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Drachenrache

von

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Aufbruchsstimmung

Langsam schob sich die Dunkelheit über das Haus und ließ alles in und um es verdunkeln. Nur in einem Zimmer brannte noch etwas Licht, das Licht von ein paar an die Wand montierten Fackeln. Sie spendeten nicht viel Licht, doch es genügte noch, schließlich war es noch nicht ganz dunkel, sodass das Licht der Welt auch noch in das Zimmer fiel.

Für Menschen war es ein großes Zimmer, zehn Schritt in der Länge und fünf Schritt in der Breite. Oft mussten drei Familien auf solch einer Größe leben. Doch für Drachen war es Durchschnitt, je nach Drachenart war es sogar noch zu klein.

Trotzdem empfand es der Schwarzdrache als zu groß, als zu unheimlich. Jetzt, da seine Familie tot war, wollte er hier nicht mehr bleiben. Morgen wollte er in Richtung der Drachenhauptstadt aufbrechen und seinen Freund suchen, der ihm vielleicht mehr sagen konnte, warum seine Schwester von drei Kupferdrachen vergewaltigt wurde.

Gerade war er dabei, sein Zimmer nach Sachen zu durchsuchen, die er mitnehmen würde. Im einzigen Schrank, der nur so große wie ein Menschenkleiderschrank war, befanden sich die Habseligkeiten des Drachen. Etwas Gold, dass er sich angespart hatte, ein paar Erinnerungen an alte Tage, so zum Beispiel Steine und Hölzer, die seine Schwester und er auf ihren Abenteuern gefunden haben, und eine Kiste, tief vergraben unter schmutzigen Lumpen, die zur täglichen Wäsche unten am Bach gedacht waren. Langsam schob er die Lumpen beiseite und zog die Holzkiste heraus. Es war eine kleine Holzkiste, einen halben Schritt breit, fünfundzwanzig Finger lang und zwanzig Finger hoch. Ein Grinsen huschte ihm über das Gesicht, als er sich daran erinnerte, was sich in der Kiste befand.

Er stellte sie auf dem Tisch, der unter einem der beiden Fenster des Raumes stand, und öffnete sie. In ihr befanden sich mehrere Papiere, gerollt und gefaltet, und ein Schlauch mit einer öligen Substanz gefühlt. Er nahm eins der Papiere heraus und entrollte es langsam. Eine nackte Elfe mit viel zu großen Brüsten und weite gespreizten Beinen kam zum Vorschein. An den Rändern konnte man Fettflecke erkennen. Es war eins der Bilder, mit denen er sich ganz gerne in die Schlafecke zurückgezogen hatte, um dort zu entspannen. Das Öl war dazu da, damit die Entspannung länger andauerte. Das war jedenfalls seine Interpretation von Selbstbefriedigung, welche unter den Drachen und unter allen anderen Völkern offiziell verpönt war, teilweise sogar als Unzucht verboten, doch am Ende tat es jeder. Artagos vermutete sogar, das es seine Schwester tat, doch genauer wolle er sich damit nicht befassen. Zwar waren sie immer sehr offen zu einander gewesen und hatten auch schon des öfteren mit einander am Körper gespielt, doch damals waren sie noch jung und hatten keine Ahnung, für was die Dinger einmal gut sein sollen. Mit den Jahren änderte sich das Verhältnis in diesem Bezug. Sie zogen sich zurück, achteten mehr auf ihre Privatsphäre, doch redeten immer noch mit einer gewissen Distanz und Respekt vor dem Intimleben des Gegenübers miteinander.

Wenn Artagos im Nachhinein an die Zeit mit seiner Schwester dachte, fragte er sich, was in den drei Jahren passiert war. Er kannte sie als fröhliche, selbstbewusste Drachin, die sich von niemandem Regeln aufbinden ließ. Doch als sie unten in der Küche auf dem Boden lag, gefesselt und festgehalten, konnte er nichts mehr davon erkennen. Sie ließ es sich über sich ergehen, was total untypisch war. Auch konnte er auf ihrem Leichnam keine Spuren von Kämpfen sehen. Was war hier los? Warum starb sie? Ich weiß, dass eine Vergewaltigung schlimm ist, keine Frage. Aber so, wie ich sie kenne, dürfte sie dann nicht sterben, sondern 'nur' seelisch verletzt sein. Die Fragen um die letzten drei Jahre hatten sich wie ein Korsett um sein Gehirn gelegt, er hatte Kopfschmerzen, ihm wurde schlecht und es plagten ihn starke Selbstzweifel. Darum wollte er weg. Weit weg. Nach seinem Freund suchen. Ihn fragen, um Hilfe bitten. Was er wollte war nicht viel. Antworten, nur antworten. Die Wahrheit, egal wie hart sie war.

Doch je mehr er sich mit den Fragen befasste, desto unsicher wurde er. Ob Tragomis mich noch erkennt? Oder ob er auch so abweisen ist, wie die Drachen hier im Dorf? Warum sind sie überhaupt so abweisend? Soll ich überhaupt in die Hauptstadt gehen? Aber was sonst soll ich denn tun? Hier kennt mich doch kaum jemand. Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als doch in die Hauptstadt zu reisen. Dann schob er die Gedanken an die Zukunft beiseite und machte sich weiter an das Packen seiner Sachen.

Aus seiner Zeit als Alchemielehrling hatte er einige praktische Dinge gelernt, die ihm seiner Meinung nach noch nützlich werden können. So kannte er mehrere Kräuter, die die Wundheilung förderten und gleichzeitig verhinderten, dass sie sich entzündeten. Er wusste, welche Kräuter man wie zusammen mischen musste, um eine berauschende Wirkung zu erzielen. Zumindest hatte er sich alles in ein Buch gezeichnet und geschrieben, sodass er davon überzeugt war, die wichtigsten Dinge zu beherrschen. So packte er das Buch und die Zeichnungen mit den freizügigen Elfen in seinen ledernen Rucksack. Darauf kamen ein Packen Lumpen zur Reinigung von praktisch allem sowie ein Beutel mit den benötigten Utensilien, die man benötigte um Feuer zu erzeugen.

