich längst damit abgefunden, dass mit ihm nicht viel anzufangen war, man hielt sich lieber fern von ihm. Aber die Neugierde dieser Menschen wurde immer größer je öfter ich zu ihm kam. Eines Tages wollte ich gerade die Türklinke herunterdrücken, als mich eine Hand an der Schulter berührte.

Ich hielt inne, drehte mich um und sah in ein von vielen Falten geprägtes Gesicht einer alten Frau.

Sie sagte, sie sei seine Mutter und sie würde sich sehr freuen, wenn ich ihrem Sohn Grüße von ihr ausrichten könnte. Als ich versprach dies zu tun, breitete sich auf ihrem Gesicht ein freudiges Lächeln aus, das für einen kurzen Moment etwas von ihrer früheren Schönheit aufblitzen ließ. Ich richtete die Grüße aus, erwähnte aber nicht, dass sie von seiner Mutter stammten. Er schien es zu wissen und so erzählte ich nichts weiter von meiner Begegnung mit ihr. Für einen Moment schien es, als ob ein leichter Glanz in seinen sonst so stumpfen Augen auszumachen war, er verblasste jedoch sofort wieder und ich bin mir nicht sicher, ob ich mich darin nicht getäuscht habe.
 

Jahre, nachdem ich Louca kennen gelernt hatte, wagte ich es, ihn nach seiner Familie zu fragen. Ich erinnere mich noch gut, wie er mich mürrisch und zugleich mit so viel Leid in seinen Augen ansah, dass ich es bereute, ihn danach gefragt zu haben. Er antwortete mir nicht an diesem Tag, auch nicht am nächsten. Wahrscheinlich gingen ihm die vielen, schmerzhaften Erinnerungen durch den Kopf, die er über diese Zeit hatte. Erst eine Woche später sprach er wieder mit mir. Er sprach über seine geschiedenen Eltern, seine kleineren Halbgeschwister (Kinder seines Vaters und dessen neuer Frau) und seinem Leben mit seiner Mutter in der geräumigen Wohnung des Hochhauses.

Natürlich wusste ich von seiner Schwester, auch von deren Tochter und dem Mord an den beiden. Allerdings verlor ich darüber nie ein Wort. Auch wusste ich Bescheid über die Lösung dieser rätselhaften und grausamen Morde.

Ich hatte ihn damals nicht zufällig getroffen, ich wollte den Mann sehen, der sich selbst verstümmelt und in sein Innerstes zurückgezogen hatte.
 

Nach ein paar weiteren Jahren war er soweit, mir von der Ermordung seiner Schwester zu erzählen. Er hatte diese Erinnerung wohl gehütet und so manipuliert, dass er sich damit nicht selbst verletzten konnte, was ihm erfolgreich gelungen war. Er sprach über seine Scham, seine Angst und seine Schuld an diesem Geschehen. Weitere Jahre vergingen und ich spürte, dass sich sein Leben dem Ende zuneigte. Sein Blick war inzwischen wieder etwas lebhafter geworden, er wirkte nicht mehr ganz so alt wie zuvor und das ein oder andere Mal entwischte ihm ein kurzes Lächeln, das sein Gesicht für den Bruchteil einer Sekunde aufleuchten ließ. Als ich ihn fragte, ob er wissen wolle, wer die Morde verübt hatte, schwieg er wieder einmal für ein paar Tage. Er war nachdenklich und fast wieder so in seine Gedanken versunken wie früher. Für einen Tag war er wieder einmal in sein dunkles Verließ eingesperrt.

Ich hatte schon Bedenken und auch Angst, dass er nicht mehr heraus kommen würde, dass ihn seine Erinnerung derart betrügen würde. Doch dann kroch er wieder langsam daraus hervor, und nach ein paar weiteren Tagen war er wieder ganz da.
 

Louca sah mich mit großen, fast kindlich wirkenden Augen an und sagte,

wie so nebenbei: „Ich weiß nicht, was du damit sagen willst. Die Täter wurden doch nie gefasst.“ Sein Ton war trotzig, fast schon quengelig, aber es schwang auch ein anderer Unterton mit. Angst. Er wusste es also doch. War sein Erinnerungskäfig aufgebrochen wie ein Ei? Wollte das Etwas darin endlich der Dunkelheit entweichen und Licht sehen? Für mich war es genau das, es wollte wieder Sonnenstrahlen spüren, warme, schmeichelnde Sonnenstrahlen. Ich habe ihn nie wieder darauf angesprochen, denn ich wollte ihm noch ein bisschen Frieden gönnen, wenn es auch ein tückischer Frieden war. Doch er schien es nicht so zu empfinden, im letzten Jahr, das er zu leben hatte, traute er sich sogar wieder an ein Klavier. Zwar waren seine Züge schmerzverzerrt während er spielte, als ob ihn jede einzelne Taste, die er berührte, in seine Finger schneiden würde und einen kleinen, blutenden Riss zurückließe.

Aber trotzdem hatte er währenddessen ein leichtes Lächeln auf dem Gesicht, das ihn um Jahrzehnte jünger erscheinen ließ.
 

Louca hatte bemerkt, dass er es geschafft hatte, alles über dieses Verbrechen zu vergessen, seine Erinnerung einzusperren in einen dunklen Käfig, tief in sich vergraben. Seine Erinnerungen waren von ihm selbst so manipuliert worden, dass er nicht daran denken musste, was er an diesem Morgen getan hatte. Er hatte damit nichts zu tun, er war nur das Opfer, er hatte sie gefunden, er konnte sie doch gar nicht töten, er hatte doch am Flügel gesessen und gespielt. Woher hätte er das Gift haben sollen, wieso hätte er sie ermorden sollen? All diese Gedanken mussten ihm direkt nach dem Geschehen durch den Kopf gegangen sein. Daraufhin beschloss er für sich, dass er nicht daran schuld war, er hatte geübt, nichts gehört, war taub gewesen und der Täter war nie gefasst worden.
 

Immer wieder erzählte er mir von seiner großen Leidenschaft, dem Klavierspielen. Seit er in einem kleinen Musikgeschäft mit seinen Händen über die hölzernen Tasten eines Klaviers gestrichen hatte, hatte er ununterbrochen gespielt, geübt und sich verbessert. Louca hätte Erfolg haben können, er hätte seinen Lebensunterhalt damit verdienen und Karriere machen können. Aber es war nur einer seiner vielen, verzweifelten Versuche gewesen, um die Fürsorge seiner Eltern zu wecken und ein bisschen Liebe zu ergattern. Das er noch dazu so viel Talent hatte, war ihm nur recht gewesen.
 

Doch trotz unzähliger gewonnener Wettbewerbe, guten Noten in der Schule und einem tadellosen Benehmen war es ihm nicht gelungen, auch nur das kleinste Bisschen Anerkennung und Bestätigung von seinen Eltern zu bekommen. Seine Schwester war das Wunschkind gewesen, sie war alles, was er immer sein wollte und doch niemals sein konnte. Eigentlich wollten seine Eltern nur ein Kind und das war seine Schwester gewesen, hübsch, talentiert, einen gutmütigen Charakter, in den Augen seiner Eltern das perfekte Kind. Ihr perfektes Kind. Wohingegen er ein „Unfallkind“ gewesen war. Ungewollt. Seltsam anders, nicht einmal seine Eltern hatten ihn je verstanden. Immerzu hing er an seinem Flügel, spielte, spielte und spielte von Sonnenauf-, bis Sonnenuntergang. Als sich seine Eltern scheiden ließen, entschied sich die Mutter ihn zu behalten, sein Vater verstand seine Liebe zur Musik nicht annähernd und hasste dieses riesige Instrument in seinem Wohnzimmer, das in seinen Augen nur Krach machte. Seine Mutter bemühte sich, empfand es jedoch trotzdem nicht als richtig, dass er die Schule und seine Freunde vernachlässigte, nur um andauernd am Flügel zu sitzen und zu spielen.
 

Louca beneidete seine Schwester. Während er um jedes Quäntchen Anerkennung flehen musste, wurde seine Schwester damit überschüttet. Spätestens als sie ankündigte, ein Baby zu bekommen, waren seine Eltern nur noch damit beschäftigt sich um das Baby und seine junge, hübsche, intelligente Mutter zu kümmern. Für ihren ungewollten Sohn blieb keine Zeit. Zwar hängte seine Mutter immer brav seine Plakate auf, aber sie wohnte nie einem Konzert bei oder hörte ihm beim Spielen zu. Aber er brauchte Fürsorge, also wollte er sie sich erzwingen, egal mit welchen Mitteln und zu welchem Preis. Er fasste einen Entschluss, doch am Ende bereute er diesen so sehr, dass er seine Erinnerung daran verbannte und sich durch seine seelische Selbstverstümmelung quälte, in der Hoffnung, alles zu vergessen. Doch dies sollte ihm nicht vergönnt sein. Als er an jenem Tag, der sein letzter sein sollte, in seinem Schaukelstuhl zusammensank, empfand ich

beinahe so etwas wie Mitleid für ihn. Ich konnte nicht anders, als ihm seine Bitte nicht abzuschlagen und das Wie für immer zu verschweigen. In den Akten der Morde steht immer noch ein „ungelöst“. Seit diesem Mord befand sich Louca in einer Klinik, er baute sich in seiner überaus fantasiereichen Vorstellung daraus eine Villa, die ihm allein gehören würde und verhielt sich, als ob er ganz allein dort leben würde und ihm Diener die Mahlzeiten bringen würden. Auch wenn er irgendwo doch wusste, dass es eine Klinik war, wollte er nicht daran erinnert werden, also versprach ich ihm auch dies niemandem zu erzählen.
 

Noch heute ist mir unbegreiflich, wozu ein menschlicher Verstand fähig ist. Louca jedenfalls baute sich sein eigenes, ganz persönliches Leben.

Sein persönlicher Albtraum, aus dem es kein Entkommen gab.
 

~ Ende ~
 

Das wars dann auch schon ^^ kurze Geschichte, ich weiß... (aber die Vorgaben waren nunmal so...)

Wäre schön, wenn ihr Lust habt, auch mal in meine alten FFs reinzuschaun (oder die Neue, wenn das denn je was werden sollte ^^)!

~Sakashi~



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