„So, was benötige ich noch?“ murmelte er und ging noch einmal seine Sachen durch. Dabei fiel ihm auf, dass er seinen Geldbeutel noch nicht eingepackt hatte. Dieses Vergessen behob er sogleich. „Okay, jetzt dürfte ich alles haben, was ich brauche, um morgen loszureisen.“ Er stellte den Beutel neben die Zimmertür und ging zu einem der Fenster, um ein letztes Mal das Dorf nachts zu sehen.

Es war immer ein besonderer Anblick, wenn in den Fenstern der Häuser langsam, aber sicher Lichter angingen und man Schattenspiele der Bewohner sehen konnte. Wenn man sein Licht löschte und sich auf die Lauer legte, konnte man praktisch alles legales sehen, vom Drachenvater, der dafür sorgte, dass die ungeschlüpften Eier immer genügend Wärme hatten, bis hin zum leidenschaftlichen Sex zwischen zwei Drachen. Zwar hatten die Fenster der Häuser in der Regel alle Fensterläden und Gardinen, doch im Sommer wurden sie oft offen gelassen, damit es im Zimmer kühler wurde.

Doch jetzt interessierte Artagos sich weniger für die Häuser und ihre Bewohner als viel mehr für den Nachthimmel. Es war eine sternenklare Nacht, in der man keinen der beide Monde sehen konnte. So konnte der junge Schwarzdrache ungestört die Sterne betrachten. Sie gaben ihm immer noch viele Rätsel auf und je mehr er versuchte zu beantworten, desto mehr kamen hinzu. Er begann allmählich daran zu glauben, dass es die Götter gab und sie mit den Kreaturen der Welt ihre Spielchen spielten. Ob es zum Plan eines der Götter gehört, dass ich meine Familie verloren habe? Ob es mein Schicksal ist? Oder nur purer Zufall? Ich wünsche mir so sehr, dass es ihnen jetzt gut geht, egal wo sie sind. Ich hoffe, dass sie ihren Frieden gefunden haben und nicht mehr Angst haben müssen. Ob sie mir hier zuschauen, wie ich hier am Fenster stehe und den Himmel ansehe, in der Hoffnung, die Antworten auf meine Fragen zu finden? Oder ob sie sich mit meinem Vater unterhalten? Wenn er denn schon tot ist... Wo bist du, Papa? Ich habe noch so viele Fragen an dich. Warum bist du nicht da? Warum ist der Himmel blau? Ich bin jetzt fast erwachsen und weiß doch nichts über meine Welt. Es zerfrisst mir die Seele. Bei den letzten Sätzen, den Fragen an seinen Vater, schossen ihm die Tränen in die Augen. Er fühlte sich einsam wie ein Tier, dass im Wald ausgesetzt wurde, weit weg von der Familie, die es nicht mehr haben wollte.

So lag er dort unter dem Fenster, den Kopf unter dem linken Flügel versteckt und weinte. Es kam nicht häufig vor, dass er weinte. Er kam sich dabei so schlecht vor, so als könnte er sich nicht beherrschen.

Ein kühler Wind wehte durch das Zimmer und riss den jungen Drachen aus seiner Trauer. Wenn ich etwas erreichen will und mich richtig anstrenge, dann werde ich auch diesen Schlag des Schicksals überleben. Langsam stand er auf, griff zu einem Lumpen, den er vergessen hatte, und wusch sich damit die Tränen von der Schnauze.

Kurze Zeit später hatte er sich eine Fackel von der Wand genommen und ging in Richtung der Küche. Er hatte Hunger.

In der Küche war es dunkel, lediglich das Licht der Sterne und der Fackel gaben spärlich Licht. Gut konnte man das dunkle, halb eingetrocknete Blut der Drachen erkennen, die hier ihr Leben gelassen hatten. Die Leichen befanden sich in einer Ecke der Küche, der nicht mehr genutzt wurde. Was aus ihnen wird, das konnte Artagos nicht sagen. Vielleicht bemerken die Dorfwachen sie irgendwann, vielleicht verrotten sie. Zwar hätte Artagos gerne ein Verbrennung im Tempel für seine Schwester gehabt, doch dann müsste er so viel erklären, wobei am Ende doch nur raus kommen würde, dass er nur sein Haus verteidigen wollte, was das Recht eines jeden Drachen ist. Diese Wochen, wenn nicht Monate, wollte er nicht warten, schließlich bestand immer noch die Gefahr, dass die Kupferdrachen hier doch einmarschieren und ihren Krieg gegen das Reich der Drachen der Mittelberge führen. Dann würde es hier sehr schnell sehr heiß werden. Und er hatte keine Lust jetzt schon zu sterben, nicht zu wissen, was mit seiner Schwester und was mit seiner Mutter passiert ist.

Er suchte in dem dunklen, großen Raum nach dem Vorratslager, einer kleinen Kammer. Kurze Zeit später fand er sie auch und suchte in ihr etwas zum Essen. Viel mehr als zwei Hartwürste, etwas Wein und einen Laib Brot konnte er jedoch nicht finden. Viel ist das ja nicht gerade. Aber besser als nichts.

Nachdem er die Würste und das Brot herunter geschlungen hatte, trank er den restlichen Wein, etwa zwei Bierkrüge der Menschen voll, und begab sich dann zu Bett. Er war durch die Reise hier her und den Tag sehr müde geworden.



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